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Du weißt doch, Frauen taugen nichts: Wenn Opfer zu Tätern werden
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Du weißt doch, Frauen taugen nichts: Wenn Opfer zu Tätern werden
eBook583 Seiten8 Stunden

Du weißt doch, Frauen taugen nichts: Wenn Opfer zu Tätern werden

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Über dieses E-Book

Jeder Mensch, der als Kind missbraucht wurde und der nicht in der Lage war, dieses Trauma zu verarbeiten, riskiert selbst Täter zu werden. Unfähig einem anderen zu vertrauen, sehnt er/sie sich gleichzeitig nach Liebe. Voller Sehnsucht stürzt er/sie sich auf jemand anderen, um dann mit Entsetzen festzustellen, dass man ja in einer Beziehung vertrauen muss.

Sie war ein Sommermärchen, eroberte mein Herz wie niemals jemand zuvor. Als sie das erste Mal ging, hieß es: „Du bist das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist, aber …“ Nach fünf Tagen kam sie reumütig zurück. Es täte ihr leid. Die endgültige Flucht passierte drei Wochen später.

In der letzten Nacht lag sie stocksteif im Bett. Als ich wissen wollte, was mit ihr los sei, hieß es – eiskalt: „Ich will von einem Fünfundzwanzigjährigen mit Waschbrettbauch die ganze Nacht durchgevögelt werden.“

Erst am nächsten Morgen schaffte ich es, ihr ein Gespräch abzuringen. Auch da hieß es, mit versteinerter Gesichtsmaske, sie will sich nicht festlegen, sie will auch andere Männer haben. Das ging so lange, bis es plötzlich, mit Tränen in den Augen, aus ihr herausbrach: „Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst, woher soll ich wissen, dass du es ernst mit mir meinst.“

Eine Frau, die Angst hat, dass man es nicht ernst meint, will kein Leben in freier Liebe. Irgendwie einigten wir uns an dem Morgen darauf, dass wir doch eine feste Beziehung behalten, ich immer noch in ihre Stadt ziehen sollte. Am nächsten Tag bekam ich von ihr eine E-Mail, sie könne sich nicht festlegen, sie will auch andere Männer haben, und überhaupt: „Du weißt doch, Frauen taugen nichts.“ Danach blockte sie (fast) jedes Gespräch ab. Mich gab es für sie nicht mehr. Ich sollte nicht einmal auf dieser Erde existieren und sollte das auch gefälligst akzeptieren. Dass ich alles verloren hatte, Schweden, meine beruflichen Pläne in ihrer Stadt, einfach alles, interessierte nicht. Mit eiskalter Stimme kam es bei dem einzigen Telefongespräch danach: „Benimm dich gefälligst wie ein Erwachsener. Stell dich nicht so an, du weißt doch, nach sechs Monaten ist der Schmerz vorbei.“ Und bevor sie auflegte, - plötzlich völlig aufgelöst, total verheult: „Ich werde nie wieder eine enge Beziehung eingehen. Wenn es selbst mit dir nicht geklappt hat, klappt es auch mit keinem anderen.“ Anschließend legte sie auf.

Danach fing die Odyssee der Lügen und Verletzungen, der Beleidigungen und Demütigungen, der Verleumdungen und Verleugnungen erst so richtig an.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum27. Nov. 2019
ISBN9783748722052
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    Buchvorschau

    Du weißt doch, Frauen taugen nichts - Berthold Kogge

    Vorspann

    Dieses Buch wurde zum Gedenken aller geschrieben, die von missbrauchten Menschen seelisch vergewaltigt wurden.

    Wer glaubt, dass Gewalt erst bei körperlicher Gewalt anfängt, ist dumm. Dumm und borniert.

    Wenn Opfer sich weigern, sich mit sich selbst und mit dem, was mit ihnen geschehen ist, auseinanderzusetzen, laufen sie Gefahr, selbst zu Tätern zu werden. Dieses Buch wurde von einem Opfer eines Opfers geschrieben.

    Prolog im Jahr 2010

    Jetzt, wo ich all das Geschehene hier niederschreibe, sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Katastrophe über mich hereinstürzte. Es war ein Sommermärchen, das Ende Juli, Anfang August 2006 begann, nicht ganz zweieinhalb Monate dauerte, durch kräftige Herbstgewitter, die rund sieben Monate donnerten und blitzten, abgelöst wurde, und am Schluss mit heftigen Schneegestöbern endete, die im Grunde bis heute andauern und noch immer durch meinen Kopf fegen.

    Nichts ist beendet.

    Kann etwas beendet sein, wenn jemand ganz bewusst versucht, ein Ende dadurch zu erreichen, in dem er, oder genauer gesagt sie, mit Absicht einen Streit vom Zaun bricht, sich dann einfach verkrümelt, versteckt, tot stellt, nicht mehr zu fassen ist, und dadurch der Streit eben nicht, wie es sich eigentlich gehört, beendet wird, sondern weiterhin im Raum stehen bleibt? Und das alles nur, um die Beziehung nicht im Guten, also friedlich, mit einer Aussprache beenden zu müssen, sondern in der Hoffnung, diese Aussprache vermeiden zu können, ganz bewusst versucht, da sie nicht gelernt hat, ihre Schwächen einem anderen anzuvertrauen, die Beziehung im Streit zu beenden, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt. Und es ihr dabei völlig egal ist, wie der andere sich dabei fühlt, wie sehr er durch so ein Verhalten verletzt wird.

    Oder auch das noch genauer ausgedrückt, man schon vor vielen Jahren der Frau, die feststellt keine Beziehung haben zu können, jegliches Vertrauen, das man braucht, um Schwäche zeigen zu können, was für eine Beziehung, wie auch für deren Beendigung »im Guten«, nötig wäre, ausgetrieben hat. Und sie dadurch eben nicht in der Lage ist, nachdem sie sich schon eingestehen musste, dass sie nicht beziehungsfähig ist, eine Beziehung so zu beenden, wie es zwischen zwei Menschen doch selbstverständlich sein sollte.

    Kann etwas beendet sein, wenn ein Mensch bereit ist, mit allen Mitteln zu verhindern, und man könnte dabei dieses »mit allen Mitteln zu verhindern« schon fast wörtlich nehmen, sich mit sich selbst und seiner eigenen existenziellen Wirklichkeit beschäftigen zu müssen, und dafür sogar bereit ist über Leichen, zumindest über seelische Leichen, zu gehen?

    Schon bei Rainer Werner Fassbinder heißt es: „Angst essen Seele auf." Was macht man mit einer Frau, deren Seele vor Angst so zerfressen ist, dass sie, ohne jegliche Skrupel, obwohl Skrupel der falsche Ausdruck ist, da die Person gar nicht selbst erfassen kann, was sie da anrichtet, auf einer anderen Seele solange mit aller Kraft herumtrampelt, dass auch diese nur noch ein blutiger, klumpiger Haufen ist? Wobei der Täterin, vor vielen Jahren selbst Opfer, jegliche Empathie fehlt. Die hat man ihr nämlich bereits vor langer Zeit herausgestoßen, sodass sie gar nicht in der Lage ist, überhaupt zu kapieren, was sie da anstellt.

    Schon Dostojewski hat sinngemäß geschrieben, dass Missverständnisse nur durch Reden beseitigt werden können. Nicht nur eine weise, sondern eine wahre Erkenntnis. Aber was macht man, wenn eine Frau ganz bewusst Missverständnisse in der Hoffnung ausstreut, nicht reden zu müssen, weil sie gar nicht reden kann? Um reden zu können, muss man vertrauen können. Wie soll das gehen, wenn das Vertrauen ihr schon vor vielen Jahren ausgetrieben wurde?

    Kann etwas beendet sein, wenn eine Frau, als sie ihre (die erste) Flucht, von ihrem Partner weg, plant, bei einem Ausflug mit Freunden schon den ganzen Tag zu ihrem Partner regelrecht abweisend ist, dann aber plötzlich, als ob sie auf dem weiten Meer völlig alleine am Ertrinken ist, sich auf ihn stürzt und ihn umklammert, als wäre er der einzige Rettungsring auf weiter See? Und als er dann vorsichtig die Arme um sie legt und zärtlich fragt: „Ej, Mädchen, was ist denn los mit dir?, sie daraufhin erst merkt, was sie da gerade macht, ihn regelrecht, als ob er die Pest und Cholera gleichzeitig hat, weg stößt, „Nichts sagt, und abweisend, mit einer steinernen Maske im Gesicht, schweigend, darauf achtend, dass mindestens zwei Meter Abstand zwischen ihr und ihm herrscht, wieder neben ihm hergeht, und er nicht an sie heran kommt, da sie sofort, wenn er sich nähert, ausweicht.

    Kann etwas beendet sein, wenn dieselbe Frau einen Tag später, immer noch abweisend, auf die Frage, was denn nun mit ihr los wäre, zuerst nicht antwortet, und als man drängelt, auf einmal die Antwort kommt: „Du stellst die falsche Frage. Und wenn man auf diese Antwort verstört nachhakt, man immer noch mehrmals: „Du stellst die falsche Frage, als Antwort erhält, und zum Schluss des Abends, nach ewigem Herumgeeier, schließlich mit Tränen in den Augen und schluchzender Stimme: „Du bist das Beste, was mir je in meinem ganzen Leben passiert ist, aber ich muss über unsere Beziehung nachdenken."

    Was soll man machen, wenn dieselbe Frau einen mitten in der Nacht, nach der ersten Flucht war sie nach einer Woche wieder zurückgekommen, während man nebeneinander im Bett liegt, aufs Schlimmste beleidigt und demütigt, sodass man vor Schock und Irritation völlig sprachlos ist, und einem, wenn auch erst viel später, klar wird, dass sie diese Beleidigungen und Demütigungen eben genau deshalb von sich gegeben hat, um dem Reden zu entgehen, sie das alles nur in der Hoffnung inszeniert hat, damit man voller Wut, denn das hatte sie gewollt, mitten in der Nacht, ohne Aussprache, Tür knallend, das Bett, die Wohnung, die Stadt und na klar auch, um sich nie wieder blicken zu lassen, sie verlässt?

    Was soll man machen, wenn dieselbe Frau, da man wider Erwarten nicht einfach die Tür knallend verschwunden ist, als man ihr am Morgen danach doch noch ein Gespräch abgerungen hat, mit versteinertem Gesicht einem sagt, sie möchte auch andere Männer kennenlernen und mit ihnen ins Bett steigen; sie aber ein paar Sekunden später, plötzlich nicht mehr mit versteinerter Miene, sondern im Gegenteil mit Tränen in den Augen, völlig aufgelöst einen regelrecht anschreit, dass sie völlig verzweifelt ist, weil sie nicht weiß, ob man es denn mit ihr wirklich ehrlich und ernst meinen würde, ob man ihr wirklich die Wahrheit erzählt, wenn man ihr sagt, dass man alles in Bewegung gesetzt hat, um beruflich in ihrer Stadt Fuß zu fassen, um mit ihr zusammenzuziehen, zusammen zu sein, zusammenzuleben, dass man für sie das Lebensziel, das man hatte, bevor man sie kennenlernte, wirklich bereit sei zu ändern?

    Was soll man machen, wenn dieselbe Frau, sechs Wochen nach der endgültigen Beendigung der Beziehung durch Streit und Missverständnisse, doch noch zu einem Telefongespräch bereit war, aber dieses nur mit versteinerter Miene (die konnte man regelrecht durch das Telefon spüren), und dabei abermals nur Ausflüchte von sich gab, von wegen, „Ich habe dich nie geliebt; ich wusste von Anfang an, dass es mit uns falsch war; alles was ich während der Beziehung gesagt habe, hat keine Bedeutung; das Einzige was zählt, ist, dass ich nicht will. Und dann auf einmal mit schluchzender Stimme es regelrecht aus ihr heraus bricht: „Ich werde nie wieder eine enge Beziehung eingehen. Wenn es selbst mit dir nicht geklappt hat, klappt es auch mit keinem anderen.

    Alleine diese Aussage muss man sich einmal in aller Ruhe auf der Zunge zergehen und einwirken lassen: „Wenn es selbst mit dir nicht geklappt hat, klappt es auch mit keinem anderen."

    Was soll man machen, wenn man bei Freunden, wegen des Verlustes einer wirklich tollen Frau, denn das ist sie ohne Zweifel, nach Hilfe sucht, und alles, was man als Antwort und guter Ratschläge bekommt, lautet:

    „Die ist nun mal so."

    „Vergiss die Frau, die ist es nicht wert."

    „Solche Schlampen laufen überall herum. Such dir eine Neue, und spiele mit der dann genauso."

    Was soll man machen, wenn man einfach nicht kapiert, was da passiert ist? Wenn man nur das Gefühl hat, mit voller Wucht gegen eine Wand geklatscht zu sein, man aber nicht versteht, warum. Und man auch noch nach mehreren Jahren das Gefühl hat, immer noch an dieser Wand zu kleben, und nicht so richtig weiß, wie man von ihr loskommt.

    Und was soll man machen, wenn man nach vielen Monaten endlich die ganze Tragweite erkennt und dabei dann feststellt, dass man darüber mit niemandem reden kann? Mit Leuten darüber reden, hieße Hilfe suchen, Antworten erwarten. Aber was für Antworten, welche Hilfe sollten sie denn einem geben? „Vergiss die Frau, die ist es nicht wert, oder „Mein Gott, die war schon immer so; stell dich nicht so an, es gibt andere, zieht nun überhaupt nicht mehr.

    Und wenn man von Freunden doch Hilfe angeboten bekommen würde, was soll man denen sagen, ohne die Frau bloß zu stellen, ohne dass ihre Gefängnismauer, ihre Fassade, unkontrolliert über sie einstürzen, und sie unter der Mauer begraben werden würde?

    Was soll man machen?

    Oder eine noch viel schwierigere Frage:

    Wie soll man damit selber klarkommen – selbst in Frieden weiter leben? Man kann ja auf die Frau nicht einmal sauer sein, sie nicht einmal zum Teufel wünschen. Sie hat ja irgendwie keine Schuld für das, was sie einem angetan hat. Wenn man schmählich verlassen wird, kann man die Trennung auch durch Wut, durch Verfluchen der Person überwinden. Wie soll man sie aber verfluchen können? Sie ist doch nicht die Ursache ihres Verhaltens.

    Niemand will jemanden loswerden und klammert sich gleichzeitig an ihm geradezu verzweifelt fest. Niemand will wirklich mit anderen Männern ins Bett und hat gleichzeitig Angst, dass der Partner selbst ein Hallodrijan ist, dem man nicht vertrauen kann. Niemand will wirklich jemanden wegwerfen, wenn man doch der Meinung ist, dass der das Beste sei, was einem im ganzen Leben passiert ist.

    Aber alle sagen: „Vergiss die Frau."

    Wie soll das aber gehen?

    Auch eine Frage ohne Antwort. Es gab und gibt nur Fragen. Fragen, Fragen, Fragen, aber keine Antworten.

    Dafür, dass ich mich letztendlich hingesetzt habe, um das alles niederzuschreiben, trägt mein Anwalt die Hauptschuld. Was man mir vorgeworfen hat und wie man sich mir gegenüber verhalten hat, hielt er, da war er anderer Meinung als die Beraterin der Frauenhilfsorganisation, bei der ich versucht habe, mir Rat zu holen, moralisch verwerflich. Moralisch verwerflich, aber nicht unbedingt strafrelevant. Dazu hatte sie sich bei den Vorwürfen, notgedrungen, da sie absolut aus dem Zusammenhang gerissen und daher konstruiert waren, zu verschwommen ausgedrückt. Aber trotzdem meinte er, gäbe es eine Möglichkeit für einen juristischen Schritt. Nachdem ich aber die ganze Tragweite der Geschehnisse, leider viel zu spät, begriffen hatte, war mir eine friedliche Lösung immer wichtiger geworden. Aber mein Anwalt sagte ganz klar: „Vergessen sie es. Es wird von der Frau kein Einlenken geben, denn dafür ist sie bereits zu weit gegangen. Das mag moralisch verwerflich sein, und eine erwachsene Frau, egal was ihr in ihrer Kindheit passiert ist, sollte sich, erst recht, wenn sie selbst in einem therapeutischen Beruf arbeitet, so weit fangen können, um genug Einsicht zu haben, dass sie Hilfe benötigt, und sich helfen lassen. Aber in diesem Fall wird es nur auf einen »Showdown« vor Gericht hinauslaufen. Wenn sie Skrupel haben, die Frau vor Gericht bloß zu stellen, wenn sie Skrupel haben, die von der Frau selbst gebauten Gefängnismauern, hinter der sie sich verkriecht, vor Gericht in Schutt und Asche zu legen, was für die Frau sicherlich ein »Super-GAU« wäre, verzichten sie auf eine gerichtliche Auseinandersetzung und verarbeiten sie die Sache anders."

    Somit hat mein Anwalt Schuld, wenn ich, statt nachts im Bett schlaflos auf und ab zu gehen, mich an den Computer gesetzt habe, um in die Tasten zu hauen. Das meiste hier ist irgendwann zwischen zwei und sechs Uhr morgens geschrieben worden. Wenn man von einigen späteren Feinarbeiten, Ergänzungen und Streichungen absieht, binnen acht Wochen. Ich wollte das Ergebnis zuerst »Schlaflos in Lübeck« nennen, aber es ist keine Liebesgeschichte, und endet auch nicht Hände haltend auf der Aussichtsplattform eines Wolkenkratzers oder der St. Petrikirche. Daher habe ich mich anders entschieden.

    Der Titel – »Du weißt doch, Frauen taugen nichts« – ist keine Provokation, sondern war eine Begründung von ihr, um mir verständlich zu machen, warum die Flucht, von mir weg, geschah.

    Aber genau das verstand ich eben nicht.

    Ein Sommermärchen

    Mein Gott, war das ein Sommer. Man könnte meinen, Deutschland hatte in dem Jahr 2006 ein Sonderabkommen mit Petrus abgeschlossen. Oder Petrus war einfach nur ein großer Fußballfan und hatte daher zur Fußball-WM 2006 alle Register gezogen, um zumindest wettertechnisch ein Sommermärchen vom Stapel zu lassen. Auf jeden Fall herrschte ein fantastisches mediterranes Wetter, und die Stimmung im Land war so gut wie schon lange nicht mehr.

    Auch mir ging es gut. Ich genoss das tolle Wetter. Mir ging es, da mögen einige verständnislos den Kopf schütteln, eigentlich sogar ziemlich gut.

    Vor zehn Monaten war meine Firma den Bach runter gegangen. Die ersten Monate nach der Pleite waren schlimm gewesen, der Schock hatte tief gesessen. Zuerst der langsame finanzielle Untergang, da es einfach zu viele Kunden gab, die zwar Arbeit, aber kein Geld verteilen wollten, und dann noch die absolute Krönung, einem professionellen Betrüger auf dem Leim gegangen zu sein. Das war schon hart.

    Da half es auch nicht als Trost, dass außer mir noch viele andere auf diesen Typen hereingefallen waren. Angefangen von den Justizbeamten im Hamburger Vollzug, die einen, wegen professionellen Betrugs Einsitzenden, für sein letztes Jahr im Knast, in den offenen Vollzug gesteckt hatten, damit er von dort aus wieder in seinem Beruf (professioneller Betrüger?) zurückfinden und sich eingliedern konnte; über Beamte in Brüssel, die ihm und seinem Kompagnon, während er sein letztes Jahr im Gefängnis im offenen Vollzug absaß, Subventionen von über einer Million Euro zusagten (für eine Firma, die es gar nicht gab), bis hin zu den Firmenbesitzern, die er mit dem Wisch der Subventionszusage geleimt hat, da er angeblich mit dieser Million deren Firmen aufkaufen und sanieren wollte.

    Es war zu spät, als sich herausstellte, dass der Typ sich, als angeblicher Firmensanierer, nur mit uns und anderen Firmen beschäftigt hat, um die letzten Kröten aus den Firmen zu pressen, damit er die Zeit überbrücken konnte, bis die zugesagten Subventionen, die nicht zweckgebunden waren, fließen würden. Und außerdem benötigte er uns na klar auch, um Geschäftsbeziehungen und Investitionsabsichten den Beamten in Brüssel belegen zu können. Sobald das Geld aus Brüssel überwiesen worden war, wollte er sich wohl, nachdem seine Haftstrafe im offenen Vollzug abgelaufen sein würde, während deren er, sozusagen unter der Obhut der deutschen Justiz, mit einem geleasten Porsche durch ganz Deutschland gefahren ist, um seine schmutzigen Geschäfte zu machen, ins Ausland absetzen.

    Ich und so manch anderer waren somit nur Kollateralschaden in einem größeren Spiel gewesen.

    Und somit war meine Firma im August 2005 pleite. Es dauerte einige Zeit, bis ich den Schock verkraftet hatte. Allerdings ging es mir durch die Insolvenz nicht nur schlechter, sondern es gab auch Dinge dabei, bei denen ich mich eindeutig besser fühlte. Als der Schock über die verlorene Existenzgrundlage erst einmal verflogen war, wie auch die nervlichen Auswirkungen jahrelangen Stresses des Geschäftsführerdaseins, stellte ich fest, dass die Herzstiche, die Magenschmerzen, Kopfschmerzen, schlaflose Nächte und schlechte Träume der letzten Jahre, ganz schnell verschwanden.

    Zumindest gesundheitlich ging es mir somit nach der Pleite nun wesentlich besser. Das war nicht zu leugnen. Ich, im Oktober 2005 siebenundvierzig Jahre alt geworden, fühlte mich wieder wie siebenundvierzig, bzw. sogar noch jünger, und nicht wie vor der Pleite, als ich mich oft wie sechzig oder älter gefühlt habe. Als Chef gab es nur alle zwei oder drei Jahre Urlaub, die auch nur mal gerade jeweils zwei Wochen dauerten, eine 6,5 Tage Woche, und das, obwohl 40 Stunden Wochenarbeitszeit wohl schon immer am Donnerstag erreicht worden waren. Mir war eine Last von der Seele und dem Körper gefallen, und wenn man erst einmal ganz unten angekommen ist, wie ich mit der Pleite, hatte es auch den Vorteil, dass es kaum mehr tiefer gehen konnte.

    Bereits fünf Jahre vorher war ich, zumindest wohntechnisch gesehen, wieder in meine alte Heimatstadt Lübeck zurückgezogen, nachdem ich acht Jahre zuvor in ein kleines Dorf in Meck-Pomm umgesiedelt war. Aber nach acht Jahren hatte ich die Nase voll von einer Idylle im Nirgendwo, die aus einem Herrenhaus, vier teilweise ungepflasterten Straßen und ca. zwanzig Häusern bestand. Nachts hätte man die Fußwege dort hochgeklappt, wenn es denn welche gegeben hätte. So tot war es dort.

    Das war nun alles vorbei. – Und es war Sommer.

    Immer wenn die deutsche Fußballmannschaft spielte, gab es vor dem griechischen Restaurant, das direkt neben meiner Wohnung liegt, auf dem Fußweg und der dortigen Straßenkreuzung eine Menschenansammlung. Der Wirt hatte vor dem Restaurant einen Großfernseher aufgestellt, damit seine Gäste, die dort auf der Terrasse saßen, und andere Vorbeilaufende, sich die WM dort ansehen konnten. Spielte die deutsche Mannschaft, und sie spielte ja sogar erfolgreich, war bis zum frühen Morgen des nächsten Tages vor meiner Wohnung die Hölle los.

    In oder vor fast jeder Gaststätte hatten deren Wirte Fernseher aufgestellt, um die Anwohner der Umgebung von der heimischen Bildröhre wegzulocken. Bei einem Spaziergang durch die Stadt kam ich an der Kneipe »Carrickfergus« vorbei. Deren Wirt hatte ein Schild ans Fenster geklebt: »Hier WM-freie Zone«. Typisch Horst, dachte ich damals. Während die anderen mit der WM-Werbung machten, bot er Obdach für WM-Flüchtlinge.

    Als das Achtelfinale für die deutsche Mannschaft losgehen sollte, floh ich aus meiner Wohnung. Es war mir klar, sollte die deutsche Mannschaft gewinnen, würde vor meiner Wohnung, bis zum nächsten Morgen, jubelnder Lärm herrschen, und Autokorsos, Fahnen schwenkend, laut hupend, durch die Straßen fahren. Nicht nur das Wetter hatte diesen Sommer mediterrane Auswüchse. Auch die Norddeutschen zeigten, während dieser Fußball-WM, ein für sie ungewohntes Temperament. Da ich somit, zumindest wenn die deutsche Mannschaft gewinnen würde, sowieso nicht in Ruhe hätte schlafen können, war ein Besuch in der „WM-freien Zone" doch nur sinnvoll.

    Früher, vor meiner Zeit in Meck-Pomm, war das „Carrickfergus , meine Stammkneipe gewesen. Als ich aus Lübeck weggezogen war, verlor es sich damit, bis ich wieder Ende 1999 nach Lübeck zurückkam. Damals fing ich erneut an, mich dort wohlzufühlen, zumindest bis das, kurz nach dem ich wieder in Lübeck und im „Carrickfergus heimisch geworden war, mit Carola passierte. Carola war damals neu in der Kneipe, zumindest kannte ich sie nicht von früher. Lange Haare und, na ja, irgendwie nett. Sie bediente dort, wenn der Wirt selbst keine Lust hatte, hinter dem Tresen zu stehen. Man plauderte, dazu ist eine Kneipe schließlich da, am Tresen locker miteinander, und lernte sich so flüchtig kennen.

    Irgendwann damals, es war gerade Frühling im Jahr 2000, hatte ich von Carola dann eine E-Mail bekommen. Die E-Mail ging nicht direkt an mich, da ich damals privat keine E-Mail-Adresse besaß, sondern an die E-Mail-Adresse meiner Firma. Carola wollte mich näher kennenlernen.

    Damals waren E-Mails noch selten. Von Kunden bekam ich, wenn es hoch kam, vielleicht ein oder zwei Mails die Woche. Aber Sex-Mails kamen, damals gab es noch keine Spamfilter, zwanzig bis dreißig Stück jeden Tag. Es waren die plumpsten Anmach-E-Mails dabei, um einen auf irgendwelche kostenpflichtige Seiten zu lotsen, was bei mir des Öfteren die Frage aufkommen ließ, was würde passieren, wenn so eine E-Mail, an irgendeinen Ehemann adressiert, zufällig von dessen Frau geöffnet und gelesen werden würde? »Hallo Liebster, endlich sind die Nacktfotos fertig, die du von mir unbedingt haben wolltest, klicke hier, und du kannst mich in meiner ganzen, von dir so geliebten Schönheit bewundern.«

    Da kommt der Ehemann nichts ahnend nach Hause, schließt die Wohnungstür auf, bekommt, ehe er sich versieht, die gute alte gusseiserne Bratpfanne links und rechts um die Ohren geknallt, ohne dass er überhaupt weiß, was los ist. Und nachdem er sich, geschlagen am Boden kriechend, ins Wohnzimmer gerettet hat, sieht er dort bereits den Scheidungsanwalt seiner Ehefrau auf dem Sofa sitzen.

    Ich hatte keine Lust, mich mit so einem Mist zu beschäftigen, und hatte daher meiner damaligen Sekretärin die Anweisung gegeben, die Anmach-Mails auszusortieren und mir nur die relevanten E-Mails unserer Kunden vorzulegen. Die Sex-Mails sollte sie einfach löschen. So bekam ich die E-Mail von Carola, da meine Sekretärin diese als „Anmach-Mail", auch wenn es dabei keinen Link zu irgendwelchen Nacktfotos gab, in den Papierkorb schob, damals nicht zu Gesicht.

    Eine Äußerung meinerseits an eine Freundin von Carola, am darauf folgenden Wochenende, die nichts mit der E-Mail zu tun hatte, sondern mit einem angetrunkenen Pärchen, das mich direkt davor in einer anderen Kneipe genervt hatte, wurde von dieser Freundin, die von der E-Mail an mich wusste, falsch verstanden, und mit der Vermutung, dass meine Bemerkung sich auf die E-Mail von Carola bezog, dieser kurzfristig brühwarm unterbreitet.

    Daraufhin bekam ich ein paar Tage später, abermals an meine Firmenadresse, eine wütende, ja geradezu beleidigende E-Mail von Carola. Meiner Sekretärin hatte ich in der Zwischenzeit mangels Geldmasse kündigen müssen, sodass ich alle Mails nun selbst lesen musste. Und so bekam ich diese E-Mail von Carola, im Unterschied zur Ersten, zu lesen.

    Es stand dort irgendetwas von: »Kannst du dich nicht wie ein Erwachsener benehmen, du bis doch kein kleines Kind mehr. Wenn du mich nicht näher kennenlernen willst, kannst du mir das doch direkt sagen, und nicht hinten herum eine dumme Bemerkung über mich machen. Ich hab ja wohl ein Recht auf eine ehrliche Aussprache, wenn ich dir eine Mail schicke, und dir dabei mein Herz öffne.«

    Wow. Was war das denn? Ich verstand die Welt nicht. Was wollte die Frau von mir? Was habe ich getan? Von welcher Mail schrieb sie hier?

    Ich hatte keine Ahnung.

    Auch ich hatte mich damals etwas in Carola verliebt, hatte das Gefühl aber wegen Problemen in der Firma beiseite geschoben. Kunden eierten mal wieder mit der Zahlung herum, sodass ich für beziehungstechnische Dinge nicht den Kopf frei hatte. Und nun schickte Carola mir auch noch eine E-Mail, die ich überhaupt nicht einordnen konnte. Eine Liebeserklärung war diese Mail auf jeden Fall nicht, und mir war auch nicht bewusst, dass sie mir gegenüber ihr Herz geöffnet hatte, und ich ihr im Gegenzug irgendwie und irgendetwas vor den Kopf geworfen habe, was beleidigend gewesen wäre.

    Ein paar Tage später, es war noch in der gleichen Woche, ohne dass ich zwischenzeitlich Carola im „Carrickfergus " getroffen hatte, räumte ich den E-Mail-Papierkorb, den meine ehemalige Sekretärin mir in dem Computer voll hinterlassen hatte, auf. Da fand ich die erste Mail von Carola, und verstand. Sie hatte in der Mail, wie schon erwähnt, geschrieben, dass sie mich näher kennenlernen möchte. Sie hatte unser letztes gemeinsames Gespräch in der Kneipe sehr genossen. Angeblich soll ich dabei von meinen blühenden Apfelbäumen, die auf meinem Grundstück in Meck-Pomm standen, das noch nicht verkauft war, geschwärmt haben, was sie wohl toll gefunden hat. Und sie wollte mich daher nun auch außerhalb ihrer Kneipendienstzeit näher kennenlernen.

    An das Gespräch über meine Apfelbäume konnte ich mich nicht mehr erinnern. Das war wohl etwas später an einem Abend, nach mehreren Guinness gewesen, sodass die Erinnerung darüber gleich weggespült worden war.

    Aber wieso knallte sie mir mit der zweiten E-Mail gleich so wilde Beleidigungen um die Ohren? Auch wenn ich wirklich nicht wusste, was ich falsch gemacht haben soll, sollte zumindest sie, wenn sie doch anscheinend Wert darauf legt, dass man sich ihr gegenüber ehrlich, aufrichtig, und vor allem erwachsen benimmt, wenigstens mit gutem Beispiel vorangehen. Nach irgendwelchen Beschuldigungen von anderen Leuten, ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich zu verteidigen und Stellung dazu zu nehmen, mich so in einer E-Mail herunterzuputzen, zeugte selbst nicht gerade von einem ausreichenden Maß an »erwachsen sein«, wie ich es mir zumindest, und anscheinend ja auch sie, vorstellte.

    Ich schickte ihr als Antwort eine Mail, entschuldigte mich darin für das Missverständnis und erklärte ihr, warum ich die erste E-Mail von ihr erst jetzt gelesen habe. Ich schrieb allerdings auch, dass ihre Verurteilung, ohne mich zu fragen, was das denn nun alles sollte, auch nicht gerade von einem Benehmen einer Erwachsenen zeugte, und man sollte doch nicht unbedingt mit Steinen werfen, wenn man anscheinend selbst im Glashaus sitzt. Erst recht nicht, wenn man seine Informationen nur aus zweiter Hand erhalten hat.

    Carola reagierte nicht auf die E-Mail. Nun, dann eben nicht. Ich konnte ja nun wirklich nichts dafür, dass ich die erste E-Mail nicht, bzw. erst Tage später, gelesen hatte. Wer schickt auch eine Liebes-E-Mail an eine Firmenadresse, bei der man nicht einmal weiß, wer die E-Mail alles liest, bevor die richtige Person, wenn denn überhaupt, sie erhält?

    Irgendwie war ich davon überzeugt, dass es wohl ganz gut war, dass wir nicht zusammengekommen waren. Wer so beleidigend reagiert, ohne sich zu erkundigen, ob die dazugehörige Nachricht überhaupt angekommen ist, wer einem nicht einmal die Chance für eine Stellungnahme gibt, war nichts für meine, sowieso schon gestressten Nerven. Mit so etwas versuchen, eine Beziehung aufzubauen? – Nein danke! Somit hatte sich mein »etwas verliebt sein« auch erledigt.

    Als ich das nächste Mal in der Kneipe war, bediente Carola nicht. Somit konnte ich ihr meine Meinung nicht noch einmal persönlich an den Kopf werfen. Ich wechselte daraufhin die Kneipe, verbrachte meine freien Abende im »Zolln«, in dem ich auch schon viele Abende meines Lebens verbracht habe, und in dem jetzt im Sommer, im Gegensatz zum »Carrickfergus«, sogar noch der Vorteil vorherrschte, dass man draußen, auf der Terrasse und dem Bürgersteig, sitzen oder stehen konnte. Nicht dass ich damals Angst gehabt hätte, Carola zu treffen, aber wenn man über sechs Tage in der Woche arbeitet, will man in der Kneipe in Ruhe sein Bier trinken, und nicht noch keifend angemacht werden. Eine Kneipe, in der man sich mit dem Wirt, bzw. der Bedienung, gegenseitig angiftet, verliert die Funktion, die sie ausüben soll. Um mich zu streiten, hatte ich damals bereits meine Kunden gehabt. Da wollte ich nicht für so etwas auch noch in einer Kneipe Geld hinlegen müssen.

    So vergingen, Carola war quasi »Geschichte«, die Jahre, bis zur Fußball-WM 2006.

    Ich fragte mich, auf meiner Flucht vor dem Achtelfinale fiel mir die Sache mit Carola wieder ein, ob sie immer noch im »Carrickfergus« bedienen würde. Ich ließ mich überraschen, stellte aber bei meiner Ankunft fest, dass nicht Carola, sondern Horst selbst hinter dem Tresen stand. So richtig wusste ich nicht, ob ich darüber enttäuscht sein sollte, oder, nach den früheren Geschehnissen, doch eher erleichtert. Ich fragte nicht nach Carola, genoss die altbekannte ruhige Atmosphäre der Kneipe, ging an den folgenden Abenden, während der nächsten WM Spiele, auch dort hin, und gewöhnte mich langsam wieder an sie.

    Es war der vorletzte Freitag im Juli. Die WM war vorbei. Deutschland hatte sich, wenn es auch letztendlich nicht für den Titel gereicht hat, wacker geschlagen, und das normale Leben kehrte, wenn man einmal von den immer noch mediterranen Wetterverhältnissen absah, wieder in den Kneipen ein. An diesem Abend wollte ich eigentlich gar nicht ins »Carrickfergus«, aber bei genauer Kontrolle meines Fernsehers musste ich feststellen, dass dessen Programme alle direkt ans Klo angeschlossen waren. Es gab nur Mist. Also schaute ich ins Portemonnaie und entschied, dass es für zwei Bier reichen würde.

    Im »Carrickfergus« angekommen musste ich kurz schlucken, als ich völlig unerwartet Carola an einem der Tische sitzen sah. Ich ließ mir aber nichts anmerken, nahm einen alten Spiegel aus einem Regal, setzte mich an den Tresen und blätterte in dem Nachrichtenmagazin, um nachzulesen, was vor einigen Monaten in der Welt so alles passiert war. Mit halbem Ohr hörte ich zu, wie Horst, während er die Biere zapfte, Carola zurechtstutzte, weil er, seit er sie vor Jahren kennengelernt hatte, des Öfteren miterleben musste, dass sie, ohne irgendwelche Rücksichten zu nehmen, reihenweise Männerherzen brechen würde, und nie eine ernste Beziehung eingegangen ist. Ich wusste nicht, wie es zu dieser Auseinandersetzung gekommen war, hielt mich da raus, lauschte aber neugierig mit halbem Ohr weiter, während ich weiter in dem »Spiegel« blätterte. Mir entging nicht, dass die Auseinandersetzung mit der Zeit ziemlich heftig wurde, und sogar das normale Stimmengewirr der Kneipe übertönte. Horst ereiferte sich regelrecht darüber, dass Carola angeblich sehr egoistisch mit Männern umging, diese ständig wechselte, öfters als andere ihre Unterhosen, Gefühle vorspielte, die anscheinend nicht wirklich vorhanden waren, und dass Carola sich wohl auch beim Abschütteln ihrer Liebhaber relativ unmöglich, sprich herzlos benahm.

    Von Carola, die mit Peter, der als Stammgast dieser Kneipe quasi schon seit vielen Jahren zum Inventar gehörte, am Tisch neben der Eingangstür saß, kam bald kaum noch eine Entgegnung. Nur einmal konnte ich deutlich: „Bis jetzt hat es eben nie den Richtigen gegeben", verstehen. Ansonsten waren ihre Erwiderungen inzwischen so leise, wie eingeschüchtert, dass sie fast im Kneipenlärm untergingen.

    Irgendwann stellte sich Carola, Peter war inzwischen gegangen, seitlich an den Kneipentresen und quatschte mit irgendwelchen Leuten über irgendwelche Themen, die nichts mit ihren Männergeschichten zu tun hatten. Ich hatte währenddessen zwei Bier getrunken, damit mein finanzielles Limit erreicht, und wollte zahlen. Ich erhob mich von meinem Barhocker, legte den »Spiegel« in das Regal über der Heizung und gab dem Wirt, mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, das entsprechende »will zahlen« Zeichen, und stellte mich, ohne Carola bewusst zur registrieren, neben ihr an den Tresen, damit Horst mein Geld entgegennehmen konnte.

    „Kommst du auch morgen zu Peters Geburtstagsfeier", kam es da von der Seite. Erst als ich mich umdrehte, stellte ich fest, dass es Carola war, die mich angesprochen hatte.

    „Nein, wieso, hat er Geburtstag?"

    Mit Sicherheit machte ich ein ziemlich dummes Gesicht bei meiner Antwort. Weniger wegen Peters Geburtstag, sondern weil Carola mich angesprochen hatte.

    „Ja, und er würde sich sicher freuen, wenn du kommst."

    Peter und ich hatten früher viel zusammen gemacht. Wandern in Schweden, Billard spielen, und in den verschiedensten Kneipen für das Auskommen der Wirte mit beigetragen. Aber das war schon einige Jahre her.

    „Weiß nicht."

    „Stell dich nicht so an. Los komm. Er würde sich sicher freuen."

    Ich muss zugeben, dass ich überrumpelt war. Sie tat so, als ob wir bei unserem letzten Treffen, das ja nur per E-Mail stattgefunden hatte, nicht im Bösen auseinander gegangen waren. Ich wollte nicht zu der Geburtstagsfeier. Ich hatte schon lange keinen Kontakt mehr zu Peter, und eigentlich wollte ich auch keinen Kontakt mit Carola. Mir fiel wieder der Inhalt ihrer E-Mail ein, in der sie mich in einer Art und Weise beleidigt hatte, wie es mir selten untergekommen war.

    „Nein, ich werde nicht kommen."

    Ich zahlte, steckte das Portemonnaie wieder ein, und wollte gehen.

    „Wie wäre es, wenn wir uns morgen mal treffen?"

    „Wieso das? Ich denke, du feierst morgen Peters Geburtstag."

    „Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen, und wir können uns doch vor der Feier treffen", kam es von ihr lächelnd.

    Wieso lächelte sie? Das Letzte, was sie mir vor Jahren an den Kopf geworfen hatte, waren ziemlich deftige Beleidigungen gewesen.

    Ich war wirklich nicht begeistert, aber ich willigte, warum auch immer, ein. Die Geburtstagsfeier sollte gegen 16:00 Uhr losgehen. Wir verabredeten uns für 14:00 Uhr im »Sachers«, einem Kneipencafé, das direkt am Elbe-Lübeck-Kanal seinen Sitz hat, und wo man direkt am Wasser, draußen im Freien, auf einer Terrasse sitzend, den Binnenschiffen und den Ruderern des Ruderklubs, der am gegenüberliegenden Ufer seinen Platz hat, zuschauen konnte, während man aß und trank.

    An nächsten Morgen, als ich in meinem Bett aufwachte, war ich auf mich selbst sauer. Wieso hatte ich dem Treffen zugestimmt? Das war doch absoluter Käse. Eine Zeit lang war ich unschlüssig, aber entschied mich dann trotzdem, zum vereinbarten Zeitpunkt im »Sachers« aufzutauchen. Carola musste ja sowieso zur Geburtstagsfeier von Peter, somit war die Zeit, die das Treffen dauern konnte, ja durchaus überschaubar.

    Warum tat ich das? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht weil ich, trotz ihrer bösen E-Mail sechs Jahren vorher, ein Kribbeln im Bauch spürte. Man konnte eigentlich nicht einmal sagen, dass Carola im klassischen Sinn wirklich schön war. Aber sie hatte etwas an sich, dass mich schon sechs Jahre vorher fasziniert hatte und, trotz ihres komischen Verhaltens damals, gleich wieder dieselben Gefühle wie damals weckte, die ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gespürt hatte.

    Vielleicht wollte ich außerdem auch nicht, dass Carola sich bei einigen Leuten darüber beschweren würde, dass ich ein »Date«, ohne Begründung, einfach hatte platzen lassen, und ich in den folgenden Wochen im »Carrickfergus« Rede und Antwort hätte stehen müssen, warum ich mich nicht wie ein »Erwachsener« verhalten habe.

    Aber im Grunde war es egal, warum ich hinging. Ich ging hin. Das war das Entscheidende.

    Um vierzehn Uhr trudelte ich, zugegebener Maßen etwas nervös, im Sachers ein. Carola saß bereits mit einer weiteren, mir unbekannten Frau auf der Terrasse. Beide hatten ein großes Glas Dunkelbier vor sich auf dem Tisch stehen.

    »Wow«, dachte ich still bei mir. Erst vierzehn Uhr, eine Geburtstagsfeier noch vor sich, subtropische Temperatur, die einem auf den Kopf drückte, und dann schon Starkbier. Keine Ahnung, ob Carola meinen kritischen Blick gemerkt hatte, aber als ich mich mit einem „Hallo gesetzt hatte, und die unbekannte Frau, nachdem sie ihr Glas mit einem Zug ausgetrunken hatte, gegangen war, kam von Carola gleich, mit einem Kopfnicken auf das Glas weisend: „Ich musste mir ein bisschen Mut antrinken.

    „Wieso denn das?"

    „Nur so."

    Nur so – hmm. Ein komischer Grund, sich Mut an zu trinken, dachte ich mir im Stillen.

    Später, viele Monate später, grübelte ich darüber nach, worüber wir uns in den zwei Stunden unterhalten haben, bis sie von Freunden dann abgeholt wurde, um zur Geburtstagsfeier zu fahren. Mir fiel es nicht mehr ein. Sicher, Carola versuchte mich noch einmal dazu zu überreden, doch noch zur Geburtstagsfeier mitzukommen. Schließlich waren Peter und ich lange Zeit dicke Freunde gewesen, und er hatte wohl auch am Abend zuvor gegenüber Carola so etwas angedeutet, dass er sich über meinen Besuch freuen würde. Mag sein, dass wir uns auch noch über das „Mutantrinken" unterhielten. Carola hatte auch kurz erzählt, dass sie jetzt in Hannover wohnt, und nur wegen Peters Geburtstag über das Wochenende nach Lübeck gekommen sei. Aber diese Themen waren spätestens in fünfzehn Minuten abgehakt. Trotz alledem waren auf einmal zwei Stunden vorbei, und Carola wurde von den Freunden, unter anderem auch von Carmen und Hans, bei denen sie an diesem Wochenende übernachtete, zur Geburtstagsfeier abgeholt. Und ich hatte irgendwie, obwohl es ein harmonisches Treffen gewesen war, das Gefühl, dass Carola immer noch nicht das gesagt hatte, was sie mir eigentlich hätte sagen wollen, und warum sie sich mit mir hier im Sachers verabredet hatte. Was auch immer es gewesen sein mochte, es war etwas, wozu man bei brüllender Hitze, um sich Mut an zu trinken, schon um vierzehn Uhr, einen Halbenliter Starkbier braucht.

    Manchmal ist man wirklich absolut blöde. Erst jetzt, wo ich das hier niederschreibe, fällt mir auf, dass Carolas Frage am Abend davor, ob ich denn auch zu Peters Geburtstagsfeier kommen würde, nur vorgetäuscht gewesen war. Sie hatte vorher eine ganze Zeit lang mit Peter zusammen an einem Tisch gesessen, und Carola hatte, neben dem Streit mit Horst, anscheinend auch genügend Zeit gehabt, sich mit Peter darüber zu unterhalten. Sie wusste also, dass ich schon viele Jahre nicht mehr zu Peters Geburtstagsfeiern gekommen bin, und dass es auch dieses Jahr nicht anders geplant war. Davon abgesehen, dass ich auch gar nicht eingeladen worden war, und daher gar nicht wusste, wann und wo eine Geburtstagsfeier stattfinden sollte. Trotzdem hatte sie gefragt, ob ich dorthin kommen würde.

    „Darf ich dich morgen früh zum Frühstück einladen, kam es noch, mit einem auffordernden und gleichzeitig zweifelnd fragenden Blick, als sie bereits vom Stuhl aufgestanden war, um zum Wagen ihrer wartenden Freunde zu gehen. „Zehn Uhr, wieder hier, gleicher Ort?

    Ich nickte. „Jo, das geht klar." Obwohl mir eigentlich nicht klar war, was eigentlich klar geht. Was wollte sie?

    Sechs Jahre vorher waren wir, bevor wir uns überhaupt näher kennenlernen konnten, schon mit einem E-Mail-Streit auseinandergegangen. Die Beendigung einer Beziehung wurde damals sozusagen dem Beginn vorangestellt, was, so wie die Beendigung damals abgelaufen war, wohl auch viel Ärger erspart hat. Danach waren wir uns nie wieder begegnet. Jetzt kam sie, nur für ein kurzes Wochenende, wegen einer Geburtstagsfeier nach Lübeck, wollte die Gelegenheit gleich nutzen, um alte Bekannte zu treffen, und verabredete sich dann aber mit mir, zuerst für den Samstagnachmittag, und da das ihr anscheinend nicht genug war, gleich noch für den nächsten Morgen, statt, den doch nur sehr begrenzten Zeitraum, der ihr hier in Lübeck zur Verfügung stand, mit ihren Freunden, wozu ich nun einmal eindeutig nicht zählte, zu verbringen.

    Egal. Ich hatte zugesagt, und ein Frühstück im Freien, von jemand anderem bezahlt, war nicht zu verachten. Und auch wenn ich Monate später nicht mehr wusste, was wir uns an dem Nachmittag alles erzählt haben, waren die zwei Stunden, ohne dass Langeweile aufgetaucht war, ja nun wirklich schnell vorbei gegangen. Ich ging nach Hause, nahm »Den vilden svensken«, einen Roman auf Schwedisch von Ernst Brunner, eine Flasche Multi-Vitamin-Saft, ich hatte bereits im Sachers nur ein Spezi getrunken, da ich irgendwie nicht das Gefühl gehabt hatte, mir Mut antrinken zu müssen, und setzte mich an den Kanal in den Schatten eines Baumes. Ernst Brunner, mit seinen verschachtelten Sätzen, machte mir das Lesen auf Schwedisch wirklich nicht leicht, sodass ich mir über Carola schon bald keine Gedanken mehr machte.

    Am nächsten Morgen traf ich pünktlich mit leerem Magen, ausgenommen einem Becher Kaffee, wieder auf der Terrasse vom Sachers ein. Carola saß schon, allerdings dieses Mal ohne Starkbier, sondern der Tageszeit angepasst, mit einem Becher Kaffee, am gleichen Platz wie gestern.

    Auch von diesem Gespräch weiß ich, viele Monate später, keine Einzelheiten mehr. Carola erzählte wohl, dass sie in Hannover dabei war, mit einer Freundin zusammen, eine Praxis für Physiotherapie aufzumachen. In den nächsten Tagen sollte sich klären, ob sie die entsprechenden Räume anmieten konnten. Ich erzählte wohl von meiner Firmenpleite und davon, dass nächste Woche ein großes Event von der ARGE stattfinden sollte, bei dem man sich mit vielen potenziellen Arbeitgebern treffen konnte, und man dort an einem Sonderstand auch die Möglichkeit hatte, sich über Bewerbungen ins Ausland zu informieren. Ich wollte versuchen, in Schweden, bei irgendeiner Firma, die für ihre deutschen Kunden einen Ansprechpartner mit Deutschkenntnissen suchte, einen Job zu bekommen. Angeblich sollten die Möglichkeiten für so einen Job in Schweden nicht schlecht sein; und da meine Deutschkenntnisse, was für Geschäftsverbindungen von Schweden nach Deutschland ja wichtig war, doch ganz ordentlich waren, sah ich da eine große Zukunftschance für mich. Mit meinem Schwedisch war es zwar nicht so toll, aber da ich regelmäßig schwedische Bücher las und Lern-CDs mir anhörte, entwickelte sich auch das so langsam. Und ich war davon überzeugt, dass, sollte ich erst einmal in Schweden arbeiten und wohnen, die Routine in die schwedische Sprache schnell kommen würde.

    Ansonsten? Keine Ahnung mehr worüber wir redeten, aber es war auf jeden Fall nicht langweilig. Kein Herumgestotter, kein verzweifelter Blick auf die Uhr, wann denn die Anstandszeit vorbei wäre, und man sich, ohne einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, verabschieden konnte.

    Als das Frühstück verputzt war, schaute Carola mich herausfordernd an: „Hast du Lust an den Strand zu fahren, dort spazieren zu gehen?"

    „Klar, warum nicht."

    So klar war das alles eigentlich gar nicht, aber bei dem Wetter sich einmal wieder eine frische Meeresbrise durch die Haare wehen zu lassen, das klang nicht schlecht. Auch hatte ich die Ostsee, obwohl Lübeck nur ein paar Kilometer von ihr entfernt lag, lange nicht mehr gesehen. Und bis zu diesem Zeitpunkt war das Frühstück ja nun wirklich sehr harmonisch gelaufen.

    Wobei in mir abermals die Frage auftauchte, warum Carola, nachdem sie in Lübeck eingetroffen war, am Freitagabend nur kurz in der Kneipe mit Peter zusammen gesessen hat, nur kurz den Samstagmorgen bei Carmen und Hans, viel mehr als gemütlich gemeinsam frühstücken konnte es eigentlich nicht gewesen sein, verbracht hatte, bevor sie sich mit mir am Nachmittag, vor der Geburtstagsfeier, getroffen hat, nun den Sonntagnachmittag, nachdem sie ja schon den Vormittag mit mir verbracht hat, auch noch mit mir verbringen wollte. Und sie somit ihre ganzen, seit Monaten nicht gesehenen Bekannten und Freunde, regelrecht versetzte.

    Und auch wenn Carola bei unserem gemeinsamen Frühstück kein Starkbier getrunken hatte, um nicht nervös zu sein, hatte ich immer noch das Gefühl, dass sie mir nicht alles gesagt hatte, was sie eigentlich hätte sagen wollen.

    Auf der Fahrt zum Strand dachte ich wieder über das Geschehnis von vor sechs Jahren nach. Damals hatte sie etwas von mir gewollt. Anstatt aber in der Kneipe, in der sie damals bediente, und ich regelmäßig Gast gewesen war, mich einfach anzusprechen, oder, sollte ihr die Kneipe zu öffentlich gewesen sein, mich zu Hause per Telefon anzurufen, hatte sie eine E-Mail an meine Firma geschickt. Ohne zu wissen, ob ich alleine im Büro sitze und die E-Mails selbst öffnen würde, oder, wie es ja dann auch geschehen ist, meine Sekretärin die Mails sortierte. Carola hatte eine angedeutete Liebeserklärung an eine E-Mail-Adresse geschickt, ohne zu wissen, welche Person diese lesen würde.

    Ein paar Wochen später, als wir ein Paar waren und über das Thema redeten, beichtete sie mir, dass sie damals sogar die Hilfe eines Freundes benötigt hatte, damit sie überhaupt die E-Mail-Adresse meiner Firma herausbekommen konnte. Sie hatte sich damals richtig Mühe gegeben, um mir, oder genauer gesagt meiner Firma, etwas per E-Mail zu schicken, was man viel einfacher per Telefon, ich stand immerhin im Telefonbuch, oder wenn es romantischer sein sollte, als Brief, in dem Telefonbuch stand auch meine Wohnadresse, in den Briefkasten hätte werfen können.

    Das war vor sechs Jahren gewesen. Was wollte sie jetzt, ging es mir durch den Kopf, während wir, nachdem wir in verschiedenen Nebenstraßen, Carola wusste nicht mehr, in welcher sie ihren Wagen geparkt hatte, ihr Auto gesucht hatten, Richtung Strand fuhren.

    Carola hatte was, keine Frage. Sie hatte etwas, was sie wahnsinnig anziehend machte. Obwohl ich nicht einmal genau sagen konnte, was es war. Aber da war auch etwas, was sie mir jetzt verheimlichte. Ich war nie ihr Freund gewesen, zählte in ihrem Bekanntenkreis, wenn überhaupt, nur unter »ferner liefen«, und das, seit dem Intermezzo von vor sechs Jahren, auch eher als »Persona non grata«; und nun verbrachte sie den größten Teil ihres Wochenendes in Lübeck, dem Ersten seit mehreren Wochen, wenn man einmal von ihrem Pflichtprogramm der Geburtstagsfeier und dem Samstagvormittag bei ihren Übernachtungswirten absieht, mit mir. Was war mit den ganzen anderen Leuten, die sie auch schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, und die, entgegen meiner Wenigkeit, zu ihrem Freundeskreis zählten?

    Später, als wir dann zusammen waren, erzählte sie mir, wie nervös sie wirklich bei unserem Treffen im Sachers, an diesem Samstagnachmittag, gewesen war, und dass das Starkbier kein bisschen genutzt hatte, um die Nervosität etwas einzudämmen. Während der Geburtstagsfeier, die in einer Kleingartenanlage stattgefunden hatte, war sie die meiste Zeit, während die anderen saßen und quatschten, mit Peters Gießkanne verträumt durch die Beete gegangen, um diese in Ruhe zu gießen – und an mich denken. Und das auch mit einem nervösen Beigeschmack, wegen des Frühstückstreffens, das sie mit mir für den folgenden Tag vereinbart hatte.

    Und nun war genau dieses Frühstück vorbei, wir fuhren an den Strand, und ich grübelte darüber, was das alles hier sollte.

    Eine Bemerkung über das heiße Wetter, damit ich nicht den Anschein erwecken würde, dass ich grüble, dann wieder irgendein Gespräch, an das ich mich heute nicht mehr erinnere, und schon waren wir am Strand.

    Eine Ecke der Lübecker Bucht auf der Seite von Meck-Pomm, die ich nicht kannte, da sie früher mit Stacheldraht vom Westen abgeschnitten gewesen war.

    Wir bekamen, auch wenn in dem Ort alle Bauern gegen Entgelt ihre Höfe als Parkplatz umfunktioniert hatten, nur mit Müh und Not einen Stellplatz für den Wagen, gingen das kurze Stück zum Strand, und dort barfuß durch den Sand und durch das Wasser.

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