Die Kaffeesiederin im Reich des Sultans - XXL Leseprobe
Von Mia Mazur
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Über dieses E-Book
Der Krieg ist niemals gerecht; Glück und Leid liegen nah beieinander.
Yanas Mann wurde wegen des Verdachts auf Spionage hingerichtet und die Existenz des Kaffeehauses der Familie steht auf dem Spiel. Die Kaffeesiederin begibt sich auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise in den Orient, um dort einen Kaffeelieferanten zu finden. Mehr als einmal kommt sie nur knapp mit dem Leben davon und zu allem Überfluss scheint ihr Freund und Begleiter nicht der zu sein, für den er sich ausgibt.
Als auch noch der Sultan Gefallen an ihr findet und Yana sich unglücklich verliebt, erscheint die Rückkehr zu ihrer Familie nach Wien ausweglos.
Ein aufrüttelnder historischer Roman, erzählt während des großen Türkenkrieges (1683-1699) in Europa. Eine Reise in die Zeit unserer Ahnen – für Jung und Alt.
„Die Kaffeesiederin im Reich des Sultans" ist die Fortsetzung von "Die Kaffeesiederin im Reich des Kaisers".
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Buchvorschau
Die Kaffeesiederin im Reich des Sultans - XXL Leseprobe - Mia Mazur
Prolog
November 1687, Konstantinopel
Süleymann saß auf dem mit bunten Kissen ausgelegten Diwan und trank mit Honig gesüßten Kaffee. Ein ganz besonderer Genuss, den er sich nur selten gönnte, war doch das belebende Getränk nicht gern gesehen beim Sultan. Er ließ seinen Blick über den grünen, mit Buchsbäumen umsäumten Hof des Kafes, des Prinzengefängnisses, gleiten. Das Grün verbarg nur mehr schlecht als recht die hohen, grauen Mauern des Harems, den er seit sechsundvierzig Jahren sein Zuhause nannte.
Nur aus Erzählungen wusste er um die Schönheit Konstantinopels, seiner Heimatstadt. In seinen Träumen stellte er sich das Glitzern der Sonne in den Meereswogen vor, die Lieblichkeit der Rosengärten und Parks. Doch er selbst hatte die Mauern des Topkapi-Palastes niemals verlassen. Dies erlaubte Sultan Mehmed nicht.
Süleymann fiel es schwer, sich den Sultan, seinen Bruder, vorzustellen, wie er einst selbst das Kafes bewohnt haben musste. Sein Bruder war nur wenige Monate älter als er selbst und bereits in seinem sechsten Lebensjahr zum Sultan ernannt worden. Er konnte sich kaum noch an ihn erinnern.
Obschon er sich ab und an wünschte, die Mauern seines Zuhauses überwinden zu können, so hätte er um nichts in der Welt mit dem Sultan tauschen wollen.
Der Prinz fuhr sich über seinen vollen, allmählich ergrauten Bart und runzelte verwirrt die Stirn. Lautes Stimmengewirr drang von den Straßen durch die Tore des Kafes. Unruhig rutschte Süleymann auf dem Diwan hin und her. Seit Tagen herrschten große Unruhen in den Straßen der Hauptstadt. Er hatte von Mordanschlägen auf Sultan Mehmed gehört. Auch seine Konkubinen und Eunuchen verhielten sich in letzter Zeit sonderbar. Süleymann ahnte, warum. Sie hatten Angst vor der Zukunft. Eine mehr als berechtigte Besorgnis. Allah allein wusste, wie sehr sich Süleymann davor fürchtete, für die Putschversuche von seinem Bruder zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch beim Allmächtigen – er hatte fürwahr nichts damit zu tun! Der Sultan würde ihm indessen keinen Glauben schenken, so viel war gewiss.
Die Stimmen vor den Toren wurden lauter. Der Prinz überlegte, ob es nicht besser wäre, sich in seine privaten Gemächer zurückzuziehen. Da wurden die Türen zum Hof aufgerissen und ein ganzer Trupp von Soldaten und edel gekleideten Herren stürmten in den Kafes.
Süleymann fuhr hoch und ließ vor Schreck seine messingbeschlagene Kaffeetasse fallen. Die braune Brühe spritzte über das bodenlange, weiße Gewand des Prinzen und hinterließ dunkle Flecken auf den Kissen des Diwans. Polternd und klirrend rollte die Tasse über den Terrassenboden unter dem schattenspendenden Baldachin.
Süleymanns erster Gedanke war, sich in seinen Gemächern zu verstecken. Aber in dem Moment besann er sich eines Besseren. Er war immerhin ein Prinz! Und eines wusste er nur zu gut: Seine Mutter hätte ihm ein ungebührliches Verhalten niemals verziehen.
Also riss er sich zusammen, straffte die Schultern und blickte dem edel gekleideten Mann vor ihm direkt in die Augen. Er betete zu Allah, dieser möge seine Furcht nicht bemerken. „Schickt Euch mein Bruder?", begehrte er in Erfahrung zu bringen und hoffte, das Zittern in seiner Stimme würde niemandem auffallen.
Der Mann, flankiert von fünf bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, schaute Süleymann mit einer Mischung aus Verblüffung und Abneigung an. Plötzlich senkte er demütig den Kopf und sprach mit klarer, lauter Stimme, sodass es für jeden Prinzen im Kafes hörbar war: „Ich bin gekommen, um euch über die Absetzung eures Bruders Mehmed dem Vierten in Kenntnis zu setzen."
Süleymann starrte den fremden Mann mit offenem Mund an. Was sollte er darauf schon erwidern? Hatte man ihn etwa gar umgebracht? Oder war ein erneuter Putsch verantwortlich für die Absetzung seines Bruders?
Prompt fuhr der Mann fort: „Es ist mir eine Ehre, Euch mittzuteilen, dass Ihr, Süleymann, der neue Sultan seid!"
Unruhig verlagerte Süleymann sein Gewicht von einem auf den anderen Fuß, doch er sagte nichts. Dies konnte nur ein übler Scherz sein!
Der Mann schnipste mit seinem Finger und Süleymann zuckte verschreckt zusammen. Einer der Soldaten kam auf Süleymann zu, der hastig zurückwich. Das war eine List! Eine üble Farce seines Bruders! Die Soldaten würden ihn bestimmt umbringen.
„Fasst mich nicht an!", herrschte er den Soldaten an, der sich ihm näherte.
Der Edelmann trat nun ebenfalls einen Schritt heran und runzelte brüskiert die Stirn. „Mein Prinz, seid versichert, dass Euch niemand etwas zuleide tun will. Dies", er wies auf das blaue Kleidungsstück in des Soldaten Händen, „ist der Kaftan des Sultans. Es gebührt nun Euch, ihn zu tragen." Und dann tat der Mann etwas, was Süleymann nicht in seinen kühnsten Träumen erwägt hätte – er verneigte sich mit der Stirn bis auf den kalten Marmorboden und zollte ihm den Respekt, der ihm von Geburt an gebührte.
„Schnell!, stieß Süleymann um sich blickend hervor. Er griff hastig nach dem blau-goldenen Kleidungsstück. „Bringt mich von hier fort!
Er fasste den Mann grob beim Arm und zog ihn auf die Füße. „Rasch! Bringt mich von hier weg, und tragt Sorge, dass keiner meiner Brüder und Neffen herauskommt! Sonst werden sie mich ganz bestimmt töten!", wisperte er bestürzt.
Der Edelmann deutete erneut eine demütige Verneigung an. „Wie Ihr wünscht, mein Gebieter."
Kapitel 1 – 10. November 1688
Wien
Mustafa betrat wie jeden Morgen als Erster das Blaue Flascherl, das Kaffeehaus der armenischen Familie Theodat. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er über den Postboteneingang in die Küche gelangte und ihm vertrauter Kaffeeduft entgegenschlug.
Doch plötzlich beschlich den Türken ein merkwürdiges Gefühl. Etwas stimmte hier nicht! Vorsichtig öffnete er die Tür zum Schankraum. Kalter Wind schlug ihm entgegen und ließ den Kriegsgefangenen frösteln. Mustafas Herz schlug schneller, als er das Chaos im Schankraum erblickte.
Eine Böe trug das Laub und den Dreck der Straßen in die Stube. Die Tische und Stühle lagen zertrümmert auf dem mit Scherben bedeckten Steinboden. Mustafa ballte die Hände zu Fäusten. Der Anblick der eingeschlagenen Butzenscheiben schnürte ihm die Kehle zu und er kämpfte gegen den brodelnden Zorn in seiner Brust. Das hatte die Frau Kaffeesiederin nicht verdient! Wäre er noch ein Krieger der osmanischen Armee gewesen, so hätte er seinem Zorn freien Lauf gelassen, hätte all diese ungläubigen Schweine niedergeschlagen, die es wagten, der Frau Kaffeesiederin so etwas anzutun. Doch jetzt war er ein Sklave, der sich beherrschen und unterordnen musste.
Er atmete tief ein und trat weiter in die Schankstube des Kaffeehauses. Bei jedem Schritt knirschten die Scherben unter seinen Schuhen und schnitten sich dabei tief in seine Seele.
Er hob einen der umgekippten Stühle auf und versuchte überfordert, Ordnung in das Chaos zu