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Bildzensur: Digitale Bildkulturen
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eBook94 Seiten52 Minuten

Bildzensur: Digitale Bildkulturen

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Über dieses E-Book

Blocken, löschen, filtern: Katja Müller-Helle blickt hinter die Zensurbalken des Internets und analysiert, wer welche Inhalte unterdrückt – und welche (Gegen-)Bilder digitale Regulierungspraktiken produzieren.

Twitter verbannt Trump, autoritäre Regime verfolgen unliebsame Inhalte, Content Moderatoren durchkämmen Soziale Medien nach Bildern, die nur kurz oder gar nicht ins Sichtfeld geraten sollen.

In Verpixelungen oder Blurring-Effekten schließt die visuelle Grammatik der Zensur im Netz erkennbar an Kontrollformen der vordigitalen Zeit an. Neu sind die technischen Prozesse der Bilderfassung und -löschung: Nach welchen Kriterien sie funktionieren, bleibt trotz ihrer globalen Wirksamkeit häufig undurchsichtig.

Müller-Helle untersucht diese Infrastrukturen der Löschung und zeigt, wie Formen der aktivistischen und künstlerischen Umnutzung von Zensurpraktiken aussehen können: von Black Lives Matter bis #freethenipple.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Sept. 2022
ISBN9783803143426
Bildzensur: Digitale Bildkulturen

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    Buchvorschau

    Bildzensur - Katja Müller-Helle

    E-Book-Ausgabe 2022

    © 2022 Verlag Klaus Wagenbach, Emser Straße 40/41, 10719 Berlin

    Covergestaltung: Studio Jung, Berlin.

    Datenkonvertierung bei Zeilenwert, Rudolstadt.

    Alle Rechte vorbehalten. Jede Vervielfältigung und Verwertung der Texte, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für das Herstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet sowie Übersetzungen.

    ISBN: 9783803143426

    Auch in gedruckter Form erhältlich: 978 3 8031 3714 2

    www.wagenbach.de

    DIGITALE BILDKULTUREN

    Durch die Digitalisierung haben Bilder einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Dass sie sich einfacher und variabler denn je herstellen und so schnell wie nie verbreiten und teilen lassen, führt nicht nur zur vielbeschworenen »Bilderflut«, sondern verleiht Bildern auch zusätzliche Funktionen. Erstmals können sich Menschen mit Bildern genauso selbstverständlich austauschen wie mit gesprochener oder geschriebener Sprache. Der schon vor Jahren proklamierte »Iconic Turn« ist Realität geworden.

    Die Reihe DIGITALE BILDKULTUREN widmet sich den wichtigsten neuen Formen und Verwendungsweisen von Bildern und ordnet sie kulturgeschichtlich ein. Selfies, Meme, Fake-Bilder oder Bildproteste haben Vorläufer in der analogen Welt. Doch konnten sie nur aus der Logik und Infrastruktur der digitalen Medien heraus entstehen. Nun geht es darum, Kriterien für den Umgang mit diesen Bildphänomenen zu finden und ästhetische, kulturelle sowie soziopolitische Zusammenhänge herzustellen.

    Die Bände der Reihe werden ergänzt durch die Website www.digitale-bildkulturen.de. Dort wird weiterführendes und jeweils aktualisiertes Material zu den einzelnen Bildphänomenen gesammelt und ein Glossar zu den Schlüsselbegriffen der DIGITALEN BILDKULTUREN bereitgestellt.

    Herausgegeben von

    Annekathrin Kohout und Wolfgang Ullrich

    Twitter-Post von Jan Böhmermann, Januar 2021

    1 | Prolog

    Als sich am 6. Januar 2021 Hunderte von Menschen gewaltsam Zutritt zum Kapitol in Washington verschafften, hatte dies eine neuartige Form der Sprachlosigkeit zur Konsequenz: Der amerikanische Präsident durfte sich über Twitter nicht mehr äußern. Nach einer Rede zur Anstachelung der Massen hatte sich Donald Trump in Schweigen gehüllt, offenbar mit dem Ziel, koordinierte Maßnahmen gegen die Eskalation zu verhindern. »Six hours of paralysis«, titelte die Washington Post.¹ Erst nach einer von Joe Biden hastig zusammengestückelten Rede, in welcher der designierte US-Präsident von einem »Angriff auf die Demokratie« sprach, postete Trump über die Plattformen Twitter, Facebook und YouTube ein Statement aus dem Garten des Weißen Hauses – er verurteilte die Gewalt, bekräftigte aber gleichzeitig die Behauptung, der Wahlsieg sei ihm gestohlen worden. In den Sozialen Netzwerken war zu diesem Zeitpunkt längst ein Bilderkrieg ausgebrochen. Die Eindringlinge zwängten sich als selbstermächtigte Berichterstatter:innen mit Handys und Bodycams durch Fenster und Türeingänge des Kapitols, schossen in Bild und Ton Trophäen für die Selbsthistorisierung und speisten die Echtzeitdokumentationen in die Bildzirkulation der Sozialen Medien ein. Der politisch motivierte Sturm war innerhalb kürzester Zeit zum Bildersturm in Form von Selbststilisierungen der Putschist:innen geworden. Die Bilder des QAnon-Schamanen oder der hochgelagerten Füße auf Nancy Pelosis Schreibtisch wurden allerdings schnell zum beweiskräftigen Material für OSINT-Operationen (Open Source Intelligence) – eine neue Form digitaler Forensik, welche die freigebig über alle Kanäle geteilten Bilder für polizeiliche Zwecke abschöpfte und gegen die Eindringlinge selbst richtete.² Das Ausmaß des politischen Schadens und der Konsequenzen, im Einzelfall sogar Inhaftierungen, zeigte sich erst in den Auswertungsszenarien der Untersuchungsausschüsse Monate später. Zuvor hatte der Microblogging-Dienst Twitter erneut sein Potential zur politischen Mobilmachung bewiesen.³ Um den chaotischen Ereignissen kurzfristig Einhalt zu gebieten, trat Twitter in politischer Funktion auf, und es kam zu einer bis dato einmaligen Geste der Disruption in Sozialen Netzwerken: die dauerhafte Sperrung des Accounts @realdonaldtrump mit 88 Millionen Followern. (# 1)

    # 1 Screenshot Block-Page Twitter-Account @realdonaldtrump

    Die sogenannte »Block-Page«,⁴ die Sperrseite des Trump-Accounts auf Twitter, wurde schnell zum Metabild des Regulationsgeschehens in digitalen Bildkulturen. Millionenfach wurden Screenshots des blockierten Trump-Profils als besonderes Ereignis in der sozialmedialen Kommunikation geteilt.⁵ Das durch Teilen und Retweeten wiederholte Blocken im polarisierten Meinungsgeschehen verweist auf die Akteur:innen der Plattformbetreiber hinter dem Account, dessen User den Ausschluss aus der Sharing-Ökonomie erlebt hat. Die erzwungene Inaktivität des prominenten Accounts machte sichtbar, was sich sonst, in der alltäglichen Nutzung des Netzwerks, nicht im Blickfeld befindet: die sozio-technische, als ein Zusammenschluss von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren beschreibbare Steuerung tausendfacher Tweets, Postings und Accounts im digitalen Datenverkehr. In der visuellen Kultur der Sperrung ist das staatsmännische Profilbild durch einen abstrakten Kreis ersetzt, die Nationalfarben in Rot-Blau sind einem fahlen Grau gewichen.

    Das Negativ-Profil bleibt sichtbar, wird in den »Echokammern der Bilder« vervielfacht und in Sekundenschnelle geteilt, um andernorts neue Bilder zu provozieren.⁶ Die Screenshots der Block-Page waren nicht nur zeithistorische

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