Erfolgreiche Verhandlungsführung: Feilscht Du noch, oder verhandelst Du schon?
Von Ulrich Striebl
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Über dieses E-Book
Es sollte ein Arbeitsbuch werden das aus der Praxis geschrieben und in der Praxis leicht anwendbar ist. Nun, hier ist es!
Die einzelnen Verhandlungs-Taktiken, -Strategien, Checklisten, Tipps und Tricks für Ihre erfolgreiche Verhandlung sind gleicher-maßen im face-to-face Kontext und im virtuellen Kontext der Zoom und MS-Teams Video-Meetings anwendbar. Dieses Buch vermittelt Ihnen mit dem leicht anwendbaren 4-Phasen Modell eine praxisnahe und konkret umsetzbare Struktur, die sich bei geschäftlichen (und privaten) Verhandlungen seit vielen Jahren sehr gut bewährt hat.
Ulrich Striebl
Dr. rer. nat. Ulrich Striebl, Jahrgang 1965 ist Unternehmer, Buchautor und erfolgreicher Trainer und Coach. Als Senior Management Trainer bei Portapatet, der Schmiede für Führung und Persönlichkeit mit dem besonderen Highlight: Pferdegestütztes Managementtraining, konnte er schon viele tausend Teilnehmende begeistern. Er ist Experte für Verhandlungstechnik, Führungskräfteentwicklung und Teamentwicklung und seit mehr als 25 Jahren in unterschiedlichen Führungspositionen in Vertrieb und Marketing in der Biotech-Branche tätig.
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Buchvorschau
Erfolgreiche Verhandlungsführung - Ulrich Striebl
1. Verhandlungstypen
Grundsätzlich werden in der Verhandlungsliteratur zwei Grundtypen von Verhandlungen unterschieden: Die distributive und die integrative Verhandlung.
2.1. Distributive Verhandlung – „Feilschen"
Das Kennzeichen der distributiven Verhandlung ist der singuläre Fokus auf einen Verhandlungs-Gegenstand und das damit verbundene Verteilungsproblem. Das typische Beispiel für eine distributive Verhandlung ist die Verhandlung über den Kaufpreis eines Produktes oder einer Dienstleistung. Die Interessenslagen der Verhandlungsparteien stehen sich meist konträr gegenüber. Es geht also um reine Verteilung. Beim Kauf einer „echten Ledertasche im Urlaub in Italien geht es, nachdem man sich für eine Tasche entschieden hat, nur noch um den Kaufpreis. Bei mehr oder weniger unterschiedlichen Positionen findet dann (meist) eine Einigung statt. Käufer und Verkäufer feilschen nur um die Höhe des Kaufpreises, zahlen Sie beispielsweise 599.- € oder doch nur 490.- €. Mal ehrlich, oft stellt sich dabei nachher ein eher schlechtes Gefühl ein. Bei distributiven Verhandlungen gibt es einen Gewinner und einen Verlierer. Kennen Sie das Gefühl: „Jetzt habe ich mich aber über den Tisch ziehen lassen.
Es kommt also darauf an wie viel jeder von seiner Position abgibt. Da der eine das gewinnt, was der andere abgibt spricht man auch von einem Nullsummenspiel. Geschicktes Verhandeln bedeutet in diesem Fall den größeren Anteil vom Kuchen zu bekommen, auf Kosten des anderen.
Die Einigungsbereiche können dabei unterschiedlich groß sein (Abb. 1).
Möglicherweise sind die beiden Positionen oder Vorstellungen der Verhandlungspartner auch so weit voneinander entfernt, dass kein Überlappungsbereich existiert. Dann ist auch kein Ergebnis aus dieser Verhandlung zu erzielen. Natürlich ist das Verhandlungsergebnis auch davon abhängig, wie Sie sich selbst in einer distributiven Verhandlungssituation verhalten:
Zeigen Sie Verständnis für die andere Position?
Verhalten Sie sich kooperativ oder geben Sie eher schnell klein bei?
Wie gut gehen Sie auf die Bedürfnisse des Verhandlungspartners ein?
Wie gut können Sie die Position des Verhandlungspartners mit Ihren eigenen Positionen verknüpfen?
Welche konkreten Informationen haben Sie zum Verhandlungsgegenstand?
Wieviel sind Sie bereit abzugeben?
Abbildung 1
Der Großteil von Verhandlungen läuft nach dem Schema der distributiven Verhandlung ab. Als Devise gilt: Bei der Eröffnung anspruchsvolle, aber nicht zu hohe Forderungen stellen, um den Verhandlungspartner nicht zu überfordern. Wird die Ausgangsforderung als offensichtlich überhöht enttarnt, verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit und Sie werden eher zu weiteren Zugeständnissen gedrängt. Greift man beim Eröffnungsangebot zu tief, ist der Gewinn schon zum Teil im Voraus verschenkt. Werden im Verlauf der Verhandlung plötzlich allzu schnell große Zugeständnisse gemacht oder erfolgen große Preissprünge, so geht das zu Lasten der eigenen Glaubwürdigkeit und Kompetenz.
Eine in diesem Sinne fair geführte Verhandlung ist geeignet für den Aufbau einer tragfähigen Geschäftsbeziehung.
Eine wahre Fundgrube für distributive Verhandlungen sind immer wieder auch Filme. Eine besonders gut gelungene Szene zum Thema Feilschen auf einem orientalischen Bazar können Sie in „Das Leben des Brian" von Monty Python genießen.
2.2. Integrative Verhandlung
Im Gegensatz zur distributiven Verhandlung gibt es bei der integrativen Verhandlung nur Gewinner. Sie werden vielleicht fragen: „Wie geht das?"
Beide Parteien verlassen bei der integrativen Verhandlung den Weg des reinen Verteilens und bringen zusätzliche Werte, Extras oder Konditionen ein und vergrößern dadurch die Verhandlungs-masse (Abb. 2). Aus meiner Erfahrung fällt es eher schwer zu glauben, es könne nur Gewinner bei einer Verhandlung geben. Möglicherweise liegt das an Hindernissen, die wir uns selbst in den Weg stellen:
Die Annahme der „Kuchen", der zu verteilen ist, sei begrenzt.
Unser vorschnelles Urteil über die eine mögliche, richtige Lösung.
Unser Wunsch gewinnen zu wollen.
Die Idee schon damit ausgelastet zu sein die eigenen Interessen und Probleme zu lösen. Warum sollten wir jetzt auch noch die Probleme der anderen lösen?
Erste Voraussetzung ist also eine selbstkritische Betrachtung des eigenen Verhaltens und eine Überprüfung der eigenen Einstellung auf „Tauglichkeit" für integrative Verhandlung. Die Bereitschaft von gegenseitigem Geben und Nehmen muss vorhanden sein, um einen zuvor nicht offensichtlichen Mehrwert erzeugen zu können.
Das erfordert viel Kreativität, Ideenreichtum, Vorbereitung und Verständnis für die Bedürfnisse der anderen Partei. Ein für Sie leicht zu investierendes Extra kann für Ihren Verhandlungspartner einen sehr großen Wert darstellen. Beispiele für solche Extras sind:
Lieferkonditionen, Garantien, Serviceleistungen, Ratenzahlung, Risikoschutz, zeitliche Variablen, Zahlungsfristen, Folgeverträge, Empfehlungen, Testimonials, Gegengeschäfte, etc. Für das Beispiel des Ledertaschenkaufs (siehe distributive Verhandlung), könnte ein solcher Mehrwert z.B. eine Fünf-Jahres-Garantie auf alle Nähte, ein zusätzliches Lederpflegemittel oder ein Schlüsseltäschchen im passenden Design sein. Die Ergebnisse aus integrativen Verhandlungen haben für beide Seiten einen größeren Wert und halten in der Regel länger.
Integrative Verhandlungsführung: Der „Kuchen" ist nicht begrenzt.
Abbildung 2
Erzeugen Sie einen Mehrwert durch die Vergrößerung des zu verteilenden Kuchens.
2.Das 4-Phasen-Modell
Das 4-Phasen Modell für eine erfolgreiche Verhandlungsführung ist sowohl für den distributiven wie auch für den integrativen Stil einsetzbar (Abb. 3).
Nach Phase I, einer intensiven Vorbereitung auf die Verhandlung und auf den Verhandlungspartner, geht es in Phase II um den richtigen Einstieg.
In Phase III geht’s dann zur Sache. In dieser Phase kommen die eigenen Verhandlungsfähigkeiten, das Verhandlungsgeschick, die kommunikativen Fähigkeiten und insbesondere unterschiedliche Verhandlungstaktiken zum Einsatz.
Die Phase IV beinhaltet die Themen Vereinbarungen und Zusammenfassung der Ergebnisse, sowie die Ergebnisbewertung und die Reflexion des eigenen Verhaltens und das des Verhandlungspartners.
Abhängig von der Bedeutung der Verhandlung werden die einzelnen Phasen mehr oder weniger stark ausgeprägt sein oder mehr oder weniger lang dauern. Die allgemeine 4-Phasen-Struktur und der grundsätzliche Ablauf finden sich jedoch in jeder Verhandlung wieder (face-to-face und virtuell). Kommentare von Seminar-Teilnehmenden sind häufig: „… meine Verhandlungen sind alle gleich, das ist reine Routine. Mit dieser Einstellung riskieren Sie möglicherweise in die „Routinefalle
zu tappen. Jede Verhandlung ist anders. Die Karten werden jedes Mal neu gemischt. Die Ihnen bereits „bekannten" Verhandlungspartner und auch Sie haben möglicherweise veränderte Ziele, andere Prioritäten im Vergleich zu vergangenen Verhandlungen. Auch bei Kunden, die Sie schon lange kennen, können sich Entscheidungsstrukturen, Verantwortlichkeiten oder Mitarbeiterkonstellationen verändert haben.
Im Gegensatz zu einer intuitiv geführten Verhandlung kann Ihnen die Struktur des 4-Phasen-Modells Sicherheit vermitteln und Sie können sich in der Verhandlungssituation wesentlich intensiver auf Inhalte vorbereiten und auf Ihre Verhandlungspartner konzentrieren und dadurch bessere Ergebnisse erzielen.
Abbildung 3
2.1. Phase I: Vorbereitung
Kennst du deinen Gegner und dich selbst, so brauchst du hundert Schlachten nicht zu fürchten. Kennst du dich aber nicht den Gegner, so wirst du für jeden errungenen Sieg eine Niederlage erleiden. Kennst du weder den Gegner noch dich selbst, dann verlierst du jede Schlacht. (Sun Tze, 490 v. Chr.)
2.1.1. Verhandlungsvorbereitung: Ziele und Erwartungen
Solange Sie mit inhaltlichen oder organisatorischen Dingen beschäftigt sind, können Sie sich nicht im erforderlichen Maße auf Ihr Gegenüber konzentrieren. Je besser Sie vorbereitet sind desto eher wird Sie das Verhandlungsglück treffen.
Eine professionelle Vorbereitung wird von Ihrem Verhandlungspartner als Wertschätzung gegenüber seiner Person und Firma wahrgenommen. Sie werden weniger Überraschungen erleben und ein besseres Ergebnis erzielen. Das ist mehr als sich nur auf halbem Weg zu treffen oder sich in der „Mitte" zu einigen. Eine schlechte oder fehlende Vorbereitung kann durchaus als Missachtung oder Geringschätzung empfunden werden oder sogar als Inkompetenz wahrgenommen werden.
Es gibt viele Beispiele aus der Praxis, in denen ein Verhandlungspartner seinen, auf die Verhandlung schlecht vorbereiteten, Lieferanten nach kurzer Gesprächsdauer wieder nach Hause geschickt hat. Eine harte und konsequente Entscheidung, denn Zeit ist eine wertvolle Ressource. In diesen Fällen hat dann der Mitbewerber möglicherweise das Geschäft abgeschlossen, trotz eines vermeintlich schlechteren Angebotes.
Mit einer professionellen Vorbereitung legen Sie den Grundstein für Ihren Erfolg in Ihren Verhandlungen. In vielen Fällen wird sie den Erfolg erst ermöglichen. Mit Vorbereitung ist hier nicht gemeint, sich bei der Autofahrt zum Geschäftspartner lediglich zu überlegen: „Na, welche Ziele verfolge ich denn heute?" Die Intensität und die Ausführlichkeit Ihrer Vorbereitung sollten Sie auf die jeweilige Verhandlungssituation anpassen. Bei einem Neukunden der einen Großauftrag über Ihr gesamtes Produktsortiment abschließen will werden Sie sich möglicherweise intensiver vorbereiten als bei einer Nachverhandlung über Lieferkonditionen für einen Kleinauftrag. Achtung: Ein scheinbar noch so kleiner Auftrag kann ein Türöffner für eine lukrative, langfristige Geschäftsbeziehung