Der Besuch: zwei dunkle Geschichten
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Über dieses E-Book
Sandra betrachtet Jahre nach ihrer Schulzeit ein Foto eines Klassenkameraden. Sie erinnert sich, dass Tom immer recht seltsam gewesen war. Da ist es ein ziemlich komischer Zufall, dass er ausgerechnet jetzt anruft. Als Tom zu Besuch kommt, muss Sandra feststellen, dass nicht nur ihre Haustiere verrückt spielen ...
Frauenabend:
Linda spürt, dass ihre Beziehung zu Michael nicht mehr so ist wie früher. Sie hat den Verdacht, dass er ihr fremdgeht. Also täuscht sie vor, einen Abend mit ihren Freundinnen zu verbringen, um ihrem Mann heimlich hinterherzuspionieren. Doch manche Geheimnisse sind so schlimm, dass man niemals von selbst drauf kommen würde ...
Inhalt: Horror, Psycho, Grusel, Geister, Seelenwanderung, Angst, Misstrauen, Serienkiller
Justin Lehmann-Koch
Justin Lehmann-Koch, Jahrgang 1990, war bereits während seiner Schulzeit für seine Horrorgeschichten beliebt. 2012 hat er sich entschieden, manche davon zu veröffentlichen.
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Buchvorschau
Der Besuch - Justin Lehmann-Koch
Inhaltsverzeichnis
Der Besuch
Frauenabend
Autor und Werk
Impressum
Der Besuch
Nachdenklich betrachtete Sandra das Foto. Vor einem dunklen Hintergrund war ein bleiches Gesicht mit kurzen, schwarzen Haaren zu sehen. Nichts Besonderes eigentlich. Aber die Augen des Jungen bohrten sich scharf in sie hinein. Obwohl es nur ein Foto war, hatte sie plötzlich das unbehagliche Gefühl, als könne dieser Junge sie wirklich sehen. Sie legte das Bild weg. So ein Schwachsinn, dachte sie bei sich und lehnte sich auf ihrer Couch zurück. Aber wirklich glauben wollte sie es nicht. Die Augen dieses Fotos ließen sie nicht los. Es waren die Augen von Tom.
Eigentlich kannte sie Tom nur aus ihrer gemeinsamen Schulzeit. Er war ein seltsamer Mitschüler gewesen, aber sie hatte ihn mehr oder weniger respektiert. Vielleicht hatte sie ihn auch gemocht, aber da war sie sich heute nicht mehr so sicher. Tom hatte sich stets dunkel gekleidet, was aber niemals hieß, dass er ein Grufti war. Es war eher diese Kleidung, die ihn unsichtbar machte für andere Leute. Sandra konnte sich nicht an eine Situation erinnern, in der andere Schüler Tom geärgert hätten. Dabei entsprach er genau dem Bild eines Opfers. Er war nicht sonderlich kräftig gebaut, hatte immer ein blasses Gesicht und bewegte sich mit seinem Tun grundsätzlich außerhalb aller Moden und Maschen der anderen. Wenn sie es genau bedachte, so war es wirklich ein Wunder, dass Tom nie in einen groben Konflikt gekommen war. Sie konnte sich noch sehr genau an andere Schüler erinnern, die mehr angepasst waren und denen teilweise übel mitgespielt worden war. Tom war schlicht unsichtbar gewesen. Und wenn er sie nicht vor einigen Monaten angerufen hätte, dann hätte sie wahrscheinlich auch nie wieder an ihn gedacht. Diese Gewissheit allein war für Sandra schon recht seltsam, denn für normal erinnerte sie sich ganz gern an ihre Schulzeit, auch wenn sie zu keinem ihrer damaligen Kameraden mehr Kontakt hatte.
Sie nahm noch mal das Bild vom Tisch und betrachtete es aufmerksam. Dies war das einzige Foto, das sie finden konnte, auf dem Tom zu sehen war. Und sie hätte es ganz sicher übersehen, wenn sie nicht ganz speziell danach gesucht hätte. Es war schon seltsam, dass es Menschen geben konnte, die einem aus dem Kopf verschwinden konnten. Sie hatte einige Klassenkameraden gehabt, die sie ganz sicher weniger leiden konnte als Tom, und dennoch konnte sie sich an diese eher erinnern. Da waren zum Beispiel diese aufgetakelten Zicken, die sie immer von oben herab angesehen hatten, als wenn sie nicht mehr gewesen wäre als ein Stück Müll. Oder diese Schleimertypen, die im Unterricht so viel Mist erzählen konnten, wie sie wollten und dennoch gute Noten dafür bekommen hatten. Wie oft hatte sie sich über solche Ungerechtigkeiten aufgeregt. Sie dachte sogar ab und zu an Veronika, die wahrscheinlich mit Abstand das unscheinbarste Mädchen der gesamten Schule gewesen war. Nicht dass sie besonders viel mit ihr zu tun gehabt hatte, nein, aber sie konnte sich an sie gut erinnern und diese kleine, graue Person fiel ihr auch noch fünf Jahre nach ihrem Abitur bei bestimmten Gelegenheiten ein. Aber an Tom hätte sie einfach nie wieder gedacht, wenn der Anruf nicht gewesen wäre. Und das war für Sandra schon recht erstaunlich, wenn nicht sogar befremdlich.
Sandra legte das Foto abermals beiseite und sah auf das Telefon in der Ecke des Wohnzimmers. Bald würde es genau vier Monate her sein, dass sie diesen seltsamen Anruf entgegengenommen hatte. Eine dunkle Stimme hatte sich gemeldet, mit der sie gar nichts anzufangen gewusst hatte.
„Hallo, kenne ich sie?", hatte sie dümmlich gefragt.
„Ja, du kennst mich." War die Antwort