Die letzte Chance
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Über dieses E-Book
Und wieder wird die ehemalige Tierärztin Charline Wallmann als Agentin rekrutiert und mit einer Aufgabe betraut, die hohe Risiken birgt. Diesmal geht es um neue Technologien, mit dem Ziel, das Problem des ausufernden Plastikmülls zu beseitigen. Ein Ziel, das längst nicht allen gefällt, denn der Handel und besonders die illegale Verklappung von Plastikmüll bringen hohe Profite. Und die Profiteure sitzen an einflussreichen Stellen in Wirtschaft und Politik ...
Wird es dem SAI Team gelingen, der Zukunft eine Chance zu geben?
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Buchvorschau
Die letzte Chance - Maximilian Reicke
Schuld und Verbitterung
Luka Petrak erwachte mit einem fürchterlichen Katzenjammer. Alle Erfolge der vergangenen Wochen und Monate haben sich in eine tiefe Reue und Ernüchterung verwandelt. Seine Gefängniszelle im portugiesischen Porto war spartanisch und verbreitete einen unangenehmen Geruch. Für Luka, der in Kroatien mit der sauberen Meeresluft aufgewachsen ist, eine komplett neue Erfahrung. Egal was in Zukunft passieren wird, der Geruch des Gefangenseins wird sich für immer in sein Hirn einbrennen. Sein väterlicher Freund Achim sprach oft über Gerüche, die in ihm Erinnerungen und Assoziationen an Orte und Situationen aus der Vergangenheit wecken. Wie konnte das geschehen, warum saß er jetzt in dieser stinkenden Gefängniszelle? Alles fing so vielversprechend an. Nach dem plötzlichen Reichtum durch eine wahnsinnige Schatzsuche mit seinem Vater und dem damals noch ihm unbekannten Achim erfüllte er sich seinen Traum. Er absolvierte ein Maschinenbaustudium in Triest. Luka entwickelte sich zu einem wirklich guten Ingenieur. Bevor er sich in den kleinen Maschinenbaubetrieb von Achim im portugiesischen Esposende einkaufte, war er in einem innovativen Ingenieurbüro tätig. Das Büro entsandte ihn zu Firmen, die Offshore Windparks, Photovoltaikanlagen und Recyclinganlagen herstellten. So erwachte nach und nach seine neue Leidenschaft für regenerative Energien. Luka ist praktisch mit seinem Vater Branco auf einem Fischerboot aufgewachsen, beherrscht das Tauchen und hat eine große Affinität zu allem was maritim ist. Schnell hatte er erkannt, dass die Ressourcen des Planeten begrenzt sind. Die Kinder des Jahres 2019 und 2020 unterstrichen dies mit ihren „Fridays for Future Demonstrationen. Natürlich hatte er, wie viele andere auch, diese Kinder anfangs belächelt. Das Klischee der verwöhnten Kids, die sich von Helikopter- Eltern mit einem fetten SUV zur Demo fahren lassen, saß einfach zu tief. Doch dann erkannte auch Luka, dass diese Kinder ihm aus der Seele sprachen. Egal wie verwöhnt diese Kinder der „Generation Z
auch sein mögen, die Botschaft, die sie senden ist richtig. Und er, Luka, hat das Potenzial wirklich etwas Kreatives zu unternehmen. Trotz seinem jugendlichen Alter von 27 Jahren verfügt er doch über umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet Natur und Technik. Während seines Studiums war er für einige Monate in Rotterdam. Dort absolvierte er ein Praktikum bei einem Zulieferer der Aerospace Branche. Für Luka war diese Branche nicht attraktiv. Die komplexen Triebwerke und die Gesetze der Aerodynamik brachten ihn an die Grenzen seiner Intelligenz, außerdem hatte er ein Gefühl, als ob diese Branche nicht ganz vertrauenswürdig sei. An der Spitze der Konzerne waren gierige Industrieschauspieler, die nur über „Shareholder Value" faselten. Jedoch lernte er dort einen jungen Ingenieur kennen, der ihn tief beeindruckte. Der junge Mann ist, genau wie Luka, begeisterter Taucher. Über das Tauchen kamen die beiden ins Gespräch, schließlich hat Luka bei seinem Vater alles über das Meer gelernt. Sei es Reparaturen am Schiffsrumpf und an der Schiffsschraube, mit Touristen kleinere Touren übernehmen, oder das Wracktauchen mit anschließender Schatzsuche. Auf diesem Gebiet ist Luka wirklich ein Profi, er hätte problemlos bei der kroatischen Armee als Kampftaucher anheuern können. Der junge Boyan Slat übte eine enorme Faszination auf Luka aus. Der exzentrische junge Mann arbeitet mit Hochdruck an Konzepten, um die Meere vom Plastikmüll zu befreien. Luka, der praktisch mit dem Meer aufgewachsen ist, konnte ihm wertvolle Tipps über Meeresströmungen und Gezeiten geben. Alles das, was eine kroatische Fischerfamilie über die Generationen gelernt hat, fiel bei dem jungen Ingenieur aus Holland auf fruchtbaren Boden. Die beiden hatten konstruktive Diskussionen, in denen sie voller Energie nach technischen Lösungen suchten, um der Meeresverschmutzung Herr zu werden. Boyan entwarf Systeme, um die Meere aufzuräumen und zu säubern. Luka war vom Enthusiasmus des jungen Holländers begeistert, sah es aber auch kritisch. Der meiste Müll liegt auf dem Meeresgrund, da kommen auch seine Systeme nicht so einfach hin. Als erfahrener Taucher kann er das beurteilen. Die Idee von Luka ist die Müllvermeidung.
Er ist förmlich vernarrt in die Idee, Müll in Energie oder Rohstoff umzuwandeln. Es gibt einige gebastelte Lösungen, die unterm Strich aber mehr Energie verbrauchen als erzeugen. Die Ölindustrie und die Plastikindustrie haben die gleichen, fragwürdigen Geschäftsinteressen. Wenn also Plastik durch chemisches Recycling in Öl zurückverwandelt wird, profitiert am Ende wieder die Ölindustrie. Nein, es muss eine bessere Lösung geben, so etwas wie ein Zusatzaggregat, das eine Art Ergänzung bei Biogas- oder Blockheizkraftwerken sein kann. Noch besser wäre es, das Plastik aus der Natur zu gewinnen, ein Biochemiker aus dem Freundeskreis von Luka favorisierte eine Lösung aus Bioplastik. Doch wie sollen diese Unmengen hergestellt werden? Das erfordert auch wieder Unmengen von landwirtschaftlichen Ressourcen und eine intensive Anbauwirtschaft. Schließlich hatte Luka eine Idee, die in der Gruppe großen Anklang fand. Er berichtete von seinem Maschinenbaustudium in Triest. In der Region hatte er einige Praktika bei Betrieben verbracht, die Holzbearbeitungsmaschinen herstellen. Bei der Holzbearbeitung fallen tonnenweise Holzspäne an, diese werden abgesaugt und in einem Spänebunker gesammelt. Diese Späne werden zu Spanplatten oder Heizpellets wieder verwertet. Warum kann man so ein Recycling System nicht für Plastik entwickeln?
Luka setzte sich mit einigen Kommilitonen und Freunden zusammen und versuchte, eine Lösung zu finden. Das Team war hervorragend geeignet: Menschlich homogen und fachlich heterogen, wie sein Professor bei der Zusammenstellung von Teams zu sagen pflegte. Chemiker, Biologen, Maschinenbauer und Elektroniker. In der bunten Truppe von ungefähr zehn Leuten war nahezu jeder Fachbereich enthalten, um solch eine neuartige Technologie zu entwickeln.
In der Pandemiezeit von COVID 19, in der die Fachhochschulen geschlossen waren und die Industrie am Boden lag, war auch genügend Zeit gegeben, um sich dem Projekt zu widmen. Alle Mitglieder des Teams teilten die schaurige Begeisterung zu den Veröffentlichungen des „Club of Rome. Das berühmteste Werk aus dem Jahre 1973 „Die Grenzen des Wachstums
war so etwas wie die Verfassung des Teams. Damals wurde schon kritisch über Umweltpolitik, Rohstoffmangel, Artensterben und unbegrenztes Bevölkerungswachstum berichtet.
Für alle lag auf der Hand, dass von den 1970er bis 2020er Jahren der Planet ausgebeutet und teilweise ruiniert wurde. Luka war so etwas wie der Realist in dem Team, auch wenn er den Idealismus seiner Kollegen teilte, so wusste er doch ziemlich genau um die Zusammenhänge in Wirtschaft und Industrie Bescheid. Außerdem war Luka mittlerweile Teilhaber in der Firma von Achim und Enzo.
Die Firma AKET war vor einigen Jahren von Achim und Enzo gegründet worden, das Startkapital resultierte aus einer aberwitzigen Schatzsuche, an der auch Luka beteiligt war. Das Geschäftsmodell bestand zum Großteil aus Zulieferteilen für Maschinen- und Anlagenbau. Also alles, was man zur industriellen Metallbearbeitung benötigt. Achim und Enzo zeigten genau so viel Enthusiasmus für das Projekt, wie die Gruppe der jungen Leute. Somit war es kein Problem, die Kapazitäten für den Versuchsbau bereitzustellen. Die Entwicklung der Anlage konnte beginnen. Am Anfang der Anlage wurde ein Abfallzerkleinerer angebracht, wie er aus amerikanischen Küchen bekannt ist. Auch hier konnte Luka von seinen Erfahrungen bei der Holzbearbeitungsbranche profitieren, wenn Küchensysteme in die USA geliefert wurden, war so ein Aggregat in der Küche enthalten. Luka und sein Team konstruierte einfach ein größeres Aggregat, das auch mit sperrigen Abfällen fertig wurde, bei der industriellen Abfallwirtschaft gab es ebenfalls Vorbilder zum Schreddern von Abfällen.
Ariane und Fernando hatten die Idee einer Abfalllegierung, also eine Mischung von verschiedenen Abfällen, um eine Art „Alternativplastik zu erzeugen. Speziell die Biochemikerin Ariane sprudelte vor Ideen und konnte ihre Kompetenz voll einbringen. Verschiedene Kunststoffe, Algen, Holzspäne und Meerwasser wurden in einem Druckkessel durch ein kompliziertes Verfahren erhitzt und eingeschmolzen. Der von Fernando und Luka konstruierte Druckkessel war das Herzstück der Anlage. Da es sich um einen Druckbehälter handelte, mussten diverse Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Das Team diskutierte eine brisante Idee: Diese Anlagen sollten die großen Kunststoffhersteller dieser Welt in ihren Betrieben als eine Art Rücknahmeverpflichtung installieren. Die Konzerne sollten gesetzlich zum recyclen gezwungen werden, bislang wurde die Vermüllung des Planeten als Entsorgungsproblem dargestellt. Diese „nach mir die Sintflut Mentalität
, sorgte für Wut und Entsetzen bei den jungen Leuten. Ariane und Luka mussten den Rest des Teams immer wieder bremsen, die Explosionsgefahr der Anlage wurde unterschätzt. Das war der Nachteil an den vielen Freiheiten, die Risiken wurden nicht ausreichend respektiert oder schlimmstenfalls ignoriert.
Achim und Enzo, die Firmeneigentümer, beobachteten die Aktivitäten mit großem Interesse. Sie vertrauten Luka, ihrem besten Mitarbeiter bedingungslos, sie wussten, dass Luka ein besonnener Ingenieur ist, der keine unnötigen Risiken eingeht. Als Seemann und Taucher wußte er nur zu gut, wie wichtig eine sichere beherrschbare und zuverlässige Anlagentechnik ist. Nachträglich war dieses blinde Vertrauen etwas naiv, aber hinterher ist man bekanntlich immer klüger.
Über die Monate stellten sich die ersten Erfolge ein. Das Team entwickelte aus den genannten Zutaten einen Kunststoff, der in allen Eigenschaften den herkömmlichen Kunststoffen glich. Daraus ließ sich eine Folie herstellen, die biologisch abbaubar war. Die Professoren der beteiligten Fachhochschulen zeigten großes Interesse und besuchten die mittelständische Firma AKET im portugiesischen Esposende, sofern das in Zeiten von COVID 19 möglich war. Neben aller Begeisterung über die sensationellen Fortschritte wurde von den Professoren mit aller Zurückhaltung der etwas sorglose Umgang mit diesen riskanten Technologien kritisiert. Daraufhin wurden auch Vertreter von großen Industriebetrieben auf die Forschungen aufmerksam.
Achim, Enzo und Luka waren bislang sehr enttäuscht über die mangelnde Kooperationsbereitschaft aus der Großindustrie. Gerade Achim geriet immer wieder in Aufregung, wenn dieses Thema angeschnitten wurde: „Nur Gewinne scheffeln, guck dir meine Heimat mit ihrer hochgelobten Industrie an: BAYER mit MONSANTO, oder die Stromerzeuger mit der Weigerung, sich intensiver um regenerative Energien zu kümmern. Dann noch der Skandal um den Hambacher Forst. Nur reine Profitgier in allen Bereichen der Stromerzeugung.
Noch schlimmer die Automotive-Mafia mit ihren kriminellen Betrügereien rund um die Verbrennungsmotoren. Nur gierige, unehrliche Machenschaften von irgendwelchen Finanzjongleuren, die kaum Ahnung von der Technik haben. Wenn diese Ressourcen für Täuschung und Vertuschung in die Forschung und Entwicklung geflossen wären, könnten wir mit den neuen, regenerativen Technologien schon deutlich weiter sein."
Ja, bei diesem Thema konnte der sonst so gelassen und ruhig wirkende Achim wirklich aus der Haut fahren. Doch die Lobbyisten der Industrie blickten genau aus diesem Aspekt auf diese neue Technologie. Wenn erfolgsverwöhnte Branchen ihre Gewinne schwinden sehen, können die merkwürdigsten Dinge geschehen. In solchen Momenten schlagen die Konzerne mit ungeahnter Härte zu. Heerscharen von Anwälten und Agenten schwärmen aus, um den Erfolg von möglichen Wettbewerbern zu verhindern. Luka und seine Mitstreiter waren verwirrt und enttäuscht. Sie hatten mit vielem gerechnet, aber nicht mit einer Politik der Verhinderung, die nur zum Ziel hat, diese Innovationen auszubremsen.
Am Anfang waren es nur Kommentare und eine negative Imagekampagne, die Luka und seine Freunde in ein Umfeld von Lügen und Betrug stellten. Die jungen Leute ließen sich dadurch nicht beirren, alle waren als „digital natives" aufgewachsen und wussten sich im Internet durchaus glaubwürdig zu wehren. Ihre Internetblogs waren aktuell, wissenschaftlich geprägt und bei ihren Kommilitonen äußerst populär. Doch vor einer Woche kam es zur Katastrophe. Dieser verdammte Tag, an dem Luka nicht in der Werkstatt war, sollte alles verändern. Aus heiterem Himmel