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Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers: Der vierte Fall
Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers: Der vierte Fall
Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers: Der vierte Fall
eBook202 Seiten2 Stunden

Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers: Der vierte Fall

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Über dieses E-Book

Mit Kunst hat Frau Helbing wenig am Hut. Trotzdem willigt die pensionierte Fleischereifachverkäuferin ein, ihre Freundin Heide auf eine Vernissage in die Hamburger Galerie Kleidermann zu begleiten. Denn der kürzlich verstorbene Marcel Poisson, dem sich die Ausstellung widmet, ist mit Frau Helbing zur Schule gegangen. Obwohl ihm der große Durchbruch als Künstler zu Lebzeiten verwehrt blieb, hat Poisson ein beträchtliches Vermögen hinterlassen: Er hat berühmte Gemälde kopiert und an Kunstliebhaber verkauft. Kurz nach der Vernissage wird in die Villa des Malers eingebrochen. Poissons Lebensgefährte Jacques bittet Frau Helbing, deren detektivische Fähigkeiten sich herumgesprochen haben, um Mithilfe. Doch als sie in der Villa eintrifft, ist Jacques tot – mit einem Schürhaken erschlagen. Um den Mörder zu überführen, muss sich Frau Helbing in eine ihr völlig fremde Welt begeben.
SpracheDeutsch
HerausgeberOKTOPUS by Kampa
Erscheinungsdatum13. Okt. 2022
ISBN9783311703846
Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers: Der vierte Fall
Autor

Eberhard Michaely

Eberhard Michaely, geboren 1967 in Saarbrücken, studierte Jazz-Saxophon an der Musikhochschule Köln, hatte Engagements in verschiedenen Jazzprojekten und Musical-Produktionen und komponierte für eigene Bands. Seit er 2014 auf einer Pilgerreise die Liebe zum Schreiben entdeckt hat, lässt er seine Kreativität statt in die Musik in seine Kriminalromane fließen. Außerdem ist Michaely als Busfahrer für die Hamburger Hochbahn tätig. Seine Pausen und die ruhigen Minuten kurz nach Feierabend nutzt er, um in sein Notizbuch zu schreiben, denn was könnte besser zu Schauplätzen und Figuren inspirieren als seine täglichen Runden durch die Straßen der Hansestadt, mit den unterschiedlichsten Fahrgästen an Bord? Frau Helbing ist ihm übrigens in der Linie 5 begegnet, da kam sie gerade von ihrem Wocheneinkauf auf dem Isemarkt.

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    Buchvorschau

    Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers - Eberhard Michaely

    1

    Frau Helbing fühlte sich unbehaglich. Ein bisschen verloren stand sie in der gut besuchten Galerie Kleidermann, hielt ein Glas Orangensaft in der Hand und fragte sich, wie lange die Veranstaltung wohl noch andauern würde. Heide hatte sie dazu überredet, diese Ausstellung zu besuchen. Eine »Hommage« sei das, hatte sie geschwärmt, die im Andenken an den kürzlich verstorbenen Maler Marcel Poisson stattfände. Frau Helbing hatte weder gewusst, was »Hommage« bedeuten sollte, noch, wer Herr Poisson war. Eigentlich hatte sie gar nicht mitkommen wollen, aber als Heide ihr erklärt hatte, dass es sich bei Marcel Poisson um einen Künstlernamen handelte, mit dem ihr gemeinsamer früherer Mitschüler Karl Schnelling auf dem internationalen Kunstmarkt Aufsehen zu erregen gehofft hatte, war ihr Interesse geweckt.

    »Der Karl?«, hatte Frau Helbing ungläubig nachgefragt. »Der war Maler?«

    Sie hatte in ihren Erinnerungen gekramt, aber wenig gefunden. Ein Einzelgänger war Karl gewesen. Einer, der nie dabei war, wenn die anderen Jungs Fußball gespielt hatten. Ein scheuer Typ, der Frau Helbing kaum im Gedächtnis geblieben war. Einmal hatte sie ihn gefragt, was er denn nach der Schule machen wollte, erinnerte sie sich. Aber anstatt einen konkreten Berufswunsch zu nennen, hatte er geantwortet, die Hauptstädte der Welt erobern zu wollen. Diese Aussage, wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte Frau Helbing frösteln lassen. Aber rückblickend wurde ihr klar, wie das wohl gemeint gewesen war. Offenbar hatte er damals schon eine klare Vorstellung davon gehabt, in welche Richtung sich sein Leben entwickeln sollte. Er wollte mit seinen Werken in den bedeutendsten Museen aller Kontinente vertreten sein, auf einer Stufe stehend mit den Größten seiner Zunft. Im Nachhinein fand Frau Helbing das sehr beeindruckend.

    Nun hatte sie eine Auswahl seiner Bilder in Augenschein genommen und hätte ihn gerne gefragt, ob das mit der Eroberung der Hauptstädte auch zu seiner Zufriedenheit verlaufen war. Aber Karl lebte nicht mehr. Vor wenigen Wochen war er friedlich eingeschlafen, wie Heide in Erfahrung gebracht hatte. Diese Information hatte sie von Jacques, Karls Lebensgefährten. Seiner Muse, wie Heide es ausgedrückt hatte. Eine Muse diene einem Künstler als Inspirationsquelle, hatte Heide ihr erklärt. Frau Helbing war nicht verwundert gewesen, als Heide ganz beiläufig erwähnt hatte, dass Jacques ebenfalls ein Pseudonym sei und der Franzose in Wahrheit einen ganz anderen Namen trage, der ihr aber nicht mehr einfallen wollte. Er sei aber ein ausgezeichneter Friseur, und die Pöseldorfer Damenwelt schien sich um seine Aufmerksamkeit zu balgen. Wer einen Termin bei Jacques bekam, gehörte einfach zur Hautevolee, behauptete Heide, ohne dass Frau Helbing wusste, was das heißen sollte.

    Die Bilder, die alle mit Marcel Poisson signiert waren, gefielen Frau Helbing ausnahmslos. Sie war bereits zweimal durch die Räume der Galerie gegangen und hatte erstaunt festgestellt, dass die Gemälde sehr unterschiedlich waren. Als hätte Karl versucht, so viele Maltechniken wie möglich auszuprobieren. Von zarten Bleistiftskizzen bis hin zu pastenartig aufgetragenen Ölfarben war die ganze Bandbreite der Möglichkeiten, die einem bildenden Künstler zur Verfügung stehen, angewendet worden.

    Obwohl sich Frau Helbing in der Welt der Malerei nicht auskannte, hatte sie das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Die Bilder gehörten einfach nicht zusammen. Entwickelt ein Maler nicht mit der Zeit einen eigenen unverwechselbaren Stil?, fragte sie sich bei jedem Bild erneut. Heide hatte ihr mal einen Abreißkalender mit Werken von Friedensreich Hundertwasser geschenkt. Da gab es natürlich Unterschiede zwischen den einzelnen Bildern, aber man erkannte deutlich eine Richtung, eine klare Idee, die alle Gemälde einte und sie einem einzigen Künstler zuordnen ließ.

    Frau Helbing hatte jetzt genug gesehen und überlegte gerade, nach Hause zu gehen, als Heide mit ausladenden Schritten auf sie zukam. Sie zog einen zierlichen Mann hinter sich her, der ganz in Schwarz gekleidet war.

    »Das ist Jacques«, sagte Heide und schob den Friseur etwas näher an Frau Helbing.

    »Madame ’elbing«, sagte Jacques lächelnd. »Wie schön. ’eide ’at mir schon viel von Ihnen erzählt.«

    Einen solchen Akzent hatte Frau Helbing noch nie gehört. Von Heide war sie zwar vorgewarnt worden, dass die Franzosen den Buchstaben H nicht aussprechen könnten, aber sie hatte es nicht glauben wollen.

    »Sie ’aben gekannt Karl?«, fragte Jacques.

    »Gekannt kann man eigentlich nicht sagen«, antwortete Frau Helbing. »Wir waren auf derselben Schule. Heide, Karl und ich. Aber was er danach gemacht hat …« Sie zog die Schultern hoch.

    »Er ’at gemalt ’errliche Bilder. N’est-ce pas?«, schwärmte Jacques und vollführte eine ausladende Armbewegung, die den Blick zu den Gemälden lenken sollte. »Karl konnte malen alle Stil.«

    »Jaja«, sagte Frau Helbing. »Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber was ist eigentlich typisch für Karl?«

    »Oh, sein grand cœur. Wie sagt man auf Deutsch?«

    »Sein großes Herz«, soufflierte Heide.

    »’erz«, bestätigte Jacques mit einem Kopfnicken.

    »Nein, ich meinte, was typisch für seine Bilder ist. Ich finde die Gemälde alle so …«, Frau Helbing kam kurz ins Stocken, »… unterschiedlich. Es steht zwar überall Marcel Poisson drauf, aber sie scheinen tatsächlich von verschiedenen Malern zu stammen.«

    Frau Helbing hatte ganz offensichtlich einen wunden Punkt getroffen, denn Jacques wiegte unsicher mit dem Kopf hin und her und wusste nicht so recht, auf die Frage zu antworten.

    »Das war, glaube ich, Karls Problem«, schaltete sich Heide ein. »Er hat sein Leben lang keinen eigenen Stil gefunden. Er war ein ewig Suchender.«

    »So kann man das nicht sagen«, bemerkte ein Mann, der plötzlich neben Heide stand.

    Frau Helbing erkannte Herrn Kleidermann, den Galeristen, der ganz am Anfang der Veranstaltung etwas über Karls Leben und Schaffen erzählt hatte.

    »Marcel Poissons Einzigartigkeit bestand in der Perfektion«, fing er an zu dozieren. »Jedes seiner Gemälde ist vollkommen. Es gibt Künstler, die huschen und pfuschen am Hintergrund rum oder lassen hier und da einen Flüchtigkeitsfehler unkorrigiert. Bei Poisson finden Sie keinen Fehler. Niemals!«

    »Er war also ein herausragender Meister seines Handwerks«, sagte Frau Helbing.

    »So kann man das sagen. Mehr noch, er war brillant. Einfach brillant.«

    Herr Kleidermann lächelte zufrieden.

    »Dann hat er es also geschafft«, sagte Frau Helbing und fügte erklärend an: »Also in die Museen der ganzen Welt. Ich weiß zufällig, dass er als Schüler schon berühmt werden wollte.«

    »Nun, sagen wir mal, er war bekannt«, sagte Herr Kleidermann. Um seine Aussage zu unterstreichen, fügte er an: »Sehr bekannt.«

    Frau Helbing sah fragend zu Jacques.

    »Er war so gut«, sagte Karls Muse und seufzte. »So gut. Aber ’at nicht geschafft ganz nach oben.«

    »Aber erfolgreich war er trotzdem«, warf Herr Kleidermann ein bisschen pedantisch ein, der das so nicht stehen lassen wollte. »Als sein Galerist kann ich Ihnen das bestätigten.«

    Dann nickte er energisch und entfernte sich, um sich anderen Gästen zu widmen. An seiner Stelle drängte sich ein bärtiger Mann neben Heide, der in beiden Händen je ein volles Sektglas hielt.

    »Jacques!«, rief er mit einer rauchigen Stimme. »Schön, dich zu sehen.«

    Frau Helbing erkannte an Jacques’ gequältem Lächeln, dass die Freude nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

    »Bonjour«, sagte der Franzose knapp.

    »Möchtest du mir nicht endlich den Vermeer verkaufen, den ich schon seit Wochen haben will, mein Freund?«, fragte der Mann gönnerhaft und leerte eines der Gläser in einem Zug.

    Frau Helbing fragte sich, wie viel Sekt er heute bereits getrunken hatte. Seinem roten Kopf nach zu urteilen, war er nicht mehr nüchtern.

    »Oskar, du weißt, dass Karl nicht wollte, dass ich verkaufe das Bild«, sagte Jacques resolut.

    Er hatte ein leichtes Beben in der Stimme.

    »Aber Karl ist tot«, entgegnete der Mann ungerührt. »Und ich zahle dir einen guten Preis.«

    »Jamais!«, zischte Jacques. »Es ist ’eilig. Das Bild bleibt in mein’ Besitz.«

    »Das Bild bleibt in mein’ Besitz«, äffte der bärtige Mann namens Oskar ihn nach. Dann kippte er sich auch das zweite Glas in den Rachen.

    »Ich weiß doch, dass du Geld brauchst«, fügte er mit einem überheblichen Lächeln hinzu.

    Er beugte sich vor, zwinkerte Jacques zu und flüsterte: »Ich zahle cash.«

    Vergeblich wartete er auf eine Reaktion, drehte sich nach einer Weile gelangweilt um und ging zur Bar. Jacques warf ihm einen bösen Blick hinterher. Die Begegnung mit diesem Menschen hatte ihn offensichtlich sehr aufgewühlt.

    »Pardon«, sagte er an Heide und Frau Helbing gewandt und verschwand in Richtung Ausgang.

    »Kennst du den?«, fragte Frau Helbing und deutete mit einer Kopfbewegung zur Bar.

    »Oskar Smolarz«, sagte Heide. »Er handelt mit Kunst.«

    »Ein unangenehmer Mensch ist das«, stellte Frau Helbing fest. »Platzt hier in unsere Runde und bringt uns alle in eine unangenehme Situation.«

    »Das passt zu ihm und seinem schlechten Ruf«, bestätigte Heide.

    »Weißt du, worum es ging?«, fragte Frau Helbing.

    Heide zuckte mit den Schultern.

    »Vermutlich um ein Bild«, sagte sie.

    »Um einen Vermeer«, präzisierte Frau Helbing. »Was immer das heißen soll.«

    »Jan Vermeer war ein holländischer Maler«, erklärte Heide ihrer Freundin. »Einer der bekanntesten. Ich glaube nicht, dass im Wohnzimmer von Karl und Jacques eines seiner Gemälde hängt.«

    »Und warum?«, fragte Frau Helbing.

    »Schätzchen!« Heide lachte kurz auf. »Weißt du, was ein Vermeer wert ist?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ergänzte sie: »Millionen. Und selbst wenn du so viel Geld ausgeben willst, wirst du keinen kaufen können. Es gibt nicht mal vierzig Stück auf der Welt.«

    »Oh«, sagte Frau Helbing. »Das sind nicht viele.«

    Nach einer Weile fragte sie: »Glaubst du, dass Jacques Geldsorgen hat?«

    Wieder zog Heide die Schultern hoch.

    »So gut kenne ich ihn nicht«, sagte sie. »Ich lasse mir die Haare von ihm schneiden. Da redet man über dies und das, aber natürlich nicht über finanzielle Dinge. Das macht man einfach nicht.«

    Heide hob plötzlich die Hand, um die Aufmerksamkeit einer Dame zu erlangen, die eben den Raum betreten hatte und sich suchend umsah.

    »Guck mal, Traudel«, sagte sie.

    Frau Helbing hatte diese Frau noch nie gesehen.

    »Wer ist denn Traudel?«, fragte sie.

    »Edeltraut Hammerschmidt-Bingen«, raunte Heide, »eine der gefragtesten Inneneinrichterinnen in ganz Hamburg. Sie hat sich aber zur Ruhe gesetzt und nimmt kaum noch Aufträge an.«

    Als die Dame sich näherte, flüsterte Heide noch: »Zufällig ist sie Jacques’ Nachbarin.«

    »Heide!«, rief Frau Hammerschmidt-Bingen aufgebracht, »hast du Jacques gesehen? Ich muss ihn unbedingt finden. Unbedingt!«

    Während sie das sagte, täuschte sie einmal links und rechts ein Küsschen an, was Heide, einem Automatismus folgend, zeitgleich erwiderte. Da beide Frauen in einem Meter Entfernung standen, sah es für Frau Helbing aus, als nickten zwei Hühner bei der Futtersuche mit dem Kopf.

    »Der ist eben rausgegangen«, antwortete Heide.

    »Wir müssen ihn finden! Es ist schrecklich, sage ich dir, schrecklich.«

    »Was ist denn passiert?«

    Heide schien plötzlich genauso nervös wie Traudel zu sein.

    »Du wirst es nicht glauben, aber bei Jacques ist eingebrochen worden. Die Polizei ist gerade eben eingetroffen.«

    »Das ist ja schrecklich«, sagte Heide mit einem übertriebenen Entsetzen in der Stimme.

    »Sag ich ja!«, rief Frau Hammerschmidt-Bingen nicht minder dramatisch.

    Es dauerte nur wenige Minuten, um zu Fuß von der Galerie in die kleine Seitenstraße zu gelangen, in der Karl Schnelling vor vielen Jahren ein Haus erworben hatte. Einen Steinwurf von der Hamburger Musikhochschule entfernt standen hier teils großzügig bemessene Häuser und Villen, oft mit einem hübschen Garten oder von altem Baumbestand umgeben. Ein sehr teures Viertel war das, wusste Frau Helbing. Ein Getto der Wohlhabenden, direkt an der Außenalster gelegen, meinten so manche, die hinter vorgehaltener Hand statt Pöseldorf gerne Schnöseldorf sagten.

    Jacques und Frau Hammerschmidt-Bingen eilten voran, Frau Helbing und Heide folgten ihnen auf den Fersen. Die Polizei war mit mehreren Streifenwagen vor Ort und hatte das Grundstück bereits abgesperrt, als sie am Tatort ankamen. Nachdem sich Jacques ausgewiesen hatte, durfte er zusammen mit einem Beamten das Haus betreten. Den Frauen wurde der Zutritt dagegen verweigert. Selbst nachdem Frau Hammerschmidt-Bingen den Polizisten erklärt hatte, mit dem Senator für Inneres eng befreundet zu sein, und sogar eine Beschwerde in Aussicht stellte, mussten sie auf der Straße warten.

    »Kleinen Rum?«, fragte Frau Hammerschmidt-Bingen nach einer Weile und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten, die Pforte zum Nachbargrundstück.

    »Auf den Schreck …«, sagte Heide, ging ihr hinterher und zog Frau Helbing am Arm mit.

    Frau Hammerschmidt-Bingen hatte einen messingfarbenen Tresen im Wohnzimmer stehen, hinter dem, in mehreren verspiegelten Regalen, eine schier unüberschaubare Anzahl an Spirituosen einsortiert waren. Frau Helbing war beeindruckt. Nicht nur von der Bar, auch von der Dimension dieses Raums. Hier kann man sich ja verlaufen, dachte sie. Es gab eine Sitzgruppe mit schweren Polstermöbeln, die alle in Pastell gehalten waren, und einen Esstisch für zwölf Personen, der penibel mit weißem Porzellan und poliertem Silberbesteck eingedeckt war. Statt einer zentral angebrachten Deckenlampe sorgten verschiedene Lichtquellen dafür, die ganze Wohnsituation angenehm und gemütlich wirken zu lassen. Einzelne Deko-Objekte wurden dezent angestrahlt, ohne den Betrachter zu blenden. Fasziniert bewunderte Frau Helbing einen weißen Konzertflügel, der mitten im Raum stand, bevor ihr Blick zu einem Aquarium mit schillernden Zierfischen und Seepferdchen wanderte. So ein Wohnzimmer hatte Frau Helbing noch nie gesehen.

    »Botucal oder Zacapa?«, fragte Frau Hammerschmidt-Bingen und griff gezielt nach den Rumflaschen über dem Whiskysortiment.

    Frau Helbing kannte weder die eine noch die andere Marke. Und dass es außer Piraten Menschen gab, die Rum tranken, war ihr auch neu.

    »Ich nehme das Gleiche wie Heide«,

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