Kindheit hinter Stacheldraht
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Mindestens 122.671 Deutsche waren unter der Herrschaft Stalins von 1945 bis 1950 in Lagern in Deutschland inhaftiert. Es waren Lager wie Buchenwald, Sachsenhausen, Bautzen und andere, die zuvor schon von den Nationalsozialisten als Konzentrationslager genutzt wurden.
42.889 von ihnen nennt der offizielle Abschlussbericht der Abteilung Speziallager aus dem Jahr 1950 als verstorben. Das entspricht einer Todesrate von 36 Prozent. Viele Häftlinge verhungerten einfach oder starben an den Krankheiten, denen sie nichts mehr entgegensetzen konnten. Inzwischen hat die russische Justiz sie zu Tausenden rehabilitiert und offiziell zu unschuldigen Opfern politischer Verfolgung erklärte. Unter ihnen waren auch Kinder, die dort geboren wurden, lebten - und manchmal auch starben.
Als die letzten Lager 1950 aufgelöst wurden, übergaben die sowjetischen Behörden viele Häftlinge zur weiteren Strafverbüßung an die neugegründete DDR. Die schickte die Frauen und Kinder in das Gefängnis von Hoheneck, das wohl bekannteste und gefürchtetste DDR-Gefängnis für politisch verurteilte Frauen. Man trennte die Kinder von den Müttern und steckte sie in Heime, wo sie isoliert wurden. Ähnlich erging es auch jenen Kindern, die in den Gefängnissen der DDR geboren wurden. Sie alle wurden von der Mutter getrennt und in Heime gesteckt, wo sie im Geiste des Sozialismus erzogen werden sollten. Erst mit der Entlassung der Mutter, oft nach vielen langen Jahren, gab es - nicht für alle - ein Wiedersehen zwischen Mutter und Kind, doch nicht immer fand man nach den langen Jahren der Trennung dann auch wieder zueinander.
Kaum ein Historiker hat sich bisher dieses Themas angenommen. Jeder, der in der DDR aufgewachsen ist, kennt zwar den Roman Nackt unter Wölfen und damit die Geschichte von Jerzy Zweig, dem Kind von Buchenwald. Wer in der DDR erfuhr aber, dass auch nach 1945 in Buchenwald, Sachsenhausen und anderen Lagern und Gefängnissen Kinder waren. Sie waren nicht weniger unschuldig als es Jerzy Zweig und die anderen Häftlinge in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern waren. Ihnen allen ist dieses Buch gewidmet. Es enthält die Geschichten von 14 Betroffenen - und meine Geschichte, denn ich bin eines dieser Kinder.
Alexander Latotzky
Pendelt seit vielen Jahren zwischen Berlin und einem kleinen Dorf in der Prignitz/Brandenburg um den Lärm der Großstadt zu entfliehen, ohne die er aber auch nicht leben kann.
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Buchvorschau
Kindheit hinter Stacheldraht - Alexander Latotzky
Haftgründe: Wie Frauen in den deutschen GULag kamen
Ab Januar 1945 drangen etwa eine Million sowjetische Soldaten auf jenes Gebiet vor, das wenige Monate darauf zur sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde. Mit ihnen ging die eine Diktatur, das Dritte Reich
, unter. An ihre Stelle trat im Ostteil Deutschlands eine andere Diktatur in Gestalt des stalinistischen Repressionsapparats. Tatsächliche und vermeintliche Gegner der Besatzungsmacht konnten ohne Gerichtsverhandlung und Urteil interniert werden, andere kamen vor ein sowjetisches Militärtribunal und dann in die so genannten Speziallager. Angehörige wurden nicht benachrichtigt, für sie waren die Lagerinsassen spurlos verschwunden. Der Großteil wurde zu Unrecht verhaftet, oft nach der unglaubwürdigsten Denunziation und aus Gründen, die heute als politische Verfolgung gelten. Das bestätigt der Oberst der Justiz und Leiter der Abteilung Rehabilitierung bei der Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, Leonid P. Kopalin.³
Das belegen auch neuere Zahlen von Dr. Dieter Müller von der Dokumentationsstelle Widerstands- und Repressionsgeschichte in Dresden. Dort wurden die Fälle von 10.509 Personen überprüft, die nach dem berüchtigten Paragraphen §58 des Strafgesetzbuches der RSFSR verurteilt wurden. Die davon größte Gruppe bilden mit 43% die nach §58,6 verurteilten angeblichen Spione. 99,3 % von ihnen wurden bis 2009 durch die russische Militärstaatsanwaltschaft rehabilitiert! Ihnen folgen mit 28% die nach §58,2 verurteilten Personen (Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht). Hier liegt die Rehabilitierungsquote bei 85,1%.⁴ Bis auf die wirklichen Kriminellen lag die Quote auch in den anderen Fällen ähnlich hoch.
Das bedeutet nichts anderes als dass die ganz große Mehrzahl der SMT-Verurteilten nach der heutigen russischen Rechtsauffassung unschuldig in die Speziallager eingeliefert oder in den sowjetischen GULag verschleppt worden sind. Sie wurden, so wörtlich in einer Rehabilitationsurkunde: unbegründet, aus politischen Motiven
verhaftet und eingesperrt und werden heute vom russischen Staat als Opfer politischer Repression
anerkannt! Wie hoch die Zahl bei den Internierten liegt, die ohne einen Urteilsspruch eingesperrt waren, lässt sich mangels fehlender juristischer Überprüfung nicht mehr feststellen.
Verhaftet wurde zunächst auf der Grundlage des als streng geheim
eingestuften Befehls 00315 des berüchtigten Volkskommissars für Inneres und Generalkommissars der Staatssicherheit, Lawrenti P. Berija.⁵ Er erlaubte nicht nur den Zugriff auf Kriegsverbrecher und Nazis, sondern auch auf andere Kategorien feindlicher Elemente
. Ab Oktober 1946 bot die von den Alliierten gemeinsam erlassene Kontrollratsdirektive 38 den Russen den Rahmen für ihr zumeist willkürliches Vorgehen: Danach konnten auch Menschen, die für die Ziele der Besatzungsmächte als gefährlich
galten, in die Speziallager eingewiesen werden.⁶ Unbestritten ist heute, dass es Moskau nicht in erster Linie darauf ankam, in den Lagern arretierte Nazitäter per Gerichtsverfahren zu bestrafen. Das geht unter anderem aus einem Brief des Generalmajors der Justiz der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, Boris M. Schawer, an den Kommandanten der Lager, Generaloberst Swiridow, hervor. Anlass für das Schreiben vom 24. Juni 1947 ist die Weigerung der Lagerleiter, weiter Häftlinge ohne Zustimmung eines Militärstaatsanwalts in ihre völlig überfüllten Einrichtungen aufzunehmen. Schawer stellt dazu fest:
Die Festnahme von Personen, die im Rahmen des NKWD-Befehls Nr. 00315 ... in die Speziallager überstellt werden, erfolgt in einem Sonderverfahren, gegen sie wird keine Anklage erhoben, und Ermittlungsunterlagen, wie sie die Strafprozessordnung vorsieht, gibt es nicht. Infolgedessen können die Militärstaatsanwälte in diesen Fällen nichts sanktionieren, das ist ihnen per Gesetz verboten. Ich bitte Sie, die Leiter aller Speziallager anzuweisen, dass die fehlende Sanktion eines Militärstaatsanwaltes nicht als Grund für eine Verweigerung der Aufnahme des Spezkontingents in die Lager gelten kann...
⁷
Diese Menschen sollten ganz einfach eingesperrt und von der Gesellschaft isoliert werden, wobei man bedenkenlos ihren Tod in Kauf nahm - jeder Dritte überlebte die Lager nicht.
Allerdings brauchte es einige Zeit, bis es sich auf allen Ebenen der Sowjetischen Militäradministration für Deutschland (SMAD) herumgesprochen hatte, dass Gerichtsverfahren für viele Lagerinsassen gar nicht vorgesehen waren. Noch am 31. Juli 1947 schickte der SMA-Leiter für Sachsen-Anhalt, Michail A. Schljachtenko, folgendes Schreiben an SMAD-Chef Wassili D. Sokolowski:
Streng geheim. Nur persönlich
An Gen. Marschall der Sowjetunion W. D. Sokolowski, Karlshorst
Auf dem Territorium des Landes Sachsen-Anhalt nahe Mühlberg im Kreis Bad Liebenwerda befindet sich das Speziallager Nr. 1
Im Lager sind mehr als 13.000 Personen des Spezkontingents untergebracht, darunter etwa 1.500 Frauen, auch eine kleine Anzahl Jugendlicher und Kinder.
Die Mehrzahl der Inhaftierten befindet sich seit 1945 in den Lagern. Das Lager ist dem Innenministerium der UdSSR unterstellt, wir kontrollieren es nicht.
...Ich halte es für zweckmäßig, Ihnen folgende Fragen zu unterbreiten:
Es ist notwendig, unverzüglich eine starke Gruppe erfahrener Operativmitarbeiter und Juristen in das Lager zu entsenden, die innerhalb kurzer Zeit in der Lage wären, das Material für viele (vielleicht die meisten) Nazis und andere Verbrecher-Spezhäftlinge entsprechend aufzuarbeiten und die Fälle dem Militärtribunal zu übergeben.
Gegenwärtig wird diese Arbeit auch durchgeführt, aber in einem so erbärmlichen Tempo - buchstäblich so, als wäre sie auf viele Jahrzehnte angelegt. Die Operativgruppe des Speziallagers Nr. 1 hat z.B. innerhalb eines Quartals (von Mai bis Juli d.J.) nur 6 Fälle für 7 Personen zur Übergabe an das Tribunal bearbeitet, wobei in zwei Fällen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Den dem Tribunal vorgelegten Fällen nach zu urteilen, zeichnen sich die Mitarbeiter der Operativgruppe des Speziallagers Nr. 1 durch mangelnde Allgemeinbildung und juristische Sachkenntnis aus ...
Das Schreiben trägt den handschriftlichen Vermerk: Gen. Malkow ... (unleserlich) über Gen. Serow ... (unleserlich) Zehntausende Gefangene sitzen in der Zone, ihre Fälle werden nicht bearbeitet. - 2.8.1947. Sokolowski.
⁸
Die Verhaftungspraxis der sowjetischen Besatzer wurde von Anfang an durch die deutschen Behörden unterstützt. Waren zunächst die in den Landesverwaltungen bestehenden Ämter für Information beteiligt, übernahmen diese Aufgabe ab 1947 die 5. Kommissariate der Volkspolizei, deren Gründung auf einen SMAD-Befehl zurückgeht. Dort arbeiteten viele frühere Mitglieder des illegalen Militärapparates der KPD mit der russischen Geheimpolizei NKWD zusammen, ab 1950 wechselten sie ins neu gegründete MfS. Der spätere Minister für Staatssicherheit Erich Mielke war einer von ihnen. Sie überstellten zunehmend politisch missliebige Personen an die Besatzungsmacht. Der Vorwurf der faschistischen Tätigkeit wurde immer seltener erhoben; die Internierungen dienten mehr und mehr der Unterdrückung jeglicher politischer Opposition - oder dessen, was dafür gehalten werden konnte.
Betroffen von dieser Willkür waren auch viele Frauen. Über die Haftgründe geben das Staatsarchiv der Russischen Föderation, GA RF, f. 9409, op.1., Buch 225, und das Archiv der Strafvollzugsanstalt (SVA) Hoheneck Auskunft. Die Mehrzahl der Frauen ist durch ein sowjetisches Militärtribunal schuldig gesprochen worden. Allerdings geben die Urteile die Sicht der Militärgerichte wieder und vermitteln nur bedingt einen Eindruck von den tatsächlichen Ereignissen. Denn die von den NKWD-Ermittlern angewandten Verhörmethoden brachten beinahe jeden Verdächtigen dazu, zu gestehen, was er gestehen sollte.
Unschuldig inhaftiert werden konnte damals nahezu jeder, aber natürlich waren nicht alle Frauen unschuldig. Im Hoheneck-Archiv mit den Karteien von 1.119 Frauen, die im Februar 1950 aus dem Lager Sachsenhausen überführt worden waren, stieß ich auch auf Mitarbeiterinnen aus den KZ Auschwitz oder Ravensbrück:
Elfriede H., geb. 1918, war Leiterin des KZ Ravensbrück und wurde am 10.11.1945 zu lebenslänglichem Freiheitsentzug verurteilt. Die Strafe wurde später auf 25 Jahre reduziert; nach neun Jahren wurde sie von der DDR entlassen.
Margot K., geb. 1920, war Henkerin im KZ Ravensbrück und schlug mit Knüppeln sowjetische Bürger tot. Sie wurde am 05.09.1945 zu lebenslänglichem Freiheitsentzug verurteilt. Ihre Strafe wurde später auf 15 Jahre reduziert.
Marga O., geb. 1923, wurde am 06.09.1946 wegen der Misshandlung von Personen, die sich im KZ Auschwitz befanden, zu 10 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Helene S., geb. 1909, misshandelte als Aufseherin im KZ sowjetische Bürger und wurde am 14.11.1945 zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Solche Verbrechen bildeten aber die Ausnahme. Was sich dagegen immer wieder fand, waren Anschuldigungen wie Konspiration, Sabotage oder Spionage - Vorwürfe, derer sich das stalinistische System bei der Ausschaltung von vermeintlichen und tatsächlichen Regimegegnern auch im eigenen Land bediente. Spionage war zum Beispiel schon dann gegeben, wenn Mitglieder der ab 1946 zugelassenen Parteien wie SPD, CDU oder LDPD die jeweiligen Zentralen in den westlichen Besatzungszonen über Vorgänge aus ihren Landesverbänden informierten; manchmal reichte auch ein Gespräch mit einem Amerikaner oder Engländer. Für diese Verbrechen
waren die Haftstrafen extrem hoch - oft höher als für die KZ-Aufseherinnen:
Elfriede Sch., geb. 1925, wurde am 29.11.1949 für den Besuch eines SPD-Büros und die Arbeit gegen die SED zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Elisabeth U., geb. 1911, hat für das Ostbüro der SPD spioniert und wurde am 15.02.1949 zu 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Käthe P., geb. 1920, wurde am 02.04.1949 wegen der Verbreitung von Schumacherliteratur und Spionage für das Ostbüro der SPD zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Irma P., geb. 1928, wurde am 18.11.1947 wegen Spionagetätigkeit zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Zusätzliche Straftat: Sie hat sowjetische Bürger im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes mit Geschlechtskrankheiten angesteckt.
Gerda Sch., geb. 1925, wurde am 15.01.1949 zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt, weil ihr bekannt war, dass ihr Ehemann ein Agent des amerikanischen Geheimdienstes war, was sie aber nicht meldete.
Ingeborg P., geb. 1934, wurde am 16.07.1949 wegen Spionage zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitsbesserungslager verurteilt. Ingeborg P. war gerade 15 Jahre alt!
Ein weiteres Schwerverbrechen
war die so genannte antisowjetische Propaganda
, ebenfalls fast ausschließlich mit der Höchststrafe geahndet:
Ingeborg H., geb. 1920, wurde am 05.08.1948 wegen antisowjetischer Agitation, die zum Abscheu gegen den sozialistischen Staat führen soll, zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Frieda M., geb. 1883, wurde am 02.02.1948 wegen der Verbreitung erdachter antisowjetischer Verleumdungen zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Gerti L., geb. 1927, schrieb verleumderische Artikel gegen die sowjetische Ordnung und sowjetische Okkupationsmacht in Deutschland und wurde 1949 zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitsbesserungslager verurteilt.
Inge R., geb. 1926, wurde am 27.01.1949 wegen der Verbreitung von allerhand verleumderischen ausgedachten Nachrichten über die SU zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Den Gipfel der Absurdität bildeten wohl die vorsorglichen
Verurteilungen wegen der Neigung zum Hochverrat
:
Erika F., geb. 1928, wurde am 16.07.1949 wegen des Neigens zum Hochverrat zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Ingeborg W., geb. 1924, wurde am 02.02.1950 wegen des Neigens zum Hochverrat zu 10 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Kamen schwangere Frauen in Haft, war das kein Grund zur Milde. Auch Frauen, die in einem Speziallager schwanger und dann Mütter wurden, konnten nicht mit Reduzierung der Strafe rechnen. Die Haftgründe von einigen Frauen, die ihr Kind im Lager zur Welt brachten:
Anneliese B. - wurde im Januar für die Arbeit in den Organen des sowjetischen Innenministeriums MGB angeworben. Sie versuchte jedoch, die Zusammenarbeit zu sabotieren, sich davor zu drücken, und zog deshalb sogar im August 1946 in eine andere Stadt. Im Juni 1946 hat sie trotz gebotener Geheimhaltungspflicht von ihrer Zusammenarbeit mit dem MGB Wilma K. erzählt. Sie informierte diese über alle ihr übertragenen Aufgaben, zeigte ihr auch die konspirative Wohnung, wo sie sich mit den MGB-Mitarbeitern traf. ... Anneliese B. wurde zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Sofia Ch. - machte Bekanntschaft mit den Militärangehörigen Leontjew und Tkatschenko, verleumdete in Gesprächen den Sowjetstaat und überredete die beiden im August 1947 zur Flucht in die Westzone, wobei sie ihnen Zivilkleidung zur Verfügung stellte. Sie wird ... zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitsbesserungslager verurteilt.
Erna D. - als Besitzerin einer Bierkneipe verkaufte sie aus Profitsucht entgegen der Anordnung des sowjetischen Kommandos in Deutschland über das Verbot des Verkaufs von alkoholischen Getränken durch die deutsche Bevölkerung an sowjetische Militärangehörige am 10. und 11.04.1948 einige Flaschen Wodka an Militärangehörige der Sowjetarmee. Der Wodka war ungenießbar, da er giftigen Methylalkohol enthielt. Als Folge des Genusses vergifteten sich sechs Militärangehörige. Sie kamen in ein Krankenhaus. Einer von ihnen, Bulkin, starb an der Vergiftung.... Erna D. wurde am 29.04.1948 vom SMT der rückwärtigen Truppen ... zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Ilse J. - A., Tatare, Bürger der UdSSR, diente im 21. motorisierten Garderegiment. Auf diesem Weg lernte er die mitangeklagte Deutsche J. kennen, mit der er bis zum Arrest zusammenlebte. Im November 1946 wurde er demobilisiert und an das 21. motorisierte Garderegiment zum Abtransport in die Sowjetunion überstellt. ... An diesem Tag entfernte er sich unerlaubt vom Truppenteil und kam erst am 02.12.46 zurück zur Truppe. Er wurde am 03.12. zum Arrest in die Hauptwache der Division gebracht, von wo er am 06.12. floh. Er ging in die Wohnung seiner Bekannten J., erzählte ihr von der Flucht und von seiner Absicht, in Deutschland wohnen zu bleiben und bat sie um Hilfe. Sie gab ihm Zivilkleidung und brachte ihn in der Nacht vom 6. zum 7. 12. in das Haus ihrer Eltern in das Dorf Schöna, Kreis Torgau, 35 km von Grimma entfernt. Dort hielt er sich bis zu seinem Arrest am 11.12.46 auf. ... Ilse J. wurde ... zu 10 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Christa-Maria K. - am 16.04.1946 als Ehefrau eines Agenten des amerikanischen Geheimdienstes von der Operativgruppe Nr. 7 Berlin verhaftet.
Rosa K. - arbeitete als Lehrerin an einer Grundschule. Sie wurde am 02.06.1945 verhaftet vom Operativsektor Berlin als Mitarbeiterin des deutschen Geheimdienstes Zeppelin, wo sie als Telefonistin bis zur Kapitulation Deutschlands gearbeitet hat.10
Hildegard L. - Bürgerin der UdSSR, arbeitete während der vorübergehenden Okkupation der Stadt Solotonosch bis September 1943 als Kellnerin in einer Einheit der deutschen Armee. Auf Vorschlag der Deutschen verließ sie mit diesen die Stadt und ging nach Lodz, wo sie im Januar 1944 die deutsche Staatsbürgerschaft annahm und nach Deutschland übersiedelte. Dort heiratete sie im Januar 1946 einen Deutschen. Sie wird verurteilt ... zu 10 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitsbesserungslager mit nachfolgender Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte.
Luzie O. - D. diente im 141. Regiment der Inneren Truppen des MGB in Deutschland. Ende 1947 schloss D. Bekanntschaft mit der Deutschen O., hatte mit ihr eine Beziehung und wollte eine Familie gründen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte sich D. mit seiner Geliebten in eine der westlichen Besatzungszonen absetzen. Verwandte von O., die sie illegal in den Westzonen besucht hatte, sollten ihnen bei der Arbeits- und Wohnungssuche helfen. In der Nacht vom 28. zum 29. Juli 1948 flüchtete D. aus seinem Truppenteil, um sich mit seiner Geliebten und P. in den Westen abzusetzen. ... Am Morgen des 29.07.1948 wurden ... 20 km von der Demarkationslinie entfernt gefangen genommen. D. wurde ... zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt, O. wurde zu 10 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Margarita R. - wurde 1946 gemeinsam mit ihrem Mann Siegfried R. bei persönlichen Gesprächen mit dem Mitarbeiter der amerikanischen Spionageabwehr, Hauptmann S., für den amerikanischen Geheimdienst angeworben. Er gab ihnen die Aufgabe, in die Sowjetzone zurückzugehen und Daten über die Sowjetarmee, über die Arbeit in den Krupp-Werken, in der Firma Budenberg und in anderen sowjetischen Aktionärsgesellschaften zu sammeln. Außerdem unterstützte sie ihren Mann bei der Anwerbung von H. und K. Sie ... wurde am 02.12.1948 im Speziallager Nr. 4 aufgenommen. Sie wird verurteilt auf der Grundlage von Art. 58-6, Teil 1 des StGB der RSFSR zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitsbesserungslager.
Charlotte G. - ging 1947 zu ihrer Schwester in den Westen. Im April 1948 erfuhr sie von der Erkrankung ihrer Mutter und kehrte nach Finsterwalde zurück. Am 7.7.1948 wurde sie vom NKWD wegen Spionage verhaftet und zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Von Sachsenhausen, wo ihr Sohn im Januar 1949 geboren wurde, kamen beide in das Arbeitslager Mordowskaja im nördlichen Ural.
Luzie Sch. - A. kam 1941 in deutsche Gefangenschaft ... Nach der Befreiung durch die sowjetischen Truppen wurde er wieder einberufen ... Am 23.09.1946 verließ A. unerlaubt seinen Dienstposten und versuchte sich mit seiner Geliebten, der Deutschen S., in die amerikanische Zone abzusetzen. Beim Überschreiten der Demarkationslinie wurden beide am 24.09.1946 gefasst. A. wurde ... zu 10 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Luzie Sch. wurde ... zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Lucia S. - arbeitete ab Mai 1942 als Stenotypistin in einer geheimen Abteilung der Gestapo in Berlin und anschließend in T. (Tschechoslowakei) bis zum Eintreffen der russischen Truppen. Dann wurde sie entlassen. Am 24.09.1945 wurde sie von der Operativgruppe Beeskow verhaftet und in ein Lager überstellt. Zusätzliches belastendes Material wurde während der Zeit ihres Lageraufenthaltes nicht gefunden.
Gertrud Sch. - besaß vor dem Eintreffen der Roten Armee eine Pistole vom Typ Walter, die sie ihrer Mutter schickte, damit diese sie verstecke. Die Mutter vergrub die Pistole. Außerdem verschwieg sie bei einer Zählung zwei Kühe und einen Eber. Sch. wurde nach Art. 58-14 des StGB der RSFSR verurteilt.
Dolly W. - 1943 übersiedelte sie zu ihrem Vater nach Kiew, der dort als Bauingenieur tätig war, und arbeitete bei der Schutzpolizei als Sekretärin. ... befand sich zum Zeitpunkt der Kapitulation Deutschlands auf amerikanisch besetztem Territorium und hatte dort ein Verhältnis mit einem amerikanischen Soldaten namens Harold N. ... überschritt Anfang Mai 1946 die Demarkationslinie und wurde verhaftet. Zusätzliches belastendes Material wurde während der Zeit ihres Lageraufenthaltes nicht gefunden.
Elsa W. - trat im Februar 1945 freiwillig in die illegale subversive Terrorgruppe Werwolf ein, blieb im Hinterland der Roten Armee mit der Aufgabe, aktiv tätig zu werden. Es gibt jedoch keine Beweise für eine praktische Tätigkeit. Sie wurde am 22.12.1945 von der Operativgruppe Cottbus verhaftet und am 17.01.46 in ein Lager verbracht. Zusätzliches belastendes Material wurde während der Zeit ihres Lageraufenthalts nicht gefunden.