Tödliche Stiche: Um Seelen fliegen zu sehen 248-Short-Thrills
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Über dieses E-Book
Einmal ins Bewusstsein gestochen, lösen J. Monika Walthers Sätze und Szenen des Bösen Blockaden wie Akkupunkturnadeln und lassen Energien fließen. Der Gedanke »soll ich es auch probieren« gewinnt an Raum. Wohl dem, dem Hemmschwellen geblieben sind.
Joseph Roth schreibt in seinem Essay »Der Antichrist«: »Wir nennen einen Großen klein, einen Kleinen groß; das Schwarze weiß und das Weiße schwarz; den Schatten Licht und das Licht Schatten; das Bunte tot und das Tote bunt.« Die Trennlinie zwischen Gut und Böse verläuft mitten durch das Herz eines jeden Menschen (A. Solschenizyn).
248 Momentaufnahmen, jeweils Sekundenbruchteile vor einer Tat platziert, eröffnen Einblicke in die steinernen und leidenschaftlichen Herzen ihrer Protagonisten. Schauen Sie in diese Herzen. Lesen Sie. Auf eigene Gefahr.
J. Monika Walther
J. Monika Walther, geboren in Leipzig, stammt aus einer jüdisch-protestantischen Familie, aufgewachsen in Leipzig und Berlin – und kreuz und quer in der ganzen Westrepublik; lebt seit 1966 im Münsterland und den Niederlanden, arbeitet seit 1976 als Schriftstellerin: Prosa, Hörspiel, Lyrik und: Immer wieder Kriminalgeschichten.. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien. Zuletzt erschienen 2012 der Prosaband Sperlingssommer und der Gedichtband Windblüten Maschendraht. Und: 2014 der Kriminalroman »Himmel und Erde« (mit Kommissar Simonsberg) sowie das Hörbuch »Und alles lebt, was einst mit mir hier lebte - Westfälische Heimat – Jüdische Nachbarn« Zum Weiterlesen: Goldbroiler oder die Beschreibung einer Schlacht- ein Kriminalroman, der zur Wendezeit an der Ostseeküste spielt. Mehr unter: www.jmonikawalther.eu und www.koogschreiber.de
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Buchvorschau
Tödliche Stiche - J. Monika Walther
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Tödliche Stiche
Über die Autorin
Copyright
Impressum
Vorwort
Wie punktgenaue Injektionen setzt J. Monika Walther das »Böse« und auch »das sogenannte Böse« in den Kopf ihrer Leser. Ähnlichkeiten mit dem von Konrad Lorenz vermuteten Aggressionstrieb, den der Verhaltensforscher in seinem Buch »Das sogenannte Böse« beschrieb, sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Einmal ins Bewusstsein gestochen, lösen J. Monika Walthers Sätze und Szenen des Bösen Blockaden wie Akkupunkturnadeln und lassen Energien fließen. Der Gedanke »soll ich es auch probieren« gewinnt an Raum. Wohl dem, dem Hemmschwellen geblieben sind.
Joseph Roth schreibt in seinem Essay »Der Antichrist«: »Wir nennen einen Großen klein, einen Kleinen groß; das Schwarze weiß und das Weiße schwarz; den Schatten Licht und das Licht Schatten; das Bunte tot und das Tote bunt.« Die Trennlinie zwischen Gut und Böse verläuft mitten durch das Herz eines jeden Menschen (A. Solschenizyn).
248 Momentaufnahmen, jeweils Sekundenbruchteile vor einer Tat platziert, eröffnen Einblicke in die steinernen und leidenschaftlichen Herzen ihrer Protagonisten. Schauen Sie in diese Herzen. Lesen Sie. Auf eigene Gefahr.
Henning Berkefeld
Tödliche Stiche
Die ältere Frau stößt mit dem Messer zu, tief in die Brust, voller Behagen und seufzt: »Es ist nur ein Spiel. Ein Spiel, mein Lieber.«
Das Telefon läutete um zehn Uhr. Püppi war am Apparat. Helene müsste kommen, sofort. Helene sagte ja, erst als sie aufgelegt hatte, raste ihr Herz: Püppi war seit einem Jahr tot.
So fing die Geschichte an: Ich nahm eine ihrer langen Zigaretten. Mit dem roten Abdruck ihrer Lippen. Danach habe ich nie mehr in einen Spiegel gesehen.
Sie wohnte am Ende einer sehr schönen stillen Straße in einem prächtigen Haus. Efeu umrankte das Dach und die beiden Stockwerke. Große Hortensienbüsche schmückten den Eingang mit den zwei Säulen und der geschwungenen Treppe. Die Stille war so groß, dass sie nicht hörte, wie ihre Seele schrie - bis ein Polizist vor ihr stand.
Bereitwillig half der Mann dem Polizeizeichner. Als das Porträt beendet war, glich es dem Gesicht des Mannes. Die Polizisten klatschten in die Hände, lachten und steckten den Mann in Untersuchungshaft, aber die Morde gingen weiter, und als die Männer derSondereinheit das Porträt betrachteten, erblindeten sie.
Er suchte seinen Regenschirm und fand ihn nicht, stattdessen seine Liebste, die ihn damit begeistert erschlug.
Zwei Tauben liefen auf dem Dachfirst und lachten, turtelten, dann schwangen sie sich in die Luft und sahen, wie ein Mann sanft eine Nonne ertränkte und danach mit seinem teuren Auto gegen einen Betonpfeiler fuhr. Missbraucht war er worden und die Nonne hatte zugesehen; die Tauben schüttelten ihre Hauben.
Jim baute eine wunderschöne Papierbrücke über den Fluss, am Ufer angekommen winkte und rief er nach Helen, seiner Frau. Sie kam, etwas missmutig erst, aber dann lief sie über die Brücke und stürzte in der Mitte hinab in den Fluss, der sie hinaus aufs Meer spülte. Jim hatte einen Schlitz ins Papier geschnitten und lächelte, als Helen stürzte: Alles wusste sie besser, aber nicht, dass Brücken nicht aus Papier gebaut werden.
Sie ging hinaus, voller Mut, endlich nach 364 Tagen in der Wohnung, ging sie hinaus, trat auf die Straße: ein Wagen schoss auf sie zu, überfuhr sie und eine Hand winkte ihr aus dem Wagenfenster zu - er hatte sie nicht vergessen, aber nie angerufen
Er hatte sich viel vorgenommen mit seinen vierzig Jahren: Endlich einen Mord, einen der Geld brachte, einen Auftragsmord, aber, als er erfuhr, wen er für eine Viertelmillion umbringen sollte, ging er still in sein Büro und erschoss sich.
Sie betrat die neue Küche; sie freute sich auf die Gäste, das Kochen, den Abend. Sie rutschte auf einer glibberigen gelben Masse aus, kein Halt. Als ihre Hände in die Luft fuhren, als ihr Kopf auf den Fliesen aufschlug und zerbrach, sah sie im letzten Blick, wie ihr Mann freudig lächelte und die Nummer des Notrufs auf seinem Handy drückte.
Leichthändig schob sie die gelbe Mülltonne vor die Terrasse. Ein schöner Tag, sie nahm kurz Augenmaß, sagte: »Passt« und bugsierte ihren alten dünnen Vater in das gelbe Gefäß. Deckel zu, dann schob sie die Tonne tief hinein in den Wald und rannte davon. Aus den Augen, aus dem Sinn und endlich allein.
Sie hatte sich nie mit einem anderen Gesicht im Spiegel gesehen, denn mit ihrem eigenen und jedes Mal sah sie die Himmel und Höllen, die sie über sich hatte ergehen lassen. Während sie schaute und dachte, wurden ihre dunklen Augen blau, ihr Haar rot, die Nase spitz und sie zwanzig Jahre älter.
Die Sonntagsglocken läuteten, ein Mann pfiff jubilierend, während er am Fluss entlang ging, Enten schnatterten. Hinter den letzten Häusern der Stadt leuchteten die Weinberge in der Sonne. An einem Rebstock war eine Frau aufrecht festgebunden und starrte mit leeren Augen hinunter auf die Stadt. Das Pfeifen war das Letzte gewesen, was sie gehört hatte.
Die Katze hatte das Leben ihres Herrn satt. Satt. Satt. Ohne ihn hätte sie eine gute Zukunft, mit ihm war Lärm, kein Verlass auf regelmäßige Mahlzeiten, auf Ruhe, Benutzung aller Räume, also - der Herr musste weg. Die Katze, sie hieß Melusine, postierte sich mit einem Gewehr oben an der Treppe und schoss, traf mäßig, aber ihr Problem hatte sich erledigt. Die Tochter jubelte und in der Tat: Alles wurde für die beiden gut.
Sie war endlich auf dem neunzigsten Level ihres Spiels angekommen; zur Belohnung gab es neue Tiermutanten. Einer gefiel ihr besonders gut: ein fliegender Löwe mit