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Österreichische Perlen: Des Bergmanns Jüngster Teil 3
Österreichische Perlen: Des Bergmanns Jüngster Teil 3
Österreichische Perlen: Des Bergmanns Jüngster Teil 3
eBook768 Seiten11 Stunden

Österreichische Perlen: Des Bergmanns Jüngster Teil 3

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Über dieses E-Book

Vielleicht war es der meist beeindruckende Satz der letzten 6o Jahre ``Ich bin ein Berliner´´ hatte John F. Kennedy am Rathaus von Schöneberg in die Menge gerufen und nur 5 Monate später fiel er einem Attentat zum Opfer. Es war eine Ereignis reiche Zeit und als die Berliner Hertha suspendiert wurde, war auch zeitlich gesehen das Ende meiner hier offenbarten Erzählungen erreicht. Doch was tat sich in der Provinz, in der asketischen Siedlung der Bergarbeiter? Sie waren im ganzen Kreisgebiet gefürchtet. Nicht nur die Knappen, nein auch die Nachkommen. Sie dominierten sowohl auf dem Fußballplatz als auch in den Straßen und in so manchen Gaststädten. Ihr Verhalten war die Retourkutsche für die oft unbegründeten Anfeindungen der Einheimischen. Dem oftmals aus der Luft gegriffenen Hass, folgte ein Nachklingen. Für die abwegigen Antipathien gab es Konsequenzen. Ganz so friedlich wie es hätte sein können war es mitnichten. Zudem wurden die Lehrlinge regelrecht ausgebeutet. Frauen riefen nach der Emanzipation. Überdruss war zu spüren in einer Stadt am Rande der Schwäbischen Alb. So gab es teils verbitterte, kleine Kriegsschauplätze aber auch viel Humorvolles. Kein Wunder also, dass bald schon die Achtundsechziger auf den Plan gerufen wurden. Reformen waren dringend notwendig. Aber gerade weil es so war, gab es reichlich Stoff, der hier auf spannende und lehrreiche Weise aufs Papier gebracht wurde.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Dez. 2014
ISBN9783738668025
Österreichische Perlen: Des Bergmanns Jüngster Teil 3
Autor

George Wald

Der Autor des spannenden Buches: Das zähe Ringen um Gila; wurde in den Nachkriegsjahren am Rande der Schwäbischen Alb geboren. Er ist ein Bergmannskind und so wie alle Kinder der Knappen hatte auch er seine liebe Mühe und Not mit den Einheimischen. Die Bergleute waren a priori abgestempelt, sie wurden nicht als Gleichwertige angesehen, ja man nannte sie despektierlich nur die „Ausländer“. Schon im Kindergarten und später auch in der Schule wurden diese Kinder der Bergleute immer als Geringwertige angeschaut. Wenn in der Schule was gestohlen wurde, dann zeigte man vorschnell mit den nackten Fingern auf die Bergmannskinder, doch zumeist kam die Wahrheit auf andere Weise ans Tageslicht. Und doch ging der Autor seinen Weg, war in mehreren Berufen zu Hause, angefangen hat seine Karriere bei den Automechanikern, und zum Schluss hin wurde er schließlich ein achtbarer Betriebsleiter einer kleinen Chemiefabrik. Er hatte es zu etwas gebracht, ganz wie der Vater und all seine Geschwister. Sein Vater war ein Pfälzer und die Mutter wurde einst in Erlangen geboren. Sie wuchs in Nürnberg heran. Auch sie, die Mutter, wirkte permanent positiv auf den Autor ein, sie war eine ehrliche Haut, die in ihrem Leben nur die „Arbeit“ kannte. Das Leben des Autors war recht vielseitig, beruflich wie privat. Zwei Frauen spielten im Leben des Autors eine wesentliche Rolle, zum einen die hier in diesem Buch eroberte Gila und zum anderen seine heutige Frau Agathe, derweil die erste Frau schon im Januar 1997 verstarb. In den heutigen Tagen freilich, bezieht George Wald längst seine verdiente Rente. Zu seinem Lebenswerk hinzuzurechnen sind nicht nur seine Bücher, nein ganz nebenbei hat er sich ein stattliches Haus erbaut, größtenteils ohne Fachmänner zu engagieren, nein selbst ist der Mann. Es ist einzig die Kraft Gottes, die ihn durch die schwierigsten Phasen hindurchschreiten ließ, ja es gibt sie noch, die sich zu ihrem Glauben bekennen, ja ich, der Autor George Wald, bin oder ist römisch katholisch.

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    Buchvorschau

    Österreichische Perlen - George Wald

    Dankempfindungen

    Vor einigen Jahren habe ich damit begonnen, das In-sich-Hineinhören zu lernen, mich geistig hinein zu meditieren in längst vergessen geglaubte Zeiten, um die einzelnen Krusten nacheinander abzutragen und um so die einstigen Realitäten freizuschaufeln. Auf genau diese Weise habe ich das Explizieren und das Eruieren weit unter den Schalen des Denkapparates mir beigebracht und stets versucht, die leise Flamme zurückliegender Dinge sowie die helle Wahrheit zu wahren. Nicht selten stand ich vor einer Leere, dachte mich nicht mehr an den einen Namen oder an das jeweilige Datum zu erinnern, doch urplötzlich, hell leuchtend und eindringlich wie ein Blitz schlug es ein und zu meiner eigenen Verwunderung lag alles im wahrsten Sinne des Wortes repräsentiert vor mir, sodass ich schließlich Mühe hatte, um mit dem Schreiben nachzukommen. Gewisse Recherchen waren vonnöten, wobei mir das Internet so hilfreich war wie das eine oder andere Lexikon und uralte Zeitungsberichte, die ich einst in Gewahrsam nahm, da seit jeher die Absicht und die Hoffnung in mir keimte, irgendwann in meinen späteren Jahren diese Biographie zu schreiben. Es wurde daraus ein Heranreifen und schlussendlich ein Erblühen, wobei mir meine nahen Mitmenschen auf wundersame Weise dienlich waren. So danke ich allen voraus meiner Frau Agathe, dem Experten in Sachen Computer Sandro Heros, sowie all jenen die mir immer wieder Mut machten. Auch und dies nicht zuletzt natürlich ebenso den interessierten Lesern gilt mein Dank, die Sympathien der Bücherwürmer nähren den Einflussbereich des Urhebers und sie sind demgemäß die Nahrung des Autors. Gerade noch rechtzeitig, sozusagen beim Endspurt des Buches, erweiterte ich erfreulicherweise meinen Freundeskreis, die berühmte Psychologin, Philosophin, Soziologin und Pädagogin, die ferner noch Anglistik und Germanistik studierte, die in Davos wohnhafte Angelika Keil ist hinzugestoßen in den Kreis meiner Freunde und auch ihr möchte ich danken, denn sie bestärkte mich nochmals in meinem Schaffen. Solange wir das, was wir wollen, nicht in Worten, Gedanken und inneren Bildern darstellen können, solange wird es unerreichbar bleiben, so einer der vielen Ratschläge, die sie mir mit auf den Weg gab. Überdies riet sie mir an, möglichst jeden Teilerfolg zu feiern. Viele, so schrieb sie mir, nehmen einen Teilerfolg kaum wahr, sondern sind schon wieder mit ihren Gedanken in der Zukunft, haben neue Wünsche oder sorgen sich schon wieder um die nächsten Teilziele und die dazugehörenden Strategien. Wenn wir aber die Teilzielerreichung nicht würdigen, werden wir immer unzufrieden sein. Wann kann denn der Zeitpunkt kommen, an dem wir zufrieden sind und uns freuen können? In zehn Jahren, wenn wir das große Endziel erreicht haben? Wollen wir wirklich zehn Jahre unzufrieden leben? Was, wenn wir den Zeitpunkt gar nicht mehr erleben, weil unsere Zeit auf diesem Planeten vorher abläuft? Zudem zeigt die Erfahrung, dass die Zufriedenheit selbst beim Erreichen des großen Endziels nicht oder nur für sehr kurze Zeit eintritt, wenn wir für kleine Erfolge blind sind. Wer die kleineren Erfolge nicht wertschätzt und feiert, der kann dies auch nicht beim Erreichen des großen Ziels. Wenn ich also fähig bin, so Angelika Keil, mich über alles, auch über scheinbare Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten zu freuen, innezuhalten und sie zu würdigen, dann erlebe ich jeden Tag aufs Neue Freude. Dann bin ich dort angekommen, wohin ich wollte. Ich bin zufrieden, entspannt und in der Ruhe. Ich fühle mich glücklich und frei. Mit Hilfe meiner zufriedenen Gedanken erschaffe ich mir ein zufriedenes, freudvolles, gesundes und erfülltes Leben.

    Diesen Empfehlungen einer weisen Frau ist nicht mehr viel hinzuzufügen, ich bedanke mich und doch gilt vordergründig mein Dank meinen Nächsten, denjenigen die tagtäglich um mich weilen und mir die Wünsche von den Augen ablesen. Die Auswahl derer ist freilich gering, weshalb ich mit Fug und Recht hier zum Ausdruck bringen möchte: Herzlichen Dank Agathe! Auch die immer wieder mal aus Italien telefonierende Tochter Magnolia möchte ich hier wenigstens einmal dankend erwähnen, die stolz ist auf ihren Papi und die mit Ihren liebgemeinten Worten mich nicht selten schon aufbaute, als ich in unbeschreiblichen Depressionen mich befand. Ebenso gilt mein Dank dem geduldigen Marc, der oft stundenlang auf seine Frau Magnolia verzichtete, denn so lange finden diese Telefonate in der Regel und habitueller Weise statt. Und letztlich möchte ich keineswegs Stefan vergessen, den Sohn Agathes, der freilich auch zum Bündnis der Familie hinzugehört.

    Inhaltsverzeichnis:

    Kapitel 12 Lehrjahre sind keine Herrenjahre Teil 2

    Zeitraum: Januar 1963 bis Frühjahr 1964

    Divergenzen in der Ausbildungswerkstatt hier und der steile und erfolgreiche Weg zum Klassenprimus dort. Das klammheimliche und brüderliche Karate-Lernen. Die mysteriöse Saalbau-Lehre und die ersten Schwipse. Noch keine Sechzehn und schon im Stripteaselokal. Die skurrile Fete meines 16. Geburtstages.

    Kapitel 13 Lehrjahre sind keine Herrenjahre Teil 3

    Zeitraum: Frühjahr 1964 bis Dezember 1964

    Ostern 64 in der Pfalz und ein letztes Wiedersehen mit Helvi. Eine unglaubliche, nächtliche Spritztour. Urlaub 64 in Kärnten und die schönsten Perlen Österreichs; Cosimos ungewöhnlicher Geburtstag und die Wörtherseeumfahrung mit einem Freund und drei Wiener Mädels, als Sechzehnjähriger am Steuer des ``Feurigen Elias´´. Und noch ein Novum als Sechzehnjähriger - ich trainiere erstmals bei den Aktiven des Sportvereins mit. Ein vernichtender Rausch im Gasthaus Engel zu Aufhausen. Die brünstigen Ereignisse mit den ``Schwer-Erziehbaren´´, den mächtig wollüstigen Mädchen aus Berlin, welche in dem kleinen Ort Aichen ihren Dienst im Schweinestall zu verrichten hatten. Santa Maria aus Bad Überkingen. Meine erste öffentliche Schlägeraktion, quasi eine Cosimo-Verteidigung vor dem Saalbau. Die Filderkraut-Geschichte von Neuhausen. Cosimos Arbeitsplatz wird nach Oberbayern verlegt und er verliert auf rätselhafte Weise sein Auto, wonach er sich, angesichts der unbegreiflichen Tatsachen, einen VW-Käfer zulegt.

    Kapitel 14 Käfer-Zeiten

    Zeitraum: Januar 1965 bis 10. Juni 1965

    Die Kunst des Kartenspiels. Fußball im Ballettröckchen? Der A-Jugendausflug an den Ammersee. Der kuriose Pfingstausflug nach Pocking, sowie auch der ethisch moralische Vergleich zwischen den normalen Bundesbürgern der Nachkriegszeit und den suspendierten Heimatvertriebenen. Cosimos Tage als Stricker sind gezählt, seit dem ersten Juni arbeitet er nunmehr als Wagenbauer-Monteur auf den Heidhöfen. Alle drei Brüder bleiben der Arbeit fern und beschließen im Gasthaus Krone in Weiler o.H. ins Niederbayrishe zu fahren, doch ein überflüssiger Zwist der beiden Älteren lässt es zu der Entscheidung kommen, dass Adam eben zu Hause bleibt.

    12. Kapitel

    Lehrjahre sind keine

    Herrenjahre

    Teil 2

    Überall in seiner Schöpfung, lässt der liebe Gott seine Freude und Schönheit aufleuchten. Auch die verschneite Winterlandschaft ist prachtvoll, der Raureif der die Bäume verzaubert, der ein mildes Licht anzieht und es widerspiegelt ist herrlich und wunderbar, selbst dort wo alles vor bitterer Kälte nur so klirrt und wirklich nichts, aber auch gar nichts wachsen kann, selbst dort strahlt Gottes Herrlichkeit uns allen entgegen, aber alles ist nur ein seltsames Spiel auf Zeit und die eine Herrlichkeit wird abgelöst von einem noch göttlicher erscheinenden Paradies, von der kostbaren Pracht des Frühlings, welcher letztlich doch immer wieder über den noch so strengen Winter siegt.

    So war es zu allen Zeiten und so war es auch dreiundsechzig. Das Grau wurde vorsichtig und zaghaft getilgt und Farbe gelangte in die Natur und in die Herzen der Menschen. Die Seele legt gewöhnlich alle winterliche Schwere zur Seite und wird leicht wie der Frühling. Gewöhnlich? War auch meine Seele so leicht wie der Frühling? Gott sei Dank gelang es mir, wie es den meisten jungen Menschen gelingt, mit jugendlicher Unbekümmertheit den Schalter umzulegen, so dass wenigstens im Privatbereich neues Leben wuchs, denn neu wachsendes Leben bringt zumeist auch neue Freude.

    Der mit Leidenschaft ausgeübte Sport beispielsweise, war solch ein ewiglich loderndes Freudenfeuer, immer wiederkehrend und verlässlich. So zum Beispiel, wie das stets sich wiederholende Tageslicht das Dunkel der Nacht auf zuverlässige Weise verscheucht. Gemeinsam feierten wir im Kreise der B-Jugend mit Stolz und Ehre unsere Siege, genauso, wie wir zuweilen auch so manch schmerzhafte Niederlagen mit sportlicher Fairness einzustecken in der Lage waren. Das wöchentliche Trainingspensum zu absolvieren, machte begeisternd viel Spaß, nicht ganz so viel freilich, wie ein Spiel in der Liga, aber auch gerade hier, wo der Schweiß fließt ohne die gewohnt große Zuschauerresonanz hinter sich zu spüren, auch hier wächst ganz im Stillen das >>Wir-Gefühl<< auf immense Weise, das ewiglich lebendige Gefühl der zusammengehörenden Freundschaftsbande, sowie das geistig ideelle Verhältnis und auch die geistesverwandtschaftliche Beziehung zwischen Sportkameraden die sich gegenseitig wertschätzen.

    Überwiegend traf dies auch auf das Verhältnis mit meinem Sport- und Arbeitskamerad Gino Funk zu. Auch hier herrschte eine kollegiale und freundschaftliche Verbundenheit, ein Miteinander einträchtiger Gesinnung, jedoch nicht immer und auch nicht immer grenzenlos, ja die Sache hatte einen zwielichtigen Haken.

    Unsere Wegstrecke zur Arbeit war größtenteils unser gemeinsamer Weg. Achtzig Prozent des Weges von Gino war auch mein Weg und häufig fuhren wir mit unseren Fahrrädern nebeneinander her, heimwärts war dies fast gang und gäbe, aber auch auf der Fahrt zur Werkstatt trafen wir uns meistens schon am Daimlerplatz, um die große Reststrecke noch gemeinsam zurückzulegen. Hier hatten wir nicht selten viel Spaß und Vergnügen miteinander, erzählten einander jeweils die Neuigkeiten, vom Sport, vom TV, von der Schule oder den Eindrücken der Arbeit des Vortages und noch dies und jenes. Als wir aber anschließend die Werkstatt betraten und uns vor der Stempeluhr mit den ebenfalls bereitstehenden Gesellen trafen, spätestens in diesem Augenblick distanzierte sich Gino von mir, tat oft so, als wäre er keinesfalls gut mit mir befreundet. Warum aber sah er sich zum Distanznehmen veranlasst? War es die Angst, dass wenn er sich mir zuwenden würde, dass ihn dann der Meister, der Chef oder vor allem die Chefin auf der gleichen Ebene sehen würde, auf der sie mich eingeordnet hatten? Auf der Wido-Busch-Ebene? Warum konnte er nicht auf eine so verabscheuungswürdige und vorgetäuschte Partei-Ergreifung verzichten? Selbstverständlich lebte Gino im Glauben, dass sein groteskes Verhalten von mir unbemerkt bliebe, dass ich so borniert sei und von seinem seltsamen Benehmen nichts merken würde, aber so war es natürlich mitnichten. Im Gegenteil, die Art seines Auftretens verursachte Leid in mir, sie wirkte brutal negativ auf meine Psyche, war mit Gewissheit nicht das, was man die Quelle des Glücks nennen würde. Die Art seiner Handhabung war durch die übel gesinnten Konsequenzen bestimmt, die sich für ihn eventuell ergeben hätten, wäre er mir zu herzlich und zu nahe gestanden. So wurde sein Judas-Verhalten mir gegenüber, aus seiner Sicht gesehen sogar zu einer moralischen Motivation, denn es erschien ihm wertvoll, mit dem scheinbar unmoralischen George nicht zu eng befreundet zu sein, weil er sich bequem den anderen anschloss, die mich als einen zweiten Wido Busch ansahen. Da aber, sowohl die getätigten Worte als auch das Verhalten von der geistigen Verfassung abhängig sind, wäre es wichtig gewesen, Herr über seinen eigenen Geist zu werden, dazu aber, war er offenbar außerstande. Sein Tun wurde zum Abklatsch des Willens anderer, zu einem wertlosen Klischee, geprägt von einem gegenwärtigen Opportunismus. Jeglicher Versuch einer klaren und vor allem einer eigenständigen Linie kam einer Vermisstenanzeige gleich. Sobald Gino sich in die Werkstatt begab, durchlief er jeweils eine unmerklich kleine, eine dezent öde Periode der Anpassung, und er war mit einer Großzahl von Sozialhormonen ausgestattet, oder sollte man es lieber mit einem anderen Wortschatz probieren, waren es vielleicht heuchlerische Schleimer-Hormone, die er klammheimlich mit sich trug. Er kennt von einer zur anderen Minute den besten Schulfreund nicht mehr, mit dem er die meisten Volksschuljahre zusammen verbrachte, mit dem er seit vielen Jahren schon in der gleichen Fußballmannschaft spielt, nur um ein kleines Stück bei den Gesellen, beim Meister Schwarte und bei den frevelhaften Ausbeutern, besser dazustehen, bei den Profiteuren, den Nutznießern, die ihre Papiere gewöhnlich mit dem Namen Thibaut unterschreiben. Da handelt der bis dahin zu den besten Freunden zählende Schulkamerad, der wie mein wahrer Fußball-Bruder schon in der Schülermannschaft neben mir spielende Gino Funk, im selben Betrieb arbeitend, der mir sozusagen mit seinen Worten begünstigend noch zur Seite stand und die Thibauts animierte, so gut er dazu in der Lage war, damit ich ja die Chance auch bekomme, um in dieser Lehrwerkstatt einen Vertrag unterschreiben zu können und jetzt handelt er wie oben beschrieben, kennt mich nur noch auf dem Weg von und zur Arbeit, und von der Stempeluhr wegtretend zur Arbeit hin spielt er Theater, distanziert sich von mir, als kenne er mich nur flüchtig oder überhaupt nicht und da steigt in mir die Frage vom Herz zum Hals hoch und ich ersticke fast daran: verhält sich so vielleicht ein wahrer Freund? Da spielt er doch tatsächlich die Devotio moderna, zeigt den Gesellen, mit denen er ja im Team arbeiten möchte, wie demütig er ist, wie inständig knechtisch er zur Stange steht, wie kniefällig und unterwürfig er bereit ist, jede aufgetragene Arbeit zu verrichten, wie ehrerbietig und ergeben er zu den Herren des Hauses steht und verwendet dabei recht schmeichelhafte Dienste und angesprochen auf seinen Schulkameraden Wald verhält er sich doppelzüngig, weil er verfallen ist und das >>Hörig-Sein<< quasi mit Handkuss annimmt, nur um in der Rangordnung vor dem Kameraden zu stehen, den man dann nach Feierabend wieder ganz plötzlich gerne sieht, schließlich, so will er mir weißmachen, säßen wir ja im selben Boot. Bei all seinen Tätigkeiten hat er nur eines im Sinn, stets muss er die etwas vorteilhaftere Lage erklimmen. Doch wer die Kraft der inneren Wahrheit nicht als Grundgebot anerkennt, bei dem ist alles Reden nur Geplapper und tönernes Erz und keine Wirklichkeit. Seine gottgefälligen Kameradschaftsversuche und Aktivitäten hinterher, empfand ich für leer, da in ihnen von Grund auf nicht die beseelende, nicht die wahre Freundschaft vorlag. Fortwährend verzieh ich ihm trotz all meinem Ärger, gleichwohl und gerade weil mir bewusst war, dass diese Freundschaft ich nur als eine pragmatische Symbiose betrachten konnte, denn andererseits hatte ich, als angebliche Wido-Busch-Imitation, außer ihm nicht wirklich viele Freunde im Betrieb, ja nicht ein einziger stand zu oder hinter mir, es war wie der aussichtslose Kampf gegen Windmühlen, da ein unerwünschter und ungeliebter Lehrling gegen ein ganzes Heer zu kämpfen hatte. Mehr aus der Not heraus war also das oben angesprochene Verzeihen geboren, ohne dass ich es jeweils vergaß, welches Spiel er trieb, o nein ich trug mein Wissen stets im Hinterkopf und vergaß nie wen ich vor mir habe. Nur so war es also zu erklären, dass ich ihn zuweilen als einen Freund und Partner schätzte, hauptsächlich im sportlichen Bereich, wo auch er eine wertvolle Stütze in Vaters Verein, in unserem Jugend-Team war, und auch in der Schule harmonierten wir, nicht immer und nicht unbedingt redundant, doch ganz ordentlich und auch ergänzend, weil beide wollten wir nach oben. Insgesamt gesehen, was den Schilderungen zufolge verständlich ist, war es nie eine so richtig herzliche Freundschaft, eine Freundschaft die nicht wirklich prädestiniert und nicht fähig war um kollegial zusammenzuwachsen, da verstand ich mich mit seiner Schwester vor Jahren weit besser, sie schien mir die weit Ehrlichere zu sein. Er aber, warum auch immer, wurde sozusagen tagtäglich vom Paulus zum Saulus, ja es funktioniert auch andersrum als in der Bibel. Es fehlten unserer Freundschaft demgemäß die fürwahr ehrwürdigen, die offenen und ungeschminkten, die achtunggebietenden und nicht zuletzt auch die majestätischen Aspekte, vor allem aber fehlte es an parallelen Strömungen, was freilich schade war.

    So kam es nicht von ungefähr, dass ich im Privatsektor mehr zu Edwin Eitel mich hin orientierte, da ich spürte, dass von ihm ebenso auch freundschaftliche Zuneigung zurückkam. Es war exakt dieser Edwin Eitel, der in jener Zeit, als wir zusammen in der Volksschule vom Lehrer Rupert unterrichtet wurden, ich berichtete davon, damals beim Hinabfahren des Zairenbuckel kurz vor Schlat auf der steilen Landstraße mit dem Fahrrad verhängnisvoll stürzte und mit schweren Schädelverletzungen um sein junges Leben rang.

    Die Freundschaft mit Edwin Eitel war verglichen mit der Gino-Funk-Freundschaft um Vieles inniger, heimischer und eben mehr von Mensch zu Mensch, ja sie war vertraut, offen und privatim, so wie ein Stückchen mehr kostbare Heimat. Waren wir beisammen, so war in jedem von uns beiden das Gefühl nahe stehend, sich irgendwie in den vier eigenen Wänden zu befinden, nicht wie bei Gino, wo ich das abstruse und eigenartige Gefühl nie loswurde, dass irgendein Fremdkörper zwischen uns steht. Schließlich soll ja die Freundschaft, wenn sie sinnvoll sein will oder soll, so etwas wie eine Quelle frischgeborener Energien ausmachen, mit welchen dieses schwer zu ertragende Leben gemeistert werden kann oder soll, und die Funk’sche Quelle sprudelte mir weiß Gott nicht so leidenschaftlich und ungezügelt entgegen wie die Eitels-Quelle. Edwin bildete viel eher das anpassungsfähige, das vitale, das feurige und wendige Temperament, das die Freundschaft so wichtigmacht im aktiven Sinne, andererseits war er aber auch das absolut und von Grund auf maßgebende und signifikante Fundament, das selbst in äußerst brisanten Situationen, die Freundschaft nicht plötzlich wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lässt. Ich glaube nicht, dass Edwin sich je so hinterhältig verhalten hätte wie Gino, dass er je, allein aus opportunen Gründen heraus fälschlicherweise so getan hätte, als würde er grundsätzlich meine Anwesenheit meiden, wie es Gino Funk im Betrieb der Thibauts praktizierte. Ja Gino hält mich für so borniert und findet sich in seinem Irrglauben gutgelaunt und ist von der eigenen Meinung fasziniert, die ihm enthusiastisch einflüstert, ich würde doch tatsächlich sein Judas-Verhalten nicht erkennen, ich würde nicht begreifen oder bemerken, welch ein verräterisches Spielchen er treibt. Bei Gino Funk musste der Gockel nicht dreimal krähen, sodass er vom Glauben abfällt, und um die Freundschaft einstweilen aufzugeben und auf denunzierende Weise sich loszulösen und zu entzweien von seinem Freund. Nein der Gockel musste überhaupt nicht krähen, er musste genaugenommen nicht mal existieren, es reichte vollkommen aus, wenn er den nächstbesten Gesellen wahrnahm, um aus der mehr und mehr fragil gewordenen Freundschaft tagtäglich aufs Neue zu entfliehen, sich ungewöhnlich bizarr vom Fußballkameraden zu distanzieren und allegorisch gesehen davonzustieben, um den vermeintlich guten Freund verleumderisch hängenzulassen, ihn sinnbildlich ans Messer zu liefern, um auf diese Weise seine eigenen Chancen zu erhöhen. Er klatschte, um ein Beispiel zu nennen, darüberhinaus heimlich Beifall, wenn die Obrigkeit in der Werkstatt mich mit Wido Busch verglich, da huschte doch immer wiederkehrend ein breites Lächeln über sein Gesicht. Zudem war andererseits Edwin ein ganz anderer Typ. Edwin, so empfand ich es in der Regel, war viel eher als Gino ein Mensch, welcher auch mal ein abenteuerliches Risiko eingehen wollte, war dementsprechend nie und nimmer ein Langweiler, nein er war einer der edlen Sorte, war einer der in seiner eigenen Originalität leben und sich auf kameradschaftlich ehrliche Weise entfalten wollte, der auch bereit war um Gefährdungen sich auszusetzen, Ernsthaftigkeiten die eben mit solch einem Leben in enger und wahrer Freundschaft einhergehen. Edwin hatte seinen eigenen Code und ging seinen eigenen Weg, war weit davon entfernt eine einfallslose Gino Funk Kopie zu sein. Keineswegs wollte er überhaupt eine herausgestanzte und schon gar keine fade Nachahmung eines anderen Exemplars sein und er brachte den schöpferischen Mut mit, sein eigenes Leben zu leben und sich nicht aus irgendwelchen passend stilgerechten und auch nicht aus vielleicht zweckdienlich vorteilhaften und geziemend adäquaten Motiven heraus, sich selbst zu einer Reproduktion oder einer Dublette eines anderen zu machen oder nachzuformen. Sein Lebensrad drehte sich ungefähr in dieselbe Richtung wie auch meines, allerdings auch nicht immer, denn schulisch gesehen war er zu leichtsinnig, um sich selbst und noch weniger um mich zu motivieren. Aber, zahlreiche Stunden der Freizeit verbrachte ich mit ihm, Tischtennis - und Fußball spielend zum Beispiel, wobei ich hier etwas Besonderes zu erwähnen gedenke. Edwin war gewiss ein begnadeter Fußballer, aber eben nur ein Hobby-Spieler, um in etwa die Freizeit apart und etwas geschmackvoller zu machen, denn er spielte leidenschaftlich gerne Fußball. Und wenn man ihn tatsächlich einstufen und leistungsbezogene Vergleiche anstellen will oder wollte, so hätte er auf jeden Fall in einen Verein gehört, denn da schlummerte in der Tat ein unerkanntes Talent, ja er spielte besser wie so mancher aus unserem Vereinsteam. Dass er aber dennoch nur auf dem Bolzplatz neben dem TVA-Platz kickte hatte sicherlich einen Grund, ja er unterließ ein Spielen im Verein bewusst, aus Achtung vor dem elterlichen Bestimmungsrecht. Ich habe ja vor längerer Zeit schon mehrfach davon berichtet, dass er als Schüler schon, bei einer Radtour kurz vor Schlat einen schweren Verkehrsunfall hatte, als er den steil abfallenden Zairenbuckel hinunterjagte, der immerhin ein Gefälle von sechzehn Prozent vorzuweisen hat und somit das steilste oder abschüssigste Straßenstück des Landkreises Göppingen darstellt, wo er sich leider Gottes einen komplizierten Schädelbasisbruch einhandelte und wo er dann anschließend im Krankenhaus um sein jugendlich zartes Leben zu kämpfen hatte. Und immer noch war dies das sorgenvolle Votum, das Verdikt der Eltern, der Gesundheit zuliebe auf das Fußball spielen zu verzichten und Edwin hielt sich dran, doch wo die Eltern nicht hinsehen konnten, da war dann Edwin sehr leutselig und aktiv. Sobald aber ein Ligaspiel unserer B-Jugend angesagt war, in der Altenstädter Jugendmannschaft wo außer mir noch die alten Kameraden aus unserer Klasse der Volksschule vertreten waren, also Gino Funk, Thilo Harn, George Horn als Torwart und ich selbst, da war dann Edwin hundertprozentig anwesend und der hauptsächliche Grund seines Daseins war eben einzig und fast allein nur die Tatsache, dass ich in diesem Spiel ein Mitwirkender war. Später freilich, gab es tendenziell vielfach solche Fans, die hauptsächlich mich anfeuerten und quasi persönliche Fans von mir waren, doch dazu später mehr.

    Ebenso waren meine Brüder Cosimo und erstaunlicherweise auch Adam Fans meiner unwiderstehlichen und kämpferischen Fußballkunst. Sie waren oft dort zu finden, wo jene Jugendmannschaft anzutreten hatte, in welcher ich mitspielte. Und ebenso wie ich mit Edwin Eitel viel Zeit meines Privatlebens in den Jahren unserer Lehre, also von zweiundsechzig bis einschließlich fünfundsechzig tagsüber zumeist verbrachte, so investierte ich viel Zeit, um dann zumeist am Abend und bis tief in die Nacht hinein mit Cosimo unterwegs zu sein und umso älter ich wurde, desto ausgedehnter wurden jene Streifzüge und ich werde auf so manches noch zu sprechen kommen. Im Grunde genommen hatte sich eigentlich nicht allzu viel verändert. Ein bisschen mehr Zuneigung für den kongruenten Partner Edwin Eitel anstelle von Gino Funk und dann, hauptsächlich am Wochenende, wie gehabt, gönnte ich mir die nächtlichen Kneipentouren mit Cosimo, zuweilen jedoch, blieb ich auch mal der Lage bedingt zu Hause, je nachdem was ich im Wochenberichtsheft noch nachzuholen hatte oder auch spezifisch dann, wenn ich mich auf eine bevorstehende Klassenarbeit lernend vorbereitete. Ja die Gewerbeschule, wie ich es zuvor, im vorigen Band vorausschauend schon mal anklingen ließ, die nahm ich nun erheblich ernster, ja es war ein geradliniger Aktivismus gut spürbar, weil ich das mir selbst auferlegte Ziel, unbedingt und so rasch wie möglich Klassenbester zu werden, trotz der nächtlichen, gastronomischen Streifzüge, nicht mehr aus den Augen verlor. In der Gewerbeschule sah ich quasi noch die letzte Chance am Himmel, um eine weiterführende Schule, nämlich die schon erwähnte Fachhochschule im altehrwürdigen Tübingen besuchen zu können. So hatte ich von allen mir möglichen Freizeitgestaltungen und ebenso von allen Pflichtübungen ein kleines aber ausreichendes Etwas, und da zudem auch in diesem Jahr Cosimo eine Urlaubsfahrt fest eingeplant hatte und in diesem Plan auch meine Person impliziert war, sparte ich an allen Ecken und Kanten, legte Erspartes auf mein Postsparbuch, doch das ehrgeizige Sparen begleitete mich ja ohnehin mein Leben lang und so gab es auch bezüglich dieses Aspektes nicht wirklich was Neues. Das einzig Neue war, so wie das Wetter von den Meteorologen einigermaßen schön vorausgesagt wurde, oder zumindest keine Niederschläge zu erwarten waren, dass ich jetzt auch nach Göppingen zur Berufsschule mit meinem Fahrrad unterwegs war. Somit ersparte ich mir das Fahrgeld, es erübrigte sich der Kauf einer Bahnfahrkarte, dementsprechend jedoch, musste ich eine Entfernung von circa zwanzig Kilometern strampelnd zurücklegen und nach Beendigung des Schulunterrichts waren es selbstverständlich wiederum zwanzig Kilometer. Jedoch war der Rückweg zumeist etwas erschwerender, denn dann ging’s entgegengesetzt zum Flussverlauf der Fils, immer ein wenig bergauf.

    Über die feinen Details unseres Privatlebens, wie beispielsweise die angekündigte Urlaubsreise mit Cosimo, werde ich noch eingehend berichten, später, zunächst aber mal zu dem, was kontemporär sich in der Lehrwerkstatt zutrug. Konstatierend erinnere ich daran, auf was ich im letzten Kapitel schon anspielte, nämlich mal die unerfreulichen und höchst ärgerlichen Umstände und Zustände in der ungeliebten Autowerkstatt Thibaut aufzutischen und sie freimütig und beharrlich zu eruieren sowie die inhumanen Missstände offenzulegen, seien es die Missstände von oben oder von unten ist dabei fast einerlei, sie sollen nun aber hier etwas näher beleuchtet werden. Denn, wie ich meine, der graue Alltag unter der Leitung dieser Herrschaften, der Alltag den ein Lehrling spezifisch in diesem Betrieb vorfand, stand den festgeschriebenen Paragraphen des Gesetzbuches sehr kontrovers gegenüber, von einem echten Jugendschutzgesetz war in den Gemäuern dort an der Stuttgarterstraße überhaupt nichts zu spüren. Ganz zu schweigen von der wesenseigenen Thibauts’schen Hassgesinnung, ein Spezifikum, welches allein meiner Person galt. Und ganz ehrlich, ich kann es kaum erwarten, an dieser Stelle mit meinen Vorgesetzten von damals auf spezifisch meine Weise genugtuend abzurechnen, der Wahrheit getreu die elementaren Fakten auf den Tisch zu legen, hier bei dieser schriftlichen Gelegenheit in meiner Autobiographie, nach dem Erlebten der ersten Weihnachtsfeier und dem Erreichen des zweiten Lehrjahres. Erst nach dieser Abrechnung, egal wie lange sie sich hinziehen möge, ja sie wird sich noch hinausziehen bis in den vierten Teil meines Buches, wenn es dann erneut >>Des Bergmanns Jüngster<

    Gewiss gab es die vertraglich festgeschriebene Lohnanhebung beim Eintritt in das zweite Lehrjahr und meine Entlohnung betrug laut Ausbildungsvertrag nun fünfundsiebzig Mark, also fünfzehn Mark mehr als im Jahr zuvor. Ein Geselle verdiente aber mehr als das Zehnfache. Und obwohl wir Lehrlinge diese Bezahlung, diese Verhältnismäßigkeit als bewusste und rücksichtslose Ausbeutung ansahen, so war es doch nichts Außergewöhnliches zu jener Zeit, nein es war der damaligen Ära gemäß nur recht und billig, es war der als objektiv und fair angesehene Bestandteil des Manteltarifvertrags oder wie auch immer das Kind getauft war, jedenfalls war somit, aus unserer Sicht jedenfalls, die Lohnsklaverei amtlich legimitiert. Hierbei also, waren wir Thibauts-Lehrlinge nicht allein, nein es ging allen Lehrbuben so, es war weiß Gott keine lehrlingsfreundliche Zeit. Wäre es allerdings nach den Thibauts gegangen, so hätten wir für unsere Ausbildung tatsächlich Lehrgeld noch bringen müssen, weil es irgendwann in der Epoche des Wilhelminischen Zeitalters akkurat so auch gewesen ist und diese Gesetzestafeln, in Stein gemeißelt, hatte der alte Thibaut noch immer vor seinen skurril affektierten Augen und noch häufig genug wähnte er sich in jener altertümlichen Zeit, sodass er folglich auch bestehende, gültige Gesetze immer wieder ignorierte, bewusst oder unbewusst, ich kann keinen Eid dafür leisten.

    Vielleicht waren ja jene Führungspersonen, also der Firmenchef, die eiserne Chefin, der sich Mühe gebende Meister und auch die Gesellen gar nicht die autonomen Persönlichkeiten, die sie zu sein vorgaben. Gewiss waren es nicht die Persönlichkeiten wie der Gesetzgeber dies vorgesehen hatte, was ihnen aber fehlte ist schwierig zu sagen. Fehlte es ihnen an der Veranlagung Menschen zu führen, fehlte es an der Eignung und an der notwendigen Individualität oder waren es ganz andere Attribute die ihnen abgingen. Da es ihnen a priori und ganz offensichtlich an der richtigen Neutralität fehlte, an der vorurteilsfreien Objektivität, fehlte es aus meiner Sicht auch an Kapazität, an der Besonderheit ein Genius zu sein, und ganz einfach brachten sie ein Charakteristikum an den Tag, das nicht vereinbar war mit der gesetzlichen Vorsehung. Leider sehe ich mich gezwungen ihnen vorzuwerfen, dass sie den Lehrling lediglich zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse verwendet haben. Da aber des Lehrlings Bedürfnisse, nämlich das unbedingte >>Erreichen-Wollen-des-Berufsziels<<, oder vielleicht ein bisschen was darüber hinaus, und obwohl die Aussicht auf eine anschließende Weiterbeschäftigung im Betrieb nicht eminent groß erschien, so waren die Bedürfnisse der Lehrlinge zumeist doch größer, schließlich wollten sie es zu etwas bringen in ihrem Leben. Und da die Ansichten der Obigen und die der ganz am unteren Ende Stehenden fast unheilbar wie eine Kriegswunde auseinanderklafften, aber dennoch jeder sein Ziel fest vor seinen Augen hatte und dies auch unbedingt erreichen wollte, war schnell ein symptomatischer Teufelskreis unheilvoller gegenseitiger Abhängungen geschaffen. Dieser unverkennbaren Neigung, mit einer solch einfältigen Regression leben zu müssen, gleichwohl der böse Wille, die Animositäten und auch die Scheelsucht im weiten Werkstattrund zu Hause waren wie die Unzufriedenheit, verfielen erstaunlicherweise die Lehrenden ebenso wie die Lernenden. Dabei müssten doch gerade die Lehrenden bestrebt sein, den ehrlich sachbezogenen Kontakt zu suchen und zu finden. Gewiss gibt es Lehrherren die stolz darauf sind, wenn einer ihrer Schulzlinge zu den besten im Land zählt, insofern sie ihn unterstützen und ihm viel Fachwissen beigebracht haben. Doch dazu muss man sich die Zeit auch nehmen, man muss die Willensstärke und die Entschlusskraft mit sich bringen und den Lehrling zu sich heranbitten und ihn mit Erklärungen am Werkstoff das nötige Detailwissen zukommen lassen, notfalls auch wiederkehrend und vor allem darf es nicht an der Gleichbehandlung fehlen, denn jeder Lehrling hat den gleichlautenden Lehrvertrag. Da kann es echt nicht angehen, dass der eine Lehrling stets dem besten Gesellen beistehen darf, dass er sich mit gezielten Fragestellungen seinen Horizont erweitert, was er freilich soll, und der andere macht nur die Drecksarbeit und sieht sich allein deshalb schon als ein Untergeordneter oder gar als ein Überflüssiger, der minderwertig in eine Ecke verpflanzt wird, um dort geistlose und triviale Tätigkeiten zu verrichten, wie sie eben nur ein Mensch der zweiten Klasse zu tun hat oder aufgebürdet bekommt, was hier freilich aus einem unergründlichen Hass heraus geschah. Gerne würde ich heute noch die Verantwortlichen fragen, welche meiner tagtäglich verrichteten Arbeiten von anno dazumal dienten sachgemäß dem instruktiven Bildungsgang der Kfz-Lehre? War das stupide Werkstattkehren zum Feierabend hin, war der alltägliche, der fläzig derbe Versuch mancher Gesellen, den Lehrling nur deshalb zu veräppeln, weil er aus dem aus ihrer Sicht falschen Wohnbezirk kommt, oder war das blödsinnige >>Einholen-Gehen<< für die ganze Belegschaft, wobei doch die Arbeitszeit so spät begann, dass jeder für sich selbst zuvor hätte seinen Einkauf tätigen können, oder war das tägliche Blankputzen der Waschhalle letztendlich sach- oder fachbezogen? War es sachbezogen, permanent den einen Lehrling unentwegt und voller verbissener Sturheit in die Waschhalle zu stecken und ihn fortwährend immer mit derselben Pflicht zu versehen? Der schriftlich festgehaltene Inhalt des Lehrvertrags sah was ganz anderes vor.

    So mancher Geselle, wie eben Hasso Fleischer, wählte einerseits im Umgang mit den Lehrlingen den sympathischeren Weg der antiautoritären Verbrüderung, gleichwohl man bald schon zu spüren bekam, insofern man das gutmütige Angebot falsch verstand und mit irgendwelchen Flausen im Kopf die Gutmütigkeit auszunützen versuchte, wer denn nun tatsächlich der große Bruder oder der Geselle ist und das Sagen hat, was ich gewiss als okay befand und was so auch von anderen Lehrlingen akzeptiert wurde. Andererseits war da aber auch immer noch das Chefehepaar da, das die pompöse und barsche Autorität verkörperte, die beiden Alten, die in vielen Situationen das Hochgestochene widergaben, die das Hochtrabende mit aller Macht zu repräsentieren versuchten und die sich an dem inhuman Aufgeblähten festhielten wie kleine Kinder an Märchen von abertausenden bunten Laternen, jedoch es steckte keine Prunkhaftigkeit, kein Glanz und keine Gala hinter den Masken, sondern bestenfalls eine ungebührende Arroganz. Sie steuerten ihre Nicht-enden-Wollende-Neugierde mehr in mein Persönliches und diese schlechte Angewohnheit oder sei es auch eine Sucht, meine innersten Geheimnisse zu erfahren, war ähnlich hoch bestellt wie diejenige, die ich hätte haben sollen, um den Beruf schließlich aus dem Effeff zu erlernen, allein mir fehlte größtenteils die Gelegenheit, um an den wirklich aufschlussreichen, an den großen und interessanten Reparaturen dabei sein zu dürfen und somit war ich letztendlich auch des Fundamentes jeglichen Fachinteresses beraubt und da nun mittlerweile schon das zweite Lehrjahr erreicht war und sich die Lage noch immer nicht wirklich verbessert hatte, war oder ist mir zwischenzeitlich nicht nur der Glaube an eine Verbesserung meiner Situation, sondern auch noch, zumindest gelegentlich, die Lust vergangen.

    Zwar bestand innerhalb der Betriebsmauern kein Prüfungsdruck und es lauerte auch keine authentische Gefahr schlechte Zeugnisnoten zu erhalten, was weder für die eine noch für die andere Seite belastend war, aber gerade solch ein Leistungsdruck, wäre er nur dagewesen, hätte auch die Verantwortlichen im Hause Thibaut womöglich oder gar bestimmt zu einer anderen Gangart gezwungen. So aber war die Zeit mehr trostlos als lehrreich, lächerlich abgeschmackt zuweilen, aber niemals informativ oder aufschlussreich nutzbringend. Und wenn dann der Ernst der Lage im Geiste sichtbar auftrat, sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Lernenden, dann aus der jeweiligen Sicht nur zweckbezogen, was heißen mag, jeder der Beteiligten wollte die Zeit irgendwie hinter sich bringen. Die Thibauts würden danach, wie in jedem Jahr, den einen oder anderen Lehrling wieder einstellen, denn einer muss ja die von allen anderen verschmähte Arbeit machen und für mich hieß es ebenso die Zeit runter zu rasseln, irgendwie das Beste daraus zu gestalten, die Prüfung zu bestehen und danach wird man weiter sehen. Wobei ich freilich zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr daran glaubte, nach Beendigung der Lehre, wie auch immer die Prüfung ausfallen möge, auf diesem Beruf weiter zu arbeiten.

    Die Gespräche der Gesellen untereinander, hätten rein stofflich gesehen, oft als wertvolle Vorlagen für ein Lachkabarett ihren Dienst erfüllt, jedoch berufsbezogen wahrlich etwas dazulernen konnte man aus diesem Geplapper nicht. Zu einer intelligenten Erläuterung seiner eigenen Arbeit war eigentlich nur Hasso Fleischer fähig, den anderen fehlte es entweder an der Zeit, oder sie wurden aus dem einfachen Grund daran gehindert, weil sie an einer reellen Darbietungsblöße litten oder Kenntnislücken sie daran hinderte, oder sie hatten schlicht und einfach keine Lust zum Erklären.

    Der Aufbruch in das neue und unbekannte Land, das ``Lehrzeit´´ hieß, das zugleich, mit der für jeden Menschen etwas diffizilen Zeit der Adoleszenz sich auftat, brachte mir nicht die gewünschten Formen der Begegnung mit den Menschen und der neuen Lehrzeit-Welt, namentlich die Berufsschule machte nach anfänglichen Schwierigkeiten, bedingt durch das verspätete Einsteigen, dann riesigen Spaß, weil ich mich hier auch gerecht, sowie angemessen loyal und einwandfrei gleichrangig behandelt fühlte und nun erst recht machte es kurzweilige Freude, nachdem ich mich sukzessive von den anderen leistungsmäßig absetzen konnte. Und auch deshalb hatte ich an der Berufsschule Wohlgefallen gefunden und das Hochgefühl der Begeisterung machte sich in mir breit, weil die Riten ähnlich derer waren, welche ich von der Volksschule her kannte und nicht zuletzt auch deshalb blühte ich auf, weil ich es hier auf gerechte Weise allen zeigen konnte was in mir steckt, insofern man Anforderungen an mich stellt und ich wie ein Mensch behandelt werde. Wenn hier Klassenarbeiten geschrieben wurden, sei es in Mathematik oder auch in anderen Fächern, so zählte das nackte Ergebnis und aus der erreichten Punktzahl ergab sich die Note. Da wurde nicht nach dem jeweiligen Passbild benotet und ebenso auch nicht nach der Herkunft, nach dem Wohnort oder etwa der Blutgruppe, nur das selbst Erarbeitete und das selbst Erlernte brachte die logische Konsequenz und jeder erntete seine eigene, selbst gesäte Frucht. So und nur so macht die Lehre einen Sinn und daraus resultierend auch ein unverfälschtes Behagen, eine substanzhaltige Freude gewiss und nicht wie in der unliebsamen Lehrwerkstatt, wo die Thibauts in ihrer selbstgestrickten Welt lebten, die Welt, die so manchem Lehrling nicht ohne Grund als lästig, widrig und unerquicklich vorkam.

    Sie, die Thibauts und somit meine Ausbildungswerkstatt, boten mir wie gesagt nur die bereits erwähnten, die desolat und destruktiv wirkenden Erlebens- und Verhaltensmuster. Der Lehrling seinerzeit, der lange noch nicht mit dem Ehrentitel >>Auszubildender<< angesprochen wurde und demzufolge auch nicht mit der hergeleiteten Abkürzung >>Azubi<<, war an sich ein ausgesprochen schlechtverdienender Winzling, er war ein Hauch von Nichtigkeit, der gemeinhin in einer dauernden Sorge vor dem Verlust des Wohlwollens und der Anerkennung der Führungspersonen litt, der lechzte nach einem Lobspruch und doch kaum ein Kompliment hörte, selbst bei einem Erfolgserlebnis am Objekt Auto nicht. Der mit Ehrfurcht und Scheu als zierlicher Vierzehnjähriger in die Lehre gestartete Bub, der die direkten Vorgesetzten zunächst mal wertschätzte, aber seiner Lebtag nie auf irgendeine gemäße Gegenliebe stieß, der den Rang und Namen seiner Lehrherren, das Image und die Autorität zu akzeptieren hatte und niemals einen Funken Applaus für seine Tätigkeit wahrnehmen durfte und der dann, wenn er sein Lohntütchen mit den läppischen sechzig Mark in die Hand gedrückt bekam, für weit über zweihundert geleistete Stunden im Monat, von der Chefin dann vorwurfsvoll zu hören bekam: „Na ich weiß nicht, hast du das viele Geld auch wirklich verdient in diesem Monat?", dieser Lehrling seinerzeit, am Anfang der Sechzigerjahre noch, war weiß Gott ein armes Schwein! Und weil es immer um Anerkennung ging, um ein aktuell fortschrittliches Gelingen einzelner Arbeitsprozesse, um ein zukunftsorientiertes und immer fortschreitendes Entwicklungsstadium, um Errungenschaften, Aufstieg und Durchbruch und es natürlich auch bei meinem Freund Gino Funk um nichts anderes ging, waren genau diese Aspekte die Ursache dafür, dass eine langjährige Freundschaft, wahrscheinlich auf Kosten seiner inneren Überzeugung, nur um den persönlichen Vorteil und ein stets wachsendes Renommee nicht aus den Augen zu verlieren, mehr als nur infrage gestellt wurde. Wer aber tatsächlich Angst davor hat, dass keiner ihn richtig unterstützt, dass die Gesellen seinen Freund vielleicht mal mehr unterstützen könnten, als man selbst unterstützt wird und wer sich fürchtet vor der inneren Gliederung des Betriebs, wer die Furcht in sich trägt, dass die Gliederung zu seinem Ungunsten kippen könnte und wer die Angst im Nacken spürt, mal nicht in der vordersten Reihe zu stehen und Angst davor hat, der alte Freund aus den einstigen Schultagen könnte mal aus der hintersten Reihe hervortreten und seine Ansprüche geltend machen, ja wer sich tatsächlich so verhält, der ist in der Tat selbst ein Winzling und kann unmöglich noch mein bester Freund sein. Aber ich werde auch vor den Oberen der Thibauts keinen Kniefall machen, nur um gerecht behandelt zu werden. Wenn die nicht selbst in der Lage sind um zu wissen was Gerechtigkeit ist, dann brauchen sie sich nicht über mich das Maul zerreißen und außerdem wäre ein solcher Kniefall nur vergebliche Liebesmühe. Mit Gino Funk gab es aus meiner Sicht bald schon kaum mehr eine Verbundenheit, lediglich die Schule noch und hauptsächlich der Sport hielt ein schwach flackerndes Flämmchen am Leuchten. Im Betrieb hatte er die Billigung der Vorgesetzten und vor allem hatte er den Triumph, vor mir der praxisbezogene bessere Lehrling unseres Jahrgangs zu sein, was mir kaum was ausmachte und zwar aus dem einfachen Grund heraus, weil ich mir im Klaren war, selbst wenn ich auf den Knien darum gebettelt hätte, so hätte ich trotzdem nie diese Gutheißung und diese Affirmation wie er erhalten, nur warum das ausgerechnet so war, das wissen eventuell so manche Götter, ich jedenfalls weiß es nicht. Niemals im Leben hätte ich von den Thibauts ein Wohlwollen bekommen, niemals Milde, Nachsicht oder gar einen Segen, nicht mal einen Zipfel von Gunst und Gnade, doch auf den Knien zu betteln hätte ohnehin nicht meiner Person und ebenso wenig meiner Wald’schen Edukation entsprochen.

    Und doch bleibt oder blieb nach wie vor festzuhalten, es fehlte mir ganz offensichtlich an Schutz und Hilfe, an Wärme und Geborgenheit, mehr noch als einstmals während meiner ersten dreizehn Jahre, als Vater noch seine Dressurerziehung auf unerbittliche Weise durchzusetzen versuchte. Eigentlich hätte ich eventuell auch erwarten können, so sehe ich dies aus meinem vielleicht subjektiven Blickwinkel heraus, dass Chef und Chefin die interessantesten Bildungsgüter und Denkgewohnheiten ihrer Autokultur an die Lehrlinge weiterzugeben versucht sind, dass ein Weitergeben von Wissen stets stattfindet, welches auch ihr eigenes Leben fruchtbarer gemacht hätte, doch ihr Handeln mir gegenüber, vielleicht ja entsprach es ihrem Charakter, enthielt vor allem eine scharfe und bemängelnde Kritik. Das elementare Werk einer geistigen Barmherzigkeit war ihnen fremd. Es fehlte mir die Grundmöglichkeit, der Schlüssel um geistige Dinge zu öffnen, weil mir das praktische Lernen am Objekt Auto nur in den seltensten Fällen zugänglich gemacht wurde. Die Obigen übten moralische Kritik und vergaßen in ihrer maßlosen Selbstgerechtigkeit, die gemäßen Voraussetzungen zu schaffen, um meinen geistigen Wachstumsprozess anzuregen und voranzutreiben. Gegenteilig legten sie mir, wo immer es nur ging Steine in den Weg, um ja siegreich zu bleiben in dem äußerst schändlichen Spiel, dieser aus der Siedlung stammende und kommende Lehrling muss möglichst ungebildet die Lehre beenden, er ist lediglich dazu berufen, um die in der Werkstatt anfallende Drecksarbeit, für welche andere zu schade oder zu teuer sind, zu verrichten. Ihrer selbst gestalteten Kategorisierung zufolge war ich von vorne herein ein Mensch zweiter Klasse, ich war das berühmte schwarze Schaf, das fünfte Rad am Wagen. Der morbide Schleier ihrer Selbstherrlichkeit führte vermutlich zur Abstumpfung ihres Gewissens und so achteten sie in ihrer Arroganz, die persönliche Eigenart, die individuellen Wesensmerkmale ihres Lehrlings nicht im Geringsten. Allegorisch gesehen schlugen sie selbst dann noch auf meinen Körper ein, als ich schon leblos und wehrlos auf dem Boden lag.

    Meine Lehrzeit war keine Herrenzeit, o nein, sie war eine einzige, unendliche Erniedrigung. Meine Vorgesetzten wären gut beraten gewesen, sich eine Art Waschmaschine fürs eigene Gewissen zu besorgen, sie taten dies nicht, weil sie unfähig waren ihre eigene Schuld zu erkennen, ja die Schuldigkeit haftete immer und permanent bei einem anderen, jeder Makel nämlich lag auf dem einen Lehrling, determinativ der eine eklatante Lehrling war für sämtliche Fehltritte und Entgleisungen verantwortlich, jener Halbstarke aus der Bergwerksiedlung, der mit der Wido-Busch-Statur! Dabei will ich nicht vergessen zu erwähnen, für all die, welche meinen vorigen Band nicht gelesen haben, Wido Busch war ein ehemaliger Lehrling der Thibauts. Sein Elternhaus war nur knapp über hundert Meter von meinem entfernt. Er geriet irgendwann auf die schiefe Bahn, anfangs hauptsächlich wegen des Führens eines Autos ohne Fahrerlaubnis.

    Eine für die Allgemeinheit objektive Fairness, oder sagen wir lieber mal eine allgemeine Gerechtigkeit, eine gleiche Rechtsprechung für alle im Betrieb Beschäftigten, die war nur höchstselten, oder eher überhaupt nicht sichtbar. Und es stellt sich auch sofort oder im Nachhinein die berechtigte Frage, wer von den in diesem Betrieb Anwesenden sollte eine sachliche, eine neutral begründete Rechtschaffenheit veranschaulichend überprüfen? Wer von diesen Voreingenommenen sollte dafür in Frage kommen? Normal oder gemeinhin ist der Chef der oberste Richter eines Betriebes, zumindest in erster Instanz, doch die ganze Welt weiß, dass dies sehr oft ein einseitiges und merkwürdiges Tribunal ist und als neutrale Juroren sind solche Herren eher untauglich, weil sie ganz einfach befangen sind. Nun, die Thibauts waren in erster Linie von ihrem eigenen Ich befangen und mit dem eigenen Ich waren sie auch sehr beschäftigt und waren sie endlich oder kurzlebig aus ihrem eigenen Ich herausgetreten, so klebten doch ihre Vorurteile an ihnen, und so sahen sie immer in dem einen nur das Positive und in dem anderen eben permanent nur das Negative, weil ihr oftmals sturer Blick zum einen stets oberflächlich aber sehr kritisch und zum anderen bezugsorientiert und vorgetäuscht freundlich, aber eben nicht sachlich neutral war. Und die Thibauts’sche Kritik war durchaus gleichzusetzen mit Krittelei, Tadelsucht und Bemängelung, zumindest am Anfang und sie setzte sich fort mit Geläster, mit Anfeindungen und schließlich auch mit strikter Ablehnung, und aus einer solch ehrvergessenen Zwickmühle wieder herauszufinden wäre nur dann möglich gewesen, wenn beiderseits ein Wille vorhanden gewesen wäre, doch die Seite der Erlauchten dachte ja gar nicht daran, dem Lehrling zweiter Klasse eine Chance zu offerieren, nur das Kriegsbeil wurde tagtäglich aus der Schatulle geholt und erhaben aufgetischt. Durch diese anfangs nur skeptische, zunehmend aber akut komplizierter und missbilligender werdende Korrelation, wobei die obrigkeitliche Seite nie an einem humanen und noch weniger an einem toleranten Brückenschlag interessiert war und somit auch die Atmosphäre sich permanent weiter und weiter vergiftete, war meine Welt gespalten, gespalten zwischen der Lehrzeit, beziehungsweise der Lehr-Welt innerhalb des Betriebes und der Welt außerhalb dieser ominösen Mauern, außerhalb, wo ich ganz einfach ein gewöhnlicher Mensch sein durfte.

    Das Leben in der Adoleszenz ist an und für sich schon schwierig genug, auch ohne die unerträglichen Vorkommnisse im Betrieb. In dieser Zeit zurechtzukommen ist nicht ganz so einfach, wo der junge Mensch getragen wird von seinen Gefühlen und seinen immer stärker werdenden Trieben. Wie oft dachte ich noch verträumt zurück an die schöne Zeit in Oberbayern, an diese fantastische Bergwelt und an die hübsche Begleitung der Mädchen tagtäglich und nicht zuletzt auch an die Nächte. Auch da war dieser Trieb freilich vorhanden, und dennoch bin ich noch heute vom Stolz berauscht, auf das Eine verzichtet zu haben, was die Mädchen partout nicht wollten, da natürlich auch sie wussten es, wie schnell man Mutter werden kann. Aber vordergründig ging es ihnen ja nicht nur um das fragwürdige Mutter werden, o nein, es ist ja auch ein Stück weit eine verständliche Ehre, möglichst bis dahin Jungfrau zu bleiben, bis man sich absolut sicher zu glauben scheint, der hier an meiner Seite ist der Richtige, mit dem will ich mein Leben teilen, jedenfalls hatten sie mein vollstes Verständnis. Wobei ich natürlich nur für Gerlinde meine Hände ins Feuer legen kann, bei Romy hatte sich ohnehin noch keine Gelegenheit geboten, aber auch sie hatte Anstand und Würde und das angesprochene Schamgefühl, dessen bin ich mir absolut sicher. Diese komplexen Dinge und diese emotionale Sichtweise des Lehrlings >>George<<, beeinträchtigten und trübten bisweilen mein Denken definitiv, auch wenn ich vor einer wichtigen Arbeit stehend immer noch rechtzeitig die Kurve kriegte. Nichtsdestotrotz aber, es ist nicht so, dass immer und an jedem auftretendem Malheur die anderen die Schuld zu tragen haben. Aber das Heraustreten aus der Volksschule und aus der Pubertät bringt viele erwartungsvolle Fragen und fragwürdige Antworten hervor, die letztendlich immer wieder kreisen und kreisen, wobei man freilich noch nicht wissen kann, dass einige dieser Fragen und dieser Themen im späteren Leben, sich womöglich noch oft wiederholen werden.

    Wer bin ich nun? , herausgetreten aus der Volksschule und durch eigenes Entscheiden hier in der Lehre stehend? Warum nur bin ich dieser Lehrstellenfrage nicht intensiver nachgegangen? Warum habe ich alles nur auf die leichte Schulter genommen, ohne Vergleiche anzustellen? Warum muss ich nun hier an dieser Stelle ausharren, warum bin ich nun gezwungen zu leiden, zu leiden an mir selbst und an meiner Umwelt, nur weil ich die Mutter nicht enttäuschen möchte? Ich werde hier, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, niemals glücklich werden, was aber kann ich tun, um etwas glücklicher zu werden? Wie viel Bedeutung muss ich der angemessen gebührenden Einhaltung oder dem Abbruch eines Ausbildungsvertrages beimessen? Welchen Einfluss hat ein Abbruch der Lehre auf mein späteres Leben? Kann ich die Tragweite meines Denkens, das in die finale Richtung geht, hier einen Schlusspunkt zu setzen, richtig einordnen? Welchen Wert, welch einen Sinngehalt, welch eine Dringlichkeit hat letztendlich dieser von allen erwartede und auch verlangte Lehrabschluss? Würde eine Lehre an anderer Stelle gewiss menschlicher sein? Oder etwa, sieht die Arbeitswelt überall so bestialisch roh und missmutig, so gefühllos und gnadenlos, so unmenschlich aus?

    Sicher gibt es Schlimmeres im Leben, erst kürzlich schrieb ich von dem Grubenunglück im Saarland und von der Flutkatastrophe in Hamburg, oder, wenn ich von etwas Schlimmeren berichten sollte, würde ich zunächst an die dritte Welt denken, an kranke Kinder, die des Hungers wegen zum Sterben verdammt und verurteilt sind, wie beispielsweise in großen Teilen Afrikas. Ein schlimmerer Zustand ist zum Beispiel auch das Bewältigen, von liebgewonnenen Menschen sich durch das Eintreten des Todes zu trennen, körperliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, wie sie beispielsweise unser Bruder Cosimo wird ertragen müssen zu all seinen Lebzeiten, Vater-Kind-Probleme in tausenden Variationen oder auch Drogen und Alkohol, den ich persönlich noch immer widerlich fand, genauso wie die Zigaretten. Bei allem menschlichem Unheil, das es auf der Welt so geben mag und das ich jetzt mal außen vorlassen möchte, wo um Himmels willen finde explizit ich das, oder spezifisch mein individuelles Glück? Wo finde ich wieder solch ein Glück, das ich am Schliersee wochenlang gefunden hatte? Welches ich genießerisch in mich hineinsog wie einst die Muttermilch und doch besitze ich in der Gegenwart definitiv kein bisschen mehr davon, nichts mehr ist übriggeblieben, als nur die schöne Erinnerung! Muss ich nun dreieinhalb Jahre dieses mir doch sehr philiströs und hinterwäldlerisch erscheinende Leben ertragen? Ein Dasein das zu allem Überfluss gewiss auch noch herzlos, eisig und stiefmütterlich ist!?!?

    Es gab da zwar noch die Berufsschule, die für die Erweiterung des Verstandes zuständige Erziehungs-Institution, die mir alsbald auch Spaß bereitete, aber wo nur hielt sich die Sozialerziehung im täglichen Leben versteckt? Wo waren die vernünftigen Ratgeber an der Werkbank vor dem zerlegten Getriebe oder unter der Hebebühne? Wo fand das nutzbringend bildende, das lehrreiche Erklären statt? Ich habe dieses fachliche Erklären nach einem Jahr Lehre noch immer nicht wahrgenommen, der einzige der mir unter der Hebebühne oder in der Grube der Waschhalle unter dem Auto sich befindend, was erklärte, war in der Regel Gino Funk, welch eine Demütigung! Hatte Gino vom Monteur irgendwas falsch verstanden, dann erklärte er mir den Quatsch weiter, was weder ihm noch mir weiterhalf. Zwischen dem Ausbildungsziel und der Lernwirklichkeit im Betrieb klaffte eine gewaltige Lücke, eine Spalte so gewaltig wie der Grand Canyon in Arizona. Eine funktionierende Vermittlung von soliden Grundkenntnissen war äußerst dünn und spärlich und in den seltensten Fällen nur erntereif, sie fand wenn überhaupt, erst im zweiten oder im dritten Lehrjahr statt. Ich war mittlerweile wohl eingelernt worden, für kleine Inspektionen und für die etwas banale Dienstleistung in der Waschhalle, für geistig bedeutungslose Tätigkeiten, für die die anderen Auszubildenden sich ganz offensichtlich zu schade waren. Einen Motor- oder Getriebeölwechsel, ebenso, was seltener ausgeführt wurde, ein Ölwechsel der Hinterachse, insofern es Autos mit Heckantrieb waren, was freilich zutreffend war bei fast allen Fahrzeugen aus dem Hause Ford Taunus aus Köln, zumindest noch am Anfang der Sechzigerjahre, den durfte ich durchführen. Unterdessen hatte ich die üblichen Kundendienstarbeiten des kleinen Kundendienstes mitsamt den Abschmierarbeiten erlernt, denn die hochbejahrten Autos hatten an allen möglichen Ecken, besonders im Achsenbereich Schmiernippel ohne Ende, doch dies alles lernte ich von Gino Funk, weil er eben sechs Wochen schon vor mir die Lehre begonnen hatte. Den großen Reparaturen aber, denen wohnte ein Gino Funk oder der um ein Jahr länger schon im Betrieb beschäftigte Gallus Brecht bei, so war es im ersten Jahr und so blieb es größtenteils auch im zweiten Jahr. Wenn mal die anderen Lehrlinge krankgeschrieben oder sonst wie verhindert waren, durfte ich aushilfsweise tatsächlich mal bei Hasso Fleischer mich nützlich machen, bei dem ich dann andere Arbeiten wie beispielsweise das Neubelegen von Bremsbacken erlernte oder mal ein Handbremsseil wieder gangbar machen durfte oder ähnliche Dinge. Da sah ich dann tagelang die Sonne des Automechaniker-Himmels aufgehen und erlebte Funken des Glücks, war fasziniert von der Technik der Motoren, der Getrieben, der Kupplungen oder der Hinterachsen, doch ebenso schnell war ich dann, sobald die anderen, die besser angesehenen Lehrlinge zurückkamen, als die Etablierten dann wieder den Weg zur Werkstatt gefunden hatten, wieder zur Waschhalle abgeschoben worden, quasi in das Sibirien der Kfz-Lehre, in die Frostigkeit und Lieblosigkeit der Thibauts!

    In Wirklichkeit aber, sollte das Lernen, sowohl im Betrieb als auch in der Gewerbeschule im Gleichklang harmonieren. Beide Formen des Lernens sind nach Möglichkeit nicht voneinander zu trennen. Die Thibauts hielten zwar schnell den mahnenden Finger hoch, übten bei jeder sich bietenden Kleinigkeit schonungslos Kritik, die angsteinflößend sein sollte, aber wo blieb die Geborgenheit im Normalfall? Ist es sozial, immer beliebig und ohne das geringste Motiv oder ohne den spärlichsten Anlass ein Aschenputtel-Dasein ertragen zu müssen? Müssten nicht Schule und Lehrwerkstatt dasselbe Ziel auf korrekte Weise anstreben? Mussten nicht beide Bereiche konfluierend zusammenarbeiten, so beispielsweise wie zwei Pferde, die an dieselbe Deichsel gespannt den einen Wagen ziehen? Durch die Art und Weise mit Lehrlingen umzugehen, spezifisch in meinem Fall, war es so weit gekommen wie oftmals schon zu Vaters Zeiten, als er noch der mächtige Patriarch war, es wurde mir beizeiten der Spaß am Leben genommen, mit dem Unterschied freilich, dass bei Vater hinterher immer wieder eine Art Gerechtigkeit einzog und bei den Thibauts eben nicht und so stand ich nun da, hatte die berühmte Schwelle übertreten, die gewöhnlich so schön als >>der Ernst des Lebens<< interpretiert wird und war todunglücklich dabei. Und gewiss hatte auch der neue, der Thibaut’sche Strafkatalog spezifisch seine eigenen Facetten, das Rachsüchtige blühte wie eine Blumenwiese im Frühling, es lebte, anders als bei Vater, das Unversöhnliche. Waren es früher bei Vater die Verprügelungen, die mich emotional erschüttert hatten, natürlich nicht nur mich alleine, so waren es nun die einschüchternden und die ängstigenden Drohungen, mal andeutungsweise mit dem mahnenden Finger und mit einem bösartigen Mienenspiel, die einem die Hölle heißmachen sollten und das andere Mal laut hörbar und despektierlich, geringschätzende und öffentlich herabwürdigende und verächtlich machende Worte. Und dieses maßlose und unverhältnismäßige Verhalten der Chefetage war weiß Gott um ein Vielfaches schmerzhafter als des Vaters harte Schläge, das fing schon mit verhältnismäßig kleinen Pejorationen an und endete oft mit ehrfurchtslosen und entwürdigenden Kommentaren, selbstverständlich bezogen auf meine Herkunft. So auch bei der erwähnten Weihnachtsfeier, meiner ersten die ich je in meinem Leben mitmachen durfte, als die Chefin mein Privatleben forsch und garstig angriff und auch auf böswillige Weise mich verurteilte und als sie streng appellierte, dass mein Gewerbeschul-Zeugnis sich noch bessern müsse. Als ich dann im zweiten Lehrjahr die gesamte Schulklasse hinter mir ließ und die vor mir Postierten überholt und somit auch ein besseres Zeugnis als Gino Funk vorzuweisen hatte, waren komischerweise, und das stieß mir entsetzlich auf, meine Sympathien nicht gewachsen sondern eher noch immensurabel geringer geworden. Zuerst hatten sie mich wie ein lernunwilliges Kind behandelt, wie ein Baby das zwar am Schnuller nicht aber an der Brust der Mutter saugen mochte, hatten gemahnt und gedroht, damit ich auch ja den gestellten Forderungen mich annehme und bereit bin, aufnahmebereit für schwierigste Klausuren und danach, als ich glaubte allem und allen gerecht geworden zu sein, erfolgte systematisch neues Tadeln und neue, unglaubliche Vorwürfe wurden erhoben und ich glaubte im falschen Film zu sein, zumindest hatte ich aber den Eindruck, als beschäftigte man sich mit einer neu erfundenen Haarspalterei, die in etwa so ablief: Da ist doch was faul, das kann doch nicht mit richtigen Dingen zugegangen sein, oder liegt eine Bestechung gar vor, gibt es womöglich so etwas wie eine Siedlungs-Mafia? Irgendwas ist da nicht hasenrein über den Parcours gelaufen! Ist dies gar das Ergebnis einer entseelten Verschwörung?

    Mein mir selbst auf ehrliche Weise erarbeitetes und vermitteltes Selbstvertrauen kam gehörig ins Wanken, denn ich wurde in der Tat so misstrauisch behandelt, als hätte ich mir diesen hohen Rang, diese Führungsrolle, dieses positive Prestige nun Klassenbester zu sein nicht hart erarbeitet, sondern ich hätte mir diesen hohen Bildungsstand irgendwie ergaunert und das ergaunerte Niveau hätte ich mir willkürlich aber unangemessen ans Revers geheftet. Möglicherweise sogar, so waren ganz kluge Köpfe am Sinnieren, hat der Wald seine Arbeiten mit den Arbeiten seines Freundes Gino Funk vertauscht, ja wahrscheinlich handelt es sich um ein gestohlenes Wissen. Ich machte die bittere Erfahrung und erkannte auf grobe Art, dass Narzissmus und scheelsüchtiger Neid in verwirrender Irritabilität auch auf Umwegen funktioniert. Gino Funk verlor indes niemals sein hämisches Grinsen und ich war ihm auch nicht sonderlich böse, denn er konnte wohl am wenigsten dafür und ich an seiner Stelle, wer weiß, hätte mich vielleicht genauso ruhig zurückgehalten, denn es könnte ja tatsächlich so gewesen sein, dass er mit den Verdrehungen nicht das Geringste am Hut hatte, allein der Glaube für solch eine Theorie fehlte mir weitgehend. Und dennoch, so dachte ich mir, da ging es mir ja ehrlich gesagt im Kindergarten besser. Auch damals wollte Horst Paolo Merkel mir stets voran sein, wollte immer nur mit den begehrtesten Spielzeugen spielen und mich abwimmeln. Doch ich erfocht mir mein Recht auf kindlich ehrliche Weise, beim Ringkampf David gegen Goliath legte ich den viel schwereren Horst Paolo aufs Kreuz und hatte somit ebenfalls Zugang zu den Prioritäts-Spielzeugen. Und die Tanten im katholischen Kindergarten waren um ein Vielfaches gerechter, sie waren größtenteils okay, auch wenn ich einmal im Keller eingesperrt wurde, gerade wegen eines Ringkampfes mit meinem manchmal nicht ganz astreinen Freund. Doch eine derartige Vorgehensweise, wie sie einst im Kinderhort existierte, die war hier in der Werkstatt undenkbar, und wenn ich mir mein Recht gewaltsam ergattern würde, dann wäre die Lehrzeit somit sofort beendet gewesen.

    Mir kam es nicht selten so vor, als wolle man mich strafen durch Liebesentzug. Es gibt nicht wenige Menschen die gerade diese Strafe als die empfindlichste Strafe einstufen, gewiss eine Strafe, die oftmals schwere Schäden nach sich zieht. Fachleute weisen ausdrücklich darauf hin, dass die gefährlichste Strafe nicht die körperliche Strafe sei, wie man annehmen könnte, sondern der qualvoll beißende Liebesentzug. Doch was wollte man mir entziehen? Entziehen kann man einem nur dann was, wenn einer was hat oder hatte, doch ich hatte noch nie eine wahre Liebe bekommen, ja von Mutter gewiss, aber gar nie nicht und nie und nimmer von den Thibauts. Da hob man wie gesagt den eindringlich mahnenden Finger und danach folgte eine tagelange Nichtbeachtung, sozusagen vollzog sich dann eine noch weiter ausschließende oder eine disqualifizierende Isolierung meiner Person, ein inkonsequentes Wegsehen und ein eisiges Schweigen waren in der Regel an der Tagesordnung, was gewiss ein grausames Extrem einer unsozialen Strafmethode war. Zumeist war es ein kühler Umgang, der mir gegenüber eingeschlagen wurde und die Höchststrafe folgte auf dem Fuß, sie hieß dann jedes Mal; ab in die Waschhalle! Ja bin ich denn im Zuchthaus? Mir schien es, als hätten sich Chef und Chefin selbst gezwungen und gefoltert, nur um diese abweisende Maske zu wahren, denn wie soll eine solche Verhaltensregel anders zu erklären sein?

    Gewiss war es bei Vater anders. Doch genau dieses Verhalten und diese Strategie der Vater-Erziehung, wie wir Wald-Kinder sie erfahren mussten, ist bis heute ein strittiges Thema geblieben und so manches meiner Geschwister verurteilt heute noch unseren Vater. Deshalb sehe ich mich veranlasst, um noch einmal zurückzukommen auf dieses Thema. Denn würde jemand eine Kulturgeschichte über die körperlichen Züchtigungen schreiben wollen, so wäre demjenigen anzuraten, für ein solches Unternehmen sich ausreichend Zeit einzuplanen.

    Die Verprügelung von Kindern im Namen der Edukation ist vermutlich so alt wie die Erziehung selbst. Schon im alten Ägypten scheinen nicht nur die Sklaven und Kinder niedriger Herkunft dieser Methode ausgesetzt gewesen zu sein, sondern auch die Nachkömmlinge der vornehmen Reichen. Darstellungen auf Salb-Gefäßen, auf Amphoren und Wandgemälden offenbaren, wie sehr die Prügelmethode mit der Erziehung seit jeher verbunden war.

    Mittelalterliche Darstellungen schulischer und familiärer Szenen zeigen, dass sich die Tradition in den frühen Jahrhunderten der europäischen Erziehungsgeschichte ungebrochen fortgesetzt hat. Nur selten stößt man auf Bilder, die Lehrer und Schulsituationen wiedergeben, auf denen nicht Stock und Rute abgebildet sind. Oft zeigen diese Dokumente, wie diese Mittel gerade zum vollen Einsatz gebracht werden oder wurden. Zwar gab es schon früher Kritik an diesen Brachialmaßnahmen, die Gepflogenheit der Erzieher, sich mit Hilfe von körperlicher Gewalt Achtung, Wohlverhalten und Lernwilligkeit zu sichern, ist jedoch bis in die Gegenwart hinein eine Methode geblieben, die noch nicht

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