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Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940
Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940
Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940
eBook553 Seiten6 Stunden

Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940

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Über dieses E-Book

Die Okkupation Griechenlands durch die Deutsche Wehrmacht beeinflusst bis heute das deutsch-griechische Verhältnis. Kateřina Králová nimmt die bilaterale Beziehungsgeschichte in den Blick. Ihr Buch bietet grundlegendes Wissen für eine sachliche Diskussion fernab aller Klischees. Ein gemeinsames deutsch-griechisches Erinnern an die Besatzungszeit gibt es (noch) nicht. In Griechenland ist das Geschehen unvergessen, in Deutschland hingegen werden die Greueltaten der Besatzer an der griechischen Zivilbevölkerung verdrängt oder beschwiegen. Die Asymmetrie der Vergangenheitsbewältigungen beeinflusst bis heute das Verhältnis zwischen den Ländern. Wissensdefizite führen zu Polarisierungen, wie die aktuelle politische Berichterstattung zeigt. Von der deutschen Besatzungspolitik und den direkten Folgen für Griechenland und seine Bevölkerung ausgehend, verfolgt Kateřina Králová die deutsch-griechischen Beziehungen seit 1940: über die Restauration in Griechenland nach dem Krieg, die Wiederaufnahme der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, die Strafverfolgung von NS-Kriegsverbrechern und die Debatten um die Reparationsfrage im Zuge des Ost-West-Konflikts, der Wiedervereinigung Deutschlands und der jüngsten Vergangenheit. Das Buch der Historikerin bietet eine verständliche Darstellung der Geschichte bis hin zu den aktuellen Entwicklungen. Die dargestellten Fakten und Zusammenhänge machen die Dringlichkeit der deutschen Aufarbeitung deutlich und mahnen ein nachhaltiges Geschichtsverständnis in beiden Ländern an. In der Tschechischen Republik und in Griechenland ist das Buch bereits publiziert, jetzt folgt die deutsche Übersetzung.
SpracheDeutsch
HerausgeberBöhlau Köln
Erscheinungsdatum9. Mai 2016
ISBN9783412505998
Das Vermächtnis der Besatzung: Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940

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    Buchvorschau

    Das Vermächtnis der Besatzung - Kateřina Králová

    1.Griechenland und das „Dritte Reich"

    1.1Deutsch-griechische Beziehungen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs

    In den 1920er Jahren traten die Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland in eine Phase der Intensivierung.¹ Die damalige wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder konnte zu einer gewissen Stabilisierung der politischen Lage in Griechenland beitragen, die in der Zwischenkriegszeit besonders wechselhaft war. Unmittelbar nach Abschluss eines bilateralen Handelsabkommens im März 1928 wurde ein griechischer Handelsbilanzüberschuss gegenüber Deutschland erzielt. Dank der Einführung eines Clearingsystems nahm der Warenaustausch Mitte der 1930er Jahre weiter zu;² für Athen war es auf diese Weise möglich, relativ unabhängig von Devisenreserven mit Berlin zu verkehren. Sukzessive kamen bekannte deutsche Konzerne nach Griechenland, darunter AEG, Siemens und I. G. Farben, eröffneten Niederlassungen und richteten Produktionsstätten ein.³ Die deutsch-griechische Zusammenarbeit in der Zwischenkriegszeit, anfangs wirtschaftlich, in der Folge auch politisch, erwies sich als richtungsweisend für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen nach dem Krieg und soll deshalb eingehender erläutert werden.

    In der Zwischenkriegszeit war Ioannis Metaxas zum Führer der royalistisch-rechtsextremen Freisinnigen Partei avanciert. Metaxas, ideologisch sowohl vom italienischen Faschismus als auch vom deutschen Nationalsozialismus geprägt, verhehlte keineswegs seine deutschfreundliche Haltung.⁴ Während eines Studiums in Deutschland – wie viele seiner Zeitgenossen und Nachfolger, etwa Tsaldaris, G. Papandreou, Kanellopoulos, Simitis oder Papoulias, im Fall von Metaxas an der Preußischen Kriegsakademie – hatte er bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs enge Beziehungen zu diesem Land entwickelt.⁵ Nach seiner Ernennung zum Premierminister wurden außer den wirtschaftlichen auch die politischen Kontakte [<<23||24>>] zum „Dritten Reich" forciert. Schon einen Monat nach der Machtübernahme durch Metaxas kam Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels nach Griechenland.⁶ Sein Besuch löste einen Schub für den Ausbau politischer Beziehungen zwischen beiden Ländern aus. Auch wurde 1939 an der Universität Athen eine Abteilung für Deutsche Sprache und Literatur unter Leitung des Germanisten Rudolf Fahrner eingerichtet.⁷ Generell stieg das griechische Interesse am Erlernen der deutschen Sprache. Die Außenstelle der Deutschen Akademie in Athen, Vorgängerin des heutigen Goethe-Instituts, richtete gleich nach ihrer Gründung 1934 Deutschkurse ein, für die sich anfangs allerdings nur 18 Schüler fanden. Doch kurz vor dem Krieg wurden elf Außenstellen der Akademie (sogenannte Lektorate) über ganz Griechenland verteilt betrieben. In manchen Regionen waren sie sogar gefragter als die entsprechenden englischen oder französischen Einrichtungen.⁸

    Auch die deutsch-griechischen Handelsbeziehungen wuchsen während des Metaxas-Regimes weiter an. Die griechischen Exporte nach Deutschland verzeichneten 1936 und 1937 eine jährliche Steigerung um 27 Prozent. Deutschland importierte Tabak und Erze (Nickel, Bauxit, Chrom), aber auch landwirtschaftliche Produkte, Griechenland dagegen Kohle, Eisen und Industriegüter.⁹ 1938 beliefen sich die Ausfuhren nach Deutschland auf 40 Prozent des gesamten griechischen Exportvolumens. Die Vergabe von wichtigen Staatsaufträgen an deutsche Unternehmen und die Heranziehung deutscher Berater für den Bau von Küstenbefestigungen unterstrichen das griechische Interesse sowohl an der Entwicklung bilateraler Handelsbeziehungen als auch an einer militärischen Zusammenarbeit.¹⁰

    [<<24||25>>] Gleich im Jahr darauf ist jedoch ein entscheidender Einschnitt in den Beziehungen beider Länder zu verzeichnen:¹¹ Direkt nach Kriegsausbruch bat Metaxas, der Mussolinis Expansionsabsichten fürchtete, sowohl Deutschland als auch Großbritannien um Unterstützung. London, wo der griechische König Georg II. längere Zeit unter dem Schutz des englischen Königs Georg VI. gelebt hatte, sollte zu einer Art Sicherheitsventil werden für den Fall, dass die deutsche Expansionspolitik sich gegen Griechenland richtete. Bei den Verhandlungen mit Berlin verwies Metaxas immer wieder auf seinen Ruf als langjähriger Befürworter einer deutschfreundlichen Politik und hob auch seinen persönlichen Beitrag zum Aufbau wirtschaftlicher und politischer Beziehungen hervor. Hitler jedoch zeigte sich nicht willens, Griechenland zuliebe die Expansionspläne des verbündeten Italien infrage zu stellen.¹²

    Metaxas versuchte nun, die Kommunikationskanäle zu beiden Mächten offenzuhalten; langfristig erwies sich dieser Vorsatz jedoch als unhaltbar. Großbritannien, tradierte Schutzmacht Griechenlands, deren Unterstützung Metaxas wegen der Interventionen besonders des griechischen Königs nicht einfach zurückweisen konnte, drängte auf eine Einschränkung der Athener Kontakte zum deutschen Regime. Metaxas Doppeldiplomatie führte oft zu widersinnigen Situationen; so stärkte z. B. Berlin durch Rüstungslieferungen an Griechenland militärisch im Grunde London. Der größte Teil der griechischen Handelsmarine fuhr weiterhin unter britischer Flagge, und die britischen Schiffe, die an griechischen Häfen anlegten, wurden mit deutscher Kohle versorgt. Griechische Tanker transportierten Treibstoffe aus Rumänien für den Bedarf der britischen Kriegsmarine, und das Rüstungsunternehmen ΕΕPΚ (Εταιρία Ελληνικού Πυριτιδοποιείου και Καλυκοποιείου, später: PYRKAL), aufgebaut mit Hilfe deutscher Technologie und Anleitung, produzierte Munition ausschließlich für die Briten. Die Reichsregierung war sich des steigenden britischen Einflusses in Griechenland wohl bewusst, sodass sie umschwenkte und sich aus einem geplanten Vertragsabschluss mit dem Konzern Rheinmetall-Borsig AG über Rüstungsexporte nach Griechenland zurückzog. In der Folge wurden auch Kohle- und Eisenlieferungen nach Griechenland stark reduziert, während die griechischen Exporteure trotz erheblichen Drucks aus Berlin Chrom an London lieferten, mit Verweis auf die besseren britischen Angebote.¹³

    Hitler war zusehends beunruhigt über die verstärkten Kontakte zwischen Athen und London und befürchtete eine mögliche britische Militärpräsenz in Griechenland. In einem solchen Fall sah er die deutschen Interessen am Schwarzen Meer [<<25||26>>] bedroht, vor allem im Hinblick auf die rumänischen Ölfelder, die für die deutsche Rüstungsindustrie von hoher Wichtigkeit waren.¹⁴ Darüber hinaus hatte Berlin im Winter 1940/41 mit den Vorbereitungen für das anstehende „Unternehmen Barbarossa" begonnen und war aus diesem Grund nicht daran interessiert, eine neue europäische Front zu eröffnen. Eher war man um eine freundliche Neutralität des strategisch wichtigen Griechenland bemüht, das im Optimalfall sein Territorium für Marine- und Luftbasen der deutschen Wehrmacht zur Verfügung stellen sollte. An eine direkte Invasion war vorerst nicht gedacht, vielmehr wollte man zunächst einen neuen Verbündeten in Südosteuropa gewinnen. Als dann der Angriff der Italiener auf Griechenland begann und die italienische Operation schließlich in einem Fiasko endete, hatte Hitler kaum eine andere Wahl als die militärische Intervention auf dem Balkan.¹⁵

    1.2Der deutsche Einmarsch

    Nach der Besetzung Albaniens durch Italien im April 1939 nahmen die Mutmaßungen von Metaxas über einen italienischen Angriff langsam Gestalt an, und im Sommer 1940 konkretisierten sich die Expansionspläne Mussolinis in Richtung Griechenland. Am 18. Jahrestag des faschistischen „Marschs auf Rom", dem 28. Oktober 1940, überbrachte der italienische Botschafter Emanuele Grazzi ein unverfrorenes Ultimatum, in dem unter anderem die Zustimmung der griechischen Regierung zur Installierung italienischer Truppenverbände in Griechenland gefordert wurde. Der griechische Premierminister lehnte das Ultimatum ab, entschlossen, dem italienischen Druck nicht nachzugeben, und ordnete zeitgleich mit dem Angriff italienischer Streitkräfte auf Griechenland die allgemeine Mobilmachung an.¹⁶

    [<<26||27>>] Kurz nach dem ersten Einfall faschistischer Streitkräfte in griechisches Territorium wurde die Offensive abgewehrt und die griechische Armee ging zum Gegenangriff über. Mussolinis Debakel wurde von den westlichen Alliierten begeistert aufgenommen, und viele bezeichneten es als die erste Kriegsniederlage der Achsenmächte in Europa.¹⁷ In der Folge des italienischen Angriffs löste Churchill sein Versprechen ein, Athen militärisch zur Seite zu stehen, und sandte einige britische Divisionen, unterstützt von der Royal Air Force. Genau genommen begann so das Engagement der Alliierten auf dem Balkan. Für Hitler ging es nicht nur darum, das Gesicht der Achsenmächte zu wahren, sondern auch eine neue makedonische antideutsche Front zu vermeiden, ähnlich wie die, die im Ersten Weltkrieg letztlich zur deutschen Niederlage beigetragen hatte.¹⁸ Entgegen der angebotenen Bereitschaft, zwischen Rom und Athen zu vermitteln, leitete Berlin nun die Offensive gegen Griechenland ein. Ioannis Metaxas, zermürbt vom Druck der Großmächte sowie der ausweglosen Lage seines Landes, erkrankte und starb am 27. Januar 1941. Sein Nachfolger war Alexandros Koryzis; wenig später sollte er angesichts des deutschen Angriffs auf Griechenland psychisch zusammenbrechen und unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Streitkräfte Hand an sich legen.¹⁹

    Das deutsche „Unternehmen Marita" gegen Griechenland wurde am Ostersonntag, dem 6. April 1941, von bulgarischem Territorium aus gestartet. Der Angriff erfolgte mit sechs gut ausgerüsteten Infanteriedivisionen, zwei motorisierten Divisionen, zwei Panzerdivisionen von insgesamt 1200 Kampffahrzeugen sowie Luftstreitkräften mit mehr als 700 Flugzeugen. Die deutschen Truppen bestanden aus über 680.000 Mann. Nach kurzem Vorstoß durch Makedonien besetzten die Deutschen am 9. April 1941 Thessaloniki. Die griechische Armee, zusammen mit australischer und neuseeländischer Verstärkung ungefähr eine halbe Million Mann, setzte dem deutschen Angriff keinen nennenswerten Widerstand entgegen.²⁰

    Nach dem Fall der strategisch wichtigen Stellung Metsovo unterzeichnete General Georgios Tsolakoglou, Befehlshaber der in Epirus eingekesselten griechischen Truppeneinheiten, am 20. April 1941 die Kapitulationserklärung, entgegen den Befehlen des Oberkommandos der griechischen Streitkräfte. Die Athener Regierung – Premierminister Tsouderos und König Georg II. – setzte sich nach Kreta ab. Daraufhin evakuierte man ebenfalls britische Einheiten sowie einen Teil der griechischen Armee. Griechische Offiziere, die auf dem Festland geblieben waren, darunter auch der spätere Nachkriegspremierminister General Alexandros Papagos, wurden verhaftet und in deutsche Konzentrationslager verschleppt. Am 27. April 1941 erreichten die deutschen Truppen Athen. In den darauffolgenden Tagen eroberten sie die Peloponnes und hatten somit das gesamte griechische Festland besetzt.²¹

    [<<27||28>>]

    Abb. 1 Athen, Mai 1941: Die Hakenkreuzflagge wird auf der Akropolis gehisst. BArch, Bild 101I-164–0389–23A/Scheerer

    [<<28||29>>]

    Abb. 2 Unmittelbar vor dem Beginn des Massakers an den Bewohnern der Gemeinde Kontomari auf Kreta, 2. Juni 1941. BArch, Bild 101I-166–0525–12/Franz Peter Weixler

    Als einziger Teil des griechischen Territoriums war nun lediglich Kreta nicht unter deutscher Kontrolle. Am 20. Mai begann unter dem Namen „Operation Merkur" die Luftlandung auf der Insel unter dem kommandierenden General der Luftwaffe Kurt Student.²² König Georg und die Regierung Tsouderos flüchteten nach Ägypten. Nach zehn Tagen schonungsloser Gefechte mit zahlreichen Verlusten auf beiden Seiten [<<29||30>>] besetzte die Wehrmacht dann am 1. Juni 1941 auch Kreta. Die dortige Zivilbevölkerung, die sich der deutschen Invasion widersetzte, war mit Vorgehensweisen von äußerster Härte konfrontiert, darunter Vergeltungsaktionen (sogenannten Sühnemaßnahmen) auf Befehl von General Student. Dabei wurden ganze kretische Dörfer ausgerottet, mit der Begründung, dass deren Bewohner an Kriegshandlungen teilgenommen oder deutsche Fallschirmjäger misshandelt hätten.²³

    Zu Beginn des Griechenlandfeldzugs beabsichtigte Hitler nicht die Annexion des Landes. Es ging ihm vielmehr darum, die britischen Streitkräfte zurückzudrängen und mehr Handlungsspielraum im Mittelmeer zu gewinnen. Dafür wurde eine lokale Marionettenregierung zusammengestellt. Ihre Kontrolle und Beaufsichtigung wurden am 28. April 1941 dem erfahrenen deutschen Diplomaten Günther Altenburg als Bevollmächtigtem des Reichs für Griechenland übertragen. Bis Oktober 1943 versah Altenburg dieses Amt und wechselte anschließend als Leiter der Balkan-Dienststelle (Dienststelle Altenburg) nach Wien. In Griechenland wurde er abgelöst von seinem bisherigen Stellvertreter Kurt-Fritz von Graevenitz, der nun die politische Kontrolle der deutschen Besatzungszone übernahm und im Mai 1944 zum Generalkonsul befördert wurde. In Thessaloniki, das während der gesamten Besatzungsdauer ausschließlich unter deutscher Verwaltung stand, war Fritz Schönberg schon ab November 1937 Konsul; im Juni 1939 wurde er zum Generalkonsul ernannt und verblieb dort bis zur italienischen Kapitulation.²⁴ Danach wurde Thessaloniki in die deutsche, von Athen aus zentral verwaltete Besatzungszone integriert.

    Die deutschen Diplomaten in Athen waren dem Reichsaußenministerium unterstellt. Sie kooperierten jedoch mit den deutschen Streitkräften, besonders mit dem Reichssicherheitshauptamt, das in Griechenland über eigene Beauftragte verfügte. Zum Wehrmachtsbefehlshaber Südost ernannte Hitler Generalfeldmarschall Wilhelm List. Ihm unterstanden die Territorialbefehlshaber Serbien, Thessaloniki-Ägäis und Südgriechenland. Bei List bzw. seinen Nachfolgern General Walter Kuntze und anschließend Generaloberst Alexander Löhr (später Oberbefehlshaber Südost) lag auch die Verantwortung für die Koordination der Operationen mit der italienischen und bulgarischen Armee.²⁵ Deutschland wollte nicht noch mehr Truppenverbände einsetzen, [<<30||31>>] um ganz Griechenland vollständig zu kontrollieren. Daher wurde der größte Teil des griechischen Territoriums den Verbündeten Italien und Bulgarien überlassen. Letzteres strebte seit den Balkankriegen eine Revision seiner Grenzen und den direkten Zugang zum Mittelmeer an. Deutschland selbst jedoch behielt sich die strategisch entscheidenden Gebiete vor.

    Im Wesentlichen gerieten das gesamte griechische Festland ab Thessaloniki in westliche Richtung sowie die Mehrzahl der Kykladen unter italienische Kontrolle. Auch die Ionischen Inseln wurden von Italien annektiert. Ostmakedonien und Thrazien, zusammen mit den strategisch wichtigen Inseln Thasos und Samothraki, wurden Bulgarien überlassen. Der Befehlshaber Saloniki-Ägais, Generalleutnant Curt von Krenzski, behielt sich die Kontrolle von Zentralmakedonien, der Chalkidiki, eines schmalen Streifens thrakiotischen Territoriums an der griechisch-türkischen Grenze, sowie der Inseln Chios, Mytilini, Limnos und Skyros vor. Der Piräus, die Inseln des Saronischen Golfs, Kythira und Antikythira, Milos sowie der größte Teil Kretas unterstanden dem Militärbefehlshaber Südgriechenland, General Hellmuth Felmy, später General Wilhelm Speidel. Nach der Kapitulation Italiens wurden die bis dahin italienisch kontrollierten Gebietsteile der deutschen Wehrmacht überlassen.²⁶

    Nach dem erfolgreich durchgeführten „Unternehmen Marita im Frühjahr 1941 zog die deutsche Heeresverwaltung die meisten Verbände aus Griechenland ab. Im März 1942 bestanden die deutschen Truppen in Griechenland nur noch aus 75.000 Mann. Anfang 1943 wurde aus dem Armeeoberkommando 12 unter Wilhelm List die Heeresgruppe E aufgestellt, bis Kriegsende befehligt von Generaloberst Alexander Löhr. In der Folge der italienischen Kapitulation wurde die deutsche Truppenpräsenz in Griechenland wieder erheblich verstärkt und erreichte 275.000 Mann, unterstützt von 55.000 bulgarischen Soldaten in Nordgriechenland. Das komplizierte System der Dreifachbesatzung mit sorgfältig abgesteckten Beziehungen zwischen italienischen und deutschen Truppen sowie zu den Besatzungsregierungen bezeichnete der US-amerikanische Historiker Alexander Dallin treffend als „autoritäre Anarchie.²⁷

    1.3Griechische Kollaborationsregierungen

    Mit Beginn der deutschen Besatzung Griechenlands wurde im April 1941 die erste Besatzungsregierung gebildet, die formal die Kontrolle über das griechische [<<31||32>>] Staatsgebiet ausübte. Bis zum Herbst 1944 kam es unter der Besatzung insgesamt zu drei Regierungsbildungen in der griechischen Hauptstadt. Mehrheitlich stammten deren Mitglieder aus den Reihen der Militärs; auch nahmen einige Demokraten, Liberale sowie Sozialisten teil. Man kann jedoch nicht behaupten, die drei Premierminister Georgios Tsolakoglou, Konstantinos Logothetopoulos und Ioannis Rallis hätten sich nationalsozialistischen Überzeugungen angeschlossen. Mit den Besatzern kooperierten sie eher aus Opportunismus, antikommunistischer Überzeugung oder einfach aus persönlichem Vorteilsdenken heraus, in Verbindung mit der Erwartungshaltung, die deutsche Seite würde intervenieren, um brutale Übergriffe ihrer bulgarischen und italienischen Verbündeten gegen die griechische Bevölkerung zu unterbinden.²⁸

    Während Rom nach Unterzeichnung der griechischen Kapitulationserklärung die Einrichtung eines italienisch dominierten Protektorats plante, akzeptierte Berlin am 26. April 1941 als „Geschenk des Himmels" Tsolakoglous Vorschlag einer Regierungsbildung.²⁹ Die deutsche Seite sah in General Tsolakoglou einen unpolitischen, gefügigen Offizier, der aufgrund militärischer Erfolge in den Balkankriegen und im Albanienkrieg gegen Italien bei seinen Landsleuten einen guten Ruf hatte. Die Italiener dagegen missbilligten eine Regierungsbildung, an deren Spitze ein General aus dem Griechisch-Italienischen Krieg stehen sollte. Doch Hitler lehnte die Forderung der Italiener nach einer aus deren griechischen Gesinnungsgenossen gebildeten Regierung ab, da diese Personen im Land so gut wie keinen Rückhalt besaßen. So wurde die erste Besatzungsregierung schließlich Ende April 1941 vereidigt.³⁰

    Der ursprüngliche Vorschlag Tsolakoglous zur Zusammensetzung seines Kabinetts umfasste ausschließlich Armeeoffiziere. Italien beharrte darauf, dass die griechische Regierung nicht nur aus Militärs bestehen könne. Daher wurden vier Ressorts im Nachhinein an Zivilisten vergeben. Die Besatzungsregierung übernahm ab 29. April ihre Geschäfte; die griechische Armee wurde aufgelöst. Natürlich hatten die Achsenmächte nicht die Absicht, Griechenland das Recht auf Ausübung einer unabhängigen Außenpolitik zuzugestehen, sodass diese Regierung keinen Außenminister vorwies. [<<32||33>>] Faktisch stand sie unter der Kontrolle des deutschen Botschafters Altenburg, seines italienischen Kollegen Pellegrino Ghigi und des Generals Wilhelm List.³¹

    Am 7. Mai 1941 wurde durch Kabinettsentscheidung aus dem Königreich Griechenland der Griechische Staat (Ελληνική Πολιτεία). Am folgenden Tag rief Tsolakoglou erstmals das neue Kabinett zusammen und übernahm persönlich die Befugnisse, die früher dem König oblagen. Ideologisch hielt sich Tsolakoglou an einen wachsenden Antimonarchismus, der nicht nur auf die verbreitete Unzufriedenheit mit der autoritären Politik Georgs II. zurückging. Dieser hatte Metaxas zum Premierminister gemacht und dabei die Diktatur oktroyiert. Unmut über den Monarchen war bereits dadurch entstanden, dass er die griechische Außenpolitik vor Kriegsausbruch einseitig auf Großbritannien festgelegt und dadurch den bewaffneten Konflikt mit Deutschland herbeigeführt hatte. Man bezeichnete die neue Regierung als eine der „Nationalen Notwendigkeit", die als einzige Option für staatliche Integrität präsentiert wurde. Dieses Ideologem ruhte jedoch auf morschen Pfeilern, insofern die territoriale Integrität Griechenlands bereits verletzt und das Staatsgebiet unter drei Besatzungsmächten aufgeteilt war.³²

    Was auch immer der Regierungsapparat der Kollaboration verfolgte, es baute auf Duldung und Kooperation seitens der Beamten und Minister aus der Zeit der Metaxas-Diktatur auf.³³ Wenigstens anfänglich besaß die Regierung auch die Unterstützung der griechischen Großindustriellen, die die guten Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern aus der Vorkriegszeit im Blick hatten.³⁴ Tsolakoglou erklärte, das Hauptziel seiner Regierung bestehe in der Bewahrung der territorialen Integrität Griechenlands unter deutscher Verwaltung. In einem privaten Gespräch mit Altenburg bemerkte er, die fortgesetzte italienische Militärpräsenz in Griechenland könne möglicherweise zu ausgedehnten Unruhen führen.³⁵ Als seine Absicht fehlschlug, gegen die italienische Besatzung anzugehen, reichten zwei seiner Minister – nichtmilitärische Kabinettsmitglieder – zwei Tage nach der Vereidigung ihr Rücktrittsgesuch ein.³⁶ [<<33||34>>]

    1.3.1 Winter 1941/42

    Das Vertrauen der griechischen Zivilbevölkerung in die Kollaborationsregierung war von Anfang an gering. Es brach immer mehr ein, nicht so sehr wegen des nicht eingelösten Versprechens, die territoriale Integrität des Landes zu wahren, vielmehr aufgrund der miserablen Wirtschaftslage. Der harte und schwierige Winter 1941/42 in Griechenland war begleitet vom Ausbruch einer Hungersnot, der nach zuverlässigen Berechnungen ungefähr 250.000 Menschen zum Opfer fielen.³⁷ Doch sollte auch diese Zahl nur unter Vorbehalt in Betracht gezogen werden, denn häufig wurden die Hungertoten wegen mangelnder Mittel heimlich außerhalb der Friedhöfe beerdigt, oft in Massengräbern. Athen bot zu jener Zeit ein Bild des Jammers: Auf den Straßen sah man Tausende von Bettlern und unterernährten Menschen ausgemergelt den Hungertod erwarten oder auch bis zum Skelett abgemagerte Waisenkinder, denen die Eltern noch zu Lebzeiten ihre eigenen Lebensmittelmarken überlassen hatten.³⁸

    Trotz dringender Eingaben sogar von Altenburg zeigte Berlin nicht die mindeste Bereitschaft, sich mit Lebensmittellieferungen nach Griechenland zu befassen. Hitler schob die trostlose Versorgungslage Italien in die Schuhe. Ihm zufolge hätte Italien als wichtigste Besatzungsmacht sich dieser Angelegenheit annehmen sollen. Er beschuldigte London, dass aufgrund der von den Briten verhängten Seeblockade die Übersendung von humanitärer Hilfe für Griechenland durch das Rote Kreuz nicht möglich sei. Der wahre Grund für Hitlers Desinteresse sollte jedoch in der Planung für die Operationen gegen die Sowjetunion gesucht werden, denn diese setzten eine Bündelung sämtlicher Kräfte sowie genügend Vorräte für den Ostfeldzug voraus.³⁹

    In Griechenland, das nicht einmal vor dem Krieg über ausreichende Getreidemengen verfügt hatte, war die Sommerernte 1941 ungefähr ein Drittel geringer als üblich ausgefallen. Einige wichtige fruchtbare Landstriche, wie etwa Ostmakedonien und Thrazien, lagen in der bulgarischen Besatzungszone, deren Verwaltung eine Lieferung an die übrigen besetzten Zonen Griechenlands verboten hatte.⁴⁰ Die griechische [<<34||35>>] Regierung bemühte sich im Sommer 1941, Getreidereserven anzulegen, jedoch ohne Erfolg. Die Landwirte hielten mit einem Großteil ihrer Ernte aus Angst vor dem anstehenden Winter zurück und erhofften sich durch steigende Nachfrage einen höheren Marktpreis für Getreide. Zuständige Regierungsbeamte, die ihre Missionen immer wieder für den Eigenbedarf nutzten, konnten lediglich ein Viertel der erforderlichen Getreidemenge sicherstellen.⁴¹ Die Regale in den Geschäften wurden leergeräumt, die Inflation galoppierte mit rasender Geschwindigkeit und in den Städten entstand bald ein Schwarzmarkt. Der mittellose Teil der Bevölkerung hatte keinen Zugang zu Nahrungsmitteln; er überlebte lediglich mit Speisungen durch Hilfsorganisationen, die auf private und klerikale Initiative hin sowie später auch vom Ministerium für Soziales eingerichtet wurden. 1942 lebten ungefähr drei Viertel der Hauptstadtbewohner von diesen Speisungen.⁴²

    Im Jahr darauf nahm angesichts des bevorstehenden Winters die Besorgnis überhand. Oft wurden tagelang keine Lebensmittel ausgeteilt, und die Reserven waren erschöpft. Die Brotration über Marken ging auf 100 Gramm pro Tag zurück.⁴³ Das Distributionsnetz brach zusammen, einmal, da Treibstoffe nicht mehr zur Verfügung standen, dann aber auch wegen der Sabotageakte griechischer Partisanen. Die Versorgung der Hauptstadt mit Elektrizität beschränkte sich auf die Nachtstunden. Fabriken und Schulen blieben ab Dezember 1941 wegen Energiemangels ebenfalls geschlossen. In dieser Phase schaffte man täglich ungefähr 600 bis 700 Tote von Athener Straßen weg; im Januar 1942 stieg diese Zahl auf 1000 pro Tag. Sogar im März 1942 verhungerten pro Tag noch ungefähr 200 Menschen.⁴⁴ Für die griechische Bevölkerung ging es damals um nichts weniger als ums nackte Überleben.⁴⁵

    Deutschland wandte sich erneut an Italien und forderte eine ausreichende Lebensmittelversorgung für die Griechen. Italien jedoch hatte seinerseits eine geringere Ernte eingefahren und war, um den Nahrungsbedarf der eigenen Bevölkerung zu decken, weitgehend von Importen aus dem „Reich" abhängig. So machte Berlin es zur Bedingung für neue Lebensmittelsendungen nach Italien, dass Hilfstransporte mit Nahrungsmitteln nach Griechenland geschickt würden, und sagte zu, dafür auch einen Teil der eigenen Reserven zur Verfügung zu stellen. Während Italien der Verpflichtung nachkam, in der kritischen Phase 1941/42 Griechenland mit Nahrungsmitteln zu [<<35||36>>] versorgen, sandte Deutschland nur ein Viertel der zugesagten Menge. Die Vertreter der Westalliierten waren der Ansicht, die Hungerkrise in Griechenland könne nur mit humanitären Hilfsaktionen des Internationalen Roten Kreuzes überwunden werden, dessen Gesandte sich seit 1940 in Griechenland aufhielten.⁴⁶ Nach langwierigen Verhandlungen entschloss sich die Londoner Regierung im Februar 1942 dafür, die Seeblockade der griechischen Küsten zu lockern. Den Vertretern des Roten Kreuzes aus dem neutralen Schweden wurde die Aufgabe übertragen, Lebensmittel zu beschaffen und in Griechenland auszuteilen. Anfängliche Getreidelieferungen aus der Türkei konnten nur einen minimalen Teil des Bedarfs decken. Erst als ab August 1942 große Getreidemengen aus Kanada eintrafen, verbesserte sich die Situation.⁴⁷

    1.3.2 Von Tsolakoglou zu Rallis

    Die Regierung von General Tsolakoglou verlor wegen der Hungerkrise auch den letzten Rückhalt in der Bevölkerung. Man warf ihr Mangel an grundlegendem politischem Verantwortungsgefühl, Korrumpierbarkeit und Beteiligung von Ministern am Schwarzmarkthandel vor.⁴⁸ Tsolakoglou hatte bereits ab Mai 1941 Sondergerichte gegen die Korruption geschaffen, von denen letztlich kein nennenswerter Schwarzhändler verurteilt wurde; vielmehr überwog die Meinung, dass diese Gerichte dazu herhalten sollten, lediglich über ein paar arme Kerle ohne politische Verbindungen zu richten.⁴⁹ Deutschland bestand trotz der bedrückenden Vorgänge im Winter 1941/42 auf der Zahlung von Besatzungskosten, sodass sich die Krise noch verschärfte und der griechische Finanzminister Sotirios Gotzamanis, unterstützt von Altenburg, in Berlin und Rom vorsprach. Auch dieser Versuch konnte nichts gegen Hitlers Entscheidung ausrichten. Premierminister Tsolakoglou machte sich wiederholt mit Verlautbarungen und Drohungen, er werde gegebenenfalls zurücktreten, für den Schutz der griechischen Bevölkerung stark. Die angespannte politische Lage wurde zusätzlich belastet durch persönliche Differenzen zwischen Tsolakoglou und Gotzamanis, den die Italiener gern auf dem Stuhl des Premierministers gesehen hätten. Zwar versicherten die Deutschen Tsolakoglou ihrer Unterstützung, doch waren sie bereits auf der Suche nach einer geeigneteren Person, die ihn ersetzen sollte.⁵⁰

    Tsolakoglou stellte weitere Forderungen an Berlin, vermutlich, um sein Ansehen bei der griechischen Bevölkerung zu verbessern, trug damit jedoch letztlich zu seinem [<<36||37>>] eigenen Rücktritt bei. Am 12. November 1942 verlangte er von der Besatzungsverwaltung die Ablösung von Finanzminister Gotzamanis sowie die Zustimmung zur Auswahl neuer Minister. Auch forderte er die Senkung der Besatzungskosten und einen Schlussstrich unter verschiedene Willkürmaßnahmen der Besatzungsmächte. Nach deutsch-italienischer Rücksprache wurde Tsolakoglou am 1. Dezember 1942 „aus gesundheitlichen Gründen" zum Rücktritt gezwungen und Konstantinos Logothetopoulos am folgenden Tag zum neuen Premierminister ernannt. Im Kabinett seines Vorgängers war ihm das Ressort für Soziales übertragen worden.⁵¹

    Logothetopoulos besaß nicht eine Spur von politischem Charisma und stellte einen von Italien und Deutschland gemeinsam akzeptierten Kompromiss in einer Situation dar, in der die Italiener eigentlich Gotzamanis für diese Rolle favorisierten, Hitler jedoch an dessen Eignung zweifelte, und die Deutschen eher auf Ioannis Rallis setzten.⁵² Logothetopoulos war Berlin auch wegen seiner deutschfreundlichen Haltung genehm: Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er in München Medizin studiert und anschließend in Deutschland gelehrt. Als er nach Griechenland zurückkehrte, erhielt er eine Professur für Gynäkologie an der Universität Athen. Von Vorteil aus deutscher Sicht war auch seine Ehe mit der deutschen Ärztin Elisabeth Hell.⁵³ Der neue Premierminister behielt sich zusätzlich die Ressorts für Soziales, Bildung und Gesundheit vor. Gotzamanis blieb Wirtschafts- und Finanzminister und war, als der Posten des Vizepremiers abgeschafft wurde, im Grunde nach wie vor der wichtigste Mann in der Regierung.⁵⁴

    Im Kabinett von Logothetopoulos, von Anfang an ein Provisorium, saßen zum Großteil dieselben Personen wie in der Vorgängerregierung. Die neue Regierung geriet wegen der sich zuspitzenden innen- und außenpolitischen Entwicklungen unter immer stärkeren Druck. Sowohl in Nordafrika als auch in der Sowjetunion nahm der Krieg eine für das Reich ungünstige Wendung. Von der griechischen Bevölkerung, die das Kriegsende herbeisehnte, wurden die Nachrichten aus Afrika und von der Ostfront mit Begeisterung aufgenommen und stärkten die antideutsche Haltung. Im Herbst 1942 sprang im griechischen Gebirgsland die britische Militärmission ab, um eine Kooperation mit linken und rechten Widerstandsorganisationen einzuleiten. Zwei Monate später, am 26. November 1942, sprengten griechische Partisanen zusammen mit der britischen Sondereinsatztruppe (Special Operations Executive, SOE) die Brücke am Gorgopotamos-Fluss und unterbrachen dadurch die Bahnverbindung [<<37||38>>] von Belgrad über Thessaloniki nach Athen, mittels derer der Hauptnachschub für General Rommels Truppen nach Afrika erfolgte. Trotz der anschließenden harten Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung wurde die Sprengung der Brücke schnell zum Fanal der griechischen Widerstandsbewegung sowie der erfolgreichen subversiven Aktivitäten der SOE.⁵⁵

    Von da an änderte Berlin seine Taktik und gab sich nunmehr als Schutzmacht der besetzten Gebiete vor der drohenden kommunistischen Gefahr aus.⁵⁶ Doch für diese neue politische Positionierung war das Kabinett Logothetopoulos nicht geeignet. Wieder begannen die Besatzungsmächte darüber zu beraten, wie man eine neue, nicht nur aus Militärangehörigen bestehende Regierung bilden könne. Die Italiener setzten weiterhin auf Gotzamanis als Premierminister. Gegen diese Wahl hätte sich jedoch die gesamte griechische Öffentlichkeit gestellt, schon wegen dessen slawomazedonischer Herkunft; diese Tatsache war Altenburg nicht entgangen, der Hitler vor der Gefahr eines Erstarkens des griechischen Widerstands warnte.⁵⁷ Schließlich einigten sich Italien und Deutschland auf den von Berlin favorisierten Kandidaten Ioannis Rallis, einen Angehörigen der traditionell konservativen Oberschicht. Rallis war Politiker mit jahrelanger Erfahrung als Abgeordneter, Finanz- und Außenminister. Mehr als NS-Deutschland machte ihm der wachsende Einfluss der Kommunistischen Partei zu schaffen.⁵⁸

    Seine Regierung wurde am 7. April 1943 vom Erzbischof Damaskinos vereidigt. Die Deutschen gewährten ihm im Gegensatz zu seinen Vorgängern beachtlichen Handlungsspielraum. So hatte Rallis etwa freie Kabinettswahl. Obschon seine Reden weiterhin der deutschen Zensur unterlagen, ließ man ihm die Möglichkeit, sich über Rundfunk und Presse häufig an die griechische Bevölkerung zu wenden.⁵⁹ Der dritte Besatzungspremier war keine Enttäuschung für Hitler. Zwar hielt der eingeschworene Royalist Rallis Kontakt zur griechischen Exilregierung, zog aber eine harte antikommunistische Linie durch, die auf die Zerschlagung der linken Widerstandsbewegung abzielte. Dies rang der deutschen Besatzungsverwaltung lobende Anerkennung ab.⁶⁰ [<<38||39>>]

    1.3.3 Kollaborationsgruppierungen

    Natürlich gab es auch unter Griechen Anhänger des Nationalsozialismus. Schon vor dem Krieg waren kleinere Organisationen gegründet worden, die die NS-Ideologie befürworteten, wobei dann selbst die Besatzungsmächte verächtlich auf deren ungeschickte Handhabungen reagierten. Frühe nationalistische Gruppierungen, die sich an der deutschen NSDAP orientierten, waren in Griechenland bereits in den 1930er Jahren entstanden, darunter Nationaler Souveräner Staat (Εθνικόν Κυρίαρχον Κράτος, EKK), die paramilitärische Formation Eiserner Frieden (Σιδηρά Ειρήνη), die Griechische Nationalsozialistische Partei (Ελληνικό Εθνικοσοσιαλιστικό Κόμμα, EEK), gegründet 1932 von Georgios Merkouris, der später von der Rallis-Regierung zum Leiter der griechischen Nationalbank ernannt wurde, sowie die Nationale Sozialistische Patriotische Organisation (Εθνική Σοσιαλιστική Πατριωτική Οργάνωση, ESPO) mit Spyros Sterodimos an der Spitze.⁶¹

    1927 betrat die rechtsextreme Nationale Vereinigung Griechenlands (Εθνική Ενωσις Ελλάδος, EEE) mit aggressiv antisemitischen Positionen die politische Bühne in Thessaloniki. Ihr Gründer war Georgios Kosmidis, ein Geschäftsmann ohne besondere Kenntnisse und Qualifikationen, der angeblich ausschließlich türkisch sprach. Wie die meisten Mitglieder dieser Organisation zählte er zu den eher dem Mittelstand zuzurechnenden Flüchtlingen, die im Zuge des Bevölkerungsaustauschs nach dem Lausanner Vertrag Ende Januar 1923 nach Thessaloniki gekommen waren.⁶² Diese Flüchtlinge hatten ihr gesamtes Hab und Gut in der Türkei zurücklassen müssen und waren anfangs mit der Überfremdungsangst der lokalen Bevölkerung in Griechenland konfrontiert. In der Reaktion darauf liegt vielleicht einer der Gründe für den erbitterten Antisemitismus, den die EEE vertrat.⁶³ Sie war, ähnlich wie auch die anderen extremistischen Gruppierungen Griechenlands, von internen Querelen zerrissen und von schwachen Persönlichkeiten geleitet. 1933 erfolgte die Spaltung der Vereinigung, und ein Teil der Basis, mitgerissen von Hitlers Erfolgen, gründete die Nationalsozialistische Partei – Nationale Vereinigung Hellas (Εθνικοσοσιαλιστικό Κόμμα – Εθνική Ενωσις Ελλάς). Diese Formierung der EEE war die einzige Organisation ihrer Art, die an verschiedenen Parlamentswahlen in den 1930er Jahren mit einer eigenen Liste teilnahm. Das enttäuschende Wahlergebnis von 1936 trug dazu bei, dass sich die Organisation auflöste; offiziell bestätigt wurde dies direkt nach der Machtübernahme von

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