Verzaubert hab' ich dich: Im Verlieben unser inneres Gold entdecken
Von Wunibald Müller
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Über dieses E-Book
Wunibald Müller beschreibt in seinem kleinen Büchlein, dass wir im Zulassen des Verliebens Erfahrungen machen und innere Wachstumsprozesse ermöglichen, die in vielen Lebensbereichen und in unterschiedlichen Beziehungen zu einer größeren Lebendigkeit beitragen. Er plädiert dafür, das "innere Gold", das beim Verlieben entsteht, zu schürfen und zu nutzen.
Wunibald Müller
geb. 1950, studierte Theologie und Psychologie. Langjähriger Leiter des Recollectiohauses der Abtei Münsterschwarzach. Bekannt wurde er als Autor zahlreicher Bücher und Beiträge zu Themen der Spiritualität und Psychotherapie. Wunibald Müller ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Buchvorschau
Verzaubert hab' ich dich - Wunibald Müller
Hinführung
Sie haben richtig gelesen. Der Titel lautet: Verzaubert hab ich dich. Würde man nicht eher die Formulierung erwarten: Verzaubert hast du mich? Würden wir nicht davon ausgehen, dass beim Verlieben die Person, in die ich mich verliebt habe, mich verzaubert? Ich ganz entflammt bin von ihr und verrückt bin nach ihr. Dass ich verrückt bin nach ihr, trifft zu. Doch verzaubert hat nicht sie mich. Verzaubert habe ich sie.
Denn im Verlieben projiziere ich mein eigenes Gold, das sich im Verlieben bemerkbar macht, auf die Person, in die ich mich verliebe. Im Glanz, der von dem Gold, das ich auf sie projiziert habe, ausgeht, schaue ich meinem eigenen Gold ins Gesicht. Will ich dieses Gold für mich, mein Leben nutzen, muss ich es mir von der geliebten Person zurückholen. Solange ich von ihr erwarte, dass sie das, wofür dieses Gold steht, für mich umsetzt, werde ich enttäuscht werden.
Dieses Gold steht unter anderem für Seiten von mir, die ich bisher noch nicht gelebt habe. Es steht für Kreativität und mehr Lebendigkeit. Es will mich dazu einladen, mehr Buntheit, Sinnlichkeit, Ekstase, numinose Erfahrungen in meinem Leben zuzulassen. Das gilt für alle Bereiche meines Lebens: meine Beziehungen, meine Arbeit, meine Freizeitgestaltung, meine Spiritualität.
Damit das geschehen kann, muss ich das, was im Verlieben geschieht, in einem größeren Kontext sehen und darf den nachhaltigen Nutzen, den ich aus dem Verlieben erzielen kann, nicht aus dem Blick verlieren. Den erziele ich, wenn ich mein Gold zurückhole. Doch das ist leichter gesagt als getan. Das verlangt von mir, nachdem ich für eine Weile im paradiesischen Zustand geschwelgt habe, mich dem schmerzlichen Prozess zu stellen, der unweigerlich stattfinden wird, wenn meine Verzauberung der geliebten Person von ihrer Entzauberung abgelöst wird. Nur so komme ich zu meinem Gold. Ich sehe jetzt aber endlich auch die geliebte Person so, wie sie ist. Das ist der Moment, wo es mit der Liebe beginnen kann.
Wir wissen alle: Wen der Blitz des Verliebens trifft, den trifft er. Wem es geschieht, kann ihm nicht ausweichen. Das Verlieben fragt nicht, ob jener oder jene das will oder nicht will. Es gehört grundsätzlich zu unserer menschlich-seelischen Ausstattung, unabhängig davon, ob man verheiratet ist oder ehelos lebt. Wir haben es also nicht in der Hand, ob wir uns verlieben oder nicht. Doch wie wir damit umgehen, ist unsere Sache, zumindest können wir darauf Einfluss nehmen. So können wir im Zulassen des Verliebens Erfahrungen machen und Wachstumsprozesse ermöglichen, die in vielen Lebensbereichen und in unseren unterschiedlichen Beziehungen zu einer größeren Lebendigkeit beitragen. Wenn wir das erkannt haben, werden wir das Verlieben zulassen und uns davon für unsere persönliche Entwicklung und unser persönliches Wachsen bereichern lassen. Wir sind dann daran interessiert, das innere Gold, auf das das Verlieben hinweisen möchte, zu entdecken, zu bergen und zu nutzen.
Davon soll im Folgenden die Rede sein. Als Darstellungsform habe ich eine Mischung aus Erzählung und Information gewählt. Als Charakterisierung der Erzählung trifft am besten „Dichtung und Wahrheit".
Meinem Lektor Reiner Bohlander danke ich für die angenehme und umkomplizierte Zusammenarbeit. Ich widme dieses Buch allen Frauen, in die ich mich im Laufe meines Lebens verliebt habe und denen ich vieles verdanke. Vor allem aber meiner großen Liebe, meiner Frau, mit der ich fast 40 Jahre verheiratet bin.
Verzauberung
Verzaubert hast du mich,
meine Schwester,
ja verzaubert mit dem Blick einer Augen.
Hohes Lied 4,9
Wie ich mich unter dem Gespräch in den schwarzen Augen weidete! wie ihre lebendigen Lippen und die frischen munteren Wangen meine ganze Seele anzogen! wie ich in dem herrlichen Sinn ihrer Rede ganz versunken, oft gar die Worte nicht hörte, mit denen sie sich ausdrückte!" (Goethe 1899, 30).
Das sind die Worte eines Verliebten. Eines unsterblich Verliebten. Diese Worte des jungen Werthers in Goethes Die Leiden des jungen Werthers könnten meine sein, als ich Bettina das erste Mal sehe. Ich bin versunken in sie. Ich bin so sehr absorbiert von ihr, dass ich zunehmend meine Umgebung nicht mehr wahrnehme. Mein ganzes Interesse gilt ausschließlich ihr. Sie nimmt