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Der Pate der Quadrate
Der Pate der Quadrate
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eBook423 Seiten6 Stunden

Der Pate der Quadrate

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Über dieses E-Book

"Der Pate der Quadrate" zeigt sich in einem Drama um einen Journalisten der eine Unterwelt Grösse aus der Stadt Mannheim porträtiert. Er kann sich der Faszination dieser schrägen Person nicht entziehen und wird hierbei tiefer in die psychopathische Welt eines Verbrechers gezogen bei der sich Wahrheit und Lüge verwischt. Der stilistisch intelligent geschriebene Psycho Thriller mit biografischen Zügen um das ewigeThema Gut und Böse ist spannend bis zur letzten Zeile. Dem Autor gelingt eine künstliche Authentizität zu erschaffen in der Fiktion und Realität verschmelzen. Dabei lässt der Autor kein sozialkritisches Thema aus und spielt nebenher mit den zeitgeistigen Klischees der 70er, 80er und 90er Jahre.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum3. Nov. 2014
ISBN9783735704573
Der Pate der Quadrate
Autor

Paul Nero

Paul Nero, Jahrgang 69' ist freischaffender Künstler und Musiker mit tiefen Einblicken in die Unterwelt. Seine Erfahrung mit schrägen Charakteren, Ganoven und Verbrechern fliesst in sein Erstlingswerk "Der Pate der Quadrate" mit ein. Seiner Heimatstadt Mannheim widmet Paul Nero eine einzigartige Stadtbeschreibung und arbeitet dabei mit dem Kurpfälzer Dialekt. Seine Experimentierlust mit der deutschen Sprache kennt keine Grenzen und lässt ihn stilistisch neue Wege beschreiten.

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    Buchvorschau

    Der Pate der Quadrate - Paul Nero

    Reinkarnation

    Kapitel I

    Genesis

    „Es gibt einen langsamen schrittweisen Weg zu Laster und Schurken Haftigkeit jeder Art. Am Ende desselben haben den welcher ihn geht, die Insektenschwärme des schlechten Gewissens völlig verlassen und er wandelt, obschon ganz verrucht, doch in Unschuld"

    Friedrich Nietzsche

    Abschnitt 1.1

    Mannheim

    Mannheim, die Quadrate - Ich liebe diese Stadt. Mittelpunkt der Rhein-Neckar Metropolregion. Seine Menschen sind eigen aber dennoch offen und freundlich. Ihre Sprache ist derb und direkt. Ihr Wesen durchsetzungsstark. Diese Region im Süden Deutschlands eingebettet in die Rheinebene bringt den Einwohnern ein fast schon mediterranes Klima. Dadurch haben sie eine der besten Klimazonen des Bundeslandes Baden-Württembergs. Umringt ist meine Stadt von den Flüssen Rhein und Neckar, die sie zu einen der größten Binnenhäfen der Republik macht. Erst als ich meine Heimat verlassen musste, spürte ich den Schmerz von Heimweh. Ich vermisste diese stehen gebliebene Zukunft welche die Region ausstrahlte. Ich vermisste aber auch ganz profane Dinge wie eben nur den Wasserturm. Das Wahrzeichen Mannheims. Ich vermisste die gepflegten Gärten rund um den imposanten Wasserturm der als Ausdruck eines mächtigen Phallus in den Himmel ragt. Der verspielte Jugendstil der Augusta Anlage erinnerte mich an Freude. An Lebensfreude die das Leben in meiner Stadt Lebenswert machte. Ich vermisste die Planken, Mannheims Fußgängerzone mit all ihren Geschäften und das Geld ausgeben darin. Es fehlten mir auch die Mannheimer mit ihren Kurpfälzer Charme. Ihr Sing-Sang in der Stimme ihres derben Dialektes war wie Musik in meinen Ohren und unterstrich den Anspruch Mannheims zur Popmusik Metropole Deutschlands. Mannheim ist allerdings nicht nur Popmusik sondern hat ihre Wurzeln in der Industrie. In den Vororten wirkt sie eigenartig vergilbt, wie abgelegte Erinnerungsfotos. Nur in den Quadraten wurde ein snobistischer Lebensstil geführt.

    Wenn man sich Mannheims Nachbarstadt Ludwigshafen mit dem Auto nährt freut man sich über gigantische ein Pfeiler Schrägseil Brücken und die Innenstadt. Sie begegnet einem als in Beton gegossene Autofreundlichkeit vergangener Tage. Ludwigshafen und Mannheim haben für mich immer zusammengehört. Die beiden Städte der Industrieromantik gehen nahtlos ineinander über. Jahrzehnte hat sich »Lu« erfolgreich gegen den Zeitgeist gestemmt, der den Rest der Republik in einem globalen Brei austauschbarer Gewerbegebieten und den immer gleichen Filialen multinationaler Handelsketten verwandelt hat. Es ist so, als ob sich spätestens in den siebziger Jahren eine unsichtbare Zeitkapsel um Ludwigshafen gelegt hat, welche die Kugellampen in der Fußgängerzone, die sterile Aufgeräumtheit der Knochenstein gepflasterten »Ebert Parkanlage« und die Denkmäler betonversessener Planierraupen Architektur für die Ewigkeit bewahrt. Längst vergessene Reklame für längst vergessene Produkte, zerschlissene Tour Plakate von längst vergessenen Rock Bands findet man nur in »Lu«. Genau das und »Daniela Katzenberger« macht die charmante Retrospektive aus.

    Der dekadenten Gesichtslosigkeit meiner Residenzstadt Mannheim steht Ludwigshafen als eine Vision industrieller Moderne gegenüber die von der Zeit liegen gelassen wurde. »Lu« bleibt ein Traum aus alten »Science Fiction Comics« und darin liegt ihr wesentlicher Reiz. Es war mir schon immer ein Rätsel, dass dieser Teil meiner Metropole mit den monströsen »BASF Komplex«, grösser als manche Siedlung in der Umgebung , ein blinkendes Lichtermeer bei Nacht, in Stein und Stahl manifestierter Überkapazität im Tageslicht betriebswirtschaftlicher Rationalität war, das Tor zur Pfalz sei.

    Dieses Naturwunder und einer der größten Weinbaugebiete der Republik. Nicht nur die Feste locken die »Monemer iwwer die Brick«, sondern nur der gute Wein. So ist trotz aller Gegensätze in meiner Region alles verwoben und fließt imaginär.

    Der »krasse« Gegensatz zur Mannheimer und Ludwigshafener Industrieromantik ist Heidelberg. In Richtung Odenwald gelegen erreicht man Heidelberg mit dem Auto in 15 Minuten. Dort erhält der Kurpfälzer Puppenstuben Romantik pur. Die altehrwürdige Fakultät, das Heidelberger Schloss und die „schnuckelige" Altstadt, lassen einen schnell vergessen, dass man in einer gewaltigen Industriemetropole, dem Rhein-Neckar-Bermudadreieck zuhause ist.

    Die Heidelberger schauen meist herablassend auf die Mannheimer und Ludwigshafener. Ausschlaggebend und verantwortlich hierfür ist das gehobene Bildungsbürgertum innerhalb der Heidelberger Gesellschaft welche die Arbeiterklasse verspottet. Allerdings beobachten die Heidelberger mit Neid das enorme Entwicklungspotential der beiden großen Geschwisterstädte bei dem sie ohne den Wirtschaftsfaktor Tourismus das Schlusslicht bilden würden.

    Ich legte den »Meier« zur Seite und amüsierte mich über den überzogenen Artikel über einen unbekannten Mannheimer Poeten. Meine Geschichte mit ihm, dem »Paten der Quadrate«, begann jetzt.

    Mannheim, er hasste diese Stadt.

    Seine Kindheit in Mannheim verbringen zu müssen ist das schlechteste was einem passieren kann. Er war Stolz, ein Sohn Mannheims zu sein. Sicher blieb bei ihm die eine oder andere Blessur durch die Industrieabgase von den zahlreichen Chemiewerken der Region zurück. Der Vorteil der Gosse und vermutlich der Chemiekeule ist wenn man mal wieder in die Stätte der Erinnerung zurückkehrst wird man alles, mehr oder weniger, unverändert vorfinden. Geblieben sind die Städte zerfressen vom Dreck der »Anilin« und der Bürokratie. Geblieben sind die Zweckbauten und Hochhäuser der Fünfziger und Sechziger Jahre. Leere Straßenbahnhaltestellen und Bahnhofsgebäude die als Knotenpunkt konzipiert waren. Schaukästen die für nichts mehr warben als für schmutzige, verlassene, nicht ausgelastete Hafenanlagen. Stadtautobahnen die ins triste nichts führte Noch elender als die städtebaulichen Geschmacklosigkeiten geht es seinen Menschen. Sie müssen schuften für den Zerfall. Für die Stadtschulden werden sie ausgebeutet. Die Arbeiter haben Angst um ihren Arbeitsplatz. In den Fabriken geht es zu wie in Zeiten der Bourgeoise. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nach Jahren bürokratischer Herrschaft der „Sozis explodiert. >Falls die „DDR mit den Russen den Krieg gewonnen hätte, sähe ganz Deutschland irgendwie so desolat aus<. >Noch sozialistischer<, hörte ich ihn sagen. >Schon immer hatte mich das »BASF« Hochhaus in »Lu« an sozialistische Repräsentationsbauten erinnert. Wie so mancher Wohnblock in Berlin <, sagte er. Seine Weisheiten nervten mich und ich wusste, dass er eigentlich auf »Neo Klassizismus« stand. >Hervorgebracht hat dies ein Bürgertum aus Arbeitern und Proleten, Sozialbetrügern und Kriminellen, geformt von korrupten Beamten die Vorteile für sich vereinnahmten. Das hohe Bürgertum hat sich längst in den aufdringlichen Oststadt Villen abgeschottet. Ehrliche Obrigkeiten haben resigniert. Auf den Straßen der Arbeitervororte herrschte Gewalt. Die Stadt hat aufgegeben der Gettoisierung her zu werden.

    Abschnitt 1.2

    Psychopath [im Quadrat]

    „Das Elternhaus meiner Abneigung war bescheiden mit zärtlichen Zuwendungen möbliert"

    Trueman Capote

    Er hatte keine schlechte Kindheit um allen Eindrücken vorzubeugen. Keine medialen Klischees passten. Einer Schublade konnte man ihn nicht zuordnen. Dazu war er zu ambivalent. Er war mein Freund und meistens war er mein Feind. Wir liebten uns, wir hassten uns. Und waren zu verschieden.

    Geboren wurde er Ende der sechziger Jahre im städtischen Klinikum als echter Sohn Mannheims. Er war 28 Jahre alt als ich ihn kennenlernte. Schon damals neigte er dazu zu viel zu reden und sich als Selbstdarsteller in Szene zu setzten. Ich hörte zu und beobachtete ihn. Aus einer Unternehmer Familie stammte er. Irgendetwas mit Bau und Immobilien. Einzelkind. Sein Vater, ein komplett verfehlter Unternehmer besann sich darauf zu trinken. Nicht außergewöhnlich dachte ich mir. Seine Mutter schien ihren Mann nur aus Mitleid geheiratet zu haben und war stets bedacht darauf, ihrem einzigen Sohn ein sorgenfreies, wohl behütetes und finanziell abgesichertes Elternhaus, zu bieten. Scheinbar war die Mutter Liebe nur auf den Sohn ausgerichtet, so dass sein Vater vor Eifersucht noch mehr trank und in den nächsten Jahren die Eifersucht, wie auch die Trinksucht, nicht vorstellbare Ausmaße annahm. Seine frühe Kindheit war geprägt von den Geschäftstätigkeiten seiner Eltern. Immer ging es um das Unternehmen und den daraus resultierenden Streitigkeiten. Diese »Bürokämpfe« begleiteten ihn fortan, wie ein roten Faden, durch sein Leben. Aber er zog auch mit der Muttermilch, den Büroablauf zu Führung eines Unternehmens auf, was ihn später, zu einem ausgezeichneten Geschäftsmann, machte. Trotz der »Bürokämpfe« seiner Eltern gab keiner der beiden auf, oder reichte die Scheidung ein. Es sollte sich in seinem späteren Leben herausstellen, dass seine Mutter nie aufgab. Für dieses starrsinnig abrückendes Verhalten war sie zu beneiden. Seine Mutter „bemutterte" ihn weiterhin mit viel Liebe und mit noch mehr Aufmerksamkeit in Form von Geschenken und dem trügerischen Gefühl besonderes zu sein. Ich denke er war ein seltsames Kind. Ein Mama Kind. Ein Tief verwurzelter Mutter Komplex, deren Behandlung, »Sigmund Freud«, sicher Freude bereitet hätte. In seiner Kindheit war er ruhig, introvertiert und ängstlich vermutlich auch durch extreme Vorfälle, die er bei seinen Eltern sah und damals noch nicht verstand. Mir zeigte er sich wach und aufnahmebereit, wissbegierig schauend durch jegliche neue Räume und Welten. Eines Tages zeigte er mir Babyfotos von sich, mit Telefonhörer, am kleinen Ohr. Ich konnte seine bereits damals hellen intelligenten Augen bewundern. Mir wurde klar welche Rolle seine Eltern ihm zugeschrieben hatten. Die des zukünftigen Unternehmers, der bereit war, ein Imperium aufzubauen. Sein späterer Geschäftssinn zollte Respekt. Rückwirkend erinnere ich mich als er mir erzählte: >Ich habe bereits im Mutterleib das Klacken von Schreibmaschinentasten gehört. Aus diesem Grund sind geschäftliche und bürotechnische Vorgänge in meinen Genen tief verwurzelt<. Nicht nur das geschriebene Wort sollte ihm später als Waffe dienen, um seine Kontrahenten niederzustrecken.

    Vermutlich wuchs er bei seiner Mutter auf die alleinerziehend war. Sicher konnte er eine tiefe Verbindung zu seinem Vater nicht aufbauen, er nahm ihn nie in seine Arme, sah ihn kaum, da er Tag und Nacht in seinem Büro hauste und am Feierabend zu betrunken war nach Hause zu kommen. Die Firma war im Süden Mannheims im Industriegebiet. Er wohnte mit seiner Mutter neben den Geschäftsgebäuden die ihm nachts vorkamen wie eine Geisterstadt.

    Mit den Jahren akzeptierte er seine Mutter als Alleinerziehende. Nicht im Sinne »Ödipus« wie er mir scherzend mitteilte, sondern eher in der »Tradition von Moshammer und seiner Mama Else«.

    Abschnitt 1.3

    Carpe Diem

    „Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren findet, der ihn versteht."

    Friedrich Nietzsche

    Ich wollte mehr wissen von diesem »Irren«. Er war verabscheuungswürdig und dennoch eine faszinierende Gestalt. Auf diesem Wege führte ich viele Jahre später, Gespräche mit Menschen aus seinem familiären Umfeld. Es war verständlich, dass niemand ein gutes Wort an ihm lassen wollte. Trotzdem wollte ich mehr erfahren um zu verstehen.

    Tony, ein gleichaltriger Cousin von ihm, berichtete von seiner Kindheit die er mit ihm verbracht hatte. >Baggerfahren war sein größtes Vergnügen. Baggerfahren auf dem Bauhof des elterlichen Baubetriebs>, erinnerte er sich. >Wenig später war ihm das schon zu langweilig und bereits im Vorschulalter konstruierte er mit mir Häuser in allen Bauvariationen. Mit Ziegelsteinen, Holz...kurz mit allem was wir auf dem Bauhof an Baumaterialen finden konnten. Beliebt war auch Dämm Material von »BASF Styrodur«, mit dem man stabile mehrgeschossige Gebäude errichten konnte. Vorher zeichneten wir uns Pläne mit einem Hauch von Statik<, schmunzelte Tony und fuhr fort: >Nein, wirklich die Gebäude hatten Stil. Eine Art Bauhausstil. Wie Bungalows aus Beton von »Le Corbusier« <. Er musste lachen. >Wenn ich dar- über nachdenke waren wir Kinder im Alter von 8 Jahren und er hatte tatsächlich das Zeug dazu ein großer Baumeister zu werden<.

    Dieser Tony war für mich schon ein komischer Vogel. Ich hatte das Gefühl er ist von Minderwertigkeit Komplexen getrieben. Ich brachte bei meinen Recherchen heraus, dass er das uneheliche Kind von seiner Tante war. Die Halbschwester seiner Mutter. Wie immer an diesen Stellen ist es schwierig, die Familienverhältnisse von Fremden verständlich darzustellen. Es schien, dass Tony von früher Kindheit an sehr von der ablehnenden Haltung seiner Eltern gelitten hatte.

    Als ich nochmals mit Tony, ein labiler und leicht zu beeinflussender Charakter, ein tieferes Gespräch suchte, beichtete er mir: >Ich war der Ältere von uns. Mein Vetter musste trotzdem im Kindesalter immer auf mich aufpassen.< Beschämt fuhr er fort >Er tröstete mich als wir alleine waren und als ich ins Bett pinkelte. Ich bin ein Bettnässer und im übertragenen Sinn bin ich das auch noch heute im Erwachsenenalter. Trotzdem waren wir als Kinder immer zusammen und wie Brüder<. Ich spürte seine Bewunderung für ihn. Er wollte sein wie er. Jeder der ihn kannte wollte so sein wie er.

    Das Blut zwischen Tony und seinem Cousin war dünn. Ich fand heraus, dass beide nicht den gleichen Großvater hatten. Tonys Großvater spielte einen schlechten echten Großvater vor. Erst im Teenager Alter erfuhr sein Cousin von seiner wahren Abstammung. In seinem Blut fließt alter preußischer Adel. „Opa Oberst Graf zu Grünberg" war als Wehrmachtsoffizier im zweiten Weltkrieg vor Stalingrad gefallen.

    Vermutlich war er nicht überrascht dies zu erfahren. Er spürte schon früh, dass Blut dicker als Wasser war. Auch kam er schnell zu der Erkenntnis, dass er mit Tony niemals eine konspirative Familie aufbauen könnte. Das Blut war zu dünn und Tony zu schwach um als Laufbursche zu fungieren.

    Ich brachte heraus, dass der Familienzweig Tonys von ihm, seiner Mutter und Familie partizipierten. Seine Mutter heiratete in eine Unternehmerfamilie ein und ihre Halbschwester erfuhr finanzielle Zueignungen von denen auch Tony profitierte. Seine Mutter war immer zu großzügig.

    So wurde sein Halbonkel in der Baufirma angestellt. Sein Vater beschäftigte ihn im Büro zu guten Lohn. Hier entstand seine Dissertation, zur Promotion als Betriebswirt. Der Halbonkel kam in den Sechzigern mit seinen Eltern aus der „DDR" nach Mannheim. Irgendwie ist er ein 68 er Hippie. Einer der sich bis zum heutigen Tag ohne viel Arbeit durchs Leben gemogelt hat.

    Ich fand heraus, dass auch er nicht für ihn geeignet war eine Familie mit konspirativen Strukturen aufzubauen. Im Gegenteil als es ihm und seiner Familie schlecht ging tat er nichts oder machte so als täte er etwas. Seine Bestrafung hierfür sollte zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

    Ich begann nun in der Familie seines Vaters zu forschen um weitere Hinweise mit meinem Wissen über ihn zu verknüpfen. Die Firma wurde bereits von dessen Großvater väterlicherseits gegründet. Sein Vater war sein Stiefvater. Ein echter Unternehmer der sein Handwerk verstand. Bodenständig, bescheiden, fleißig und gradlinig. Von daher konnte er tatsächlich nicht sein Vater sein. Denn er war in allen charakterlichen Attributen, dass genaue Gegenteil seines Stiefvaters. Nicht nur wegen den unermüdlichen Einsatz seiner Ehefrau überdauerte der Baubetrieb einige Jahrzehnte, sondern auch, weil in den vergangenen Dekaden ein beträchtliches Vermögen bestehend aus Immobilien und Aktieneinlagen aufgebaut wurde.

    Als ich mich mit den Publikationen seines Großvaters beschäftigte fand ich heraus, obwohl auch dieser Großvater nicht sein echter Großvater war, sollte er ihm charakterlich recht nahe kommen. Ich denke er konnte sich sehr mit ihm identifizieren und ich erinnere mich rückblickend, wie er darunter litt und mir sagte: > Mein Opa war mir sehr ähnlich. Ich mochte ihn und doch sollte er nicht mein Großvater sein. Was für eine Enttäuschung dies als Junge erfahren zu müssen. Dieser bewundernswerte gestandene Mann mit Patriarchen Zügen. Mein Opa war ein Kämpfer, geboren in den 90 er Jahren des 18. Jahrhunderts in Schlesien<. Ich denke dieser alte Mann muss ein Vorbild für dich gewesen sein, sagte ich zu ihm. >Ja, er war 1. und 2. Weltkriegsveteran und als ich noch Kind war hat er mir die unheimlichen Geschichten von »Rübezahl« erzählt. »Rübezahl« war verdammt »Rüben« zu zählen<, sagte er stolz zu mir. Mit seinem typischen Grinsen im Gesicht fuhr er fort >Du bist doch mein Psychologe, ich sag` dir mal was, wegen diesem blöden Rübezahl habe ich ein Kindheitstrauma und deshalb fühle ich mich am wohlsten beim Geld zählen <. Er lachte mich mit seiner abschätzenden Art aus. Ich spürte wie unterlegen ich war. Er nahm mich nicht ernst.

    > Ich lernte viel von meinem Opa <, durchbrach er die Ruhe. Er merkte, dass er mich verletzt hatte. Obwohl mir seine Kurpfälzer Färbung in seiner Sprache auf den Geist ging wurde er ernst: > Im Gegensatz zu meinem anderen vermeintlichen Großvater fühle ich mich mit Opa Heinrich seelisch verwandt. Er zog mich wie sein eigens Enkelkind auf. Als er an grauem Starr erblindete kam sein phänomenales Gedächtnis erst richtig zur Geltung. Ich war fasziniert wie er noch im Alter von 90 Jahren sämtliche Angebote aus dem Kopf heraus kalkulierte und seiner Sekretärin die Zahlen diktierte. Ich lauschte immer als kleiner Junge beeindruckt an seiner Bürotür. <. >Und weist du? <, sagte er provozierend zu mir:

    >Ich habe diese Gabe übernommen <. Da war sie wieder diese dumme Arroganz. Besser sagte ich nichts dazu.

    Erst sehr viel später erfuhr er, dass sein Großvater nicht verheiratet war. Seine Großmutter Eli war die Mutter seines Vaters. Ihre Charakterzüge können nicht frappierender sein. Sie war so herrschsüchtig, hinterlistig und mit teuflischer Intelligenz ausgestattet genau wie sein Vater. Ihr Ehemann, der Vater seines Vaters, war Arzt in Breslau und betrieb dort eine eigene Praxis. Er fiel ebenfalls im zweiten Weltkrieg. Eli ging mit Heinrich eine Liaison ein. Heinrich hatte bereits aus erster Ehe 5 Kinder. Eli brachte sein Vater Wilhelm und dessen Schwester Ina mit. Interessant war für mich wie aus den damaligen Kriegswirren neues entstanden ist. Aber ich wollte ein genaues Bild seiner Vorfahren vor mir haben. Sehen ob er irgendwelche Eigenschaften aus seinen Genen mitbrachte die sein späteres Verhalten entschuldigt.

    >Quatsch<, sagte er. >Eli hat doch meinen Stiefgroßvater nur nicht geheiratet, damit sie nicht ihre Witwenrente abgeben musste. Die hat sich doch nur mit Heinrich zusammengetan um abzukassieren<. Ich war schockiert wie er über seine Großmutter sprach. Tatsächlich fand ich heraus, dass sie durch die Vertreibung aus Schlesien ein Vermögen verloren hatten. Zu Fuß und nur mit einem alten Handkarren kam Heinrich und Eli mit den Kindern in den 40 er Jahren nach Mannheim.

    Nicht lange musste der Großvater im Bunker in der Mannheimer Neckarstadt nahe der Jungbusch Brücke ausharren. Schnell etablierte sich Heinrich als fleißiger Zimmermann in Mannheim und fand Domizil mit seiner Familie in der »Max-Josef-Straße« in der Mannheimer Neckarstadt. Er gründete ein neues Unternehmen mit Bauhof in der »Pumpwerk Straße«. Aus den Nachkriegstrümmern wuchs schnell ein profitables Unternehmen. Das Wirtschaftswunder mit »Erhard« in den 50 er Jahren tat sein übriges. Die Firma etablierte sich und erlangte höchste Auszeichnungen. In den weiteren Jahrzehnten vergrößerte sich das Unternehmen rapide. Der Bauhof wurde auf den Mannheimer Vorort Waldhof verlagert, Firmengebäude und Werkstätten wurden errichtet. Die Arbeiter wurden aus den umliegenden Siedlungen den »Benz-Baracken« und dem »Café Landes«, dem Mannheimer Knast rekrutiert. Prominentester Arbeiter aus den »Benz Baracken« war wohl »Charly Graf« der Ende der 60 er Jahre in der Baufirma als Dachdecker arbeitete. Lebhaft erinnerte er sich noch an den »Braunen Bomber« der seine Boxer Karriere auf unseren Bauhof startete und die Box Promoter reihenweise ins Büro liefen um den talentierten Boxer anzuwerben. Charly war wohl sein erstes Vorbild im »Gewinnen« und »Scheitern«. Der Pate war damals noch ein Säugling. Trotzdem schienen ihn die Kindheitserlebnisse dramatisch geprägt zu haben.

    >Ja, ich habe Freunde in üblen Kreisen< erinnere ich mich ihn sagen. Damals besuchten wir ein Fußballspiel des »SV Mannheim Waldhof 07«. »Trainer Schlappner« war aktuell und verhalf den „SV07" in die Bundesliga. >Schon früh kam ich mit den gesellschaftlich Unterdrückten in Kontakt<, fuhr er fort. >Ich fand die direkte, ruppige Arbeitermentalität liebenswert. Mit diesem Nimbus bin ich aufgewachsen und fand es normal. Ich bin mit den Arbeitern groß geworden. Ihre Kinder waren meine Freunde und alle gehörten irgendwie zu einer schrecklich netten Familie <.

    Ich hatte andere Erfahrungen mit diesen Fußball Fans. Es waren Hooligans. Sie waren für mich wie Wikinger. Grausam, verschroben, grob und Furcht erregend. Offenbar üben solche Gestalten eine Faszination aus. Bei mir hat sich das Interesse für diese Legenden von archaischer Männlichkeit auf die Trickfilm Serie aus den 70 er Jahren »Wickie und die starken Männer« beschränkt.

    Ich reimte mir zusammen, dass er in den 70 er Jahren mit einen »irren« Vater, Arbeitern aus den »Benz-Baracken«, einem psychisch kranken Cousin mit dem er Häuser auf dem Firmenlager baute, einer »durchgeknallten Mutter« die zwar nie viel Zeit hatte und ihn dennoch behütete vor all diesen seltsamen Tatsachen aufwuchs. Die »ABBA Musik« welche im Auto tönte in dem er als 3 jähriger alleine auf seine Eltern warten musste bis sie Nachts aus der Disko »St. Trop« im Alster Kinocenter Mannheim zurückkamen tat wohl das übrige seine psychische Instabilität zu fördern. Heute wird das wohl von »Smartphone« und hirnrissigen »Casting Shows« übernommen um die Kinder in einen Wahnsinn zu treiben.

    Er sah das nicht so: >Ich war ein ruhiges Kind, hatte wenig Emotionen. Von daher war es kein Problem für mich alleine im Auto auf meine Eltern warten zu müssen. Ich konnte mich bereits als Kind mit meinen Gedanken und einer eigenen Welt beschäftigen<, >... und »ABBA Musik« hasste ich schon damals<, fügte er mit einem breiten Grinsen hinzu. >Schon als Kind waren mir materielle Dinge wichtiger als »Gefühlsduseleien«. Ich bekam alles, was ich mir wünschte <.

    In der Tat brachte das Unternehmen seiner Großeltern soviel ein, so dass in ein Immobilien Portfolio investiert werden konnte. Hauptsächlich wurden runtergekommene Mehrfamilienhäuser in den einschlägig bekannten Vororten Mannheims aufgekauft. Diese wurden notdürftig renoviert und möbliert. Teures Wohnen in billigen Absteigen. Die Investition erwies sich als Gelddruckmaschine.

    In den 70 er und 80 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde an die in Mannheim stationierten US-Soldaten vermietet. Das »American Soldier Housing« garantierte eine volle Auslastung der Liegenschaften. Mit höchstmöglichen Ertrag.

    >In den 70er Jahren war die Firma meiner Großeltern auf dem Zenit angekommen. Ich partizipierte von dem Vermögen. Als Kind hatte ich bereits alle materiellen Möglichkeiten die man sich als Kind wünschen kann. Schon in der Grundschule hatte ich die feinsten Klamotten, so dass man meinen könnte, der Blockbuster »Saturday Night Fever« mit John Travolta in seinen schrecklichen Schlaghosen Outfits auf den »vorzüglichen Geschmack« meiner Eltern zurückgeht<, sagte er mir mit einem Augenzwinkern. >Wenn man auf Zuhälter Klamotten steht! <, antwortete ich frech und erntete eine »Kopfnuss«. Später sollte ich mich bestätigt fühlen. Er fuhr fort: >Nicht nur wegen den Klamotten ging es mir gut. Es wurde darauf geachtet, dass ich bereits vor meiner Einschulung ein gewisses Maß an Bildung und Erziehung erhielt. Diese Bildung wurde mir durch Reisen an die schönsten Orte der Welt zuteil. Als Kind kam ich schon an die »Côte d`Azur«, sah »Monaco«, »Nizza«, »Cannes« und »St. Tropez«. Zum Skifahren in die Schweiz nach »St. Moritz«, »Klosters«, »Gstaad« und »Davos«. Ich lernte New York kennen, unternahm mit meinen Eltern Luxus Kreuzschiff Fahrten und ankerte an den mondänsten Häfen im Mittelmeerraum.< >Glaub` mir mein Freund, das prägt und bildet als Kind<, sagte er in seiner unschlagbaren Arroganz zu mir. Stille. Was ein Angeber dachte ich mir. Mit seinen nächsten Sätzen ergaunerte er sich wieder mal mein Mitleid für ihn:

    >Der zweite Weg mir Bildung zu verschaffen war die Welt von Kinofilmen. Da meine Eltern leidenschaftliche Kinogänger waren und mich nicht immer alleine bei »ABBA Musik« im Auto lassen konnten nahmen sie mich kurzerhand mit in alle »nicht Jugendfreie« Filme. Schon früh nahm mich die illusionistische Welt des Films für sich ein. Ich dachte dies sei die Wirklichkeit. Am liebsten mochte ich »James Bond« und »Louis de Fûnes«. Sie wurden wir Ersatzväter für mich <.

    Er hatte recht, als ich ihn kennenlernte erkannte ich die Charakterzüge eines völlig überdrehten, cholerischen aber auch humoristischen »Louis de Fûnes« auf der einen Seite und den markant selbstsicher auftretenden»Sean Connery« als »James Bond« auf der anderen Seite seiner Persönlichkeit. Eine lustige aber auch gefährlich am Wahnsinn grenzende Mischung. Ich wollte noch mehr wissen über seine Selbsteinschätzung und kitzelte ihm im richtigen Moment mehr Informationen seines tiefsten inneres heraus. Gepackt an seiner Eitelkeit gab er preis:

    >Da ich nicht nur in Filmen interessante und außergewöhnliche Figuren beobachten konnte und mir die Fähigkeit fehlte die Welt so zu sehen wie sie wirklich ist schuf ich mir als kleiner Junge Vorbilder unter den Filmikonen der 60er und 70er Jahre. In der Wirklichkeit bewunderte ich die Yachten mit den dekadenten Hubschraubern an Bord und die Luxuslimousinen im Hafen von »Monaco«. Die Yacht gehörte Onassis den ich im Film, »Der große Grieche«, in einer Rolle von»Anthony Quinn« im Kino bewunderte. Ich beobachtete »Gunter Sachs« auf der »Cresta Run« in St. Moritz und sah ihn anschließend im »Badrutts Palace Hotel« im Foyer. Leider war ich mit acht noch zu jung die legendären Partys im »Dracula Club« mitzufeiern. In dieser verrückten Zeit weg von »Neureichen« Russen gab es noch die wahre »High Society«. Als ich 1976 mit meinen Eltern in Kairo weilte, fernab jeglichen »arabischen Frühlings« heutiger Zeit, konnte ich zufällig das Film Set zum James Bond »The Spy who loved me«, an den Pyramiden von Gizeh mitverfolgen. Dort sah ich »Roger Moore« als »James Bond« mit seinem Widersacher »Richard Kiel« als »Jaws« eine Szene abdrehen<. >Kannst du verstehen, dass sich da bei mir die reellen Wahrnehmungsebenen verschoben haben?<, sagte er zu mir. Ich dachte jetzt versucht er auf Selbstdiagnose um seinen heutigen Wahnsinn zu rechtfertigen. Er setzte seinem Größenwahn noch eins drauf und flüsterte mir leise in mein Ohr: >Weist du, seit ich 4 Jahre alt bin denke ich ich wäre »James Bond«. Seine geschmackvolle, charmante und stilsichere Art ist bis heute ein fester Bestandteil meiner Persönlichkeit. Leider ist es eine Fehleinschätzung. Geworden bin ein Verbrecher in der Tradition der »007« Bösewichter. Curd Jürgens in »The Spy who loved me«, Gerd Fröbe in »Goldfinger« und natürlich »Ernst Stravo Blofeld«, der Katzenfreund, sind meine wahren Vorbilder nach denen ich strebe. Daher stammt mein unbändiger Wille ein Imperium zu schaffen<.

    Ich war sprachlos von seinem Monolog. Nahm er Drogen oder wollte er mich einfach nur auf den Arm nehmen? Er setzte noch einen drauf, um vermutlich seine sensible Seite zu zeigen:

    >Mit »Barbara Bach«, »Bond Girl« an der Seite von »Roger Moore« begann auch meine Leidenschaft für schöne Frauen die neben Macht und Geld meine 3. Säule meines Daseins werden sollte <.

    Mir fiel auf, dass wenn er sich für ein Thema erregte und sich nicht unter Kontrolle hatte er begann »Kurpfälzer Mundart« zu sprechen. Ein »James Bond« der »Mannheimer Slang« spricht ist schwer vorzustellen, wenn man davon absieht, dass »Sean Connery« in seinen Bond Filmen »Schottischen Slang« sprach. Dann fiel mir ein, dass die »007 Bösewichter« nie viel sagten. Das passte eindeutig besser zu ihm. Seine Erzählungen hatten für mich eine Tragik-Komik die mich mehr an »Louis de Fûnes« erinnerten als an »James Bond«. Ich spürte seine arme Seele, die versuchte sein einsames Umfeld, mit den Gedanken einer anderen Welt, zu kompensieren.

    Abschnitt 1.4

    Jung

    „Ich lebe in jener Einsamkeit, die peinvoll ist in der Jugend, aber köstlich in den Jahren der Reife."

    Albert Einstein

    Er überschritt die zehnte Jahresgrenze und die Alterszahlen sollten von nun an zweistellig werden. Auf dem Bauhof der Firma seiner Eltern erlebte er den Ausklang seiner Kindheit. Tony berichtete mir als Zeitzeuge seines umtriebigen Cousins: >Er bekam zwar alles was er wollte, war aber nicht verzogen, faul oder ein Verlierer, was man von anderen Kindern, ähnlicher Familien, nicht behaupten konnte. Er erkannte früh, dass man nur mit dem notwendigen Kleingeld ein angenehmes Leben führen kann, etwas selbst dafür tun müsste und sich nicht nur auf sein Erbe berufen sollte. Obwohl er als 10 jähriger über mehr Taschengeld als Gleichaltrige verfügte, konnte er einen ungemeinen Spartrieb entwickeln, bis hin zum Geiz zu sich selbst. Zu anderen war er niemals geizig sondern gab und half wo er nur konnte. Später hat er Menschen für seine Zwecke gekauft. Bei sozial Schwächeren zeigte er sich als moderner »Robin Hood«.< Tony fuhr mit einer Anekdote fort die er immer wieder mit seinem Cousin erlebte. >Ich war damals knapp zehn. »Er«, als der Jüngere gab mir ein Eis am Kiosk auf dem »Waldhof« aus. Ich war gierig und schleckte das Eis sofort auf. Er wartete und begann erst zu verzehren als ich bereits fertig war. Er freute sich diabolisch darüber das er noch Eis hatte. >Kauf dir doch noch eins wenn du Geld hast<, sagte er lachend. >Ich hab` doch kein Geld<, antwortete ich. >Siehst du, das ist der Unterschied<, kam als Antwort. Erst heute verstehe ich was er damals damit meinte. »Er« ist ein Teufel.

    Als ich begann die ersten Nachforschungen über seine Jugendzeit zu stellen war mir Tony eine große Hilfe. Er brachte mich auf eine Spur, die in ein katholisches Ferienkinderheim im Allgäu führte. >Dort habe ich mal die großen Sommerferien mit ihm verbracht. Ganze 6 Wochen. Es war ein Alptraum für mich und ich habe bis heute ein Trauma<, sagte Tony zu mir. Irgendwie war Tony okay. Er war so gnadenlos ehrlich zu mir und sprach ungeniert über seine Schwächen. Damit hatte er meine Achtung verdient.

    Ich bezeichnete mich selbst als gläubigen Katholik und hatte keine Berührungsängste mit der Kirche aber auf den Weg meiner Recherchen ins Allgäu überfiel mich ein mulmiges Gefühl. Unheimlich war es mir zumute, als ich mich den klosterähnlichen Gebäuden, näherte. »Er« und Kirche, dass konnte ich mir nur schwer vorstellen. Als ich im Klosterheim eintraf erinnerte ich mich unwillkürlich an Eco`s Roman »Der Name der Rose«. Die Gebäude hatten eine ähnliche dunkle Ausstrahlung. Ein mieses Karma. Als mir das Tor geöffnet wurde standen mir die gleichen hässlichen Gestalten gegenüber, mit dem Unterschied, dass diese Gestalten Nonnen waren und nicht Mönche. >Grüß Gott, begrüßte mich die Oberin<, >Grüß Gott<, sagte ich freundlich zurück. Ich gab mich als Journalist aus. Auf meine Fragen antwortete sie prompt. >Ja, der Tony und sein Cousin, die waren in den 70er Jahren bei uns. Der Tony musste immer Weinen und hatte Heimweh. Sein Cousin hat ihn trösten müssen. Die waren ja noch so klein<. Sie schwieg einen Moment und blickte gen Himmel, bekreuzte sich, küsste ihren Rosenkranz und fuhr fort: >Wenn sie nach seinen Vetter fragen, möchte ich eigentlich keine Auskunft geben, nur soviel, er war für sein Alter ein aufgewecktes Kerlchen der uns viel Ärger einbrachte<. >Und jetzt muss ich in die Messe <. Ich wunderte mich wie schnell sie das Gespräch abbrach.

    Zurück in Mannheim konfrontierte ich den Paten damit mit der Bitte Stellung zu beziehen. >Was maßt du dir an in meiner Jugend zu graben?, was hast du vor <. Ich hatte Angst. Er sollte nicht merken, dass ich über ihn schreiben möchte. Plötzlich prustete es aus ihn heraus und ich konnte nicht nachvollziehen was ihn hierzu veranlasste: >Tony, mein Vetter, dieses ungewollte komplexbelastete Sorgenkind. Obwohl ich in unserer Jugend körperlich unterentwickelter war als er setzte ich mich immer durch. »Charles Darwin« mit seiner Theorie der natürlichen Selektion hat leider nicht Recht. Er war besser in der Schule, aber das nützte ihm nichts. Als wir 6 Wochen in diesem »beschissenen« Kinderheim im Allgäu waren musste dieses »Weichei« jede Nacht weinen. Bis heute kann ich nicht verstehen warum er Heimweh zu Eltern hatte die ihn von Geburt an nicht gewollt haben. Dieser »Trottel« hing doch nur mit mir rum. Ich hatte soviel vor mit ihm und er hat nichts kapiert. Jedenfalls stellte sich in diesem Kloster mein Talent als Krisen Improvisator heraus. Du weist ja nicht was da bei den abgedrehten Nonnen abging.< Erregt fuhr er fort ohne Luft zu holen: >Ja, meine Gabe Leute tot zu quatschen um etwas zu erreichen war mir bereits als Kind in die Wiege gelegt. Heute würde man sagen ein rhetorisches Talent und die Fähigkeit etwas verkaufen zu können.< Seine Aussprache wurde nass und ich reichte ihm etwas zu trinken. >Schon als 10 jähriger war ich in der Lage einem Erwachsenen ein Auto überzeugend zu verkaufen. So überzeugte ich die perversen Heimschwestern, dass ich ständig telefonischen Kontakt nach Hause wegen des psychologischen Problems meines Vetters bräuchte. Es wurde mir gewährt und nutzte mir nichts, weil mir niemand den Wahnsinn den die Schwestern abgezogen hatten glaubte.< Er holte kurz Luft um darauf weiterzureden: >Ich drückte mich erfolgreich um das Schwimmen, den Spielen und verhielt mich gegenüber den Schwestern als Gentleman.< Ich verstand nicht und fragte. Er wurde ungehalten: >Warum fragst du?<, herrschte er mich an und wiederholte laut: >Warum?, warum?<, schrie er mich an. >Ich sag`s dir weil sie meinen Vetter missbraucht haben, geschlagen und gequält und das ist der Grund warum er ins Bett »pisst« und warum er heute für mich so unbrauchbar ist.< Ich musste schlucken Er fauchte mich an: > Dar- über kannst du mal was schreiben du super Journalist<. >Wie kam er nur darauf das ich schreibe?<, dachte ich.

    >Jedenfalls konnte ich den Nonnen entkommen<. Er beruhigte sich langsam wieder. >Ich glaube die haben mich bis heute nicht vergessen und waren froh das sie mich nach 6 Wochen wieder los hatten<. Wie Recht er hatte. Ich konnte in seinen Augen sehen wie diebisch er sich über das unterschwellige Chaos was er im Heim hinterlassen hatte freute. Ich wollte nicht mehr weiter »bohren« und hoffte, dass er mir später mehr davon erzählte.

    Ich verstand den Kontext nicht,

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