Die Stimme im Leuchtturm: Und andere philosophische Märchen
Von Liesel Solscheid
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Über dieses E-Book
Liesel Solscheid
1. Lebenshälfte: Schule, Ausbildung, Studium zur Dipl. Betriebswirtin und Dipl. Verwaltungswirtin, Studium zum Magister der Philosophie, Ausbildung zur Psychotherapeutin nach dem HPG; Erkrankung. 2. Lebenshälfte: Umzug und Rückzug in die "Herberge zum Sinn und mehr Autonomie"; in dieser Zeit entstand auch u.a. vorliegendes Werk; weitere Veröffentlichungen, wie auch eine Fortsetzung, sind vorgesehen.
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Buchvorschau
Die Stimme im Leuchtturm - Liesel Solscheid
Die Stimme im Leuchtturm
Clarissa und ihr Mann Santimo waren in ein Dorf nahe der Küste gezogen. Als sie abends im Bett lagen, hörte Clarissa eine wunderschöne Frauenstimme in einer ihr unbekannten Sprache singen. Die Melodie und die Stimme waren so schön und beglückend, so etwas hatte sie noch nie gehört und erlebt. Sie sprach Santimo an: „Santimo schläfst du schon? Hörst du diese schöne Stimme? „Ja
, antwortete er, „es wird der Gesang des Leuchtturms sein. „Des Leuchtturms?
, fragte Clarissa entsetzt. „Ja, man erzählt sich hier, der Leuchtturm würde zu unregelmäßigen Zeiten zur Paarung aufrufen, indem diese Frauenstimme singt. „Und wer ist diese Frau?
, fragte sie. „Das weiß niemand. Sie soll seit Jahrhunderten schon die Menschen zusammenbringen, die sich in ihrer Liebe verirrt haben und beabsichtigten andere Wege zu gehen als den mit den gewählten Partnern. Sie kommen dann als letzte Rettung hierhin, hören den Gesang und sind wieder vereint. Ihre Liebe blüht dann wieder auf, so heißt es hier. Es ist ein richtiger Wallfahrtsort für gebrochene Herzen geworden, erzählte ihr Santimo. „Welche Sprache ist das denn, was singt sie denn?
„Das weiß niemand. Den wahren Text kennt keiner. Er ist den Menschen seit ewigen Zeiten ein Geheimnis."
„Aber wie soll das denn gehen? Nur durch diese Stimme und die Melodie werden doch keine Herzen vereint, die zerrüttet sind", sagte Clarissa erstaunt.
„Es ist der magische Gesang der Liebe, so heißt es hier, antwortete er. „Die ältere Dame von Nebenan hat es mir gestern erzählt, als du einkaufen warst.
„Kann man denn eine Liebe heilen, wenn sie zerstört ist?, fragte Clarissa. „Ich habe immer gedacht, wenn es nicht mehr geht, wenn man sich nicht mehr anziehend findet, ist es besser sich zu trennen. Dann hat man den Mann oder die Frau seiner Bestimmung noch nicht gefunden. Ich denke, das kommt vielfach vor. Da wird die Frau im Leuchtturm ja oft singen müssen. Ich weiß von vielen Paaren, dass sie nachts von anderen Partnern träumen als denen, die sie gerade haben. Die müssten ja dann irgendwann alle hier erscheinen. Zum anderen müssten alle hier im Dorf eine glückliche Beziehung haben.
Das alles konnte Clarissa sich nicht vorstellen. „Ich will morgen die Nachbarin fragen", meinte sie.
Am nächsten Tag suchte sie auch sogleich die alte Dame auf und befragte sie, wie es denn mit den Beziehungen im Dorf aussehen würde. „Die Stimme hört nicht jeder, sagte sie. „Die meisten im Dorf hören sie nicht. Sie schämen sich deswegen und geben es nicht zu, aber sie hören sie nicht. Ich habe es selbst oft getestet, indem ich fragte, ob sie gestern die Stimme gehört haben und sie sagten ja, aber sie war gar nicht da. Im Dorf ist Unklarheit über die Stimme, die meisten wollen nicht darüber reden, weil sie sie nicht hören. Die Menschen, die die Stimme hören, sind wachsam für die Liebe, aber nicht für das, was der allgemeine Mensch als Liebe bezeichnet, sondern für die reine, die ewige Liebe. Das ist etwas ganz anderes. Sie schauen die ewige Liebe in der Stimme des Leuchtturms. Die meisten Menschen brauchen sich nur, die ewige Liebe braucht aber nicht.
„Wie ist es mit den Paaren, die die Stimme gehört haben, waren die wirklich wieder vereint?", fragte Clarissa beeindruckt.
„Es müssen beide die Stimme hören. Wenn sie nur einer hört, reicht das nicht für lange Zeit aus. Sie werden über kurz oder lang vor dem gleichen Problem stehen. Mein Mann ist auch weg. Er hat die Stimme nie gehört. Als wir hierherzogen und ich die Stimme zum ersten Mal hörte, war ich wie du, ich darf doch du zu dir sagen? Ich wollte alles darüber wissen. Mein Mann half mir auch. Wir waren jung verliebt. Ob er sie hörte, konnte ich zunächst nicht erfahren. Ich hörte sie oft nachts, wenn er tief und fest schlief. Als er dann ging, er hatte eine andere Frau gefunden, sagte er mir, die Stimme habe ihn nie interessiert, er habe sich nur meinetwegen so bemüht. Jetzt bin ich mit einem Mann befreundet, der hört die Stimme, das weiß ich genau. Er kommt immer am Wochenende, dann kannst du ihn kennenlernen. Ich denke, die Stimme zu hören, ist ein gutes Zeichen für die ewige Liebe, die nur jeder in sich selbst spüren kann. Wenn beide die Stimme nicht hören, mag dies auch gut sein, dann brauchen sie oder trennen sich. Aber wenn einer die Stimme hört und der andere nicht, möchte einer an der ewigen Liebe festhalten und der andere braucht etwas anderes. Die ewige Liebe macht ihn nicht satt.
Auch sie werden sich trennen, weil er die Veränderung des Partners nicht ertragen kann." Die alte Dame wusste wohl sehr viel über das Leben und die Liebe und insbesondere von der Stimme.
„Aber dann sind die Menschen ja doch füreinander bestimmt, meinte Clarissa. „In gewisser Weise schon. Sie dürfen sich aber nicht zerstören, dann ist die Bestimmung verloren. Dies bedeutet, sie dürfen sich nicht brauchen. Sobald sie sich brauchen, hören sie die Stimme der ewigen Liebe nicht mehr.
„Warum kommen die Menschen nicht zu ihnen und holen bei ihnen Rat?", wollte Clarissa wissen.
Die Dame meinte: „Ich kann sie das Hören der Stimme nicht lehren. Das kann nur die Stimme im Leuchtturm."
„Warum ist die Stimme wohl in einem Leuchtturm?", fragte sie weiterhin.
„Der Leuchtturm ist eine Warnung vor gefährlichen Untiefen, in die der Mensch, der liebt, geraten kann. Der Turm warnt den Menschen, das ewige Ziel, das er ansteuert, nicht zu verlassen." Clarissa fand die alte Dame spannender als die Stimme selbst. Was sie alles wusste und wie selbstverständlich das alles für sie war.
Sie meinte weiter: „Wie im Leben sind wir auch in der Liebe nur ein Werkzeug, mit dem wir die Aufgabe der ewigen Liebe zu erfüllen haben. Liebe ist ebenso wenig ein Selbstzweck wie alles andere, was wir als Werkzeug verrichten."
Clarissa fragte die alte Dame, warum so viele Menschen nachts von anderen Partnern träumen.
Die Dame antwortete: „Wenn sie das nachts noch träumen, haben sie die ewige Liebe in sich noch nicht erfahren, sie brauchen sich noch. Sie sollten, wenn es ihnen möglich ist, noch mehrmals die Stimme im Leuchtturm hören, um davon befreit zu werden."
„Aber wird denn das Hören der Stimme reichen?, fragte Clarissa entsetzt. „Wenn das nicht reicht, haben sie die Stimme nicht gehört
, sagte sie kurz und bündig und Clarissa hatte auch das Gefühl, dass sie jetzt nicht näher in sie eindringen konnte. Sie hatte schon genügend gesagt. Aber sie wollte mehr über das Geheimnis der Stimme im Leuchtturm wissen. Als sie sich von der Dame verabschiedete, sagte diese noch:
„Versuche nicht, die Menschen auf die Stimme hinzulenken oder gar sie zu testen. Das verleitet sie nicht, die Wahrheit zu sagen und zu leben, was sie nicht sind. Ich habe es aufgehört danach zu fragen, um ihnen diese Verlegenheit zu ersparen und in eine falsche Richtung zu lenken. Mein Freund war vor vielen Jahren, der letzte, den ich fragte und es tut mir heute leid. Es war ein Zeichen, dass ich noch einen Gleichgesinnten suchte. Heute weiß ich, dass die ewige Liebe nicht sucht, sondern gibt. Ebenso, wie die Stimme im Turm nicht die Menschen ersucht zu finden, was sie nicht haben, sondern den Menschen gibt, was sie schon haben."
Sie ging sofort nach Hause und fragte Santimo, ob er gestern Abend auch die Stimme gehört habe. Er meinte ja sicher, das wisse sie doch, sie habe ihn doch gefragt, was das für eine Stimme sei und er habe ihr gesagt, was er von der Nachbarin wusste. Daraufhin erzählte sie ihm alles, was sie von der Nachbarin erfahren hatte und dass sie noch mehr wissen wollte.
Sie fragte sich jetzt nur noch, wieso die alte Dame Santimo von der Stimme im Leuchtturm erzählt hatte. Sie fragte ihn, was er gesagt habe, dass sie ihm, dass er erzählt hat. Er habe nichts gesagt, meinte er. Sie habe gefragt, ob wir wegen der Stimme im Leuchtturm hier seien und da habe er danach gefragt, was das für eine Stimme sei. Die nächsten Tage konzentrierte sie sich sehr darauf, festzustellen, was es wohl in ihr selbst mit der Stimme im Leuchtturm auf sich habe, was denn wohl das Hören der Stimme zu bedeuten habe und wie es sich auswirkt auf die Liebe. Sie sprach mit Santimo nicht mehr darüber. Sie wollte es bei dem Gesagten belassen und weiteres nur für sich feststellen. Außer mit der alten Dame wollte sie mit niemandem darüber reden. Es schien etwas zu geheimnisvolles zu sein, dass man sich durch zu viel Reden nur zerstören können, wie ein Feuer, dass man in sich löscht, obwohl man besser daran täte, es zunächst auf kleiner Falle lodern zu lassen und sich an der kleinen Flamme erfreut.
So fragte sie sich, ob sie Santiomo wirklich so bedingungslos und selbstlos liebt. An manchen Tagen zweifelt sie ihre Liebe zu ihm an, aber vielleicht ist es auch nicht die Liebe, sondern nur die Ansicht über ihn. Sie sieht ihn dann negativ.
Liebt man nicht, wenn man den anderen kritisiert und sich lieber zurückzieht?
Man kritisiert ja nur, wenn man etwas anderes haben will, wenn man also etwas braucht und wenn man den anderen braucht, hat das nichts mit Liebe zu tun, so hatte die alte Dame gesagt. Die meisten Menschen brauchen sich, lieben sich aber nicht, deshalb hören auch die wenigstens die Stimme im Leuchtturm.
Es war jetzt 2 Wochen her, dass sie die alte Dame gesehen und gesprochen hatte. Vielleicht war sie krank. Sie wollte einmal nachsehen. Sie besorgte ein paar Blumen uns ging zu ihr. „Entschuldigen sie, dass ich sie so unvorbereitet aufsuche, aber ich dachte, sie seien vielleicht krank, da ich sie länger nicht gesehen habe. „Das ist sehr freundlich
, meinte die Dame, „aber es geht mir gut. Ich ziehe mich nur gerne zurück. Aber über netten Besuch freue ich mich auch sehr. Komm doch herein und trinke einen Tee mit mir." Es gab nichts, was Clarissa lieber getan hätte. Sie nahm dankend an. Sie waren auch plötzlich in einem Gespräch, dass Clarissa so ersehnte. So meinte die alte Dame:
„Es ist das Ich, das die Menschen so streitsüchtig macht. Dabei hat die Schöpfung es so eingerichtet, dass jeder seine Aufgabe zu