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Das Vermächtnis aus dem Permafrost: Eine Paläontologin aus Sibirien und ein Linguist aus Kanada retten die Welt.
Das Vermächtnis aus dem Permafrost: Eine Paläontologin aus Sibirien und ein Linguist aus Kanada retten die Welt.
Das Vermächtnis aus dem Permafrost: Eine Paläontologin aus Sibirien und ein Linguist aus Kanada retten die Welt.
eBook233 Seiten2 Stunden

Das Vermächtnis aus dem Permafrost: Eine Paläontologin aus Sibirien und ein Linguist aus Kanada retten die Welt.

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Über dieses E-Book

Ein temporeicher Roman über die wenig schmeichelhafte Rolle des Menschen im Anthropozän.

Sommer 2025: Auf dem Gelände einer hochgradig verschmutzten Nickelfabrik im Norden Sibiriens taucht eine neuartige Krankheit auf, die sich rasch zu einer Pandemie ausweitet. Die Medien nennen sie schlicht «Bluthusten». Zur selben Zeit absolviert der indigene Sprachforscher Jamie aus dem kanadischen Yellowknife ein Austauschprogramm an der Universität Irkutsk am Baikalsee im südlichen Sibirien. Er lernt die ambitionierte Paläontologin Vera kennen, welche die riesigen Krater erforscht, die in ganz Russland durch das Auftauen des Permafrostbodens entstehen. Einer dieser Krater gibt eine seit Jahrtausenden verborgene Höhle frei, die neben einer weiblichen Eismumie auch lateinische Glyphen enthält, für deren Existenz es keine rationale Erklärung zu geben scheint. Als die beiden realisieren, dass sie sowohl dem Ursprung als auch der Heilung des Bluthustens auf die Spur kommen, interessieren sich rasch auch bedrohliche Mächte für ihre Entdeckung und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Es geht um Themen wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Seuchen und Krankheiten, Ausbreitung des modernen Menschen, Genforschung, Linguistik, Sonnenstürme und Magnetosphäre, Schamanismus und Zeitreisen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. März 2023
ISBN9783347882317
Das Vermächtnis aus dem Permafrost: Eine Paläontologin aus Sibirien und ein Linguist aus Kanada retten die Welt.
Autor

Patrick Kirchhofer

Patrick Kirchhofer wurde 1980 in Aarau geboren und lebt seither im dicht besiedelten Schweizer Mittelland. Seit er denken kann, ist er fasziniert von Science-Fiction und fantastischen Geschichten, sei es in Romanen, Filmen, Serien, Comics oder Games. Mit seinen Geschichten möchte er den Leserinnen und Lesern Zusammenhänge aufzeigen, die mit unserer herausragenden Rolle in dieser Zeitepoche auf dem Planeten Erde zusammenhängen. Er möchte Menschen dazu anregen, die Verantwortung für unsere Heimat, unsere Natur, unsere Lebensgrundlage, zu übernehmen. Nach der Berufsmatura hat er Wirtschaft und Kommunikation studiert und arbeitet seither auf diesem Gebiet für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Zusammen mit seiner wundervollen Frau und den gemeinsamen Kindern lebt er in einem nachhaltigen Minergiehaus mit Garten auf dem Land. "Das Vermächtnis aus dem Permafrost" ist sein erster Roman.

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    Buchvorschau

    Das Vermächtnis aus dem Permafrost - Patrick Kirchhofer

    20. Juli 2040, Grossraum London

    Maxim starrte durch das holografische Display hindurch an die trostlose Betonwand. Er versuchte, sich zu konzentrieren, doch sein Geist entzog sich seinem Zugriff wie ein nasses Stück Seife. Als verantwortlicher Physiker hatte er dank seiner Kaderfunktion einen Wissensvorsprung gegenüber dem Rest seiner Organisation. Er wusste deshalb, dass sie noch knapp zwei Wochen zur Verfügung hatten, bevor sie aufgrund der anhaltenden Rationierung ihrer Nahrungsmittel verhungern würden.

    Bis vor wenigen Monaten hatte er sich immer wieder gefragt, weshalb er sich das antat und nicht eine der Euthanasiestationen aufsuchte, wie es die meisten in seiner schwarzen Community getan hatten. Einfach eine Pille schlucken und dem Leiden ein Ende setzen. Er hatte eine genaue Vorstellung davon, wo und wie er die warme und süsse Auflösung seines Selbst zelebrieren würde. Doch jedes Mal, wenn er der Verlockung nachgeben wollte, regte sich etwas Trotziges tief in seiner Brust. Gab ihm Mut und Zuversicht.

    Diese Kraft hatte schon immer in ihm gesteckt, doch erst kürzlich hatte sich ihm eine tiefere Bestimmung, ein grösseres Ganzes offenbart. Ein Ziel, wofür es sich – angesichts des drohenden Untergangs des Menschengeschlechts – zu leben lohnte. Mehr noch: Ein Ziel, wofür es sich zu sterben lohnte.

    Rund fünfzehn Jahre war es her, im Rekordsommer 2025, dass das neuartige Pathogen die Menschheit zuerst ins Chaos gestürzt und anschliessend an den Rand des Aussterbens gedrängt hatte. Zur genauen Zusammensetzung und Funktionsweise gab es die unterschiedlichsten Theorien, die den ständigen Mutationen laufend hinterherhinkten.

    Den geografischen Ursprung vermutete man Norilsk, damals eine wichtige Industriestadt im Norden Sibiriens. Das hatte niemanden ernsthaft überrascht. Die zunehmende Erwärmung des Klimas hatte im arktischen Raum zum Auftauen von Permafrost geführt. Böden, die seit Jahrtausenden hart wie Stein waren, verwandelten sich in Sumpf und rissen ganze Gebäude ein. In Sibirien führte dies in den letzten Jahren immer wieder zu Katastrophen, von denen der Rest der Welt jedoch nur Bruchstücke wahrnahm.

    Norilsk war damals bekannt aufgrund seiner NickelProduktion: Einer der am schlimmsten belasteten Orte und grösster Einzelluftverschmutzer der Erde. Kombiniert mit katastrophalen hygienischen Verhältnissen und politischer Kurzsichtigkeit der ideale Nährboden für eine neue Krankheit: Bluthusten hatten sie es in den Medien genannt.

    In den folgenden Monaten und Jahren hatte das Pathogen grosse Teile der Weltbevölkerung ausgelöscht. Namentlich die eher warmen und strukturell schwachen Regionen wie Afrika, Südostasien, Naher Osten und Südamerika waren nahezu menschenleer. Hingegen gelang es in Teilen von Europa, Nordamerika und Asien, insbesondere nördlich des 45. Breitengrades, die Krankheit einigermassen in Schach zu halten und zu überleben.

    Maxim war vor rund fünf Jahren von der Extinction Prevention, kurz EP, angeheuert worden. Wie er, glaubte die aus dem Verborgenen agierende EP schon lange nicht mehr an ein Heilmittel oder eine Impfung. Das war der Grund, weshalb er hier in diesem Bunker sass und verzweifelt versuchte, eine funktionsfähige Maschine zu entwickeln, dank derer sie in der Zeit zurückreisen konnten. Wäre die Lage nicht so verdammt prekär gewesen, er hätte das Ganze für einen gut inszenierten Witz gehalten. Denn wenn Zeitreisen eine ernst zu nehmende Option war, dann schien die Sache wahrhaftig aussichtslos zu sein. Er hoffte damals inständig, dass die anderen EP-Standorte realistischere Szenarien verfolgten. Obwohl es im Endeffekt keine Rolle spielen würde, sollte er mit seinem persönlichen Vorhaben Erfolg haben.

    Denn es war ja völlig widersprüchlich: Wenn sie einen Weg finden würden, durch die Zeit zurückzureisen, und diese Katastrophe ungeschehen machen könnten, wenn das tatsächlich funktionieren würde, dann sähe die Welt da draussen ja ganz anders aus und er sässe jetzt nicht hier und müsste sich nicht das Gehirn zermartern.

    Je länger Maxim über die scheinbar unauflösbaren Paradoxien nachdachte, desto stärker kamen Zweifel in ihm auf: Was, wenn diese geplante Zeitreise der Auslöser für das ganze Fiasko war? Wenn sie das Pathogen durch die Zeit schleppen und damit überhaupt erst das Ende der Menschheit besiegelten? War er Teil der Lösung oder Teil des Problems? Maxims ambivalente Gedanken und Gefühle hatten ihn phasenweise beinahe aufgeben lassen.

    Die stärkste Verfechterin der Option Zeitreise war eine rätselhafte Dame um die Sechzig namens Grace, eine der Gründerinnen von EP. Sie war überzeugt davon, dass es ein Multiversum gab, welches ständig mehrere Realitäten nebeneinander zuliess und das somit die Grundlage für Zeitreisen darstellte. Es sei ‹wie ein Abbiegen auf eine andere Fahrbahn›, hatte sie ihm versichert.

    Sie schien aus tiefster Seele von dieser Theorie überzeugt zu sein, er konnte ihren Standpunkt fast physisch spüren. Für Maxim grenzte es an religiösen Fanatismus, wie sie an diesem im Grunde genommen völlig irrationalen Konzept festhielt. Das Ganze kam ihm vor wie eine Durchhalteparole für einen Ausweg, den es nie geben würde.

    Überhaupt waren sie hier bei EP ein verzweifelter Haufen aus Restbeständen internationaler Forschungsverbände: Da war zum Beispiel die Global Earth Commission, welche einen sicheren und gerechten Korridor für die Menschheit und den Planeten wissenschaftlich zu definieren und zu quantifizieren versucht hatte. Oder die EAT-Lancet Commission on Food, die der Frage nachgegangen war, ob und wie die Ernährung von zehn Milliarden Menschen ohne Kollaps hätte gelingen können. Nicht zu vergessen der Intergovernmental Panel on Climate Change, welcher mit zu wenig Erfolg auf die Auswirkungen der Klimaveränderungen aufmerksam gemacht hatte.

    Alle hatten sie seit Jahren, nein, Jahrzehnten auf die anstehenden Probleme hingewiesen. Hatten die Zusammenhänge zwischen Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung, Rückgang der Biodiversität oder Antibiotikaresistenz aufgezeigt. Hatten versucht, zu erklären, dass der Mensch auf eine gesunde, intakte Erde für sein Überleben angewiesen war, wollte er sich nicht selbst ausrotten. Dass die Klimakrise und die Biodiversitätskrise einen gemeinsamen Ursprung hatten: das aus der Balance geratene Verhältnis des Homo sapiens zum Planeten Erde.

    Die moralische Erlösung erreichte Maxim in einer Nacht in diesem Frühling in Form von vier Buchstaben: FHEM. Wie so oft hatte er abends Mühe, sein Gedankenkarussell zur Ruhe zu bringen und den Schlaf zu finden, den er für seine abgedrehte Arbeit so dringend benötigte. In der Hoffnung auf Ablenkung suchte er mit seiner alten Funkstation nach anderen Menschen, nach Stimmen, die ihm Zerstreuung brachten. In aller Regel hörte er nur zu und verzichtete darauf, sich zu erkennen zu geben. Leider blieb seine Suche in letzter Zeit immer häufiger erfolglos, doch hie und da entdeckte er eine Frequenz, die er belauschen konnte.

    In einer lauen Frühlingsnacht wurde seine Geduld endlich wieder belohnt. Er stiess auf eine unverschlüsselte Unterhaltung zwischen vier bis fünf Mitgliedern einer Gruppe. Obwohl er rasch realisierte, dass es kein echtes Gespräch war; eher eine fingierte Diskussion über die wenig schmeichelhafte Rolle des Menschen im Anthropozän. Es dauerte allerdings einen Moment, bis er die Tragweite und die Absichten hinter den Worten verstand. Es ging um das bewusste und gezielte Aussterben der Menschheit, da man überzeugt war: Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, die Spezies Homo sapiens wird niemals fähig sein, ein Gleichgewicht mit seiner Umgebung zu finden. Vielmehr sei es das Wesen des Menschen, seinen Lebensraum auszubeuten, bis dieser zerstört sei, und im Gegenzug die Biosphäre als Verteidigungsmassnahme den Menschen ausrotte. Einem Virus ähnlicher als einem Tier sei er die Krankheit des Planeten und gehöre deshalb ausgelöscht. Aus der vormals geistigen Strömung Voluntary Human Extinction Movement, kurz VHEMT, war über die Jahre die terroristische Gruppe FHEM hervorgegangen: das Forced Human Extinction Movement.

    Dieses pessimistische Gedankengut fiel bei Maxim auf fruchtbaren Boden und wenige Tage später hatte er seinen Entschluss gefasst. Er war nicht entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems. Er war beides.

    Als gegen Ende des Jahres 2025 klar wurde, dass das Pathogen die überwiegende Mehrheit der Menschen auslöschen würde, implodierten zuerst Nationalstaaten und anschliessend internationale Organisationen. Damit schufen sie ein Machtvakuum, das militante und terroristische Gruppen konsequent zu nutzen wussten. Sie entführten die meisten Forscher und Wissenschaftler und zwangen sie, ein Heilmittel zu finden. Deshalb erwies sich für EP der Schritt in den Untergrund schon bald als einziger Ausweg. Sie hatten sogar eine eigene, künstliche Sprache entwickelt, um sich gegen aussen zu tarnen und vor Saboteuren zu schützen.

    Bisher waren sie unentdeckt geblieben. Ihr aktueller Standort in England im Umfeld der Hauptstadt war zweckmässig erschlossen dank der Nähe zum Flughafen London Heathrow, dem letzten funktionsfähigen im ganzen Land. In den Kellerräumen einer lokalen Universität hatten sie eines ihrer Quartiere aufgebaut, und hier sass er nun …

    Dieser Gedanke schreckte ihn aus seinem Tagtraum und zwang seine Aufmerksamkeit zurück an seinen Rechner. Er wusste, dass er kurz vor dem Durchbruch stand, davon war er mittlerweile überzeugt. Als er von EP angeheuert wurde, hatte ihn die geistige Herausforderung gereizt, der Austausch mit anderen schlauen Köpfen, die Ablenkung von den tragischen Ereignissen rund um ihn herum. Doch persönlich hatte er nie ernsthaft an die Umsetzbarkeit von Zeitreisen geglaubt. Im Gegenteil, er hatte insgeheim Witze gerissen über Menschen, die der Meinung waren, mit genügend Kreativität liessen sich jegliche physikalischen Probleme mir nichts dir nichts lösen und alles sei möglich.

    Doch vor wenigen Wochen hatte er seiner Organisation bekanntgegeben, dass er das Rätsel gelöst habe und ihnen eine Reise durch Raum und Zeit versprochen. Bisher glaubten offenbar eine Mehrheit von EP, seine engsten Mitarbeitenden eingeschlossen, dass es klappen würde. Dabei hatte er die Simulation schlicht und ergreifend erfunden und um das Hundertfache mächtiger aussehen lassen, als sie in Tat und Wahrheit war. Was nur Maxim wusste: Eine Reise würde tatsächlich stattfinden. Doch sie würde völlig anders verlaufen, als sich seine Auftraggeber dies vorstellten.

    26. Juli 2025, Norilsk

    »Nicolai, wir müssen uns beeilen, es ist schon wieder ein Militärhubschrauber auf dem Fabrikgelände gelandet. Und dieses Mal tragen alle Schutzanzüge.« Alexei senkte sein Fernglas und nahm einen Transportkoffer mit Erdproben entgegen, den ihm sein Arbeitskollege vom Umweltschutzteam der Universität Irkutsk aus der Grube vor ihm emporstreckte. Sie erhofften sich aufgrund der Bodenanalysen wertvolle Erkenntnisse zu der seit Jahren auffälligen Häufung von Krankheitsausbrüchen auf dem weitläufigen Fabrikgelände. Und dieses Mal schien etwas mordsmässig in die Hosen gegangen zu sein.

    Bisher hatte der Hitzesommer des Jahres 2020 den Tiefpunkt markiert: Im Juni liefen hier rund 21 000 Kubikmeter Diesel aus, als das Fundament eines Treibstofftanks im Boden einsank. Nur wenige Wochen später barst eine Pipeline und verseuchte die ansonsten unberührte Landschaft mit über 44 000 Kilogramm Kerosin. Diese traurigen Ereignisse festigten Norilsks zweifelhaften Ruhm als dreckigster Ort der Welt. Doch Nickel und Palladium, zwei der Exportschlager der Region, hatten sich zu wichtigen Bausteinen vieler Industrieprodukte gemausert und die internationale Nachfrage war ungebremst.

    Als Alexei die Stadt damals zum ersten Mal besuchte, musste er an Pfahlbauer-Hütten denken. Oder an Venedig. Oder an Amsterdam. Wohin er auch schaute, sah er Gebäude auf Pfählen. Tanks auf Pfählen. Leitungen auf Pfählen. Das Auftauen des Permafrostes in der 175 000 Einwohner zählenden Stadt Norilsk war zu einer tickenden Zeitbombe angewachsen. Mittlerweile brach alle paar Monate irgendwo ein Stück Infrastruktur auseinander und verschmutzte die Umwelt mit Öl oder anderen Umweltgiften.

    »Los, lasst uns verschwinden«, keuchte Nicolai durch seine feuchte Atemschutzmaske. Er war mittlerweile aus der Erdgrube gekraxelt und strich sich die schmierigen Hände an seiner tarnfarbenen Cargohose sauber. Sie marschierten zügig zur Landstrasse, auf der ihr Fahrer Vladimir auf sie wartete, um sie zurück zum Flughafen zu bringen.

    »Da seid ihr ja«, stiess ihr junger Helfer müde unter seiner Maske hervor. »Ich erhielt soeben einen Anruf von meinem Kontakt in der Fabrik. Das Militär hat die Zone abgeriegelt, niemand darf das Areal verlassen.«

    Der Ausbruch der Krankheit schien doch gravierender zu sein als angenommen. Bisher wussten sie bloss, dass sich ein hartnäckiger Husten mit blutigem Auswurf erschreckend rasch ausbreitete.

    »Kannst du nicht schneller fahren?«, wetterte Nicolai wenige Minuten später den schwitzenden Vladimir an. »Ich will so schnell wie möglich aus diesem Drecksloch verschwinden.« Doch ihr junger Kontaktmann aus Norilsk schien es nicht allzu eilig zu haben. Stoisch steuerte er den Geländewagen über die Schotterstrasse in Richtung Flughafen.

    »Nicolai hat recht«, wandte sich Alexei jetzt ebenfalls an Vladimir. »Ich schätze deine verantwortungsvolle Art, aber wir müssen hier so schnell wie möglich weg, also beeil dich.«

    »Na gut, wenn es unbedingt sein muss«, quittierte ihr junger Fahrer gleichgültig und beschleunigte die Fahrt.

    Nicolai warf Alexei einen wütenden Blick zu. Alexei war sich bewusst, dass sein langjähriger Arbeitskollege die Feldarbeit in massiv verschmutzen Regionen nicht ausstehen konnte, und sich lieber seinen Aufforstungsprojekten widmete. Nicolai schien sich dazu berufen zu fühlen, Sibirien mit Bäumen zu überziehen, um ‹der Welt ihre Lunge zurückzugeben›, wie er es Alexei gegenüber einmal formuliert hatte. Zudem schützten die Wälder die Permafrostböden vor dem Auftauen, weshalb ihr Team mittlerweile ebenfalls einige dieser Projekte unterstützte. Aber in seiner Rolle als sein direkter Vorgesetzter sah er es als seine Pflicht an, seine Mitarbeitenden ab und zu aus ihrer Komfortzone zu schubsen. Und Nicolai war der Einzige in seinem Team, der eine Pilotenlizenz für Kleinflugzeuge besass. Und die Verwegenheit, auch mal einen Forschungstrip ohne Bewilligung durchzuziehen.

    Aber dieses Mal hatten sie es möglicherweise übertrieben. Wenn ihre alte Pilatus PC-12 am Flughafen vom Militär festgesetzt worden war, würden sie bis auf weiteres in Norilsk bleiben müssen. Das bedeutete im Minimum zwei Wochen harte Quarantäne. Und die Gefahr, sich mit der unbekannten Krankheit anzustecken. Nicolai und seine Frau erwarteten in wenigen Tagen ihr erstes Kind. Obwohl, streng genommen war es bereits ihr zweites Kind, denn ihr Erstgeborenes war mit nur sechs Wochen an einer heimtückischen Atemwegserkrankung namens Respiratorisches-Synzytial-Virus, kurz RSV, gestorben. Alexei wusste: Nicolai würde es ihm nie verzeihen, wenn er die Geburt verpassen würde.

    Endlich tauchte durch die insektenverschmierte Windschutzscheibe vor ihnen das Flughafengelände auf. Vladimir schaltete die Scheinwerfer aus und steuerte seinen Geländewagen ans südliche Ende, wo sie ihre Maschine zurückgelassen hatten.

    Die Ebene schien verlassener als üblich, obwohl der Flugbetrieb vierundzwanzig Stunden am Tag lief. Hatte das Militär den Flughafen dichtgemacht? Das wären äusserst unerfreuliche Neuigkeiten. Beunruhigt hielten sie Ausschau nach Bodenpersonal oder Soldaten, derweil Vladimir den Wagen für Alexeis Geschmack viel zu fahrlässig in die Richtung ihres Flugzeuges lenkte. Sie näherten sich bis auf zehn Meter und brachten daraufhin zügig ihre Ausrüstung an Bord.

    Noch immer war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Nicolai glitt in den Pilotensitz und verschaffte sich einen Überblick. »Das mit dem Tanken hat noch geklappt, wir werden die 2000 Kilometer runter nach Irkutsk also ohne Zwischenlandung

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