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Fragmente
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eBook213 Seiten2 Stunden

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Über dieses E-Book

Die ‚Fragmente‘ enthalten u. a.

Der Letzte Container
Unsere ganze Familie hatte sich versammelt, um den Großvater feierlich zu empfangen. Eigentlich hatte keiner mehr mit seiner Heimkehr gerechnet ... doch jetzt wollte er seine alten Fotoalben anschauen. Wir fanden sie im letzten Container.

Rudolph Rednose
Rudolph war behindert, konnte sich kaum bewegen und machte sich nur durch eine Art Grunzen bemerkbar. Doch eines Tages wurden diese Laute in Buchstaben verwandelt, und es stellte sich heraus, dass ein intelligenter Beobachter lange Zeit verkannt worden war. Leider hatte Rudolph zu viel beobachtet.

Ein Ungebetener Gast
Frank rettet sich auf der Flucht in ein Haus am Waldrand. Der Besitzer gibt ihm für eine Nacht Unterschlupf und Frank erzählt ihm seine Geschichte. Am folgenden Tag wird er von seinen Verfolgern liquidiert. Für den neuen Zeugen hat das fatale Folgen.

Ein langer Heimweg
Eine bekannte Geschichte aus anderer Sicht – erzählt von einem fiktiven Überlebenden der UA93 am 9/11.

Alarm für Copnick
„Ich habe noch nie von S.S.A.T.A. gehört,“ sagt der Polizeichef eines kleinen Städtchens in Amerika. „Natürlich nicht, denn es unterliegt der Geheimhaltungspflicht.“ Das sieht auch der Polizeichef ein, sehr zum Nachteil der Bewohner der kleinen Stadt. Eine sarkastische Abhandlung zum Thema ‚Terroritis‘.

Besuch von Cassandra
Ihr Schicksal war es, alles vorherzusehen, aber keiner würde je ihren Warnungen Glauben schenken. Cassandra ist zurückgekehrt und immer noch glaubt ihr keiner. Eine in unsere Zeit versetzte recht schaurige Version der griechischen Tragödie - zwischen Traum und Wirklichkeit.

Erinnerungen: Mein Krampf
„So langsam senkt sich wieder der Nebel. Bevor der ganz zu macht, wollte ich noch diese Erinnerungen los werden.“ Das sind die letzten Zeilen der großteils autobiografischen Erinnerungen eines Narkosearztes mit erschreckenden Details aus der Praxis.

SpracheDeutsch
HerausgeberJohn Schou
Erscheinungsdatum15. Sept. 2012
ISBN9781301238323
Fragmente
Autor

John Schou

John Schou was born 1951. He grew up in Denmark and graduated as a physician in Copenhagen in 1977. From 1982 did he work as a consultant anaesthetist in the county hospital in Lörrach, Germany (by Basel), where he still lives. 1994-97 he was Chairman of the prehospital committee, ITACCS. A severe disease forced him to retire from the medical career early in September 2001. He has published several medical articles and three books about emergency medicine and anaesthesiology. In later years, he has concentrated his authorship on other stories, some with but mostly without medical relevance.

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    Buchvorschau

    Fragmente - John Schou

    Wie Geht's Dir – Heute?

    Leider ist es notwendig, den Leser in die Existenz meiner Krankheit einzuweihen. Anfangs schien es keine so schwere Erkrankung zu sein, sie sollte nur ausheilen und dann vergessen werden. Letzteres, sagte der Arzt, wäre jedoch eine absolute Voraussetzung für die komplette Genesung, sonst könnte der Zustand ein chronisches Stadium mit ernsten Folgen annehmen; zudem gäbe es in der Medizin keine weiteren Mittel dagegen. Was für eine Krankheit das ist? Das interessiert hier nicht, denn was ich hier erzählen will, betrifft ausschließlich die Reaktion meiner Umgebung auf meine Erkrankung. Über die Krankheit selbst ist an anderer Stelle schon genug gesagt worden.

    „Er muss sich ein paar Wochen schonen, sagte der Arzt, und dann wurde ich krankgeschrieben. Natürlich dauerte es nicht allzu lange bis alle Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen wussten, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war. Und was tut man, wenn ein Bekannter, vielleicht gar ein Freund, ernsthaft erkrankt ist? Man erkundigt sich nach seinem Wohlbefinden. Und wenn man bereits ein paarmal nachgefragt hat, erwartet man eine genauere Auskunft. Also fragt man am nächsten Tag: Wie geht's dir heute?" Darauf muss man als Erkrankter gefasst sein, wer möchte sich schon mangelndes Interesse nachsagen lassen, so empfinden es jedenfalls die Anderen.

    Anfangs war mein Befinden wohl auch ganz offensichtlich: „Du siehst wirklich nicht gut aus., bestätigte ein Kollege mein Recht, heute der Arbeit fernzubleiben. Ich konnte nur versuchen, auf die optimistische Haltung der Ärzte hinzuweisen, doch das schien die Fürsorge der Anderen nur zu steigern. Nach den ersten höflichen Antworten auf die höfliche Standardfrage begann ich die Antworten ein wenig zu variieren, mit dem unglücklichen Ergebnis, dass mein Vorgehen nur eine noch größere Neugier hervorrief, z.B. bei der ironischen Bemerkung: Der Arzt hat mir nur noch wenige Wochen gegeben, würdest du also bitte das Buch zurückgeben, das du im letzten Jahr geliehen hast?" Ich bekam das Buch natürlich nicht zurück, aber der besorgt Fragende wurde jetzt erst richtig neugierig. Je besorgter die lieben Freunde wurden, umso mehr begann ich, mich ihren Erwartungen anzupassen.

    Das Ende meiner Krankschreibung kam immer näher, aber die wiederholten Erinnerungen an meine Erkrankung durch unzählige Fragen führten dazu, dass es mir nun noch schlechter ging. Ich versuchte daher die Sache zu bagatellisieren, in der Hoffnung, sie würde dann bald vergessen werden und ich könnte mich endlich davon erholen: „Natürlich geht es mir gut, was soll schon sein? antwortete ich, und: „Welche Krankheit?

    Solchen Aussagen gegenübergestellt sah sich der Fragende, egal wer auch immer, verpflichtet, mich daran zu erinnern, im Besitz zuverlässiger Angaben betreffend meines Gesundheitszustands zu sein, so dass es mir schnell wieder so schlecht ging, dass ich über einen längeren Zeitraum der Arbeit fern bleiben musste.

    Meine einzige Möglichkeit sah ich nun darin, mich von Nachbarn und Freunden zu isolieren. Ich hängte das Telefon aus und verschloss meine Tür. Dadurch gelang es mir mich so weit zu erholen, dass ich, wie geplant, meine Arbeit wieder aufnehmen konnte.

    Leider war die Isolation damit auch zu Ende. „Was, du lebst noch?, frozzelte gleich der erste Arbeitskollege. „War es nicht zu früh zurückzukommen, du siehst gar nicht so gut aus, meinte der zweite. „Kopf hoch, es wird schon wieder werden", fügte der dritte mit einem aufmunternden Schulterklopfen hinzu. Dazu kam von allen Seiten die übliche Frage: „Und wie geht's dir heute?".

    Das Ergebnis war ein neuer Rückfall, neue Krankmeldung und eine weitere Steigerung des allgemeinen Interesses für dieses Phänomen. „Geht es Ihrem Mann heute besser?" hörte ich den Postboten meine Frau fragen.

    Jetzt hatte man auch angefangen, über einen Nachfolger an meiner Arbeitsstelle zu tuscheln. Die Stelle war zwar noch nicht frei, offiziell war ich ja nur krankgeschrieben, aber mehrere Interessenten hatten sich schon gemeldet und vormerken lassen. Den schlimmsten Schlag, der schließlich die Kapitulation auslöste, versetzte mir ein junges Paar, das plötzlich vor unserem Haus stand und es besichtigen wollte, denn die Beiden hatten gehört, dass es bald zum Verkauf anstünde.

    Ich bin jetzt mit meiner Familie unterwegs zurück zu meinem Geburtsort. Vorher erteilte ich noch dem örtlichen Bestattungsunternehmer eine klare Absage. Es ist viel billiger, einen Lebendigen als einen Toten zu transportieren, und daheim, beim Familiengrab, hat der hiesige Bestatter nichts zu suchen. Die endlose Frage, die meine Krankheit irreversibel machte, stellt jetzt keiner mehr. Jeder sieht, dass es mir so elend geht, dass eine Frage diesbezüglich völlig unpassend wäre. Ich bin unterwegs nach Hause, um zu sterben.

    Der letzte Container

    So, hier sind wir dann also! sagte Svend freudestrahlend und schloss die Eingangstür auf.

    Herzlich willkommen daheim, Opa, riefen wir alle, auch die, die ihn nicht zum Großvater hatten.

    Opa – ja, mein Opa war er wirklich, denn ich bin der Sohn von seinem Sohn, dem vorher erwähnte Svend, und er war sichtlich bewegt. Ich dachte nicht, dass ich noch einmal durch diese Tür treten würde. Es war eine harte Zeit. Aber Danke an alle für diesen bewegenden Empfang.

    Schau mal, hier sind deine Hausschuhe., sagte Tante Erna, seine Tochter.

    Aber das sind doch nicht meine Hausschuhe., erwiderte er.

    Nein, aber die alten waren völlig verschlissen, deshalb haben wir dir neue gekauft.

    Opa sah genau so glücklich über die neuen Hausschuhe aus wie eine Ballerina, die eine Premiere mit neuen Ballettschuhen tanzen soll. Die alten hätten doch für den Rest meiner Tage gehalten., murmelte er. Erik, Ernas Mann, nickte bestätigend, aber zum Glück hatte Opa es nicht gesehen.

    Gib mir deinen Mantel, Opa, sagte Lene, meine Cousine. Der Frühling ist eingekehrt, ganz passend zu deiner Heimkehr.

    Komm herein, es gibt Kaffee und Kuchen zum Fest., ergänzte ich.

    Opa war wieder ganz bewegt, besonders als er den Kuchen mit den vielen dänischen Flaggen sah. Danke, liebe Kinder, das war doch nicht nötig.

    Vielleicht sollten Opa vorher die Windeln gewechselt werden, meinte die 5-jährige Marie, die Tochter meiner Cousine, sicherlich in bester Absicht.

    Die zur Frage stehende Person wurde ernst. „Es ist mehr als achtzig Jahre her, dass ich zuletzt die Windeln gewechselt bekommen habe, log Opa, „aber bei dir ist es ja nicht so lange her. Ich habe schon die Windeln deiner Mutter gewechselt, und wenn es sein muss, kann ich es gerne noch mal machen.

    Lena bekam einen roten Kopf, und die Erwachsenen lachten, nur Marie fing an zu weinen. Als Opa sah, was seine Bemerkung bei der Urenkelin ausgelöst hatte, wurde er milder gestimmt. „Liebe Marie, ich wollte dich nicht beleidigen, komm her und gib mir einen Kuss, dann reden wir nicht mehr über unsere Windeln, das zerstört nur den Appetit auf den herrlichen Kuchen." Marie und Opa wurden wieder Freunde – Marie grauste sich ein wenig vor Opas rauen Wangen – und dann konnten wir zum nächsten Punkt übergehen.

    „Setz dich in deinen Lehnstuhl, Vater sagte meine Mutter, also eigentlich seine Schwiegertochter Stefanie. Wir haben ihn aus dem Wohnzimmer geholt, wir mussten ja eine Menge Stühle für die große Gesellschaft organisieren. Außer dem kleinen Henrik wollten alle mit am Tisch sitzen." Henrik war Maries kleiner Bruder, der gerade erst zwei Jahre alt geworden war und daher ständig beaufsichtigt werden musste. Es ist das Alter, in dem die Eltern langsam die Freude verlieren, die sie hatten, als das Kind endlich gehen lernte.

    Marie, du musst den Klavierstuhl nehmen., sagte Edgar, ihr Vater.

    Georg konnte nicht kommen, er verreist heute Abend nach Indien., sagte Lena, seine Schwester.

    Damit habe ich die ganze Familie vorgestellt, die an diesem sonnigen Apriltag den Opa bei seiner Heimkehr vom Krankenhaus begrüßt hatte. Der Leser hat vielleicht Schwierigkeiten, die vielen Namen und familiären Verbindungen auseinanderzuhalten, doch uns ging es auch nicht anders. Die Einzige, die sich in der immer größer und komplizierter werdenden Familie in allen Details ausgekannt hatte, war Katrine, meine Oma, gewesen. Aber sie war vor einem Jahr gestorben. Seither war es auch mit dem Gesundheitszustand von Opa schnell bergab gegangen, bis er im Januar einen Schlaganfall erlitt.

    Es hatte nicht gut ausgesehen. Anfangs hofften wir noch, er würde wieder gesund werden. Aber nach einer Woche ohne wesentliche Fortschritte gab es mehrere Zungen in der Familie – ich möchte hier keine Namen nennen – die offen aussprachen, dass es sicherlich das Beste sei, wenn er bald sterben würde. Das tat er allerdings nicht, und die Pessimisten modifizierten danach ihre Aussage dahingehend, dass ein Ende mit Schrecken doch besser sei als ein Schrecken ohne Ende: ein Pflegefall also, mit schweren Lähmungen und ohne reden zu können, was immer sich dann auch in seinem Kopf abspielen würde. Bald darauf hatte Opa wesentliche Fortschritte gemacht, er konnte wieder reden, nur die Lähmungen blieben vorerst noch bestehen. Das Pflegeheim war schon beantragt, nur hatte man mit ihm darüber noch nicht gesprochen. Doch die Ärzte meinten, dass er wegen der Lähmungen ohnehin keine Möglichkeit hätte, sich allein zu Hause zu versorgen.

    Kaum hatten sie das gesagt, gingen auch die Lähmungen nach und nach zurück, und Opa lernte wieder das Gehen - 82 Jahre nachdem er es zum ersten Mal gelernt hatte. Nun versuchten die Ärzte zwar ihn von dem bereits beantragten Pflegeheimplatz zu überzeugen, aber jetzt wollte Opa auch ein Wort dazu sagen, und das Wort war „Nein!" Das hatte uns alle überrascht, nachdem wir uns nun doch mit dem Schicksal (seinem Schicksal, wohl bemerkt!) abgefunden hatten. Aber als seine Familie fühlten wir natürlich die Verpflichtung, ihn darin zu unterstützen – und hier waren wir jetzt alle versammelt.

    Ich bin vielleicht alt und sonderbar geworden, und so ein Schlaganfall ist nicht sehr förderlich für das Gedächtnis, aber ich erinnere mich nicht an diese Tassen., bemerkte Opa mit einem Blick über den Tisch.

    Hast du denn vergessen, dass wir dir ein ganz neues Geschirr zu Weihnachten geschenkt hatten?, fragte Erik.

    Eigentlich erinnere ich mich sehr gut an das letzte Weihnachtsfest. Ihr hattet ja zu einer Vier-Generationen-Feier eingeladen. Marie hat sich sehr über ihre Puppenküche gefreut, während Henrik nicht wusste, was er mit dem Plastiktraktor anfangen sollte, den ihm der Weihnachtsmann geschenkt hatte. Spielt er denn jetzt damit?

    „Nein, noch nicht, antwortete Lena, „aber der Weihnachtsmann hat bei Marie einen großen Eindruck hinterlassen., und sie zwinkerte dem alten ‚Weihnachtsmann’ mit einem Auge zu.

    „Ja, das ist schon ein besonderer alter Kerl," sagte sein Stellvertreter auf Erden. „Er muss sehr alt sein, viele hundert Jahre alt. Aber zurück zu meinen Geschenken. Ich erinnere mich an die Pfeife, obwohl der Doktor mir das Rauchen verboten hatte, und jetzt erst recht. Dann der warme Pullover … aber ein Kaffeegeschirr?"

    „Nicht nur für Kaffee., erklärte Svend. „Auch ein neues Essgeschirr. Wir hatten es bestellt, aber es kam erst, nachdem du schon krank geworden warst. Das war natürlich eine Notlüge, aber wer konnte wissen, dass nach dem schweren Schlaganfall Opas Gedächtnis noch so gut funktionierte? Sein Bedarf an Tassen und Tellern war mit einem merkwürdigen Sammelsurium aus den verschiedenen Phasen seines Lebens gedeckt gewesen. Es hatte aus kaum drei Teilen eines gleichen Geschirrs bestanden, war somit wertlos für die Nachwelt und schon vor Wochen rausgeflogen und dabei in tausend Scherben zerbrochen. Als wir dann vor einigen Tagen erfuhren, dass Opa aus dem Krankenhaus entlassen wurde, mussten wir schleunigst ein nagelneues Geschirr besorgen. Es war zwar nicht besonders vornehm, aber zwölf Personen konnten sich gleichzeitig darüber freuen, und jetzt sah es fast so aus, als ob Opa uns durchschaut hätte. Wir mussten schleunigst seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken.

    „Hier, nimm erst mal ein Stück Kuchen, ich habe ihn selbst gekauft," sagte Erna.

    Ja, du hast leider nie gelernt, selber was zu backen, antwortete Opa trocken. „Aber solange du die fehlenden Eigenschaften mit pekuniären Mitteln kompensieren kannst, ist es ja ganz in Ordnung. Wir konnten dich ja gut verheiraten, bevor Erik etwas gemerkt hat."

    Erik lächelte. „Erna hat zum Glück andere gute Eigenschaften, ich habe es nie bereut, dass ich sie geheiratet habe. Und was die Kuchen angeht, trifft nicht jeder eine so hervorragende Auswahl."

    Opa genoss Teile dieser Auswahl. „Es ist schön, mit der ganzen Familie zusammen zu sein, danke für den herzlichen Empfang. Es ist nur schade, dass Katrine es nicht mehr erleben kann. Gib mir doch mal den Karton mit den letzten Fotos, die ich noch nicht einsortiert hatte, dann ist es ein bisschen so, als wäre sie noch unter uns."

    „Eh, wo genau hast du die Fotos denn aufbewahrt, Vater?" fragte Svend.

    „In meinem Zimmer auf der kleinen Kommode. Wenigstens war der Karton dort, bevor ich ins Krankenhaus kam." Opa hatte immer alles in bester Ordnung gehalten. Erst letztes Jahr hatten wir ihm geholfen, in das kleine Gästezimmer im Erdgeschoss umzuziehen, damit er nicht mit den Treppen zu kämpfen hatte in dem viel zu großen Haus.

    Svend hatte wohl ein schlechtes Gewissen, aber er überspielte es gut. Er ging ins Gästezimmer, kam aber sofort wieder zurück. „Jemand muss aufgeräumt haben, dort ist kein Karton."

    „Gut, dann gebt mir das letzte Album, das letzte vor Katerines Tod." In krassem Gegensatz zur restlichen Familie hatte Opa fast alle Familienfotos penibel streng in Alben geordnet. Meine Eltern, zum Beispiel, haben ihre Bilder in Kartons, je einer für 5 Jahre, aufbewahrt, in optimistischer Erwartung besserer Zeiten.

    „Ich glaube, ich habe die Alben irgendwo gesehen.", rief Edgar und stürzte in die Diele hinaus, wo er sorgfältig die Tür zum Speisezimmer hinter sich schloss. In der Diele gab es eine Tür zur kleinen Gästetoilette und ansonsten nur die Eingangstür, so war es offensichtlich, dass er im Garten weitersuchte. Wenig später kam er mit sechs Alben zurück, die kalt und leicht feucht waren und dazu Spuren von einem weißen Pulver – wohl Gips – aufwiesen.

    „Ja, das sind sie, aber warum sind die alle so dreckig – und so kalt?", fragte Opa mit dem Stapel Alben vor sich.

    „Papa hat sie wohl vom letzten Container geholt.", erklärte Marie.

    „Pscht… Pscht…!", zischten mehrere gleichzeitig. Ich glaubte hören zu können, wie viele Zehen sich in den Schuhen krümmten, es konnten doch nicht nur meine eigenen gewesen sein.

    „Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit., zitierte Opa bitter. „Wenn es einen letzten Container gibt, muss es auch einen ersten gegeben haben, vielleicht auch einige dazwischen. Ich möchte mich doch mal im Haus umschauen.

    Peinlich, äußerst peinlich, aber es hatte wohl so kommen müssen. Keiner wagte es, Opas weiterem Vordringen Einhalt zu gebieten. Jetzt war er im Wohnzimmer mit den ausgewählten antiken Möbeln – ich meine natürlich, wo diese antiken Möbel und der Bücherschrank einmal gestanden hatten. Sie hatten ein kleines Vermögen eingebracht.

    Opa schluckte hörbar, als er den halbleeren Raum sah. „Wir haben ein wenig modernisiert.", versuchte meine Mutter zu erklären, da klingelte das Telefon. Bevor ich hinzu kam hatte Opa schon abgenommen, obwohl der Apparat auf dem Boden stand.

    „Nein, Sie haben sich wohl verwählt, das Haus steht nicht zum Verkauf an ... soviel ich weiß." Er knallte den Hörer auf und ging zurück zum Kaffeetisch.

    „Ich hätte wohl nicht zurückkommen sollen. Ruft das Pflegeheim an, ich komme doch. Das bisschen, das mir vom Leben noch bleibt, werde ich unter diesen Umständen lieber in fremder Umgebung verbringen. Alle schwiegen. Opa nahm noch ein Album in die Hand, blätterte darin zerstreut ein paar Seiten um und sagte: „Was für eine Verschwendung!

    Das waren seine letzten Worte. Sein Kopf sank auf den halb

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