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Metropolitan: Tödliche Intrigen
Metropolitan: Tödliche Intrigen
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eBook378 Seiten5 Stunden

Metropolitan: Tödliche Intrigen

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Über dieses E-Book

Ich lebe mit Mutter und Schwester friedlich in der kleinen Stadt Elea in der Gemässigten Zone. Es ist nicht gerade das Paradies, die Gassen sind dreckig und die Häuser heruntergekommen, aber es lässt sich leben. Das jedoch ändert sich augenblicklich, als ich während der Jagd in den Ruinen eines Tempels einen seltsamen Stab entdecke und ungeahnte Kräfte in mir erwachen...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum29. Dez. 2014
ISBN9783735706362
Metropolitan: Tödliche Intrigen
Autor

Rafael Frei

Rafael Frei ist 1996 in Zürich geboren und lebt und arbeitet auch heute noch dort. Schon früh zeigte sich sein Interesse an der Literatur, das sich im Laufe der Zeit dann vermehrt auf Fantasy konzentrierte. Im Alter von 15 Jahren begann er mit dem Auftakt zur Metropolitan-Saga, welche er nun mit seinem zweiten Roman fortsetzt.

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    Buchvorschau

    Metropolitan - Rafael Frei

    Das Buch

    Ich lebe mit Mutter und Schwester friedlich in der kleinen Stadt Elea in der Gemässigten Zone. Es ist nicht gerade das Paradies, die Gassen sind dreckig und die Häuser heruntergekommen, aber es lässt sich leben. Das jedoch ändert sich augenblicklich, als ich während der Jagd in den Ruinen eines Tempels einen seltsamen Stab entdecke und ungeahnte Kräfte in mir erwachen.

    Der Autor

    Rafael Frei ist 1996 in Zürich geboren und lebt und arbeitet auch heute noch dort. Schon früh zeigte sich sein Interesse an der Literatur, das sich im Laufe der Zeit dann vermehrt auf Fantasy konzentrierte. Im Alter von 15 Jahren begann er mit dem Auftakt zur Metropolitan-Saga und feiert nun sein Debüt im Buchhandel.

    Die Metropolitan-Saga

    Tödliche Intrigen

    Blutige Fehden

    Grausame Kriege

    >>Die besten Bücher sind die,

    von denen jeder Leser meint,

    er hätte sie selbst machen können.<<

    Blaise Pascal

    Inhaltsverzeichnis

    Teil 1: Tränen

    Die Gemässigte Zone

    Die Kalte Zone

    Träume

    Die Brücke

    Die Mauer

    Der Stein

    Die Beschatter

    Teil 2: Frieden

    Die Festung

    Der Lehrer

    Wahrträume

    Die Festung

    Teil 1

    Tränen

    Die Gemässigte Zone

    Als ich die Augen aufschlage, ist es still. Weder Mutter noch Tess sind bereits wach. Ich habe mal wieder schlecht geträumt. Es ist sechs Uhr morgens. Schwerfällig stehe ich auf, ziehe meine Hose an und tappe halb blind ins Badezimmer. Nachdem ich mich dort einigermassen ansehnlich gemacht habe, gehe ich in die Küche hinunter, um das Frühstück vorzubereiten.

    An der Wand gegenüber der Spüle hängt ein altes Bild von uns vier. Mutter scheint glücklich zu sein, Vater ebenso. Tess sieht aus wie immer, froh und übermütig. Manchmal frage ich mich, woher sie diese Lebensfreude nimmt.

    Nach einem Blick in den Kühlschrank stelle ich fest, dass uns das Fleisch ausgeht. Ich muss wieder jagen gehen. Das wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, Tess das erste Mal mitzunehmen. Mittlerweile wird sie wohl alt genug dafür sein.

    >>Kannst du nicht schlafen?<<, ertönt es da plötzlich hinter mir.

    Das sagt gerade sie. Junge zwölf Jahre alt und um viertel nach sechs bereits auf den Beinen.

    >>Als ich in deinem Alter war, lag ich um diese Zeit noch im Bett.<<, murmle ich.

    Da hatten wir ja auch noch Vater, fahre ich in Gedanken fort. Der ist damals, ich war gerade einmal elf, einfach verschwunden und seitdem haben wir nie mehr etwas von ihm gehört, geschweige denn gesehen.

    Ich bin jetzt siebzehn, also müssen Mutter und ich uns irgendwie durchbringen. Die Schule ist zum Glück obligatorisch und kostenlos, doch da hier in Elea keine vermögenden Leute wohnen, verfügen wir über nicht auch nur annähernd so gut ausgebildete Lehrer wie die Bewohner des Metropols.

    Das Metropol ist das Zentrum der vier Zonen und beherbergt sowohl die reichsten Bürger, als auch die Regierung. Wir im Osten kümmern uns um das Getreide, der Norden betreibt Minen, der Westen mit seinen Wüsten ist bekannt für Glas, Geschmeide und Ähnliches und der Süden ist seit dem nuklearen Krieg 2143 unbewohnbar.

    Es heisst, dass es dort davor sehr fruchtbar gewesen sei. Das Land war einst offenbar berühmt für seinen Fisch, aber wer kann das schon mit Sicherheit sagen. Nordamerika existiert nicht mehr. Wir leben jetzt. Was früher gewesen ist, spielt keine Rolle.

    Das Frühstück ist fertig und ich stelle es auf den Tisch. Während wir essen, erkläre ich Tess, dass ich sie heute mit auf die Jagd nehmen werde. Überdreht wie immer lacht sie mir ins Gesicht und versichert mir, dass sie sich sehr darauf freue.

    Meine kleine Schwester ist zwar immer ausgelassen, doch wenn sie sagt, dass sie sich freut, meint sie es auch wirklich so. Diese direkte Ehrlichkeit ist eine Eigenschaft, die ich überaus an ihr schätze.

    Als Vater mich das erste Mal mitnahm, hatte ich tierische Angst, dass sie uns erwischen würden. Das würde in einer saftigen Geldbusse oder allenfalls sogar Gefängnisstrafe resultieren. Das Jagen ist hier verboten, ausser man besitzt ein Patent dafür, was wir uns nicht leisten können.

    Also wildere ich illegal in den Wäldern, um unseren Kühlschank aufzustocken und falls die Jagd sehr gut ausfällt, kann ich damit auch noch einen kleinen Beitrag für die Familienkasse stiften. Wir sind zwar keineswegs arm, aber auch nicht gerade gut situiert, sodass dies uns jeweils sehr willkommen ist.

    Nachdem wir gegessen haben, mache ich mich an den Abwasch, während Tess sich anziehen geht. Anschliessend nehme ich mir meinen Bogen, wir ziehen passende Schuhe an und schlüpfen aus dem Haus. Mutter wird noch lange schlafen, sie hat gestern bis spät auf unserem Feld gearbeitet.

    In diesem Teil der Gemässigten Zone, genannt der Wald, wimmelt es normalerweise nur so von Menschen, die von den Äckern kommen oder sich auf den Weg dorthin machen. So früh am Morgen ist jedoch alles leer. Keiner ist schon wach, was auch besser so ist. Weniger Beobachter bedeuten eine kleinere Gefahr, pflegte Vater immer zu sagen, wenn wir uns noch vor Sonnenaufgang auf die Jagd machten.

    Während ich die Strasse entlanggehe, betrachte ich die heruntergekommenen, zweibis dreistöckigen Häuser, die im Erdgeschoss früher teilweise Geschäfte beherbergten. Mittlerweise haben wir keine Läden mehr. Um einzukaufen muss man zwei Stunden metropolwärts gehen, in die nächste grössere Stadt, Tepali.

    Ich bin nur selten dort. Mutter erledigt die Besorgungen, da sie die Händler länger kennt und genau weiss, wo man gute Qualität für einen anständigen Preis bekommt. Sie verkauft auch das Fleisch, wenn wir welches im Überfluss haben. Für Reh oder Hirsch zahlen die Leute nicht schlecht.

    >>Woran denkst du?<<, schreckt mich Tess aus meinen Gedanken.

    >>An Rehe und Hirsche.<<, antworte ich ihr, >>Ich habe schon lange kein Wild mehr geschossen. Hoffen wir, dass uns heute etwas Grosses über den Weg läuft.<<

    Sie lächelt mich an. Tess liebt Wild, wie es Mutter zubereitet. Einmal habe ich mich daran versucht und musste anschliessend selbst zugeben, dass es kaum halb so gut schmeckte.

    Wir sind bald im Wald, Elea ist klein. Es gibt nur etwa vierzig Häuser, alle längst nicht mehr ansehnlich, und dazwischen düstere, schmale Strassen.

    Das Paradies sieht anders aus, aber ich nehme an, dass es schlimmere Orte gibt. In der Kalten Zone, so erzählt man sich, leben Menschen in Häuserruinen, denen eine Wand oder sogar das Dach fehlt. Da ist mir unser kleines Häuschen doch einiges lieber.

    Hasenspuren, noch frisch. Ich mache Tess darauf aufmerksam und erkläre ihr, wie man eine Tierspur liest. Sie scheint jedoch irgendwie gelangweilt, als ob sie das schon wüsste. Wie kann das sein? War sie etwa verbotenerweise im Wald? Fragend blicke ich ihr direkt ins Gesicht, ziehe eine Augenbraue hoch und tatsächlich, sie wird rot.

    >>Ich… Ja, ich weiss…<<, setzt sie an.

    >>Ist schon gut. Ich war auch des Öfteren hier draussen, als ich noch nicht durfte. Es ist durchaus von Vorteil, wenn du bereits ein Gefühl für den Wald hast.<<

    Sie grinst, richtet sich wieder auf und folgt der Spur. Ich hefte mich an ihre Fersen und wir machen uns gemeinsam auf die Suche nach dem Erdbau.

    >>Wie war es, mit Vater zu jagen?<<, will sie unvermittelt von mir wissen.

    Tess war gerademal fünf Jahre alt, als Vater verschwand. Sie ist eigentlich ohne ihn aufgewachsen. Wie das wohl gewesen sein muss, in diesem Alter aufzuwachen und festzustellen, dass der eigene Vater ohne einen ersichtlichen Grund weg ist? Ich will es mir gar nicht ausmalen.

    Also versuche ich, ihr alles so farbenprächtig und lebhaft zu erzählen, wie ich es erlebt habe. Nachdem ich mich erst daran gewöhnt hatte, dass man während der Jagd still sein muss – was mir wirklich schwerfiel, da ich ansonsten sehr viel rede –, fand ich grossen Gefallen daran. Mittlerweile liebe ich es, mich völlig unsichtbar an eine Beute anzupirschen.

    Zu Beginn musste ich einige Fehlversuche einstecken, wobei ich die Beute dann jeweils verjagte. Das stimmte Vater jedes Mal etwas missmutig, Mutter aber regte ihn immer wieder an, mich mitzunehmen und irgendwann konnte ich es genauso gut wie er. Darauf war er unglaublich stolz. Von da an begleitete ich ihn häufig auf Jagd.

    Und dann verschwand er. Da wir auf das Fleisch angewiesen sind, war ich bis heute alleine jagen, doch das Gefühl ist nicht mehr dasselbe. Ich hoffe immer noch, dass Vater gute Gründe für sein Verschwinden hatte. Die Idee, dass er ohne einen triftigen Anlass gegangen sein könnte, ertrage ich nicht.

    >>Da! Hast du das Reh gesehen?<<, reisst mich Tess’ aufgeregtes Flüstern aus meinen Gedanken.

    Sofort bin ich wieder in der Gegenwart und bevor ich fragen kann, antwortet sie mir auch schon.

    >>Es grast am anderen Ende dieser kleinen Lichtung.<<, sie zeigt nach links ins Gehölz, >>Ich warte dann hier, ja?<<

    Ich nicke und gehe in die Richtung, in die Tess gedeutet hat. Ein Reh? Das wäre perfekt. Wir könnten Mutter eine Überraschung machen und es gäbe ein gutes Abendessen.

    Als ich mich meiner Beute nähere, bewege ich mich unbewusst langsamer, so leise wie möglich und meinen Bogen habe ich schon in den Händen, bevor ich mich selbst fragen kann, wann ich ihn mir von der Schulter gestreift habe.

    Da ist die Lichtung und auch das Reh. Leider stehe ich falsch. Der Wind würde meinen Geruch zum Tier hintragen, wenn ich länger an dieser Stelle verweilen würde. Also laufe ich einen Bogen, immer noch darauf bedacht, hektische Bewegungen zu vermeiden. Kurz bevor ich an meinem Ziel angekommen bin, breche ich jedoch unvermittelt mit dem linken Bein im Unterholz ein. Ich drohe schon zu stürzen, kann mich jedoch glücklicherweise gerade noch auffangen.

    Das Reh scheint von all dem nichts gemerkt zu haben und grast immer noch seelenruhig am Rande der baumfreien Fläche. Undeutlich nehme ich etwas wahr, das weiter nördlich zwischen dem Blätterwerk durchblitzt. Für den Moment jedoch verdränge ich es, das Reh ist wichtiger.

    Ich lege an, ziele und lasse den Pfeil los. Mit einem scharfen Surren fliegt er direkt auf das Herz des Tiers zu und kurze Zeit später bin ich auch schon bei ihm und rufe nach Tess. Lächelnd tritt sie aus dem Buschwerk.

    >>Ich wusste, dass du es erlegst. Dich schlägt im Bogenschiessen so schnell keiner!<<

    Schmunzelnd erkläre ich ihr, dass ich kurz etwas überprüfen möchte, ob sie solange auf unsere Beute achtgeben könne. Natürlich kann sie. Während ich davonlaufe, frage ich mich, ob sie mir jemals eine solche Bitte abgeschlagen hat. Nicht, dass ich wüsste.

    Ich brauche einige Minuten, bis ich die Unregelmässigkeit im Dickicht wiedergefunden habe. Es handelt sich um eine Ruine, welche auf ein einst prachtvolles Haus schliessen lässt, das einem Tempel ähnlich gewesen sein muss. Sie ist wie zufällig von einem Kreis dichter Bäume und Büsche umgeben, sodass man das Bauwerk auch übersehen kann, wenn man sich bereits in seiner unmittelbaren Nähe befindet.

    Da eine der vier Wände eingestürzt ist, kann man hineinblicken, das obere Stockwerk steht aber noch. Vor dem Gebäude befindet sich ein Platz, worauf wilde Stachelfrüchte wuchern. Die Sträucher dieser süsslich schmeckenden Früchte haben fiese Stacheln und kurz bevor ich es zum Haus geschafft habe, verwickle ich mich dermassen, dass ich stehen bleiben muss, um mein Bein aus der dornigen Umklammerung zu lösen.

    Ich bin beinahe schon wieder frei, als ich plötzlich feststelle, dass ich mit dem anderen Bein weiter einsinke, tiefer und tiefer. Dann spüre ich seltsamerweise einen kühlen Lufthauch und bevor ich mich fragen kann, wie das kommt, erfahre ich es auch schon.

    Der Grund dafür ist eine unterirdische Gruft, in die ich in der nächsten Sekunde mit lautem Getöse und Unmengen an Erde und Steinen hinabfalle. Reflexmässig bedecke ich mein Gesicht und kann das Schlimmste verhindern, bleibe nach dem Aufprall aber dennoch einige schmerzvolle, mir endlos vorkommende Sekunden liegen, ehe ich langsam aufstehe und mir den Staub von den Kleidern klopfe.

    Der Raum scheint gross zu sein und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann ich trotz dem wenigen Licht erkennen, dass es sich nicht um eine natürliche Höhle handelt. Die Wände bestehen aus grob behauenen Steinen und der Boden ist mit viereckigen, glatten Platten ausgelegt.

    Irgendwo in der Dunkelheit vor mir glüht etwas bläulich. Als ich beginne, in diese Richtung zu gehen, stolpere ich jedoch über eine Stufe und falle beinahe erneut. Das Ganze hat gewisse Ähnlichkeiten mit einem Altar, was auch gut zu einem Tempel passen würde. Aber ein Altar wofür? Und wieso würde jemand diesen mitten im Wald bauen?

    Das Schimmern scheint seinen Ursprung auf dem Schrein zu haben und ich stelle fest, dass es im Rhythmus meines stark pochenden Herzens pulsiert. Beim Nähertreten wird es gleichmässig heller, bis ich problemlos erkennen kann, worum es sich handelt.

    Es ist ein Wanderstab, dessen Länge etwa meiner Grösse entspricht. Das Holz ist über und über mit filigranen Ornamenten bestückt, die kunstvoll eingeschnitzt wurden. Die Maserung lässt auf Ebenholz schliessen, was an sich schon seltsam genug ist, da man diese Bäume hier bei uns nur äusserst selten anfindet.

    Nach kurzem Überlegen siegt die Neugier und ich greife zu. Der Stab liegt für massives Holz viel zu leicht in der Hand, was jedoch bei weitem nicht das Bizarrste ist. Kaum berühre ich das Holz, sehe ich plötzlich alles trotz der Dunkelheit ganz klar, fühle jede einzelne Unebenheit im Boden unter meinen Füssen, höre das schlagende Herz einer Ratte in einem Winkel rechts von mir und… Kampfgeräusche.

    Tess!, schiesst es mir durch den Kopf. Mit zwei drei riesigen Sätzen stehe ich wieder unter dem Loch, durch welches ich gestürzt bin. Meine Gedankengänge wirbeln nur so hin- und her, doch nach nur wenigen Sekunden habe ich eine Möglichkeit gefunden, die Höhle zu verlassen. Erst einmal oben angekommen, machen mir auch die Stachelfrüchte keine Mühe mehr. Es scheint beinahe so, als würde ich über den Waldboden schweben.

    Zurück bei der Lichtung, erfasse ich mit einem Rundumblick die Lage. Tess ist von drei schwarz vermummten Gestalten umringt, die sie dazu drängen, von dem Reh – unserem Reh – wegzutreten. Dann erst bemerke ich das Schlimmste. Sie wurde an der Brust verletzt. Zwar scheint die Wunde nicht tief zu sein, dennoch breitet sich auf ihrem Oberteil bereits ein erschreckend grosser Blutfleck aus.

    Wie wild stürze ich mich auf die drei Angreifer, den Stab immer noch in der Hand. Kommt es mir nur so vor, oder erschaudern sie, als sie mich sehen? Jetzt bin ich definitiv froh, dass ich das Kleinod nicht einfach liegen gelassen habe. Ohne den Stock hätte ich hier keinerlei Aussichten, heil davonzukommen.

    So bewaffnet jedoch sieht es aus, als ob ich eine Chance hätte, obwohl einer meiner Widersacher kurzerhand einen Dolch zückt. Lauernd umkreisen sie mich und suchen vergebens nach einer Lücke in meiner Verteidigung. Vater hat mich früh gelehrt, im Kampf die eigenen Schwachstellen zu minimieren.

    Unerwarteterweise springt mich einer meiner Gegner an, woraufhin ich einen Seitenschritt mache und ihm mit dem Stab die Beine unter dem Leib wegfege. Er fällt der Länge nach hin und bleibt benommen liegen. Die beiden anderen hingegen scheinen mehr Kampferfahrung zu besitzen. Einer bleibt vor mir stehen, der zweite, den Dolch immer noch in der Hand, umkreist mich und positioniert sich hinter mir.

    Der darauffolgende Angriff fällt einiges raffinierter aus, sodass ich einige Tritte, Schläge und auch eine mittelgrosse Schnittwunde am Arm einstecken muss. Das Kräfteverhältnis scheint jedoch mehr oder weniger ausgewogen. Die Minuten vergehen und das Gleichgewicht verschiebt sich hin und her, doch keine der beiden Seiten landet einen wirklich ausschlaggebenden Treffer. Niemand gewinnt die Oberhand, keiner geht zu Boden.

    Über meine Kondition jedoch verfügen sie nicht und so verschwinden sie, nachdem ich dem kleineren der beiden zum Abschied noch das Ende des Stabes hart in den Bauch gerammt habe, zwischen den Bäumen am Rande der Lichtung. Der dritte Vermummte liegt immer noch besinnungslos wenige Meter neben mir auf der Wiese, doch ich schenke ihm nur einen flüchtigen Blick. Tess ist wichtiger, ihre Bluse ist mittlerweile regelrecht blutüberströmt.

    >>Es tut mir leid! Ich… Ich habe nicht viel... ausrichten können.<<

    Tränen laufen mir über die Wangen. Sie entschuldigt sich allen Ernstes dafür, dass sie nichts bewerkstelligen konnte? Tess ist zwölf, was hätte sie denn schon gegen drei ausgebildete Kämpfer machen sollen?

    Schluchzend erkläre ich ihr, dass es mir leidtue, dass ich sie alleine gelassen habe, doch sie schneidet mir das Wort ab.

    >>Muss es nicht und ich verzeihe dir. Ich liebe dich und Mutter auch. Richte ihr das aus, ja? Und… falls du ihn noch einmal treffen solltest, Vater liebe ich ebenfalls.<<

    Mein Sichtfeld verschwimmt. Ich wische die Tränen und den Rotz jedoch blindlings am Ärmel ab und will schon etwas erwidern, Tess kommt mir jedoch zuvor.

    >>Versprichst du mir, dass du dich gut um Mutter kümmern wirst?<<

    Ich verspreche es und sie nickt langsam, wobei sie schmerzerfüllt das Gesicht verzieht.

    >>Danke.<<

    Und dann, mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen, schliesst sie die Augen. Tess ist fort, hat mich alleine gelassen. Sanft bette ich sie ins Gras und spüre, wie sich meine gesamte Wut auf einen Schlag entlädt.

    Mit Tränen in den Augen wirble ich zu dem dritten Widersacher um und beginne ihn lauthals anzuschreien, wie ehrlos es sei, zu dritt ein wehrloses Mädchen anzugreifen. Er zuckt jedoch mit keiner Wimper, nicht einmal dann, als ich ihm grob gegen die Seite trete, sondern betet nur leise still vor sich hin.

    Und dann, urplötzlich und ohne einen ersichtlichen Grund, verdreht er die Augen und hört auf zu atmen. Zuerst bin ich überrascht und dann schockiert. Bin ich das gewesen? Nein, ich habe ihm ja nichts getan. Der eine Tritt wird ihn wohl kaum getötet haben.

    >>Das war natürlich keineswegs deine Schuld, das machen die Tiefgläubigen unter ihnen immer so.<<

    Sofort drehe ich mich um, mache zwei schnelle Schritte zu Tess hinüber und nehme Kampfstellung ein. Der junge Mann legt seinen Korb auf den Boden, hebt die Hände über den Kopf, lächelt und erklärt mir, dass ich nichts von ihm zu befürchten habe. Er sei auf meiner Seite. Zwar verbleibe ich in meiner Haltung, nur für den Fall, doch mein Gefühl sagt mir, dass ich ihm vertrauen kann. Wer ist das?

    >>Wer ich bin? Ich bin Sila, der Hüter des Stabes der Einheit, den du in der Hand hältst.<<

    Stab der Einheit?

    >>Setz dich doch und ich werde dir in Ruhe alles erklären.<<

    Langsam gehe ich auf ihn zu, dankbar dafür, dass er Tess nicht nähergekommen ist. Als wir uns in gebührendem Abstand voneinander ins Gras setzen, beginnt er zu erzählen.

    Er sei der letzte Nachkomme einer von vier Hüterfamilien, welche den Auftrag haben, die Stäbe der Einheit zu schützen, bis diese einen Träger auserwählen. Die schwarz vermummten Kämpfer hingegen seien Mitglieder einer Organisation, die sich als Rächer bezeichne. Diese will sowohl die Stäbe als damit dann auch die Herrschaft über Metropolitan an sich reissen.

    Auf meine Frage, was es ihnen denn für einen Vorteil bringen würde, diese Stäbe zu besitzen, erklärt er mir, dass sie die magischen Kräfte eines jeden Auserwählten fokussieren. Gemeinsam mit den unzähligen nichtmagischen Veränderungen mache dies aus ihnen äusserst mächtige Kämpfer.

    >>Was denn für Veränderungen? Meine geschärften Sinne?<<

    Er blickt mich überrascht an und fragt, ob es etwa bereits solche gegeben habe. Ich antworte ihm, dass ich mich tatsächlich auf eine merkwürdige Art leichter und wendiger fühle.

    Sila mustert mich und erläutert mir, dass ich sehr ungewöhnlich sei. Meine etwas missmutige Reaktion kontert er mit einem Lächeln, bei dem ich Schmetterlinge im Bauch kriege und erklärt mir, dass dies positiv gemeint sei. Er habe noch nie eine weibliche Auserwählte getroffen und könne daher auch nicht genau voraussagen, wie der Prozess bei mir ablaufen werde. Scheinbar jedoch entwickeln sich meine Fähigkeiten schneller, als es bei Männern der Fall ist.

    Rasch verfliegt meine Gereiztheit und ich frage ihn, mit was für sonstigen Veränderungen ich denn noch rechnen müsse. Sila beginnt sie aufzuzählen. Ich werde schneller und wendiger sein, besser sehen, hören, schmecken, tasten und riechen können und auch das Lesen von Gedanken werde möglich sein.

    Bei Gedankenlesen werde ich hellhörig, schiebe das Thema vorerst aber beiseite. Einige dieser Veränderungen habe ich bereits beobachten können. Aber wieso das alles?

    Damit ich überleben und Metropolitan vor allfälligen Bedrohungen beschützen kann, antwortet mir Sila. Auch müsse ich verhindern, dass der Stab der Einheit in falsche Hände gerät. Dies nämlich könnte gravierende Folgen mit sich bringen, ein zweites 2143 nicht ausgeschlossen. Ich zucke zusammen. Das alles hängt von mir ab?

    Er beruhigt mich, es gäbe wie bereits erwähnt mehr als einen Stab, sieben, genauer gesagt. Ich könne an meinem Exemplar ablesen, wie viele davon zurzeit von einem Auserwählten geführt werden.

    Ich begutachte den Stock genauer und stelle fest, dass sich sieben farbige Seerosen von einem Ende des Holzes zum anderen ziehen. Je eine in Violett, Blau, Giftgrün, Gelb, Orange, Rot und eine, die Türkis glüht. Genau wie vorhin der Stab auf dem Altar, pulsiert letztere im Rhythmus meines Herzens.

    >>Offenbar haben alle sieben Stäbe eine Wahl getroffen. Das pulsierende Türkis bist du.<<, meint Sila.

    >>Du kannst das Leuchten auch sehen?<<

    Er verneint, aber er könne es in meinen Gedanken lesen. Sofort werde ich wieder wütend, meine Überlegungen gehören mir allein. Das bleibt nicht unbemerkt. Sila entschuldigt sich eilig und erklärt mir, dass er sich selbstverständlich aus meinem Kopf raushalten werde, wenn ich das so wünsche. Erneut verraucht mein Zorn in Sekundenschnelle, sein Lächeln ist einfach unwiderstehlich einnehmend.

    Ich nicke streng und erkläre ihm dann, dass ich ihm glaube, mich aber aus der ganzen Angelegenheit heraushalten und um meine Schwester und Mutter kümmern will.

    Er antwortet nichts, sondern nickt bloss.

    Das ärgert mich noch mehr, als wenn er mir vorwerfen würde, dass ich mich meiner Verantwortung stellen müsse. Schweigend binde ich die Läufe des Rehs zusammen, werfe es mir über die Schulter und nehme Tess auf die Arme. Dann zögere ich kurz, bevor ich ohne einen weiteren Blick zu Sila langsam davongehe.

    Am Rande der Lichtung angekommen drehe ich mich schliesslich doch noch zu ihm um. Er sitzt immer noch an derselben Stelle und sieht mich nur enttäuscht an, aber das kann ich mir auch einbilden. Gerade, als ich davongehen will, sagt er einen einzigen Satz.

    >>Du kannst nicht vor deinem Schicksal davonlaufen. Niemand kann das.<<

    Es ist das erste Mal, dass seine Stimme einen düsteren Tonfall annimmt. Und ich meine, dass es dieser Ernst und nicht die morgendliche Kälte ist, der mir einen Schauer über den Rücken jagt.

    Zuhause angekommen habe ich mir bereits hundert Versionen überlegt, wie ich Mutter alles erklären kann. Als ich sie dann jedoch im Liegestuhl auf der Veranda ahnungslos lesen sehe, sind sie alle wie weggeblasen. Schreiend und weinend renne ich auf sie zu.

    Anfänglich realisiert sie nicht, was geschehen ist, bis sie Tess in meinen Armen erblickt. Dann beginnt sie hemmungslos zu schluchzen und murmelt wiederholt etwas, das sich wie >>Nicht auch noch Tess!<< anhört. Sie hat Vaters Verschwinden nie ganz verkraftet und jetzt brechen wohl alte Wunden wieder auf.

    Wir legen Tess in ihr Bett und verbringen den Rest des Tages schweigend und weinend. Es wird Abend und keiner von uns hat auch nur ein einziges Wort gesagt, beide hängen wir unseren eigenen dunklen Gedanken nach. Erst jetzt bemerke ich, wie trostlos das Haus ohne meine kleine Schwester ist.

    Obwohl ich kaum geschlafen habe, mache ich am nächsten Morgen dasselbe, was ich auch schon bei Vater getan habe. Ich gehe rennen. Dabei werde ich immer relativ schnell ruhig. Übermüdet ziehe ich kurze Hosen an, schlüpfe in meine Laufschuhe, verabschiede mich von Mutter, die mit geröteten Augen am Küchentisch sitzt und flüchte aus dem Haus.

    Während ich in Richtung Tepali renne überlege ich fieberhaft. Was soll ich tun? Ich kann Mutter nicht alleine lassen, will diese Rächer jedoch auch auf keinen Fall einfach ungeschoren davonkommen lassen. Rache ist mir normalerweise zuwider, jetzt aber würde ich nichts lieber tun, als diesen schwarz vermummten Gestalten unsägliche Schmerzen zu bereiten. Ich werde meine Wut wohl jedoch zügeln müssen, da ich unmöglich Mutter beistehen und mich gleichzeitig an die Fersen dieser Rächer heften kann.

    Ehe ich mich versehe, bin ich schon da. Stimmt ja, ich renne jetzt einiges schneller als gewohnt. Wenn ich schon in Tepali bin, denke ich, kann ich auch gleich etwas bleiben und mich auf dem Markt ablenken lassen.

    Doch bereits nach kurzer Zeit merke ich, dass das hier schlecht geht. Alles erinnert mich an Tess. Die Früchte, welche sie so gern mochte, das bunte Garn, womit sie strickte, ihren Lieblingsplatz am Dorfbrunnen und noch vieles anderes.

    Abrupt drehe ich mich um und renne heim. Ich will nicht mehr daran denken, wie Tess blutend auf der Lichtung lag, sich bei mir entschuldigte oder ihre Augen schloss. Stets steigen mir dann erneut die Tränen in die Augen und ich würde am liebsten schreiend auf etwas einschlagen.

    Zuhause finde ich alles so vor, wie es bei meinem Aufbruch war. Mutter sitzt am Tisch vor ihrer Kaffeetasse und meine Schuhe für in den Wald liegen noch an derselben Stelle, wo ich sie gestern hintreten habe. Ich frage mich, ob sie sich überhaupt bewegt hat. Auch sie muss dauernd weinen, ich sehe es ihren Augen an, auch wenn sie es vor mir zu verbergen versucht.

    Die nächsten vier Tage sind viel zu ruhig. Mutter arbeitet nicht und ist wie ich den ganzen Tag daheim. Dennoch reden wir nur das Nötigste. Auch als ich mich am fünften Abend hinlege, liege ich noch lange wach. Ich wälze mich von einer Seite auf die andere, schüttle die Decke aus und öffne das Fenster. Alles vergebens.

    Da vernehme ich ein Geräusch aus der Küche. Mutter kann wohl ebenfalls nicht einschlafen. Eine heisse Honigmilch würde uns jetzt beiden guttun, denke ich, und gehe hinunter. Im Treppenhaus brennt kein Licht, aber das überrascht mich nicht. Als ich dann jedoch um die Ecke biege, erschrecke ich beinahe zu Tode. In der Küche sitzt Mutter auf dem Boden, umringt von drei schwarz verhüllten Gestalten.

    Ich blicke zu dem Stab, der neben mir in der Diele an der Wand lehnt. Doch noch bevor ich ihn mir nehmen kann, hat sich einer der Rächer schon umgedreht und greift mich an. Instinktiv halte ich mir schützend meine Hände vor die Brust und die Lichtkugel zerfällt.

    Die nächsten Minuten – sie erscheinen mir unendlich lang – kommt es mir so vor, als würde ich neben mir stehen. Ich kämpfe auf eine Art, die ich nicht kenne, geschweige denn jemals erlernt habe. Die Wut schürt meine Stärke und als die drei Gestalten sich schliesslich verletzt durch das zersplitterte Küchenfenster in Sicherheit bringen, muss ich mich zuerst am Tresen abstützen und einige Atemzüge tief Luft holen, ehe ich zu Mutter eilen kann.

    Ich ahne es schon, bevor ich sie ansehe. Ich kann es fühlen. Ein einziger Blick bestätigt meine Annahme dann auch. Mutter ist tot. Sie wirkt friedlich – friedlicher, als sie die letzten sechs Jahre war. Fast könnte man glauben, sie würde bloss tief schlafen. Vielleicht ist sie bei Tess, denke ich. Unwillkürlich schiessen mir deren letzte Worte durch den Kopf.

    >>Versprichst du mir, dass du dich gut um Mutter kümmern wirst?<<

    Unkontrolliert laufen mir die Tränen über das Gesicht. Kraftlos breche ich auf dem Küchenboden zusammen und weine mich in den Schlaf.

    Am nächsten Tag wache ich auf, ohne mich daran erinnern zu können, überhaupt eingeschlafen zu sein. Mein Entschluss steht fest. Ich begrabe Mutter neben Tess, stopfe das Wichtigste in einen Rucksack, werfe mir meinen Bogen und den Köcher inklusive Pfeile über die Schulter und gehe aus dem Haus, ohne mich noch einmal umzudrehen.

    Meine Schritte führen mich wie von selbst zu der Ruine im Wald, zu dem Ort, wo alles begonnen hat. Auf einem Stein davor sitzt mit geschlossenen Augen Sila. Als ich ihn frage, was er hier mache, antwortet er mir, dass er warte.

    >>Und was hast du in den letzten

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