Die Steuererklärung: Eine (überwiegend) heitere Erläuterung
Von Ulf Häusler
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Über dieses E-Book
Der Autor ist sich ziemlich sicher, dass sich der potentielle Leser ebenfalls jährlich erneut über diese höchst vergnügliche Arbeit ärgern muss.
Ulf Häusler
Ulf Häusler, 1935 in Nordhessen geboren, studierte nach dem Abitur zunächst Medizin, sattelte dann aber um auf Jura und Volkswirtschaft. Nach bestandenem Diplom als Volkswirt ging er zunächst für ein Jahr in den väterlichen Betrieb. Danach wechselte er in einen großen deutschen Konzern. Er arbeitete dort gut 30 Jahre lang, ab 1992 als Mitglied des Konzernvorstandes, den er altersbedingt Ende 1998 verließ. Nebenberuflich promovierte er 1973 und erhielt 1984 einen Lehrauftrag an einer süddeutschen Universität. 1990 ernannte ihn der zuständige Kultusminister zum Honorarprofessor. Ulf Häusler ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und lebt und arbeitet zusammen mit seiner künstlerisch tätigen Ehefrau in einem kleinen Dorf im hessischen Teil des Odenwaldes.
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Buchvorschau
Die Steuererklärung - Ulf Häusler
1.Kapitel: Mantelbogen, Zeilen 1 – 15 und Zeile 17
Mittlerweile schrieb man den 26 April anno 2021 n.Chr. Ich, Felix Bollmann saß tief versonnen an meinem alten Schreibtisch – einem antiken Stück aus dem 18. Jahrhundert, einem sog. Jockel-Tisch - also einem Tisch für Spieler, daher mit tiefgezogenen Beinen, sodass sich die Spieler nicht per Fuß irgendwelche Signale geben konnten – und studierte fleißig die ausgedruckten Formulare für die Einkommensteuer-Erklärung des Jahres 2020. Und ich stellte zu meiner allergrößten Überraschung fest, dass der Mantelbogen gar kein Mantelbogen mehr war, sondern statt der aus früheren Jahren gewohnten 4 Seiten im Format DIN A4 – aufgeklappt also DIN A3 - nunmehr nur noch aus einem vor- und rückseitig beschriebenen Blatt Papier, also aus 2 Seiten bestand. Ich hoffte nunmehr insgeheim, dass der vor Jahren von Friedrich Merz, damals seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, unterbreitete Vorschlag, die Steuerformulare auf das Format eines Bierdeckels einzudampfen, wenigsten tendenziell endlich wahr würde. Allerdings sollte sich meine Hoffnung nicht erfüllen. – das Finanzamt verlangte zwar auf dem neuen Mantelbogen nicht mehr so zahlreiche Angaben wie bisher, fragte dafür aber in den einzelnen Anlagen umso genauer nach.
Seufzend setzte ich die erforderlichen Häkchen, füllte die beiden Rubriken mit Steuer- und Steueridentifikationsnummer aus, um mich nunmehr den Zeilen 8 bis 15 des Vordrucks zu widmen: Name, Vorname, Titel usw.
Ich, Felix, Balthasar Bollmann, wurde am 1. April 1935 als Sohn des Fachanwalts für Steuerrecht Anton Balthasar Bollmann und seiner Ehefrau, Helgard Emilie, geborenes Freifräulein von Steinmann in Berlin geboren. Ich gestehe, dass ich nie begriffen habe, warum meine Mutter meinen Erzeuger geehelicht hat – es muss wohl so etwas wie eine vorgezogene Torschlusspanik gewesen sein, denn meine Mama (wegen ihrer adligen Herkunft bitte auf der zweiten Silbe betonen) war ein wenig mollert und schon über 25 und damit der 30 ziemlich dicht auf den Fersen, als sie das Flehen Antons erhörte und ihm das Ja-Wort gab. Selbiger war damals noch relativ schlank und rank, hinter jeder Schürze her, als Anwalt ließ er zwar hoffen, war aber noch recht unbedarft und als solcher in der Sozietät der von Steinmanns als Angestellter tätig. Und da mein Großvater Freiherr von Steinmann ein sehr gut betuchter Mann war – er verdiente wohl extrem viel Geld, weil er sich als Spezialist für die großen Rittergüter des ostelbischen Landadels etabliert hatte und u.a. deren Steuerprobleme löste – fand der Junganwalt Bollmann wohl auch aus diesem Grund Gefallen an dem jungen Freifräulein.
Kurzum, die beiden wurden ein Paar, man verlobte sich, heiratete aber erst einmal nicht, weil das liebreizende Freifräulein den von ihr erhörten Anton erwischte, als er in einem Tanz-Café eine hübsche junge Blondine bei einem Slowfox nicht nur eng an sich drückte, sondern mit selbiger innig knutschte. Er hatte sein adliges Fräulein Braut dummerweise nicht bemerkt. Selbige, also meine spätere Mama, klatschte ab, Bräutigam Anton musste sich zwangsweise von seiner hübschen Partnerin lösen und sah seine Verlobte äußerst überrascht an. Seine Verblüffung erreichte dann unvermittelt ihren Höhepunkt, denn meine (wie gesagt spätere) Mama klatschte erneut, dieses Mal aber nicht ab, sondern auf meines (ebenfalls späteren) Vaters Wange. Die Entlobung war unvermeidlich, mein Vater wurde im Hause derer von Steinmanns zur persona non grata erklärt und fristete fortan in einem Keller-Büro der Anwaltskanzlei ein emsiges, aber tristes Dasein, dass nur dadurch erträglich wurde, als der Herr Jung-Anwalt Bollmann sich nun - sicher vor Ohrfeigen in der Öffentlichkeit - wieder seiner liebsten Freizeitbeschäftigung widmen konnte: Sich als Schürzenjäger zu betätigen und gelegentlich auch seinen Hormonhaushalt zu regulieren. Die betrogene Braut, also meine spätere Mama – bitte nicht die Betonung auf der 2. Silbe vergessen – verlangte zwar von ihrem Herrn Papa, diesen Bollmann zu ‚feuern‘, aber der Papa widersetzte sich dem Ansinnen des liebreizenden Töchterleins unter Hinweis auf die Tatsache, dass er nicht daran denke, sein inzwischen bestes Pferd im Stall zu entlassen. Selbiger Ex – gemeint ist natürlich nicht das Pferd, sondern der Junganwalt Bollmann, sonst hätte es ja ‚Selbiges heißen müssen - hatte nämlich beruflich die Zeit der Entlobung genutzt, um wenigstens anwaltlich die Eierschalen abzustoßen.
Es ist übrigens ein Gerücht, dass sich Anton Bollmann in dieser Zeit einen Tripper einfing und es stimmt auch nicht, dass er sich die Rechnungen für sein Pläsier von seinem Arbeitgeber im Wege von Reisekostenabrechnungen erstatten ließ. Die großväterliche Anwaltskanzlei verdiente so gut, dass es keiner steuersparenden Peanuts bedurfte, um das Einkommen der Großeltern via Steuerersparnis zu erhöhen.
Anton Bollmann, mein späterer Erzeuger und Vater, schaffte es, sich nach etwa 3 Jahren der Tochter seines Chefs erneut zu nähern. Wohl mit der Behauptung, dass er sich total geändert habe und keinerlei Bedarf mehr verspüre, sich anderen jungen Damen zu nähern.
Ich maße mir nicht das Urteil an, dass meine Mama schön dumm war, ihm zu glauben, aber wie eingangs bereits festgestellt, war sie den 30 inzwischen signifikant näher gerückt, ganz sicher ein liebes junges und behütetes Freifräulein, aber ohne Aussicht, dass da irgendwoher ein Prinz daherkäme, um sie von der Jung(frei)fräulichkeit zu erlösen. Nur meine Oma traute dem Braten nicht, aber die Tochter wusste es besser. Sie erhörte Antons Flehen zum zweiten Male und so wurde es unausweichlich, dass das Freifräulein via Eheschließung in Berlin am 28.02.1928 zu einer Bürgerlichen wurde. Mit der Konsequenz, dass 2 Jahre danach dem jungen Paar der erste Sohn geboren wurde. Mein Bruder wurde auf den Namen Ludwig Balthasar getauft.
Durch vermutlich häufiges Üben kam dann 5 Jahre danach noch ein zweiter Sohn hinzu – das war nun ich, Felix Balthasar Bollmann, wie bereits erwähnt, geboren am 1.04.1935. Das ist übrigens kein Aprilscherz, sondern bittere Realität, bitter, weil ich als kleiner Junge bisweilen deswegen gehänselt wurde. Ich habe darob aber wohl keinen seelischen Schaden erlitten und die Unbill überlebt, auch ganz ohne Beistand eines Facharztes für die seelischen Wehwehchen eines kleinen Jungen. Was auch vielleicht daran gelegen haben könnte, dass es in unserer Nähe nur einen Facharzt für die Nervenleiden unverstandener Frauen gab.
Wenn ich mal wieder etwas ausgefressen hatte, bekam ich eine Tracht Prügel anstelle von Ermahnungen – vielleicht hatte mein Herr Papa als Fachanwalt für Steuerrecht nicht bedacht, dass er die Kosten für den Psychiater als Außergewöhnliche Belastung hätte steuermindernd geltend machen können. Rückblickend bedauere ich, dass das Züchtigen von Kindern nicht in meiner Jugendzeit schon verboten war.
Mein Bruder und ich wuchsen – so nennt man das wohl – wohlbehütet auf. Abgesehen von besagter gelegentlicher Tracht Prügel meines Vaters. Die Kriegsjahre verlebten wir evakuiert auf einem kleinen Dorf, fern von Bomben und ähnlichen Gefährdungen. Mit einer Ausnahme allerdings: Spazierengehend an einem Sonntag versuchten uns englische Tiefflieger mit ihren MGs zu erwischen, aber wir konnten uns im Chausseegraben hinter einem Baum in Sicherheit bringen. Leider trug ich eine Verletzung davon, als ich mit dem Knie in erwähntem Graben auf eine Wurzel knallte. Die Narbe habe ich heute noch. Da ich hieraus jedoch nie und zu keiner Zeit eine steuermindernde Kriegsverletzung geltend machte, unterstelle ich, dass das Finanzamt auf eine Inaugenscheinnahme der Narbe verzichtet.
Mein Bruder und ich haben beide Abitur gemacht, mein Bruder ganz manierlich, ich selbst war schon sehr früh für eine gründliche Ausbildung gewesen und fand es daher durchaus angebracht, zur Gymnasialzeit eine Ehrenrunde einzulegen. Ich war also dergestalt zu einem Spätentwickler gestempelt. Geschadet hat mir dies offenbar nicht, denn nach dem absolvierten Studium der Juristerei und der Volkswirtschaft gelang es mir ganz ohne Plagiate noch den Doktortitel zu erwerben und sehr viel später wurde ich vom Kultusminister eines Bundeslandes sogar noch zum Honorarprofessor ernannt. Sodass ich mich mit zwei Titeln schmücken darf. Zugegebenermaßen bestand ich das erste Examen nur mit einem ‚Befriedigend‘, dafür das große Staatsexamen mit einem ‚Gut‘ (was ziemlich selten vorkommt) und bei meiner Doktorprüfung hatte ich mir immer gesagt, ‚rite‘ (das meint ‚genügend‘) genügt ja und war dann höchst überrascht, dass mir die Fakultät der höchst ehrenwerten Kölner Uni zu einem ‚magna cum laude‘ verhalf.
Da bei ihrer Heirat meine Mama den Familiennamen meines Vaters erwarb – heute ginge das auch umgekehrt und ich wäre dann sogar von Adel – wurde ich demzufolge nicht nur wohlbehütet, sondern auch ganz bürgerlich erzogen. Und vielleicht ist ein durch Arbeit erworbener Titel sogar mehr wert als ein angeheiratetes ‚von‘ vor dem Namen. Außerdem war der mütterliche Adel schon arg alt, genau aus dem Jahre 1531, als Kaiser Karl der V. offenbar eine schwache Stunde hatte. Immerhin - durch die bürgerliche Heirat blieben mein Bruder und ich dergestalt von jedweder Dekadenz bewahrt. Gesundheit ist schließlich mehr wert als die Möglichkeit, einen angeborenen ‚Dachschaden‘ unter der Rubrik Außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen zu können.
Und auf meinen beruflichen Werdegang werde ich noch zurückkommen müssen.
Das verehrte Finanzamt fragt nun noch nach meinem Wohnort.
Nun, nach vielen Umwegen wohne ich im schönen Dorf Erzberg und daselbst im Oberweg 27. Und um die im Mantelbogen der Steuererklärung 2020 nachgefragte Anschrift meiner Ehefrau gleich mit zu beantworten, wir wohnen dort zusammen. Wir sind nicht geschieden, leben nicht getrennt, haben weder das eine noch das andere vor und der eventuelle Witwenstand möge uns noch viele lange Jahre erspart bleiben.
Wenn ich von Umwegen bezüglich unseres Wohnortes spreche, ist darauf hinzuweisen, dass meine Frau und ich erstmals – da allerdings nur gelegentlich - in einer Studentenbude – gemeinsam in Frankfurt wohnten, dauerhaft zogen wir nach unserer Eheschließung anno 1962, genau am 27. September zusammen. Allerdings zunächst nur in einem Hotel für die Hochzeitsnacht – eine eingehendere Beschreibung selbiger darf ich,