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Ruf der Magier - Zorn der Finsternis: Band 2 des High Fantasy Abenteuers
Ruf der Magier - Zorn der Finsternis: Band 2 des High Fantasy Abenteuers
Ruf der Magier - Zorn der Finsternis: Band 2 des High Fantasy Abenteuers
eBook494 Seiten6 Stunden

Ruf der Magier - Zorn der Finsternis: Band 2 des High Fantasy Abenteuers

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Über dieses E-Book

Ein Soldat, der droht sein Herz zu verlieren.
Ein König, dem kein Preis zu hoch ist.
Ein Feind, der keine Gnade kennt.
Eine junge Kriegerin, die Vergeltung fordert.
Nachdem Nyah die Wahrheit über ihre Vergangenheit erfahren hat setzt sie alles daran, die Magier zu vernichten. Als sie in den Krieg gegen die Dunkelheit verwickelt wird, muss sie sich entscheiden:
Opfert sie ihr eigenes Leben, um ihre Freunde zu schützen oder sieht sie zu wie die Welt im Zorn der Finsternis versinkt?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum24. Nov. 2023
ISBN9783910615861
Ruf der Magier - Zorn der Finsternis: Band 2 des High Fantasy Abenteuers

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    Buchvorschau

    Ruf der Magier - Zorn der Finsternis - Isabel Lieshoff

    Ruf_der_Magier_2.jpg

    Copyright 2023 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    ISBN: 978-3-910615-86-1

    Alle Rechte vorbehalten

    Für alle, die auf der Suche nach einem Zuhause sind – ich hoffe, ihr findet es.

    Inhalt

    Playlist

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Kapitel 38

    Kapitel 39

    Kapitel 40

    Kapitel 41

    Kapitel 42

    Kapitel 43

    Kapitel 44

    Kapitel 45

    Kapitel 46

    Kapitel 47

    Kapitel 48

    Kapitel 49

    Kapitel 50

    Kapitel 51

    Kapitel 52

    Kapitel 53

    Kapitel 54

    Kapitel 55

    Kapitel 56

    Kapitel 57

    Kapitel 58

    Epilog

    Danksagung

    Triggerwarnung

    Triggerwarnung

    Dieses Buch nutzt Inhalte, die bei einigen Leserinnen und Lesern Unwohlsein hervorrufen oder eventuelle persönliche Trigger darstellen könnten. Eine genaue Auflistung der inbegriffenen Themen bzw. Szenen ist am Ende dieses Buches zu finden, da sie explizite Spoiler zur Geschichte enthält.

    Playlist

    YouSeeBIGGIRL/T:T – Hiroyuki Sawano (Cover von Elspeth Bawden)

    aLIEz – Hiroyuki Sawano [Cover von LeeandLie (AmaLee)]

    You are Light – Thomas Bergersen ft. Felicia Farrere

    Strength of a Thousand Men – Two Steps from Hell (Cover von Frostudio Chambersonic)

    Never give up on your dreams – Two Steps from Hell

    Burning Heart - Victoria Carbol

    9a14s – Hiroyuki Sawano

    Akuma no Ko – Ai Higuchi (Cover von Yuko)

    Earthbenders - James Newton Howard

    Infiltrate the Citadel – Rohan Stevenson

    The Hunt – Simon Franglen

    Merlin buries Lancelot – Michal Pavlíček

    Promise – Sunna Wehrmeijer

    Avatar: The Last Airbender Theme – Jeremy Zuckerman (Cover von Samuel Kim Music)

    The Crimson Flight – Ivan Torrent

    Teil 1:

    Veränderliches

    Schicksal

    Prolog

    Alecor

    Mein Großvater erzählte mir als Kind eine Geschichte über die Dunkelheit. Dieselbe Geschichte seines Vaters und dessen Vaters.

    Eine Geschichte, der ich jedes Mal aufmerksam lausche, denn sie wird mir als Herrscher noch zugutekommen. Sie ist das Fundament meines Königreichs.

    Ich selbst bin mit Geschichten über Helden und Magie aufgewachsen, doch es gab eine Zeit, da war das Reich, mein Reich, vom Krieg gezeichnet.

    Ein Krieg jenseits meiner Vorstellungskraft. Leichen und Blut, ein Anblick, der mir im Kindesalter glücklicherweise erspart geblieben ist.

    Die Zerstörung fing schleichend an. Sie nistete sich langsam, aber sicher im Herzen Avalans ein. Innerhalb eines Wimpernschlags breitete sie sich aus, so unaufhaltsam wie eine Krankheit.

    Der Auslöser dieses Krieges war das Übel, das jeder Mensch auf Erden fürchtete: Magie.

    Magie existiert seit Anbeginn der Zeit. Sie wurde einst von den alten Göttern an die Menschen weitergegeben. An das Volk, welches eines Tages vor mir auf die Knie fallen und mir die Treue schwören wird.

    Magie lässt sich nicht kontrollieren. Sie hat ihren eigenen Willen. Manche von uns sind auserkoren sie zu beherrschen. Sie werden mit magischem Blut in den Adern geboren.

    Je mächtiger die Magie wird, desto schwerer ist es, sie zu kontrollieren. Menschen verlieren sich selbst und lassen zu, dass die Magie sich ihres Verstandes bemächtigt.

    Doch dann gibt es solche, die sie bewusst missbrauchen. Solche, die nach Macht streben.

    Macht zu tragen ist eine Bürde, doch sie zu missbrauchen ist einfach. Das hat mich mein Vater früh gelehrt.

    Es hat etwas Verlockendes, sich dem Bösen hinzugeben und die Dunkelheit in seinem Inneren erwachen zu lassen.

    Das Böse findet immer seine Anhänger, pflegte mein Großvater zu sagen. Es existiert in all unseren Herzen und löscht sämtliches Licht, das sich darin befindet. Nicht jeder ist stark genug, um ihm die Stirn zu bieten.

    Großvater sprach von Soldaten auf Pferden, die vier abtrünnige Gestalten verfolgten. Sie scheuchten sie durch das Reich wie Vieh und verbannten sie für ihre Verbrechen.

    Sie waren gefürchtet, doch sie würden nicht gewinnen. Solange das Gute in Avalan existierte, würde das Böse nicht triumphieren.

    Die vier Abtrünnigen flohen weit an den Rand des Reiches, das damals noch ganz war. Sie versteckten sich an Orten, die Angst und Schrecken in den Herzen der Menschen auslösten.

    Der Wald, in dem sie verschwanden, war so dicht, dass ihre Verfolger sich darin verirrten. Nur wenige Dörfer waren zu finden, wenn man ihn durchquerte, und die Berge waren bewohnt von abscheulichen Kreaturen. Großvater beschrieb mir Monster, die einen bei lebendigem Leib verbrannten. Er sprach von grausamen Mythen und Legenden, die Unwissende von der Lichtung fernhielten.

    Nachdem die Abtrünnigen vertrieben wurden, kehrte der Frieden in Avalan ein. Das Königreich blühte auf, und zum Schutz der Menschheit gründete der damalige Herrscher die Gilde. Dort lernten Menschen, gesegnet mit der Magie der Elemente, sogenannte Elementier, den richtigen Umgang mit ihrer Gabe. Die Gilde wuchs und wurde zu einem Vermächtnis.

    Das Königreich, das ich oft von der Schlossmauer aus beobachte, vertraut auf den Schutz der Gilde. Durch sie fühlt sich das Volk sicher und kein Herrscher hat seine Landsleute jemals im Stich gelassen. Er brachte das Opfer, den Schutz seines Landes über sich selbst zu stellen.

    Jahrhunderte vergingen. Könige starben und neue wurden gekrönt. Menschen und Elementier lebten in Frieden miteinander.

    Die Bedrohung war vergessen. Sie wogen sich in Sicherheit. Die Abtrünnigen wurden seit ihrer Flucht von keiner Menschenseele mehr gesehen. Niemand wusste, ob sie überlebt hatten.

    Den Preis für diesen Fehler zahlte mein Großvater. Als Kind hatte ich gesehen, wie sich das Böse wieder erhob. Und ich wusste, ich würde die Abtrünnigen wieder bekämpfen. Es war ein Fluch. Eine Bürde, die auf den Schultern meiner Familie lastete.

    Der totgeglaubte Feind war zurückgekehrt, wenn auch geschwächt. Menschen kämpften an seiner Seite. Sie wurden von einer dunklen Macht verführt.

    Die Elementier besiegten sie auf dem Schlachtfeld, und meinem Großvater gelang es, die Dunkelheit ein weiteres Mal zurückzudrängen.

    Nach all den Jahren waren die Abtrünnigen mächtiger geworden. Sie hatten sich verändert. Einst menschlich umhüllten sie nun Schatten. Die Gesichter blass und von schwarzen Adern durchzogen. Ihre Körper bestanden nur noch aus Haut und Knochen.

    Das war der Tribut, den die schwarze Magie forderte. Auch das Land, das sie fortan ihr Zuhause und ihre Zuflucht nannten, war von der Dunkelheit verseucht. Pflanzen starben. Der Boden war unfruchtbar. Der Himmel grau. Kein einziger Sonnenstrahl durchbrach die Wolkendecke.

    Im Laufe der Jahre wagten die Abtrünnigen, nun mehr als Magier bekannt, weitere Angriffe. Sie waren Elementier, die sich in der schwarzen Magie verloren hatten.

    Großvater hatte gesehen, wie sie mit vier Schwertern kämpften. Klingen, meiner eigenen nicht unähnlich.

    Mithilfe dieser Artefakte wuchsen ihre Kräfte mit jedem Tag, der verging. Niemand wusste, wie sie sie erschaffen hatten. Mein Großvater hatte es zu seinen Lebzeiten nicht herausgefunden, ebenso wenig wie mein Vater.

    Bisher bin auch ich diesem Geheimnis nicht auf die Spur gekommen.

    Damals schon waren die Magier Feiglinge, die sich hinter ihrer Macht versteckten. Truppen, die mein Großvater und mein Vater zu ihnen ins Ödland schickten, kehrten nicht zurück. Stattdessen griffen ihre Sklaven, sogenannte Domestiken, Avalan an. Nach dem Tod meines Vaters kämpfte ich selbst gegen diesen Abschaum. Als junger Herrscher war ich unerfahren, doch ich hatte einen Eid geschworen mein Volk zu beschützen.

    Ich wollte mich nicht hinter den Mauern meines Schlosses verstecken, sondern meinen Landsleuten zeigen, dass ich mich nicht vor der Macht der Magier fürchtete.

    Nichts war mir zu diesem Zeitpunkt vertrauter als der metallische Geruch von Blut und das Klirren von Waffen auf dem Schlachtfeld. Der Krieg hatte mich gezeichnet und seine Spuren hinterlassen. Was er mich allerdings noch kosten würde, hätte ich niemals erahnen können.

    Kapitel 1

    Alecor

    Avalan 23 Jahre zuvor

    Das Schlachtfeld ist ein Anblick des Grauens. Viele meiner Soldaten haben nur leichte Verletzungen davongetragen, dafür sind die Truppen des Feindes gefallen.

    »Alecor.« Lecroy stützt sich schwer in die Zügel seines Hengstes. »Es ist endlich vorbei. Wir haben gewonnen. Die meisten von ihnen sind tot. Einige wenige konnten zurück ins Ödland fliehen.«

    Keuchend blicke ich mich zwischen den Leichen um. Die brennenden Körper bedeuten Vergeltung. Opfer, die notwendig sind, um die Gilde zu schützen. Das Blut des Feindes, welches an meinen Händen klebt, würde ich jederzeit in Kauf nehmen, wenn es dazu dient mein Volk zu retten.

    »Uns ist es gelungen eine Domestikin gefangen zu nehmen.« Lecroy räuspert sich, während ich ihm erhobenen Hauptes über das Schlachtfeld folge. Das Traben der Hufe sowie das regelmäßige Schnauben seines Rosses sind das einzige Geräusch, das ich, abgesehen von der Stille, die der Tod mit sich bringt, vernehme.

    Meine Stiefel versinken im blutgetränkten Boden, als ich aus dem Sattel steige.

    »Hier, Mylord.« Lecroy bedeutet den Elementiern vorzutreten. Sie halten eine dürre Gestalt in ihrer Mitte, deren Hände mit einem Strick hinter ihrem Rücken zusammengebunden sind. Mit geballten Fäusten betrachte ich die Gefangene.

    Das schwarze Haar hängt der Domestikin ins Gesicht. Kratzer und Blessuren verunstalten ihre Haut. Eine Schnittwunde, vermutlich im Kampf verursacht, zieht sich ihren Arm hinauf.

    Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und ich schlucke hörbar. Erneut muss ich über das Schicksal eines Menschen entscheiden. Wie oft werden meine Hände noch mit Blut befleckt sein?

    Ich sollte in meinen Zwanzigern noch keine Schlachten anführen, doch mein Vater hat die Dunkelheit nicht besiegen können. Genauso wenig wie mein Großvater. Nun liegt es an mir diese Pflicht zu erfüllen. Und ich werde nicht den gleichen Fehler wie meine Vorfahren begehen.

    Ich werde die Magier nicht unterschätzen. Nicht, nachdem bereits so viele Soldaten der Gilde in den letzten Jahrzehnten durch ihre Hand gestorben sind.

    Mit abschätzigem Blick mustere ich die Gefangene genauer. Lecroy drückt ihr seine Stiefelspitze in den Rücken und mit hasserfülltem Blick sieht sie zu mir hoch. Ein Fauchen dringt aus ihrer Kehle, das mich beinahe zurückweichen lässt, doch die Frau ist menschlich genug, dass sie mich verstehen wird.

    »Sie ist die letzte Überlebende der Domestiken«, erwidert der Soldat neben Lecroy. Seinem Umhang nach zu urteilen ist er ein Erdmagier. »Was sollen wir mit ihr machen, Mylord?«

    Ich runzle die Stirn. Diese Domestikin könnte mir nützlich sein. Vielleicht verfügt sie über Informationen, die der Gilde helfen, diesen Krieg, der schon viel zu lange andauert, zu beenden.

    Oder aber sie kennt eine Schwachstelle der Magier. Ich vermute, dass selbst diese abtrünnigen Verbrecher nicht unbesiegbar sind. Schließlich waren sie einst Elementier. Sie müssen einen wunden Punkt besitzen, doch bisher ist es mir nicht gelungen diesen zu finden.

    Mit einer Domestikin in meinen Reihen könnte sich das vielleicht ändern.

    »Ihr werdet ihr nicht wehtun«, befehle ich, und meine Stimme hallt laut und deutlich über das Schlachtfeld. Ich straffe die Schultern und sehe meinen Soldaten fest in die Augen. »Heute ist bereits zu viel Blut vergossen worden. Das muss ein Ende finden. Wir alle sind müde von Tagen des Kämpfens. Vielleicht gibt es auch einen anderen Weg die Dunkelheit zu vernichten.«

    Ich deute auf die Domestikin, die sich im Griff der Soldaten windet.

    »Nimm diese Abscheulichkeit mit ins Schloss«, befehle ich meinem Kommandanten. Lecroy ist beinahe doppelt so alt wie ich. Er hat schon meinem Vater gedient und ist meiner Familie gegenüber immer loyal gewesen. Bei den Elementen, es fühlt sich seltsam an ihm Befehle zu erteilen. Doch Lecroy salutiert gehorsam, schlägt sich seine geballte Faust an die Brust und zerrt die Gefangene mithilfe des Erdmagiers auf ein Ross.

    »Ihr werdet alle verrotten!« Die Frau erhebt ihre ausdruckslose Stimme. »Meine Meister werden mich retten! Ihr seid dem Tode geweiht!«

    »Still, du Abschaum.« Der Erdmagier umschließt mit seiner Hand die Kehle der Domestikin und bringt sie damit augenblicklich zum Schweigen.

    Kopfschüttelnd wende ich mich ab und steige auf mein eigenes Ross.

    ***

    Seit zwei Wochen meide ich die Gesellschaft der Frau. Sie will einfach nicht aufhören nach den Magiern zu schreien. Was ist ihr widerfahren? Wie hat sie ein solches Leid ertragen können?

    Es hat keinen Zweck sie zu befragen. Sie würde mir keine Informationen verraten, sondern eher versuchen mir mit ihren spitzen, schmutzigen Nägeln die Augen auszukratzen.

    Es sei denn …

    Resigniert schüttle ich den Kopf. Ich habe noch nie versucht meine Macht bei einem Domestiken anzuwenden. Doch wenn der Wille der Frau stark genug ist, schaffe ich es vielleicht sie von der Dunkelheit zu befreien. Einen Versuch ist es zumindest wert. Was habe ich, nach allem, was geschehen ist, noch zu verlieren?

    Entschlossen bedecke ich meine Schultern mit einer roten Robe. Sie ist einst das Gewand meines Vaters gewesen und ist in jeder Hinsicht eines Herrschers würdig. Die Kristallkrone auf meinem Kopf fühlt sich zu schwer an, als ich die Stufen bis zu den Verliesen hinabsteige.

    Gildesoldaten sehen mich erstaunt an, während ich zwischen den leeren Zellen entlangschreite, bis ich vor den Eisengittern stehen bleibe, die mich von der Domestikin trennen.

    »Vorsicht, Mylord«, warnt mich einer der Wachen. »Sie ist gefährlich. Wir mussten bereits zweimal ihre Fesseln erneuern. Wenn sie die Gelegenheit zur Flucht sieht, wird sie sie ergreifen, daran besteht kein Zweifel.«

    »Was ist mit ihren Handgelenken passiert?«, frage ich und betrachte skeptisch die blutbeschmierten Hautfetzen, die an den Armen der Domestikin herabhängen. »Hat niemand einen Heiler zu ihr geschickt? Die Wunden werden sich infizieren.«

    Der Soldat reibt sich perplex über den Nacken und tritt unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Nun ja …«, stammelt er. »Sie versucht sich immer wieder aus ihren Fesseln zu befreien und scheint den Schmerz kaum zu spüren. Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, sie am Leben zu erhalten.«

    »Das ist nicht deine Entscheidung«, knurre ich und schlage meine Fäuste gegen die Eisenstäbe. Der Soldat zuckt erschrocken zusammen und salutiert.

    »Verzeiht, Mylord, ich …«

    »Du kannst wegtreten. Ich kümmere mich um sie.«

    »Natürlich. Wie Ihr wünscht.« Er presst sich die geballte Faust an die Brust und verschwindet den Gang hinunter.

    Froh, außer Hörweite der Wachen zu sein, wende ich mich an die Domestikin.

    »Wie lautet dein Name?«

    Als Antwort erhalte ich bloß ein grimmiges Fauchen. Ihre Fesseln klirren, als sie sich dagegen stemmt. Frisches Blut rinnt ihr Handgelenk hinab.

    Mein Herz zieht sich zusammen. Die Domestikin erweckt Mitleid in mir. Sie ist nicht viel mehr als ein Schatten ihrer selbst. Ein gebrochenes Geschöpf, das am Boden meiner Zelle kauert. Was für ein Leben muss diese Frau gehabt haben? Wie ist sie in die Fänge der Magier geraten?

    »Ich bin hier, um dir zu helfen«, sage ich und trete einen Schritt auf das Eisengitter zu. Mit klopfendem Herzen schließe ich die Zelle auf. Der Schlüssel klirrt in meiner Hand, als ich ihn wieder an meinem Gürtel befestige.

    Zwar faucht und zischt die Domestikin wie eine wild gewordene Bestie, doch an Armen und Beinen gefesselt kann sie mir nichts anhaben. Rasch knie ich mich zu ihr hinab, bis ich auf Augenhöhe mit der jungen Frau bin.

    »Ich werde dir nicht wehtun«, verspreche ich. »Ich möchte dich von der Dunkelheit befreien.«

    »Monster!«, schreit die Gefangene und erneut platzt die Haut an ihren Handgelenken auf. Die schwarze Magie hat sie vollkommen in ihrem Bann.

    »Ich werde dich von deinem Leid erlösen.«

    Hasserfüllt begegnet die Domestikin meinem Blick, während ich tief durchatme und ein sanftes Licht in meiner Handfläche beschwöre. Meine Familie hat schon immer eine starke Affinität zur Heilung gehabt, doch ich und mein Vater haben es geschafft das Feuer in etwas viel Größeres, Mächtigeres zu verwandeln. Etwas, dass die Dunkelheit von innen heraus verbrennen könnte. Ist die Domestikin stark genug, wird sie den Prozess überleben und als Mensch aufwachen.

    Vorsichtig hebe ich meine Hand, presse sie an ihre Stirn und das einst sanfte Licht verwandelt sich in einen gleißend hellen Strahl. Die Domestikin schreit verzweifelt auf. Ihre bleiche Haut glüht unter meiner Handfläche. Die Schwärze aus ihren Augen weicht dem Licht und sie sackt reglos in sich zusammen.

    ***

    Ein Jahr später

    »Alecor.« Iniq lächelt mich an. Ihre Lippen verziehen sich zu einem breiten Grinsen, das eine wohlige Wärme in meinem Brustkorb auslöst.

    »Du bist ja doch noch gekommen.«

    Im letzten Jahr habe ich sie in der Kampfkunst ausgebildet und ihr alles beigebracht, was ich weiß. Sie hat nicht nur die Gebräuche und Traditionen der Gilde gelernt, sondern auch den Schwertkampf.

    Nun ist Iniq eine Kriegerin. Ihre Veränderung erfüllt mich mit Stolz. Nachdem meine Magie sie von der Dunkelheit befreit hat, ist sie beinahe so tollpatschig wie ein Kind gewesen. Sie hat sich bloß an ihren Namen erinnert.

    Vor einem Jahr jedoch hat sie mich gebeten, ihr die vier Tugenden der Kampfkunst beizubringen. Ich habe zuerst gedacht sie würde scherzen, doch selten ist mir eine Kämpferin mit einem so starken Willen, wie Iniq ihn besitzt, begegnet. Innerhalb kürzester Zeit ist sie zu einer meiner besten Kriegerinnen herangewachsen. Und das ganz ohne Elementmagie.

    Der Nahkampf ist ihre Stärke. Nicht nur mit dem Schwert hat sie mich mehrfach in Verlegenheit gebracht, auch im Faustkampf darf ich sie nicht unterschätzen. Iniq ist schnell und wendig, und ihre Bewegungen erinnern mich manchmal an die einer Schlange. Gleichzeitig sind sie sanft, als würde sie tanzen.

    Ich habe sie all die Monate persönlich ausgebildet und mich dabei in sie verliebt. Bis heute scheue ich mich jedoch davor ihr meine Gefühle zu gestehen.

    Vor einigen Wochen hat Iniq mich gefragt, ob sie der Gilde würdig sei. In Wahrheit glaube ich, sie ist die würdigste Kriegerin, die das Schloss jemals betreten hat. Die Domestikin, die ich einst in meinem Verlies gefangen gehalten habe, ist wahrlich etwas Besonderes.

    Sie bringt ein Licht in mir zum Vorschein, von dem ich geglaubt habe, es schon lange verloren zu haben, und mit jedem Tag, der vergeht, fühle ich mich mehr zu ihr hingezogen.

    Trotzdem verbringt sie die meiste Zeit in ihren Gemächern oder in der Bibliothek. Iniq liebt es zu lesen. Ich sehe sie so gut wie nie ohne ein Buch in der Hand. Stundenlang vergräbt sie ihre Nase in alten Geschichten, Mythen und Legenden. Abends erzählt sie mir voller Begeisterung von den Abenteuern, die zwischen den Zeilen auf sie warten.

    Iniq ist eine temperamentvolle Frau und ihr Temperament ist ansteckend. Es ist eines der Gründe, weshalb ich mich in sie verliebt habe.

    Auch am Abend des Elementierballs ist sie vollkommen in eine, vermutlich magische, Geschichte vertieft. Sie hat die Knie angewinkelt und balanciert die Lektüre auf ihrem Schoß. Im dumpfen Kerzenschein fällt mir ihre Veränderung besonders auf. Der Schwertkampf hat ihr geholfen Muskeln aufzubauen und ihr Körper hat an Stärke gewonnen. Im letzten Jahr ist aus dem zierlichen, abgemagerten Mädchen eine junge Frau geworden.

    Das schwarze Haar fällt ihr in Wellen über die Schultern. Sie trägt ein graues Hemd, das sich eng an ihre Taille schmiegt und ihre Brüste betont, die nicht mehr so flach sind, wie noch vor einem Jahr.

    Sie ist wunderschön.

    Obwohl ich Iniq jeden Abend besuche, um mit ihr zu speisen und ihr neue Bücher zu bringen, ist die heutige Nacht etwas Besonderes für mich. Das Schloss ist erwacht, voller Lichter und Leben. Liebliche Klänge von Musik dringen durch die Gänge. Anlässlich des Balls trage ich eine festliche Robe, die mit goldenen Stickereien verziert ist.

    Ein glänzender, bronzefarbener Gürtel windet sich um meine Taille, der im Licht von Iniqs Gemächern aussieht, als würde er Flammen schlagen.

    »Ich habe uns Wein mitgebracht«, sage ich und Iniq schaut erschrocken von ihrem Buch auf. Mir entgeht nicht, wie sich ihre Augen weiten, als sie meine festliche Robe betrachtet.

    »Du siehst so förmlich aus«, entgegnet sie. »Gibt es dafür einen Grund?«

    »Den Elementierball«, erwidere ich und mache einen Schritt auf sie zu.

    »Ach, die Tanzveranstaltung von der du mir erzählt hast?« Iniqs Wangen röten sich leicht.

    Ich nicke und schenke uns Wein ein. Lächelnd reiche ich ihr einen Kelch. Der süßliche Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus, als ich ihn an meine Lippen führe. Iniq tut es mir gleich.

    »Ich habe die Musik gehört und mich schon gewundert, woher sie stammt.«

    Sie stellt ihren Kelch auf dem Tisch ab und legt das Buch daneben.

    »Möchtest du tanzen?«, frage ich und strecke ihr mit klopfendem Herzen meine Hand entgegen.

    »Aber ich trage doch gar kein Ballkleid«, erwidert Iniq und weicht meinem Blick aus.

    »Das macht nichts. Du bist auch so wunderschön.« Ich ziehe sie an mich.

    »O, Alecor. Ich kann überhaupt nicht tanzen.« Verunsichert schmiegt sich Iniq in meine Arme. Lächelnd sehe ich zu ihr hinab. Sie ist einen Kopf kleiner als ich.

    »Ich kann es dir beibringen«, sage ich und umfasse sogleich ihre Hand. »Du wirst sehen, Tanzschritte und der Schwertkampf unterscheiden sich nicht so sehr voneinander, wie du glaubst. Beides ist eine Kunst, die nur durch Übung perfektioniert werden kann.«

    Ich versuche sie nicht zu bedrängen und beschwere mich nicht einmal, als Iniq mir zum dritten Mal an diesem Abend auf die Füße tritt. Sie stellt sich wirklich ungeschickt an, doch genauso ungeschickt ist sie zu Anfang auch beim Kämpfen gewesen.

    Ihr eiserner Wille jedoch bezwingt jede Herausforderung, vor die ich sie stelle.

    Bald schon bewegen wir uns im langsamen Takt der Musik, die aus dem Ballsaal zu uns herüberdringt. Meine Hände liegen auf Iniqs Hüften. Ich ziehe sie noch ein Stück näher an mich und atme den Duft ihrer schwarzen Haare ein. Es glänzt im Kerzenschein und riecht nach Lotusblüten.

    »Du bist wirklich ein begabter Tänzer«, lobt mich Iniq und ich verliere mich in ihrem Blick.

    »Mein Vater hat es mir beigebracht«, erwidere ich. »Als Herrscher der Gilde ist es unerlässlich, dass ich ein paar klassische Tänze kenne.«

    Ich wirbele sie in meinen Armen herum. Unsere Nasenspitzen berühren sich, als wir einander ansehen. Iniq lächelt und lehnt ihren Kopf an meine Schulter.

    Ich streiche mit dem Daumen über ihre erhitzten Wangen. Meine müssen inzwischen ebenfalls glühen.

    Als Mondschein in Iniqs Gemächer fällt, führe ich sie zum Fenster und schlinge meine Arme von hinten um ihren Körper.

    »In Harloth gibt es einen Fluss, in den die Bewohner bei Vollmond Münzen hineinwerfen. Dann wünschen sie sich etwas und wenn sie fest genug daran glauben, geht der Wunsch vielleicht in Erfüllung«, flüstere ich dicht an ihrem Ohr. »Wenn du einen Wunsch frei hättest, welcher wäre es?«

    »Ich wünsche mir Frieden«, erwidert Iniq ebenso leise. Sie greift nach meiner Hand und verschränkt ihre Finger mit meinen. Ihre Haut fühlt sich warm auf meiner an und verursacht ein wohliges Kribbeln in meinem Magen.

    »Du warst schon immer eine selbstlose Seele.« Zärtlich streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du denkst immer nur an das Wohl der anderen, doch was ist mit deinem eigenen?«

    Iniq dreht sich zu mir um.

    »Das Wohl anderer über mein eigenes zu stellen, habe ich von dir gelernt«, sagt sie und sieht zu mir auf. »Es ist das Opfer, was ein Herrscher bringen muss.«

    Sie lächelt und drückt meine Hand.

    »Was würdest du dir wünschen, Alecor?«

    Ich erwidere ihren sanften Blick und frage mich, ob dieselbe Wärme ihren Brustkorb durchflutet wie meinen. In Iniqs Gegenwart fühle ich mich zum ersten Mal wie ich selbst. Hier in ihren Gemächern muss ich meine Gefühle nicht verstecken. Hier bin ich nicht nur ein Herrscher, sondern ein junger Mann, der sich zu einer wunderschönen, jungen Frau hingezogen fühlt.

    »Alles, was ich mir wünsche, befindet sich bereits hier«, flüstere ich in ihr Haar und ziehe ihren Kopf an meine Brust.

    Iniq senkt die Lider und ihre Wimpern streifen ihre Wangen. Mein Herz stolpert. Sie wirkt so unschuldig wie eine Blüte, die vom Wind fortgetragen wird, aber dennoch ist sie mutig, sanft und ich liebe es, wie sie mich herausfordert.

    Ehe mich mein eigener Mut verlässt, presse ich meine Lippen auf ihren Handrücken.

    »Ich werde dich jetzt schlafen lassen«, sage ich, wissend, dass ich ihre Zeit schon viel zu lange in Anspruch genommen habe. Ich muss in meine Gemächer zurückkehren und die Vorbereitungen für den morgigen Tag treffen. Das ein oder andere Pergament wartet noch darauf von mir unterschrieben zu werden.

    Seufzend lasse ich von Iniq ab, streiche meine Robe glatt, die vom Tanzen zerknittert ist, und bewege mich in Richtung der Flügeltüren.

    »Alecor«, flüstert Iniq so leise, dass ich Mühe habe sie zu verstehen. »Darf ich mir noch etwas wünschen?«

    Ich halte mitten in der Bewegung inne und drehe mich zu ihr um.

    »Ausnahmsweise. Weil du es bist«, erwidere ich mit einem Lächeln, woraufhin Iniq einen Schritt auf mich zumacht. Sie wirkt verlegen und ihre Hände zittern kaum merklich.

    »Wenn ich dich darum bitte mich zu küssen, würdest du es tun?«

    Meine Knie werden weich. Darum bittet sie mich? Ich habe alles von ihr erwartet, nur nicht das. Für einen Moment verschlägt es mir die Sprache, und Iniq tritt noch näher an mich heran.

    »Ich … habe diese Erfahrung noch nie gemacht«, gesteht sie. »Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt und warum mein Herz jedes Mal, wenn ich dich sehe, droht mir aus der Brust zu springen.«

    Ergeht es ihr wie mir? Fühlt sie sich genauso sehr zu mir hingezogen, wie ich mich zu ihr? Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, habe mir dieses Glück nie erträumen lassen.

    »Alecor?«, fragt Iniq unsicher und endlich erwache ich aus meiner Starre.

    »Erfüllst du mir meinen Wunsch?«, haucht sie an meinen Lippen und ihre runden, dunklen Augen blicken mich an, blicken direkt in meine Seele.

    »Wie könnte ich ihn dir abschlagen?«, wispere ich mit rauer Stimme und presse meine Lippen sanft auf ihre. Die Berührung ist hauchzart, sodass sich Iniq mir jederzeit entziehen kann.

    Doch das tut sie nicht.

    Stattdessen schlingt sie ihre Arme um meinen Nacken und vertieft unseren Kuss. Er wird inniger. Leidenschaftlich.

    Bald schon ringe ich nach Atem, überwältigt von der Magie, die wir gemeinsam erschaffen.

    Eine Magie, die stärker ist als die der Elemente. Magie, die die Schatten um uns herum verdrängt und in diesem Krieg triumphieren wird.

    ***

    Einige Wochen später

    »Ich kenne die Quelle ihrer Macht.« Iniq legt das Buch auf meinen Schreibtisch und deutet auf eine Zeichnung. »Vier Schwerter«, erklärt sie. »Auch genannt Artefakte. Damit praktizieren sie die schwarze Magie.«

    Diese Waffen … sie stammen aus den Erzählungen meines Großvaters. Damals hat er die Magier und ihre Artefakte in einer Schlacht besiegt. Doch wie gelangt Iniq an solch gefährliche Informationen?

    »Woher hast du dieses Buch?«

    Mit gerunzelter Stirn betrachte ich die Lektüre. Das Buch hat einen braunen, staubigen Ledereinband. Auf dem Deckel ist das Muster einer Drachenklaue eingeprägt. Es sieht so alt aus, dass ich befürchte, es könnte jeden Moment in meiner Hand zerfallen.

    »Ich bin zufällig darauf gestoßen.« Iniq lehnt sich gegen meinen Schreibtisch. »Es gibt in der Bibliothek eine geheime Kammer mit alten Büchern. Sie alle handeln von schwarzer Magie. Vielleicht helfen sie uns, die Magier zu besiegen.«

    »Nein. Die dunkle Macht ist … gefährlich. Sie verdirbt einen. Ich habe gesehen, was sie anrichten kann. Du erinnerst dich nicht daran, aber … ich will nicht, dass sie dich zerstört.« Es schmerzt mich die Enttäuschung in Iniqs Gesicht zu sehen, wo sie eben noch so euphorisch war. Doch ich werde nicht zulassen, dass sie sich in Gefahr bringt.

    »Aber du hast dir die Bücher ja nicht einmal angeschaut …« Iniq legt eine Hand auf meinen Arm. »Diese Magie ist das Faszinierendste, was ich jemals entdeckt habe.«

    Ich beiße mir auf die Lippe, während ich das unheilvolle Buch auf meinem Tisch betrachte. Solche Schriften hätten längst vernichtet werden müssen. Bestimmt stammen sie von meinen Vorfahren aus vergangener Zeit. Ich werde dafür sorgen, dass sie keinen Schaden anrichten, dass niemand sie missbrauchen kann. Zum Wohle Avalans.

    »Ich werde die Kammer versiegeln«, sage ich. »Was auch immer du gefunden hast, wird verbrannt.«

    »Alecor, nein«, fleht Iniq und krallt ihre Finger in meine Robe. »Ich bitte dich. Tu das nicht. Zerstöre nicht unsere einzige Möglichkeit auf einen Sieg. Auf eine Zukunft.«

    Sie umklammert meine Hand und führt meine Finger an ihre Lippen.

    »Iniq …« Wieder einmal bin ich gebannt von ihrer Schönheit. Von ihrem schwarzen Haar, das ihr Gesicht umrahmt, und den dunklen, runden Augen. Ihre leicht geöffneten Lippen wirken geradezu einladend, würden sie in diesem Moment nicht beginnen zu beben.

    »Ich habe sie alle gelesen«, flüstert Iniq mit erstickter Stimme und Tränen schimmern in ihren Augen. »Jeden einzelnen Spruch. Jede Zeile. Jedes Wort. Ich versuche seit Tagen die schwarze Magie zu beschwören und es ist mir tatsächlich gelungen.«

    Sie beißt sich auf die Lippe. »Und ich glaube, ich weiß jetzt, wie die Magier ihre Macht aus den Schwertern beziehen. Die Artefakte sind wie ein schlagendes Herz für sie. Sie haben einen Teil ihrer Seele mit den Klingen verbunden. Wir könnten ihre Macht schwächen, wenn es mir gelingt, eine der Waffen zu stehlen.«

    »Das kommt überhaupt nicht infrage. Weißt du eigentlich, wovon du da redest, Iniq?« Ich packe sie an den Schultern, so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten. »Die Bücher werden verbrannt, und das ist mein letztes Wort.«

    Eine Träne rinnt Iniqs Wange hinab. »Nein, du verstehst das nicht. Die Artefakte … ihre Magie ist wie ein Kreislauf. Wir können ihn durchbrechen, indem wir nur eines der vier Schwerter daraus trennen. Ich könnte in die Dunkellande aufbrechen, versuchen meine Seele damit zu verbin- «

    »Es reicht!« Mein scharfer Tonfall lässt Iniq zusammenzucken, und sie verstummt augenblicklich.

    »Ich habe genug gehört. Du wirst nirgendwo hingehen. Und wenn ich dich in Ketten legen muss. Ich lasse nicht zu, dass du dich in solche Gefahr begibst.«

    »Also willst du mich im Schloss einsperren?« Iniqs Augen weiten sich, und sie weicht erschrocken vor mir zurück.

    »Ich dachte wirklich, du würdest es verstehen.«

    Weitere Tränen perlen über ihre Wangen und tropfen auf meinen Schreibtisch.

    »Ich will dich doch nur beschützen!« Frustriert fahre ich mir über das Gesicht. »Iniq, ich liebe dich, und ich will dich nicht verlieren.«

    »Hierbei geht es aber nicht nur um uns!« Trotzig verschränkt sie die Arme vor der Brust. »Es geht um Avalan. Um die Zukunft dieses Reiches.«

    Ihre Worte sind wie ein Messerstich in meiner Brust. Ich weiß, dass sie recht hat. Und dennoch will ich es nicht wahrhaben.

    Rasch überbrücke ich die Distanz zwischen uns und ziehe sie in meine Arme. »Manchmal wünschte ich wirklich ich könnte selbstsüchtiger sein«, flüstere ich und presse einen Kuss auf ihren Scheitel. »Doch als Herrscher ist mir das leider nicht vergönnt.«

    Iniq nickt und schmiegt ihre Wange an meine Robe. Sie sieht zu mir auf.

    »Bitte, Alecor. Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue.«

    Mit dem Daumen fahre ich über ihre Wangen und wische die Tränen fort.

    »Es tut mir leid«, erwidere ich und löse mich von ihr. »So sehr es mich schmerzt, ich kann deiner Bitte nicht nachkommen. Ich befehle meinen Soldaten noch heute Nacht alle Bücher zu verbrennen.«

    Zitternd straffe ich die Schultern und streiche meine Robe glatt.

    »Alecor, nein! Tu das nicht! Ich flehe dich an! Tu das bitte nicht!«

    Iniqs Schrei wird von der zufallenden Tür abgeschnitten, als ich sie hinter mir zuschlage und mit geballten Fäusten auf den Gang hinausstürme.

    ***

    Ich habe mich selbst ins Verderben gestürzt. Ich habe Iniq nicht aufhalten können. Ohne mein Wissen ist sie vor drei Nächten in die Dunkellande aufgebrochen, um eines der vier Schwerter – ein Artefakt – zu stehlen. Die Kammer in der Bibliothek ist seit Wochen versiegelt. Die Bücher darin sind nicht mehr als ein Haufen Asche. Iniq hat mir meine Entscheidung, sie zu verbrennen, nicht verziehen, aber die Gefahr, die von den Zeilen ausgeht, ist zu groß. In den falschen Händen hätten diese Bücher gewaltigen Schaden anrichten oder die Gilde sogar vernichten können. Zwischen zitternden Fingern drehe ich die Kette in meiner Hand, die ich extra für Iniq habe anfertigen lassen. Eine Silberkette mit einem Medaillon, in dessen Inneren ich die Inschrift Wir müssen aus den Schatten heraustreten eingravieren lassen habe. Wenn sie zurückkehrt, werde ich ihr das Schmuckstück überreichen. Hoffentlich nimmt sie meine Entschuldigung an und kann mir vergeben.

    Zwei Tage später ist es endlich so weit. Mitten in der Nacht wecken mich die donnernden Hufe eines Rosses. Zwei Soldaten informieren mich über Iniqs Rückkehr, und nur in meinem Nachtgewand bekleidet stürme

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