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Aus dem Netz gefischt: Vierter Regionalkrimi aus dem Tal der Liebe
Aus dem Netz gefischt: Vierter Regionalkrimi aus dem Tal der Liebe
Aus dem Netz gefischt: Vierter Regionalkrimi aus dem Tal der Liebe
eBook288 Seiten4 Stunden

Aus dem Netz gefischt: Vierter Regionalkrimi aus dem Tal der Liebe

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Über dieses E-Book

Ein unbedachter Klick in den sozialen Netzwerken und nichts ist mehr so wie es war im Leben der Studentin Svenja Mangold aus Ottenbach. Als auch noch ihr Vater eines Nachts nicht mehr nach Hause kommt und plötzlich beängstigende Dinge sie und ihre Mutter an den Rand des Wahnsinns treiben, taucht noch jemand auf, der immer dann zur Stelle ist,
wenn man ihn braucht. Auch die junge Messermacherin Nora Angerer wird in diesen Fall verwickelt, denn sie und ihr Schäferhund Hasso bekommen ihren ersten Auftrag als Flächensuch-Team. Wird sich Nora auch diesmal wieder in die Ermittlungen einmischen oder werden ihr Freund, der junge Kommissar Joska Kiss und seine Kollegen erfolgreich sein?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum28. Nov. 2017
ISBN9783960144274
Aus dem Netz gefischt: Vierter Regionalkrimi aus dem Tal der Liebe

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    Buchvorschau

    Aus dem Netz gefischt - Petra Mehnert

    1  

    Wie hingemeißelt lag sie da – aber auch irgendwie verloren auf dem riesigen Himmelbett; die Bikinizonen klar und weiß sich abzeichnend, als hätte sie noch etwas an. So lag sie auf dem Rücken in freudiger Erwartung ihres Liebhabers. Genussvoll seufzend strich sie sanft über ihren makellosen Körper – langsam spreizte sie die Beine …  

    „Diese blöde Mücke macht mich noch verrückt!", rief ich ärgerlich und versuchte, die elende Stechmücke mit meiner schon etwas zerfledderten Fliegenklatsche zu erwischen. Der Schweiß lief mir inzwischen in Bächen herunter – es war schwül und heiß an diesem Juniabend. Heute war es besonders drückend, und wenn man dann auch noch heiße Bettszenen schreiben musste, wurde die Hitze beinahe unerträglich. Diese Plagegeister fanden trotz der Fliegengitter immer irgendwo eine Lücke, um ins Haus zu gelangen. Wenn man schwitzend und von Mücken terrorisiert tippen musste, war das echt eine Qual. Es stand jedoch ein Abgabetermin an den Verlag an und so blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzuschreiben. Doch dann kam mir ein rettender Gedanke: Wozu hatte ich schließlich einen Laptop?  

    Da ich wusste, dass meine übervorsichtige Mutter jeden Abend, bevor sie sich selbst schlafen legte, nochmal zu mir ins Zimmer kam, um nach ihrem Kind (ich war schon einundzwanzig!) zu sehen, legte ich ihr einen Zettel hin:  

    Ich schlafe heute in der Sauna – mir ist es hier oben einfach zu heiß – schlaf gut und träum was Schönes!  

    Svenja

    Ich konnte mir meine Mutter bildlich vorstellen, wie sie den Kopf schütteln und dann in ihr klimatisiertes Schlafzimmer gehen würde. Sie war vor kurzem fünfzig geworden und die Wechseljahre mit den lästigen Hitzewallungen machten ihr natürlich in dieser drückenden Schwüle umso mehr zu schaffen. Ein Glück für die verwöhnte Hausfrau, dass mein Vater als angesehener Anwalt genug Moneten mit nach Hause brachte, um unsere Villa in Ottenbach mit allen Annehmlichkeiten auszustatten – unter anderem eben auch in fast allen Räumen mit einer Klimaanlage. Nur ich hatte mich geweigert. Ich will die verschiedenen Jahreszeiten mit allen Sinnen spüren; obwohl ich heute die Vorzüge eines gekühlten Zimmers zu schätzen gewusst hätte. Aber nun saß ich in unserer geräumigen Sauna und an Schlafen war natürlich nicht zu denken. Da ich als Studentin nur nachts Zeit zum Schreiben hatte, musste ich vor allem in der Schlussphase eines Romans oft nächtelang durcharbeiten. Niemand wusste von meiner Autorentätigkeit, denn ich schrieb meine Erotikromane unter dem Pseudonym Eliza Martini. Dieser Name war mir schon beim ersten Manuskript ganz spontan eingefallen, und mir war von vornherein klar gewesen, dass ich niemals unter meinem eigenen Namen würde schreiben können. Das Gerede in meinem kleinen Heimatdorf wollte ich mir und meiner Familie ersparen. Nicht auszudenken, was wir uns hätten anhören müssen! Mein Vater Olaf Mangold war ein hochgeachteter Anwalt, spezialisiert auf Scheidungsrecht. Meine Mutter Martina war Hausfrau mit Leib und Seele und im Vorstandsteam des örtlichen Motorsportclubs.  

    Aus Geldmangel hatte ich ganz sicher nicht angefangen zu schreiben (ich bekam ein recht üppiges Taschengeld). Es geschah eher aus einer Laune heraus, als ich vor drei Jahren kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag einen gleichaltrigen Studenten kennenlernte, der aber leider überhaupt nichts von mir wissen wollte. Aus Frust hatte ich damals meine sexuellen Phantasien zu Papier gebracht, beziehungsweise getippt und als ebook auf einer Selfpublisher-Plattform veröffentlicht. Zunächst noch kostenlos, aber als ich bei dreihundert heruntergeladenen Dateien und zahlreichen positiven Bewertungen angelangt war, hatte ich beschlossen, mir einen ebook-Verlag zu suchen. Ich fand auch relativ schnell einen, der von der Attraktivität meines Pseudonyms überzeugt war. Als Autorenbild hatte ich mir wahllos eines aus Facebook heruntergeladen und nur die Augen- und Haarfarbe mit Photoshop verändert. Das fremde Gesicht hatte nun meine braunen Augen und meine mittelbraune Haarfarbe. Während meine Haare raspelkurz waren, hatte mein Autorenbild eine lange, wellige Haarpracht. Ganz legal war das sicher nicht, aber das war mir gleichgültig, denn mein Eigenes konnte ich auf keinen Fall verwenden. Seither hatte ich schon mehr als zehn erotische Romane geschrieben und dadurch einen ganz einträglichen Nebenerwerb. Natürlich konnte ich mit diesem zusätzlichen Geld nicht bedenkenlos um mich werfen, aber mit reichen Eltern im Hintergrund war es durchaus legitim, zum Beispiel ein Beetle-Cabrio zu fahren.  

    Das Einzige, was mich an der Verlagsgebundenheit störte, waren die Abgabetermine, die unbedingt einzuhalten waren. Die brachten mich regelmäßig im wahrsten Sinne des Wortes ins Schwitzen. Gezwungenermaßen versuchte ich es mir nun auf den harten Saunabrettern gemütlich zu machen und mit dem Laptop auf dem Schoß fing ich wieder an zu schreiben. Sollte meine Mutter wider Erwarten doch nochmal nach mir sehen, würde ich behaupten, noch dringend für die Uni etwas recherchieren zu müssen. Für solche Fälle hatte ich immer neben meinem Manuskript noch eine Ebene mit Google geöffnet. Meine erotischen Dateien waren auch nicht auf dem Laptop, sondern nur auf meinem Stick gespeichert, den ich als herzförmige Halskette stets bei mir trug, und von der ich hoffte, dass niemand etwas von ihrem Inhalt ahnen würde. Wenn dieser in falsche Hände geraten würde, wäre ich aufgeschmissen!  

    Nun saß ich also hier in dem kühlen Kellerraum in einer Sauna – den Laptop vor der Nase – und mir fiel einfach nichts Erregendes ein, um die angefangene Szene weiter zu schreiben. Das durfte doch nicht wahr sein! Oben in meinem Zimmer war es in den letzten zwei Stunden doch wunderbar gelaufen – die Worte waren nur so aus mir herausgesprudelt, während ich ab und zu durchs Fenster geschaut und mich an dem vertrauten nächtlichen Bild meines geliebten Hohenstaufen erfreut hatte. War das vielleicht der Grund, warum es hier unten mit dem Schreiben nicht klappen wollte? Konnte es sein, dass ich nur was zustande brachte, wenn ich den Hohenstaufen im Blick hatte? Da mir trotz weiterem Überlegen und Grübeln nichts Verwertbares einfallen wollte, dachte ich wirklich kurz daran, wieder nach oben zu gehen. Doch dann kam mir die Idee, mich selbst zu überlisten … ich hatte im Laufe der Zeit unzählige Bilder unseres Ottenbacher Tals und der umliegenden drei Kaiserberge Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen gemacht. Ich konnte mir doch auf einer weiteren Ebene diese Bilder mit den verschiedenen  

    Himmelsfarben auf den Laptop holen. Um den wie ein Vulkan aussehenden Hohenstaufen rankt sich die gleichnamige Ortschaft und je nach Sonnenstand und Beleuchtung sieht das Wahrzeichen unseres Göppinger Landkreises immer wieder anders aus. Ohne meinen täglichen Blick hinauf zu unserem Hausberg konnte ich nicht leben, zumindest vermisste ich es, wenn ich nicht zuhause war. Ich ließ meine Bilder nacheinander durchlaufen und es half tatsächlich! Nach nur circa zehn Hohenstaufen-bei-Sonnenuntergang-Bildern kam ich endlich wieder in Schreibschwung und die Finger flogen wie gewohnt über die Tastatur. Hoch lebe das Zehn-Finger-Schreibsystem, welches ich von meiner Mutter gelernt hatte. Wobei wir beide der einhelligen Meinung sind, dass diese Fertigkeit unbedingt in den Schulen beigebracht werden sollte. Denn … gab es heute überhaupt noch irgendeinen Beruf, bei dem man nicht auf einer Computer-Tastatur schreiben musste? Und je schneller und sicherer man das Tippen beherrschte, desto mehr wertvolle Arbeitszeit konnte man sparen. Ob ich überhaupt Autorin geworden wäre, wenn ich nicht so schnell hätte tippen können … ich weiß es wirklich nicht.  

    2  

    „Eliza, hauchte er und hielt sein Gesicht dabei ganz nahe an seinen riesigen Bildschirm, so als könne er seiner Angebeteten dadurch noch näher sein. „Zu so später Stunde bist du noch online … kannst du auch nicht schlafen?  

    Wie gerne hätte er ihr die Worte persönlich gesagt oder wenigstens über den Facebook-Chat mit ihr ausgetauscht – doch bis heute hatte er sich das nicht getraut. Jedes ihrer Bücher hatte er bisher verschlungen und alle bereits mehrfach gelesen, er konnte sie beinahe auswendig. Aber noch nie hatte er sich dazu durchringen können, ihr eine Nachricht zu schicken. Sie hatte zwar keine private Seite, aber auch über ihre Autorenseite konnte man ihr eine Nachricht schicken. Doch was hätte er ihr schon schreiben sollen? Dass er rettungslos in sie verliebt war und sie unbedingt kennenlernen wollte? Dass er ohne sie nicht mehr leben konnte und zu gerne all das mit ihr erleben wollte, wovon sie immer schrieb? Ob sie wohl ihr eigenes Bild ins Netz gestellt hatte? Es war auf allen Plattformen der sozialen Netzwerke dasselbe Foto, aber es war dennoch aufregend, sich vorzustellen, dass sie vielleicht doch ganz anders aussah. In seiner Fantasie hatte sie wallendes rotes Haar, grüne Augen und üppige Rundungen. Er versuchte sich immer wieder einzureden, dass das Bild im Internet nicht ihres war oder zumindest irgendwie verändert worden war. Leider konnte man auf ihrem Profil gar nichts Persönliches über sie herausfinden – weder ihr Alter noch wo sie wohnte oder welchen anderen Hobbys sie nachging. Sie postete auch keine privaten Bilder oder Aktivitäten. Es ging ausschließlich um ihre Bücher – was ja in Ordnung war – aber ihm reichte es nicht! Wie konnte er nur mehr über sie in Erfahrung bringen? Vielleicht sollte er doch endlich über seinen Schatten springen und ihr heute noch eine Nachricht schicken?  

    Bei diesen Überlegungen kam dem jungen Mann noch ein weiterer Gedanke: War „Eliza Martini" überhaupt ihr richtiger Name? Irgendwie konnte er das nicht recht glauben – dieser Name war zu perfekt für eine Erotik-Autorin. Je mehr er sich mit seiner Angebeteten beschäftigte, desto drängender wurde sein Wunsch, endlich mit ihr in Verbindung zu treten, wenn es zunächst auch nur virtuell war. Er musste endlich den ersten Schritt tun. Nach den vielen Büchern und den vergangenen Jahren war er inzwischen an einem Punkt angelangt, wo er nicht mehr passiv bleiben konnte. Er musste jetzt aktiv werden und versuchen, sie zu erreichen. In seinen kühnsten Träumen schaffte er es sogar, dass sie sich ebenfalls in ihn verliebte.  

    „Aber das kann sie nicht, wenn du nicht endlich den Mumm hast, ihr zu schreiben!", schalt er sich selbst und legte mit zittrigen Fingern seine Hände auf die PC-Tastatur. Gerade, als er anfangen wollte zu schreiben, sprang sein riesiger getigerter Main-Coon-Kater auf die Tastatur und schrieb:  

    „ßüpjmn654a

    „Mist!, entfuhr es ihm entsetzt. „Was hast du nur gemacht, Django? Was soll Eliza nun von mir denken? Dennoch kraulte er seinen Liebling, der sich auf seinen Schoß gekuschelt hatte, gedankenverloren hinter den Ohren. Dabei kam ihm eine Idee und mit einem Ruck sprang er auf, wobei die arme Katze mit einem erschrockenen Maunzen auf dem Boden landete.  

    „Wo ist mein Handy?", fragte Kevin zu Django blickend, als hätte dieser eine Ahnung, wo sein Herrchen seinen ständigen Begleiter wohl hingelegt haben könnte. Nach hastigem Suchen und Durchwühlen seines zugemüllten Schreibtisches fand er sein Smartphone endlich und hielt es sofort nach einigem Wischen seinem Kater vor die Nase.  

    „Bitte lächeln!", rief er und drückte ab, bevor das Tier auf die Idee kommen konnte, wegzulaufen. Dieses Bild erschien Kevin immens wichtig und umgehend schickte er das Bild seiner Katze der verstümmelten Nachricht hinterher. Noch hatte Eliza nicht geantwortet, obwohl er erkennen konnte, dass sie die Nachricht bereits gelesen hatte. Wenn er sich nicht sehr in ihr täuschte, würde sie auf das Katzenbild reagieren. Schnell tippte er noch hinterher:  

    „Sorry! Ich wollte dich nicht erschrecken!"  

    Dann wartete er …  

    3  

    „Nettes Kätzchen", murmelte ich, als nach dieser seltsamen Nachricht das Bild einer getigerten Katze erschien. Der Absender war ein Nevik Prumk und als Profilbild hatte er – oder sie – einen hohen, schmalen Kaktus. Sollte ich antworten? Vielleicht war es ein begeisterter Leser, der auch nicht erkannt werden wollte, sich also nicht als Erotikleser outen, aber dennoch mit mir in Verbindung treten wollte? Was konnte es schaden, zu antworten? Ich brauchte sowieso dringend eine Pause. Es war inzwischen vier Uhr früh und mir taten alle Knochen weh. Die paar Kissen, die ich mir unter den Hintern und in den Rücken gestopft hatte, hatten nicht lange gegen die Härte der Holzbänke geholfen. Manchmal wünschte ich mir wirklich, ich hätte ein paar Pfunde mehr auf den Rippen, beziehungsweise am Po, dann würde ich nicht immer auf meinen Knochen sitzen müssen. Gut – eine gute Muskulatur würde da auch helfen, aber ich hatte wegen der vielen Lernerei und Schreiberei einfach keine Zeit für Kraftsport. Ich war schon glücklich, wenn ich es einmal in der Woche schaffte, zu Nora Angerer ins Hip-Hop-Training zu gehen. Zu meinem geliebten Salsatanzen kam ich schon seit Monaten nicht mehr.  

    Während ich mir eine passende Antwort überlegte, ging ich kurz raus in unseren Hobbyraum, wo jede Menge Fitness- Geräte herumstanden. Lustlos stellte ich mich auf das Wackelbrett und versuchte ein paar halbherzige Kniebeugen. Da ich das schon lange nicht mehr gemacht hatte, klappte es natürlich nicht und ich kippte nach hinten runter. Zum Glück stand der Fahrrad-Hometrainer direkt daneben und ich konnte mich dort festhalten. Trotzdem stieß ich mir das Knie an dem blöden Ding, worauf ich fluchend zu dem Katzenbild zurückging. Genervt tippte ich eine Antwort:  

    „Welche komische Sprache sprichst du denn, du hübsche Katze … oder Kater?"  

    Eigentlich rechnete ich gar nicht mit einer Antwort, doch diese kam fast postwendend:  

    „Maincoonisch."  

    „Aha. Das sagt mir zwar was, aber ich spreche diese Sprache leider nicht. Wenn du also keinen Übersetzer hast, müssen wir die Unterhaltung leider gleich wieder beenden. Gute Nacht, schöner Kater … oder Katze?"  

    „Kater … und mein Name ist Django, und wie du siehst, habe ich einen Translator!"  

    Sehr witzig, dachte ich, aber dennoch fing das Ganze an, mir irgendwie Spaß zu machen und es hielt mich zudem wach. Die Ablenkung konnte ich gerade auch gut gebrauchen, denn ich hing wiedermal an einer besonders heiklen Szene fest.  

    „So, so … Django heißt du also. Sehr verwegener Name. Bist du das auch?"  

    „Und wie! Du müsstest mich mal kennenlernen …"  

    Gegen das Kennenlernen einer Katze hatte ich nichts einzuwenden, wenn da nicht der Besitzer oder eine Besitzerin wäre. Wer auch immer es sein mochte.  

    „Erzähl mir einfach was von dir, dann lerne ich dich kennen", forderte ich mein virtuelles Gegenüber auf.  

    „Nun ja … also … ich bin ein Main-Coon-Kater, bin acht Jahre alt und wiege zwölf Kilo."  

    „Zwölf Kilo?, schrieb ich ehrlich entsetzt. „Dann musst du aber aufpassen, wenn du auf den Bauch deines Besitzers springst!  

    „Der hält das aus und übrigens … ich habe keinen Besitzer – ich bin freiwillig bei ihm!"  

    So kann man das auch sehen, dachte ich und war fürs Erste bereit zu glauben, dass mein Nachrichtenschreiber tatsächlich männlich war. Irgendwie schon aufregend, wenn man nicht wusste, wer oder was da am anderen Ende der Leitung saß.  

    „Dein Dosenöffner hat aber einen seltsamen Namen: Nevik. Woher kommt dieser Name?", wollte ich wissen, obwohl ich mir denken konnte, dass dieser Name irgendein Fake-Name war.  

    „Keine Ahnung … aber du hast einen wunderschönen Namen … Eliza!"  

    „Danke. Liest dein Herrchen meine Bücher?", fragte ich und wollte damit die Unterhaltung in Bahnen lenken, die mich wirklich interessierten.  

    „Ja sicher! Er ist ein ganz großer Fan von dir und er würde dich gerne näher kennenlernen ;-)!"  

    Das glaube ich dir gerne. Aber ich ihn nicht, dachte ich, schrieb aber:  

    „Das schmeichelt mir natürlich sehr und wir können uns gerne ein andermal hier auf Facebook unterhalten, aber jetzt muss ich dringend an meinem nächsten Buch weiterschreiben! Gute Nacht und grüß mir dein Herrchen!"  

    Das „Herrchen" hatte ich mir nicht verkneifen können und war nun gespannt auf eine Antwort. Es kam jedoch keine und ein paar Minuten später hatte ich diese seltsame Unterhaltung schon wieder vergessen und war wieder in meinem Text versunken.  

    „Mama!", kreischte ich und vor Schreck rutschte mir beinahe der Laptop vom Schoß. Hastig griff ich danach, wobei ich ihn reflexartig zuklappte. Nur einen kurzen Moment verschwendete ich an den Gedanken, wann ich das letzte Mal zwischengespeichert hatte, denn das entsetzte Gesicht meiner Mutter machte mir Angst. Hatte sie etwas gelesen? Ertappt versuchte ich etwas zusammenzustammeln, von wegen Recherchen für die Uni, aber sie ließ mich gar nicht ausreden.  

    „Dein Vater ist nicht nach Hause gekommen!"  

    Mein Vater? Das sagte sie sonst nur, wenn sie sich über ihn geärgert hatte. Aber ihr ängstlicher Blick spiegelte ihre wahren Gefühle wider.  

    „Was? Warum?, stammelte ich dümmlich. „Wie spät ist es überhaupt?, war dann das Erstbeste, was ich wissen wollte, denn während des Schreibens war mir jegliches Zeitgefühl abhandengekommen.  

    „Kurz nach fünf!", klärte mich meine Mutter mit anklagender Stimme auf, wobei sie sich ermattet auf die harte Saunabank fallen ließ.  

    „Vielleicht musste er schon früher in die Kanzlei?", versuchte ich mich selbst zu beruhigen.  

    „Mit dem Mopsi?, fragte Mama entgeistert, was mich zu einem entsetzten „Der ist auch weg? veranlasste.  

    „Ja und Papas Bett ist unberührt. Die beiden sind nach ihrem nächtlichen Gassigang gar nicht nach Hause gekommen!"  

    „Vielleicht hat er was Wichtiges in der Kanzlei vergessen und ist mit Mopsi noch mal hingefahren. Du weißt doch, dass er manchmal die Zeit vergisst, wenn er sich in einen Fall verbissen hat!", versuchte ich mich selbst zu beruhigen.  

    „Hier! Damit hielt sie mir unser tragbares Telefon vor die Nase. „Ruf an!  

    „Warum ich?", fragte ich und merkte sofort, wie zickig das geklungen hatte. Hatte sie Angst, dass er ungehalten reagieren könnte, wenn man ihn bei der Arbeit störte?  

    „Ich will nicht als hysterische Ehefrau dastehen und mir anhören müssen, dass ich ihm nachspioniere!", erklärte sie mir und zum ersten Mal hörte ich aus ihren Worten eine gewisse Spitze heraus. Bisher war ich, vielleicht auch automatisch, davon ausgegangen, dass das Verhältnis meiner Eltern von gegenseitigem Vertrauen und Rücksichtnahme geprägt war. Nun konnte ich vor allem an ihrem leicht gereizten Tonfall doch eine gewisse Verärgerung heraushören. War es etwa schon öfter vorgekommen, dass sie sich Sorgen machte, ob mein vielbeschäftigter Vater wirklich arbeitete, wenn er wie so oft behauptete, noch länger in der Kanzlei zu tun zu haben?  

    Bei diesen Erwägungen zog sich mein Magen schmerzlich zusammen. Ich wollte nicht glauben, dass unsere bisher so heile Welt ins Wanken geraten könnte. Bisher hatte ich mir nur um mich selbst Gedanken gemacht und in keiner Weise auch nur in Erwägung gezogen, dass auch meine Eltern ihre Probleme haben könnten. Unser Familienalltag war klar strukturiert und fast minutiös durchgeplant. Wir frühstückten jeden Tag um sieben Uhr gemeinsam, wobei mein Vater immer erst die Zeitung überflog, für ihn wichtige Artikel konzentriert las und dabei auf keinen Fall gestört werden durfte. Danach fragte er uns nach unseren Tagesplänen und gab meistens seine belehrenden und in seinen Augen wichtigen Kommentare ab. Bevor wir ihm nicht signalisiert hatten, dass wir ihm zugehört und auch alles verstanden hatten, ließ er uns nicht gehen. Auch wenn das bedeuten konnte, dass ich zu spät zur Uni kam oder meine Mutter einen wichtigen Termin verpasste. Das war allerdings schon länger nicht mehr passiert, denn wir wussten inzwischen, wie wir zu reagieren hatten. Ich muss leider zugeben, dass die Anmerkungen und Hinweise meines Vaters meist nicht von der Hand zu weisen waren. Aber vielleicht tat meine Mutter nur immer so verständnisvoll und auch irgendwie demütig, weil sie einfach nur ihre Ruhe haben wollte? Obwohl sie sicher nicht jedes Mal einer Meinung mit ihrem Mann war. Doch das war ja momentan nicht das Problem und so ergriff ich mit genervtem Augenaufschlag das Telefon. Die mit der Kurzwahltaste „Eins gewählte Nummer der Kanzlei in Göppingen ließ aber leider den dortigen Anrufbeantworter erklingen, was meine Mutter auch vernahm, da ich auf „laut gestellt hatte.  

    „Ruf ihn! Er wird es hören und drangehen!", meinte meine Mutter bestimmt, als hätte sie das schon öfter so gemacht. Artig rief ich in den Hörer und dann warteten wir. Doch auch nach mehrmaligem Rufen ging mein Vater nicht an den Apparat. Was hatte das nun zu bedeuten?  

    „Ist er doch nicht da oder hört er mein Rufen nicht?"  

    „Wir müssen hinfahren!", entschied meine Mutter und sprang dabei voller Tatendrang auf.  

    „Meinst du nicht, wir sollten einfach noch warten?", fragte ich nun doch unsicher geworden. Würde es nicht etwas seltsam rüberkommen, wenn wir meinem Vater so nachstellten? Was, wenn er tatsächlich über irgendwelchen wichtigen Akten brütete und wir ihn dabei störten? Kam es nicht einem Vertrauensbruch gleich, wenn wir einfach so bei ihm aufkreuzten? Doch dann fiel mir noch etwas ein.  

    „Hast du es schon auf seinem Handy versucht?"  

    „Du weißt doch, dass er es auf seinen nächtlichen Spaziergängen nie mitnimmt. Es liegt auf seinem Nachttisch", sagte sie fast vorwurfsvoll und bei ihren Worten wurde es mir nun doch etwas mulmig. Denn wenn er

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