30 Minuten Change-Müdigkeit vermeiden
Von Ralph Nolte
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Über dieses E-Book
Change-Müdigkeit entsteht schleichend und meist unbemerkt. Mitarbeitende verlieren den Elan, Führungskräfte ihren Tatendrang, alle drohen in Teilnahmslosigkeit abzurutschen. Fortgeschrittene Change-Müdigkeit lähmt komplette Organisationen. Und zeigt sich in den meisten Fällen erst spät nach Abschluss von vermeintlich erfolgreichen Transformations- und Change-Projekten. Durch das von Ralph Nolte als "post-agile Belastungsstörung" identifizierte Symptom lässt sich Change-Müdigkeit nun klarer und eindeutiger erkennen. Und damit wirksam und nachhaltig kurieren.
Das Buch eröffnet in fünf einfachen Schritten das Potenzial, performance-schädigende Change-Müdigkeit zu behandeln. Oder sie erst gar nicht entstehen zu lassen, wenn bereits vor dem Start von Wandlungsinitiativen auf die erfolgskritischen Handlungsfelder geschaut wird. Und das ohne Einsatz zusätzlicher Technik oder Software!
Ralph Nolte
Ralph Nolte ist Ökonom und Experte für nachhaltige organisatorische Veränderungen und promovierte in Wirtschaftsphilosophie. Er erforscht im Besonderen die Ursachen für Konfliktsituationen in Projektnachlaufzeiten agiler Projekte und Transformation. Seit 2003 ist er freiberuflich tätig als Organisationsberater mit Schwerpunkt Konzeption und Umsetzungsbegleitung, ab 2013 arbeitet er zudem als ausgebildeter Wirtschaftsmediator. Als Referent zum Thema „angewandtes Projektmanagement“ lehrt er an der Universität des Saarlandes.
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Buchvorschau
30 Minuten Change-Müdigkeit vermeiden - Ralph Nolte
1. Wenn uns die Zukunft einholt
Der ersten Euphorie-Welle folgte Ernüchterung auf dem Fuß. Schnell wurde klar, dass es doch nicht so einfach ist, eine Organisation „mal eben zu verändern. Gemeint ist die viel umjubelte „agile Welt
. Eine Zukunftsvision, in der alles schneller, besser und mit höherer Qualität läuft, unter anderen auch von John Kotter (Kotter, 2014) Anfang der Zweitausenderjahre nach vorne gepeitscht und damit Erwartungen geweckt, die sich dann in der Folge nicht – oder nur zum Teil – erfüllten. Beschleunigung allein reichte da nicht. Und diejenigen Entscheider und Führungskräfte, die sich für den Wandel in Richtung Agilität entschieden, spürten schnell, dass nicht die Idee, der Wille und die Bereitschaft zur Veränderung und letztendlich die Entscheidung selbst das Schwierige waren, sondern das Umsetzen in den Regelbetrieb. Mühselig, zäh im Verlauf und mit immer wieder unerwarteten Rückschlägen versehen, zogen sich die organisatorischen Transformations-Projekte in die Länge. Und damit stiegen zwangsläufig die Kosten und negativen Auswirkungen auf die Performance der gesamten Organisation. Auch in der Außenwirkung!
1.1 Change-Müdigkeit – die neue Organisations-Krankheit?
Etwa acht Monate nach Start der Transformation beklagte sich ein Geschäftsführer eines mehrere Tausend Mitarbeiter umfassenden Unternehmens, dass er von seinen Managern bitter enttäuscht sei. Warum? Weil sie immer noch in ihrem Silo-Denken verharrten. Für diejenigen unter uns, die selbst Führungsverantwortung innehaben oder -hatten, durchaus verständlich. Warum einen sicheren, gut einschätzbaren und seit Jahren gewohnten und beherrschbaren Wirkungsbereich scheinbar ohne Grund verlassen? Insbesondere wenn eine eingehende Kommunikation über die durchzuführenden Maßnahmen nicht erfolgte, die Sinnhaftigkeit, der Grund, das Motiv nicht glasklar und verständlich rübergebracht wurden – sofern sie überhaupt vorhanden waren. Und die Richtung, deren Wirkung, Dimension und Konsequenzen sowohl den Führungskräften als auch der Belegschaft insgesamt nicht, oder nur unzureichend, transparent gemacht wurden.
Fehlende Vorbereitung
Dieses Beispiel steht exemplarisch für viele andere. Natürlich wird darüber in der Öffentlichkeit nicht oder nur ganz selten gesprochen oder findet in der einschlägigen Presse kaum Erwähnung. Ließe es doch in einem solchen Fall den Verdacht zu, dass es sich hierbei um fehlende Management-Fähigkeit handelt. Auffällig ist jedoch die zu geringe Sorgfalt in der Vorbereitung, die augenscheinliche „Blauäugigkeit" im Folgen von organisatorischen Trends – gerade bei Transformations- und Change-Vorhaben dieser Dimension.
Umsetzen in den Regelbetrieb
Für die meisten der damaligen Führungskräfte waren diese Art Projekte eine echte Herausforderung. Sie wurden zum ersten Mal mit Wandel konfrontiert, der mit mehreren Unbekannten versehen war. Nicht nur die Größe, das Ausmaß oder die Dimension waren der Grund, sie kamen noch erschwerend hinzu. Insofern verwundert es nicht, dass es streckenweise mehr „trial and error" hieß – und vielerorts auch heute noch heißt – als zielorientiertes Handeln im Sinne der Company.
Häufige Änderungen im Vorgehen, Richtungswechsel in der Strategie, Stop-, Go- und Zurück-Maßnahmen sowie fehlende Durchdringung gelungener Änderungen in die Organisation sind einige der Ursachen für verändertes Verhalten in der Führungscrew ebenso wie in der Belegschaft insgesamt. Die eigentlich nicht erwünschten Auswirkungen spüren dann alle, während sich der Wandel im Aufbau, in der Durchführung oder selbst wieder in einem Change befindet (der Change im Change).
Negative Auswirkungen
Schon in dieser Phase, oder gerade dort, häufen sich die Klagen der Mitarbeitenden über ständige Änderungen im Projektgeschehen, weil „die da oben nicht wissen, was sie tun". Die Auswirkungen auf das zu erledigende Tagesgeschäft sind während dieser Phase des Projektes schon gravierend:
Doppelarbeit,
steigende Fehlerquote,
Korrekturen,
Zuständigkeitsverlust, wer jetzt was zu tun oder zu lassen hat,
bis hin zu Verweigerungshaltung
und nicht zuletzt Resignation.
Genügend Potenzial also für Konflikte im Projekt, vielmehr aber im täglichen Geschäft, am jeweiligen Arbeitsplatz und im Besonderen zwischen Führungskräften aufgrund von Verantwortungsgerangel und unterdurchschnittlichem Verantwortungsbewusstsein.
Fatale Langzeitwirkung
Die überproportional gestiegene Zahl allein meiner Einsätze als Wirtschaftsmediator in der Zeit von 2015 bis heute bestätigen den Schiefstand in den Organisationen. Und das wirkt über das jeweilige Projekt selbst weit hinaus. Diese Langzeitwirkung bzw. die daraus resultierenden Spätfolgen werden im Nachhinein nicht, oder nur sehr selten, mit den Change- und Transformations-Projekten selbst in Verbindung gebracht. Aus denen haben sie sich aber entwickelt! In den meisten Fällen sind die Projekte bereits seit Langem abgeschlossen – zumindest auf dem