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DIE BAR AM ENDE DES MEERES: postapokalyptischer Roman
DIE BAR AM ENDE DES MEERES: postapokalyptischer Roman
DIE BAR AM ENDE DES MEERES: postapokalyptischer Roman
eBook434 Seiten5 Stunden

DIE BAR AM ENDE DES MEERES: postapokalyptischer Roman

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Über dieses E-Book

Eine Welt unter Wasser. Eine verschollene Waffe. Ein Kampf um Erlösung.
Zeke Watson hat seine erste Mission als »Watcher« zu erfüllen: Er soll ein entführtes Kind finden, das den Aufenthaltsort einer verschollenen Waffe kennt. Eine Waffe, die in den falschen Händen das Gleichgewicht zwischen guten und bösen Kräften im gesamten Universum durcheinanderbringen könnte.
Also macht er sich auf die Suche, nach dem Kind und der Waffe gleichermaßen. Aber wird er sie finden können, in einer überfluteten postapokalyptischen Welt voller erbarmungsloser Piraten, in der seine Fähigkeiten hinter dem Steuer eines Wagens nutzlos sind und seine neugewonnenen Kräfte so unberechenbar wie die raue See?
 Tom Abrahams' neuester Roman ist ein wilder Ritt durch eine postapokalyptische Welt, die jedoch mit einer phantastischen Wendung aufwartet. Für Fans von Hugh Howey und Stephen Kings "Dunkler Turm"-Saga. 
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum24. Feb. 2023
ISBN9783958357426
DIE BAR AM ENDE DES MEERES: postapokalyptischer Roman

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    Buchvorschau

    DIE BAR AM ENDE DES MEERES - Tom Abrahams

    Kapitel 1

    »Wo ist sie?«

    Desmond Branchs regennasse Finger umklammerten den Knochenschaft der Klinge aus Damaskus-Stahl an seiner Seite fester. Er würde nicht noch einmal fragen.

    Lucius Mander starrte ihn durch den Schleier kalten, unablässigen Regens an. Die Augen des Mannes waren vor Angst geweitet. Wasser hing schwer an seinen Wimpern und formte sich zu dicken Tropfen, die seine Wangen hinabliefen. Branch erkannte das Erscheinungsbild. Es war buchstäblich bei allen Menschen identisch – bei Männern, Frauen und sogar bei Kindern. Wenn ihre Zeit gekommen war, wenn ihr letzter Augenblick näher rückte, waren sie alle gleich.

    Es war der armselige Anblick von Angst, gemischt mit Resignation, dem Wissen, dass alles, was sie jemals ausgemacht hatte, aufhören würde zu existieren. Es würde sich verflüchtigen und vom Wind davongetragen werden, über die Ozeane, die sich endlos in jede Richtung erstreckten. Selbst die, die Trotz vortäuschten und so taten, als würden sie sich im Angesicht des Todes stählen, zeigten diesen Anblick unter der dünnen Oberfläche ihrer aufwallenden Gefühle.

    Mander war kein mutiger Mann. Er war armselig, senkte das Kinn und schüttelte den Kopf. Mit klappernden Zähnen gab er dieselbe Antwort wie unzählige Male zuvor. Und es war nicht die Antwort, die Desmond Branch hören wollte.

    »Ich weiß es nicht«, sagte Mander. »Ich habe dir gesagt, dass ich …«

    Branch legte eine Hand auf Manders bebende Schulter und stieß die Klinge in den Körper des Mannes. Er sah Mander in die Augen, als der Mann keuchte und den Mund öffnete und schloss wie ein Fisch auf dem Trockenen.

    »Du hast mir nichts erzählt«, sagte Branch und zog die Klinge zurück. Sie war schlüpfrig vor Blut. Er leckte sich über die Zähne und starrte Mander weiter mit seinem Todesblick an.

    Blut floss aus Manders Nase, mischte sich mit dem Regenwasser, das sein langes, blasses Gesicht hinabrann. Es verdünnte die rote Farbe, schwächte ihre Leuchtkraft ab und ließ sie beinahe rosa erscheinen, als sie die Lippen des sterbenden Mannes erreichte und von seinem Schnurrbart auf sein Kinn tropfte.

    Mander hustete. Er versuchte, wieder zu sprechen. Bevor er jedoch ein Wort hervorbrachte, hob Branch sein Knie, streckte das Bein aus und trat ihn mit seiner Stiefelspitze.

    Mander umklammerte seine Wunde, fiel nach hinten und verschwand aus seinem Blickfeld. Einen Augenblick später fiel sein Gewicht mit einem lauten Klatschen ins Wasser unter ihnen, und Branch wusste, dass der Mann fort war.

    Ein frischer Wind trieb Branch den Regen ins Gesicht, als er die Klinge an seiner Hose abwischte und sie zurück in die Scheide an seiner Hüfte schob. Mit der Oberseite seines Arms wischte er sich Regen und Schweiß vom Gesicht. Dann überquerte er das Deck seines Bootes, um zu seinem Steuermann zu gehen, einem vertrauenswürdigen Mann namens Pierre LeGrand.

    LeGrand war Branchs bester Freund, wenn ein Mann wie Branch überhaupt Freunde haben konnte. Die beiden würden füreinander sterben. Zumindest wusste Branch, dass LeGrand für ihn sterben würde. Er war sich nicht sicher, wie loyal er sein würde.

    »Das war der Letzte von ihnen«, sagte er über den Wind hinweg und schob sich neben LeGrand. »Wenn er etwas gewusst hätte, hätte er es mir gesagt.«

    LeGrand zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Wie viele waren es vor ihm?«

    Branch zählte mit den Fingern nach. »Neun. Keiner von ihnen wusste etwas. Ich dachte, dass jemand reden würde, bevor ich beim Letzten ankomme.«

    »Nichts?«, fragte LeGrand. »Kein Hinweis, wo sie ist?«

    »Nein.«

    »Einer von ihnen muss etwas gewusst haben«, sagte LeGrand. »Außer die Information ist wertlos.«

    »Die Information ist nicht wertlos«, sagte Branch. »Da bin ich mir sicher.«

    »Vielleicht warst du nicht überzeugend genug«, sagte LeGrand. »Ein Messer ist eben nur ein Messer.«

    Nur wenige Menschen konnten den Captain mit so einer Unverschämtheit beleidigen. Die meisten anderen wären an ihren Worten erstickt, weil sie Branchs Autorität infrage gestellt hatten. Branch rieb sich das Kinn und musterte seinen Steuermann aus zusammengekniffenen Augen. Aus Dünnhäutigkeit geborene Wut brodelte einen Augenblick in ihm und verschwand genauso schnell wieder. Branch ließ es auf sich beruhen, verkürzte im Kopf das Seil jedoch um eine Kerbe. Er legte eine Hand auf die Konsole, die die Brücke einrahmte. Sie bestand aus gewachstem Eichenholz, das mit einer Lackschicht versiegelt war, die den Regen in dicken Tropfen abperlen ließ, die sich auf der Oberfläche bildeten. Sie fühlte sich unter Branchs Fingern glitschig an.

    Er lachte. »Was hätte ich deiner Meinung nach denn tun sollen? Ihre Eingeweide an den Mast nageln? Ihre Hände bis auf die Knochen verbrennen? Sie kielholen? Sie über die Planke gehen lassen?«

    »Niemand hat je jemanden über die Planke gehen lassen«, sagt LeGrand. »Das ist nur eine Legende.«

    »Es ist keine Legende«, sagte Branch. »Die Leute haben das gemacht. Ein Seil, eine Kanonenkugel, Haie und eine Planke. Es konnte wirkungsvoll sein.«

    »Weißt du«, sagte LeGrand, »nur weil du Dinge stiehlst, Menschen tötest und nach versteckten Schätzen suchst, macht dich das nicht zu einem Piraten.«

    Branch schlug LeGrand mit seiner freien Hand auf den Rücken. Wasser spritzte aus dem durchtränkten Hemd des Steuermanns.

    »Doch, das tut es«, sagte er und lachte herzlich. »Genau das ist die Definition eines Piraten. Und jetzt lass uns wieder an die Arbeit gehen.«

    LeGrand griff nach dem Gashebel des Bootes und schob ihn nach vorn. Der Motor dröhnte, und das Boot schlingerte, bevor es Geschwindigkeit aufnahm. Das Wasser war kabbelig, und das Boot hüpfte auf den Wellen. Je schneller sie wurden, desto größer wurde der Winkel, bis sie abzuheben schienen und auf den Wellen ritten. Dichte Gischt sprühte bei jeder Abwärtsbewegung über den Bug. Das Kielwasser floss bei jeder Aufwärtsbewegung über das Deck, bevor es durch die Speigatten abfloss oder in den Kielraum rann.

    Das Wasser war waffenstahlgrau und mit weißen Schaumkronen bedeckt. Der Himmel über ihnen war dunkel und zornig. Eine Mischung aus salziger Gischt und niederprasselndem Regen zwang Branch, das Gesicht zur Seite zu drehen und schützend einen Arm zu heben.

    In einer Meile Entfernung befand sich die Küste. Er warf immer wieder einen Blick darauf, während sie sich ihr näherten. LeGrand navigierte durch das niedrige Wasser, hielt sich rechts der Markierungen, befolgte die Regeln.

    Branch war nicht der Typ, der sich an Regeln hielt. Das war er nie gewesen und würde es nie sein.

    LeGrand lenkte das Boot auf ihr Ziel zu.

    Branch schaute seinen Freund an, der stoisch und mit stählernem Blick geradeaus sah. Der Steuermann sagte in Gegenwart anderer nicht viel. Das Reden überließ er Branch.

    Darum war Branch der Kapitän und LeGrand der Erste Offizier. Derjenige mit Persönlichkeit übernahm oft die Führung, wenn er auch nicht das Ruder bemannte.

    »Vielleicht hatten die anderen Glück«, sagte LeGrand über die laute Mischung aus Wind, Gischt und das Jaulen des Motors hinweg, der gegen die Brandung ankämpfte.

    Branch nickte seinem Freund zu und lehnte sich gegen die Konsole. Er stellte die Füße schulterbreit auseinander und beugte die Knie etwas, um das Auf- und Absteigen des Bootes abzufedern. Sie waren jetzt nah genug an der Küste, dass er die Menschen am Strand sehen konnte. Dutzende saßen in Gruppen im Sand. Einige waren Familien. Andere waren Gruppierungen, die er und seine Männer zusammengetrieben hatten, als sie einige Stunden zuvor das Dorf erstürmt hatten. Seine Männer befanden sich am Rand der Menge und behielten die Dorfbewohner im Auge, während sie auf und ab patrouillierten.

    »Wenn nicht«, sagte Branch, »bringen wir weiterhin jeweils ein paar von ihnen aufs Meer hinaus. Wir werden herausfinden, was sie wissen.«

    »Ich denke, dass das Zeitverschwendung ist«, sagte LeGrand. »Und Verschwendung von Treibstoff.«

    Branch versteifte sich. Er wandte sich seinem Steuermann und Erstem Offizier zu.

    »Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt«, höhnte er. »Ich finde jederzeit leicht jemand anderen, der mein Boot steuert. Du kannst wieder zu dem zurückkehren, was du getan hast, um zu überleben, bevor ich dich gerettet habe …«

    LeGrand nahm die Hände vom Steuerrad und hob sie kapitulierend. »Okay, okay«, sagte er. »Vergiss, dass ich etwas gesagt habe. Ich will sie genauso sehr finden wie du, wenn sie denn überhaupt existiert.«

    Branch trat dichter an LeGrand heran, er war nicht zufrieden mit der Unterwerfung seines Steuermanns. Er vergrub die Faust im Hemdkragen des Mannes, wrang das Regenwasser aus dem durchnässten Stoff und zog LeGrand so dicht zu sich heran, dass ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.

    »Sie existiert«, sagte er. »Und niemand will sie mehr als ich. Nicht ein einziger Mensch auf diesem gottverlassenen Planeten hat mehr Blut vergossen, mehr Schätze ausgegeben oder ist weiter gereist als ich, um sie zu finden. Das schließt dich und jeden Mann unserer Crew ein. Hast du mich verstanden?«

    LeGrand nickte und befreite sich aus dem Griff des Kapitäns. Er hob kapitulierend die Hände.

    »Okay«, murmelte er. »Ich habe es verstanden.«

    Die beiden überquerten die Untiefen in der Nähe des schmalen Küstenstreifens. Diese Insel war wie die meisten anderen – klein, isoliert und Heimat von Menschen, deren Vorfahren das Schmelzen der Polkappen eine Generation zuvor überlebt hatten. Statt Kontinenten umgaben Inselgruppen den Planeten Erde wie Sternbilder. Stämme von Inselbewohnern regierten sich selbst. Sie lebten nach ihren eigenen Gesetzen. Sie entwickelten ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Einige waren friedlich und egalitär. Andere waren unterdrückend und militant.

    Diejenigen, die nicht auf Inseln lebten, schweiften auf Booten und Schiffen, die noch aus der Zeit vor der Polschmelze stammten, auf der See herum. Die meisten der Seefahrer bewegten sich zwischen den Inseln, handelten mit Gütern und segelten mit guten Absichten von Außenposten zu Außenposten. Andere, wie Desmond Branch, waren Plünderer, deren Leben auf purem Egoismus beruhte. Sie waren immer auf der Suche nach der einen Sache, die ihnen eine Position am oberen Ende der Nahrungskette sichern konnte. Es war eine Waffe, die sowohl mythisch als auch legendär war. Branch war sich so sicher, dass sie in seiner Nähe war, dass er sie fast in seiner Hand spüren konnte. Er würde ihre Macht nutzen und sich so seine Zukunft als unanfechtbarer König dieses versunkenen Planeten sichern.

    Branch schloss die Augen und genoss das Stechen des kalten Regens auf seinem Gesicht. Das Boot unter seinen Füßen verlangsamte.

    »Ich werde sie finden«, sagte er ebenso sehr zum Wind wie zu sich selbst. »Oder bei dem Versuch sterben.«

    Kapitel 2

    Zeke Watson prüfte die Balance des Dartpfeils, strich mit den Fingern über den Schaft. Er verlagerte sein Gewicht auf das vordere Bein und ließ das Handgelenk nach vorn schnellen, um den Dartpfeil auf die Zielscheibe zu werfen. In dem Augenblick, als er losließ, nieste Uriel.

    Der Dartpfeil segelte nach rechts, bohrte sich in den Kork des schwarzen Rings, der den Rand der Zielscheiben umgab und bekam als Ergebnis null Punkte.

    Uriel stieß Zeke mit der Hüfte an. »Tut mir leid«, sagte sie. »Allergien.«

    »Die scheinen immer nur aufzutreten, wenn ich mit Werfen an der Reihe bin«, sagte Zeke.

    Sie strich sich mit der Hand über die rasierte Seite ihres Kopfes und schlang dann das Ende ihres langen, rotbraunen Zopfes um ihren Zeigefinger. Die pinkfarbene Schleife am Ende des Haares sah wie ein Ring auf ihrem Knöchel aus.

    »Ich reagiere wohl allergisch auf die Art, wie du dieses Spiel spielst«, sagte sie.

    Zeke trat zu dem runden Stehtisch hinter ihnen und hob sein Glas. Er prostete ihr zu und trank den letzten Schluck seines Kentucky Bourbon Ales. Es hatte einen Beigeschmack von Maisschnaps und war im Abgang süßes, vollmundiges Bier. Von den endlosen Möglichkeiten, die die Bar des Saloons bot, war dies inzwischen sein bevorzugtes Getränk.

    Er sah sich in der Kneipe um, bemerkte Staub, der in den Lichtstrahlen tanzte, die durch die Fenster und die Ritzen der Schwingtüren am Eingang hereinfielen. Vielleicht hatte sie auch Allergien.

    Uriel trat an die Linie, hielt einen Pfeil zwischen Daumen und Zeigefinger.

    »Ich brauche eine Sechzehn, um zu gewinnen«, sagte sie.

    »Doppelt oder nichts«, sagte Zeke.

    Uriel lachte. »Du hast nichts zum Verdoppeln.«

    Sie beugte sich in den Wurf, und der Pfeil segelte los. Die Spitze bohrte sich in die untere linke Ecke der Zielscheibe. Sechzehn.

    Sie drehte sich auf dem Absatz um und gesellte sich zu Zeke an den Tisch. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, hob sie die Hand und wackelte mit dem Zeigefinger.

    »Pedro«, rief sie über den Lärm der Gespräche, der Musik aus der Jukebox und das Klirren der Gläser hinweg. »Noch eine Runde, bitte. Und die geht auf Zeke.«

    »Ich glaube, ich habe dich noch nie geschlagen«, stöhnte Zeke.

    »Ich weiß, dass es so ist«, sagte sie.

    Uriel bestand aus lauter Gegensätzen. Einerseits war sie wild und tatkräftig, andererseits aber auch unbestreitbar feminin. Ihr unsicheres Lächeln, die Rundung ihrer Wangen und die Intensität ihrer grünen Augen konnten nicht über ihre ausgeprägten Muskeln und die breiten Schultern hinwegtäuschen. Doch die bunten Tätowierungen, die den größten Teil ihres Körpers bedeckten, zeigten nur ansatzweise die Macht ihrer Kreativität.

    Obwohl Zeke eine andere Frau liebte, fühlte er sich von ihr angezogen. Die Chemie stimmte. Es war eine Anziehungskraft, die elektrische Stöße durch seinen Körper sandte, wenn er in ihrer Nähe war.

    Er wandte den Blick von ihr ab und der Theke zu. Pedro, der Barkeeper und Eigentümer des Saloons, näherte sich ihnen. Er trug in jeder Hand ein großes Glas.

    Wie immer trug er ein weißes Leinenhemd, das er in eine weite, dunkle Denim-Jeans gesteckt hatte. Die Hemdärmel hatte er bis zu den Ellbogen hochgerollt. Über dem Hemd trug er eine alte, dunkelbraune Weste. Um die Taille hatte er einen breiten Gürtel mit Messingschnalle geschlungen.

    Altersflecken sprenkelten seine Handrücken. Krähenfüße hatten sich um seine eisblauen Augen herum eingegraben. Sie waren die Zeichen eines Mannes, der Ewigkeiten in der Sonne verbracht hatte. Sein gebräuntes Gesicht war von einem drahtigen Bart bedeckt, in dem schon mehr Salz als Pfeffer war. Dazu passend hatte er einen dicken Haarschopf.

    »Hier, bitte«, sagte Pedro mit seinem üblichen Lächeln. »Zwei Ales aufs Haus.«

    Er stellte die Gläser auf den Tisch, wobei die Schaumkronen über die Ränder und auf die Holzoberfläche schwappten. Uriel sah ihn von der Seite an.

    »Ich habe gesagt, dass die Drinks auf Zeke gehen«, merkte sie an.

    Pedro beugte sich über den Tisch. »Auf seiner Rechnung steht schon mehr als genug.«

    Der Barkeeper sah an Zeke vorbei, zur oberen Etage des Saloons. Zeke drehte sich um, um Pedros Blick zu dem Balkon zu folgen, der um die ganze Bar herumlief.

    Zeke blickte zu Zimmer 29. Es war hinter ihm und neben seinem Zimmer. Die Tür war geschlossen. Er starrte sie eine Weile an, erwartete fast, dass sie sich öffnen würde. Als das nicht geschah, wandte er sich ab und griff nach seinem Bier.

    »Ist sie bereit?«, fragte Pedro.

    Zeke trank einen großen Schluck aus seinem Glas. Der Duft von Whiskey breitete sich in seinem Nasenraum aus, und er konnte fast das Fass sehen, in dem das Ale gereift war. Es war himmlisch. Er schluckte, und die Kühle des Biers durchlief ihn. Er schüttelte den Kopf.

    »Ich glaube nicht«, sagte er. »Sie will nicht aus dem Bett kommen.«

    Uriel verdrehte die Augen. »Wie viele Tage sind es jetzt?«

    Zeke hielt fünf Finger hoch.

    »Einige brauchen länger als andere«, sagte Pedro. »Damit klarzukommen, wer wir sind und wo wir sind, ist nicht einfach.«

    »Besonders wenn man Neuankömmlingen nicht erzählt, wo sie sind oder wer sie sind«, sagte Zeke. »Ich bin nicht sicher, ob ich die Dinge unter Kontrolle habe.«

    Pedro winkte Zeke zu. »Komm mit mir mit«, sagte er. »Ich muss dir etwas zeigen.«

    Zeke warf Uriel einen hilfesuchenden Blick zu. Sie hob die Brauen, zuckte mit den Schultern und leerte ihr Bierglas zur Hälfte.

    Pedro ging zur Theke zurück, und Zeke folgte ihm. Obwohl es in der Bar so voll war, öffnete sich vor Pedro ein Weg. Er musste sich nicht entschuldigen oder darum bitten, durchgelassen zu werden. Die Leute wichen ihm instinktiv aus.

    Zeke folgte in seinem Fahrwasser. Er schritt selbstbewusst aus, dieser Ort wuchs ihm immer mehr ans Herz. Er rückte seinen Gürtel zurecht, verschob das Gewicht der großen, sechsschüssigen Waffe an seiner Hüfte. Sie war in ihrem Holster verborgen.

    Sie erreichten die Theke am anderen Ende des Raums, und Pedro schob sich dahinter. Der alte Mann strich mit einer Hand über das Herzstück seines Geschäftes. Es reichte von Wand zu Wand. Das dicke, lackierte Eichenholz war vom Alter abgenutzt. Die mit Schnitzereien verzierte Front war zerkratzt und eingedellt. Dahinter befand sich ein wandhoher Spiegel mit schwarzen Alterslinien, der Pedro reflektierte. Auf dem Regal links vom Spiegel befand sich ein Buch, um dessen Rücken Pedro seine fleischige Hand legte. Er zog den Band hervor, brachte ihn zu der Eichenholztheke und ließ es mit einem Knall darauf fallen. Eine Staubwolke stieg von der Bindung auf.

    Pedro strich mit den Fingern über den vorderen Einband des Buches, fuhr die Goldschnitt-Beschriftung nach. Er atmete tief durch und seufzte.

    »Hast du von Enoch gehört?«,

    Zeke blickte auf das Buch. »Ja.«

    »Hat Uriel dir von ihm erzählt?«

    »Nein«, sagte er. »Das war Gabe.«

    »Gabe?«

    Zeke nickte. »Ja.«

    Pedro trat von der Theke zurück und rief: »Gabe! Komm mal her.«

    Gabe gehörte genau wie Uriel zu einer Gruppe von Söldnern, die sich selbst die Watcher nannte. Sie arbeiteten für Pedro. Sie waren mächtig, loyal und, soweit Zeke sagen konnte, unsterblich.

    »Was ist los, Boss?«, fragte Gabe.

    Gabe war ein muskulöser Mann mit schrankbreitem Brustkorb und kantigem Körperbau. Auf dem Hals hatte er den Schriftzug tätowiert: Fürchte dich nicht. Zeke straffte die Schultern und drückte die Brust heraus, als Gabe neben ihn trat.

    Pedro tätschelte das Buch. »Du hast mit Zeke über Enoch gesprochen?«

    Gabe zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Ich glaube, Phil hat es ihm erklärt.«

    »Phil«, sagte Pedro ausdruckslos.

    »Vielleicht war es Phil«, sagte Zeke. »Ich glaube aber, dass Gabe auch über ihn gesprochen hat.«

    Phil war ein anderer Watcher. Er spielte gerade Karten an einem Tisch am anderen Ende des Saloons.

    »Was hat Phil über Enoch gesagt?«, fragte Pedro.

    Gabe zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, er hat gesagt, dass Enoch ein Reisender war. Er hat Gutes und Böses gesehen. Er hat Missstände gesehen und versucht, sie in Ordnung zu bringen. Manche Leute glauben, dass es ihn wirklich gegeben hat. Andere nicht.«

    »Danke, Gabe«, sagte Pedro.

    »Klar. Brauchst du sonst noch etwas?«

    »Das ist alles.«

    Gabe kehrte zur Jukebox zurück, wo eine aufreizende Frau in Strumpfhose auf ihn wartete. Zeke wusste nicht, wie die Frau hieß oder wie lange sie schon hier war. Ihre Körpersprache sagte ihm, dass sie Gabe mochte. Sie griff nach einem seiner Bizepse, als er sie erreichte. Sie kicherte. Er lachte.

    »Zurück zu dem Buch«, sagte Pedro und konzentrierte sich wieder auf Zeke. »Und zu Enoch.«

    Zeke räusperte sich und drehte sich zur Theke um. Er stützte sich mit beiden Ellbogen darauf ab.

    »Enoch«, fuhr Pedro fort, »war Noahs Urgroßvater. Kennst du Noah?«

    »Die Arche«, sagte Zeke. »Aber ich dachte, dieses Zeug wäre eine Legende, die dazu da war, die Menschen zu warnen, nur ja gut zu sein. So etwas wie eine … wie eine …«

    »Eine Allegorie«, sagte Pedro.

    »Ja«, sagte Zeke. »Eine Allegorie.«

    »Es ist, was immer du willst, Zeke.«

    »Okay.«

    Pedro öffnete das Buch. Der Rücken knackte.

    »Enoch«, sagte er, »glaubte, in die Zukunft sehen zu können.«

    »Wie ein Prophet?«, fragte Zeke.

    Pedros Mundwinkel hoben sich zur Andeutung eines Lächelns. »Nicht genau. Er dachte, er könnte sehen. Das heißt nicht, dass es so war. Dieses Buch, sein Buch, ist kein religiöser Text. Nicht offiziell.«

    Pedro strich mit den Fingern über eine Seite. Er senkte das Kinn.

    »Die ersten sechsunddreißig Kapitel dieses Bandes heißen ‚Das Buch der Watcher‘«, sagte er. »Watcher ist eine freie Übersetzung des Original-Textes. Genau übersetzt bedeuten die Worte ‚die Wachen‘, weil Watcher niemals schlafen. Zumindest brauchen sie keinen Schlaf.«

    »Ist das Buch über Uriel, Gabe, Phil …«

    Pedro unterbrach Zeke mit einem herzlichen Lachen. »Nein«, sagte er und kicherte. »Das Buch stammt aus einer Zeit lange vor den heutigen Watchern.«

    Er beschrieb mit der Hand einen weiten Bogen, wie ein Zauberer, der das Ende eines Tricks ankündigt. Sein Blick blieb auf Zeke gerichtet.

    »Die Watcher behüten seit Langem das Gleichgewicht von Gut und Böse, Ezekiel. Seit sehr langer Zeit.«

    Zeke rutschte auf dem Barhocker herum. Der Lärm des Trinkens, Tanzens und Spielens hinter ihm schien zu verstummen. Seine Aufmerksamkeit war gefesselt.

    »Es gab schon lange vor Uriel Watcher, lange vor dir, und, wenn es das Gleichgewicht so will, wird es auch lange, nachdem du deine Pflicht erfüllt hast, Watcher geben«, sagte Pedro.

    »Wenn es das Gleichgewicht will? Was bedeutet …«

    Ein Tumult am gegenüberliegenden Ende des Saloons unterbrach ihr Gespräch. Kunden der Bar sammelten sich an den Schwingtüren des Eingangs.

    Sie schauten nach draußen. Ihre Gesichter badeten in hellem Sonnenlicht. Das Schwatzen wurde lauter. Phil stand ganz vorn in der Gruppe. Er winkte Pedro leicht drängend zu sich.

    Pedro schloss das Buch und stellte es auf das Alkoholregal zurück. Er schnipste mit den Fingern, und die Musik hörte auf. Im Saloon wurde es still. Alle beobachteten, wie Pedro um die Theke herum und entschlossen zum Eingang ging.

    Zeke sprang von seinem Hocker und folgte ihm, er schritt durch den Durchgang zwischen den Menschen, den Pedro überall hervorrief, wo er ging. Die Menschenmenge an der Tür war buchstäblich regungslos. Nur das Geräusch ihrer Stiefel, die über die Holzplanken des Fußbodens schabten, durchbrach die Stille.

    Pedro schob sich durch die Türen. Sie quietschten in den Angeln, als sie hin und her schwangen. »Was ist los?«, fragte Zeke.

    Er richtete die Frage an alle, an irgendjemanden. Niemand antwortete. Zeke drängte sich zum Eingang durch und blinzelte im grellen Licht, das von draußen hereinfiel.

    Bevor sich seine Augen daran gewöhnen konnten, hörte er etwas, das wie platschendes Wasser klang. Er trat an Phil und Gabe vorbei auf die breite vordere Veranda des Saloons und ging auf die Treppe zu. Pedro streckte einen Arm aus und hielt ihn auf.

    Zeke blinzelte, bis er seine Umgebung klar sehen konnte, und ihm blieb der Mund offenstehen. Das Wüstenland, das den Saloon umgeben hatte, und in dem es nur eine schmale, zweispurige Straße gegeben hatte, die zum Saloon führte, war verschwunden. Zumindest konnte er es nicht mehr sehen. Statt des ausgedörrten Landes, das sich meilenweit erstreckte, sah er einen endlosen Ozean. Das Wasser war tiefblau und reflektierte den wolkenlosen Himmel darüber. Der Horizont wirkte, als wäre er Millionen Meilen entfernt.

    So etwas hatte Zeke noch nie zuvor gesehen. Ein salziger Geruch stieg ihm in die Nase. Die Salzluft schien in seiner Kehle zu kleben.

    Wellen klatschten gegen die Veranda, und ein Mann patschte auf sie zu, der gleichzeitig zu schwimmen wie um sich zu schlagen schien. Dicht hinter ihm war dieselbe Horde Männer, die auch Zeke gejagt hatten, bis er Zuflucht im Saloon gefunden hatte. Statt ihn mit Motorrädern, Trucks und Muscle Cars zu verfolgen, jagte ihn der wütende Mob in langen Booten. Sie ruderten schnell und gleichmäßig, tauchten die Ruder tief ins Wasser ein und hoben sie bei jedem Zug koordiniert wieder an.

    Sie warfen mit Speeren und schossen Pfeile auf den Schwimmer. Die Geschosse trafen auf das Wasser um ihn herum. Eins traf seine Schulter und ließ ihn aufschreien. Trotzdem bewegte sich der Mann weiter. Er spuckte Wasser aus, während er seinen Körper fast wirkungslos von Seite zu Seite bewegte. Er war fast da.

    Zeke stand da und sah mit großen Augen zu. Sein Puls beschleunigte sich. Ohne den Blick von der Jagd vor ihm abzuwenden, flüsterte er: »Was ist das?«

    »Nicht jetzt«, sagte Pedro.

    Ein weiterer Pfeil traf den Schwimmer. Dieses Mal in den Arm, den er aus dem Wasser hob. Blut spritzte aus der Wunde. Einen Augenblick verschwand der Mann unter Wasser, er gurgelte und stöhnte vor Schmerz.

    Die Ruderboote näherten sich ihm. Der Schwimmer kämpfte. Seine Vorwärtsbewegung verlangsamte sich, aber es gelang ihm, den Kopf über Wasser zu halten.

    Einige Meter von der Treppe entfernt schob er seinen Körper mit einem angespannten Grunzen aus dem Wasser. Mit rotem, vor Anstrengung verzogenem Gesicht stürzte er sich auf die Veranda. Pedro hockte sich hin und streckte seine große, fleischige Hand aus, gerade weit genug, um den Schwimmer zu erreichen. Er umfasste das Handgelenk des Mannes und zog, hievte ihn auf die gehobelte Holzveranda.

    Die Horde hörte zu rudern auf. Ein letzter Speer, der vor Pedros Zugriff geschleudert worden war, bohrte sich in das Geländer und blieb zitternd stecken. Dann trieben die Langboote, Kanus und Ruderboote nur noch langsam voran. Die Krieger an Bord starrten schweigend zum Saloon hinüber, auf das Opfer, das ihnen entgangen war.

    Zeke entdeckte das lange, schmale Gesicht ihres Anführers, der im Bug des dichtesten Bootes stand. Ein Schauder durchlief ihn. Er erinnerte sich an ihn. Seine Nasenflügel weiteten sich, als er die Luft schnupperte, wie ein Wildhund auf der Jagd.

    Er grinste höhnisch und entblößte gelbe Zähne, die spitz gefeilt waren. Er leckte mit der Zunge darüber und schmatzte mit den Lippen. Das Geräusch hallte auf dem Wasser wider.

    Der Schwimmer lag mit dem Gesicht nach unten auf der Veranda. Sein Rücken hob und senkte sich schnell, wässriges Blut rann wie ein Bach darüber und über seine Arme. Er grunzte beim Atmen leise.

    Pedro ließ den Arm des Mannes los und richtete sich neben ihm auf. Dann zeigte er auf die Horde.

    »Das wäre alles, meine Herren«, sagte er. »Ihr kennt die Regeln. Mein Freund hier ist auf geweihtem Boden.«

    Die Horde antwortete nicht. Keins der Boote rührte sich. Sie trieben in der Strömung, doch Zeke bemerkte, dass sie sich dem Insel-Saloon trotzdem nicht näherten.

    »Komm schon«, sagte Pedro. »Hilf mir mit ihm.«

    Zusammen zogen Zeke und Pedro den Mann auf die Füße. Jeder von ihnen zog sich einen seiner Arme über die Schultern. Der Mann schrie bei der Bewegung, schließlich waren zwei Pfeile in seinem zerschundenen Körper vergraben. Sie überquerten die Schwelle des Saloons, wobei die Füße des Schwimmers eher über den Boden schleiften, als dass er ging. Die Menschenmenge teilte sich.

    »Bringen wir dich nach oben«, sagte Pedro.

    Der Schwimmer rang nach Luft. Seine Stimme war rau. »Wo bin ich?«

    Zeke wollte dieselbe Frage stellen.

    Wie hatte die Wüste sich in einen Ozean verwandelt, wenn in seiner Welt doch alle Meere ausgetrocknet waren?, fragte er sich. Warum? Wann? Was hatte es zu bedeuten?

    Für Zeke war dieser Ort voller unbeantworteter Fragen. Jedes Mal, wenn er dachte, er würde das Jenseits verstehen, erfuhr er, wie wenig er begriff.

    Der Schwimmer flüsterte heiser: »Was ist das hier für ein Ort?«

    Pedro sagte nichts und musterte Zeke mit einem Blick, der ihm bedeutete, nicht zu antworten. Sie erreichten die Treppe und begannen mit dem langsamen Aufstieg, eine Stufe nach der anderen. Das im wahrsten Sinne des Wortes tote Gewicht des Schwimmers belastete Zekes Beine und Rücken bei jedem Schub auf die nächste, höhere Stufe.

    Der Kopf des Schwimmers hing tief herunter, das Kinn lag auf seiner Brust. Er roch nach Meerwasser, Schweiß und Blut. Zeke hielt wegen der Hebelwirkung sein Handgelenk fest. Die Haut war nass und kalt. Sein Puls war schwach.

    Der Mann hob seinen Kopf zu Zeke, als sie eine weitere Stufe erklommen. »Wer bist du?«, flüsterte er.

    Der Barkeeper antwortete für Zeke. »Ich bin Pedro. Mir gehört dieser Ort.«

    Sie erreichten den oberen Treppenabsatz und halfen dem Mann in ein Zimmer am gegenüberliegenden Ende der oberen Etage. Zeke spürte die aufmerksamen, interessierten Blicke von allein unten im Saloon, als sie die Galerie entlanggingen.

    Keine Musik. Kein Dart- oder Kartenspiel. Keine klirrenden Gläser oder Gespräche.

    Zeke fragte sich, ob genau das passiert war, als er vor nicht allzu langer Zeit hier eingetroffen war. Er konnte sich nicht an die Zeit zwischen seiner Ankunft und dem Augenblick, als er im Bett aufwachte, erinnern, als er auf wundersame Weise geheilt war.

    Als sie das Zimmer erreichten, schob Pedro die Tür auf und brachte sie hinein. Er wies mit dem Kinn auf das Bett und Zeke half ihm, den Schwimmer auf die Matratze zu legen.

    Erst da bemerkte Zeke, dass der Schwimmer bewusstlos war. Zwischen seiner letzten Frage und dem jetzigen Zeitpunkt hatte er den Kampf ums Wachbleiben verloren. Zeke fragte sich, ob es Schmerz oder Erschöpfung war, die den Fremden in einen unruhigen Schlaf getrieben hatte. Wahrscheinlich beides.

    Sie legten den Schwimmer auf die Seite. Die beiden langen Pfeile ragten aus ihm heraus.

    »Die müssen wir abschneiden«, sagte Pedro. »Könntest du zu Uriel runterrufen? Sie weiß, wo mein Werkzeugkasten ist.«

    »Werkzeugkasten?«, fragte Zeke.

    Pedro wischte sich die Hände an den Seiten seiner Lederweste ab. »Medizintasche.«

    Zeke stand einen Augenblick da und taxierte den bewusstlosen Mann auf dem Bett. Er war der erste Fremde, der seit Zekes Ankunft den Saloon erreicht hatte, wie lange das auch immer her sein mochte. Ein paar Tage? Ein paar Wochen?

    Zekes Freundin war jetzt auch hier, sie erholte sich den Flur hinunter in einem Zimmer, das genau wie dieses hier war. Er war bei ihrer Ankunft allerdings nicht dabei gewesen. Sie war keine Fremde. Hatte das etwas zu bedeuten?

    Pedro hob eine Braue. Ein warmes Lächeln breitete sich unter seinem dicken Schnurrbart aus.

    »Du hast viele Fragen, nicht wahr, Ezekiel?«

    »Immer«, antwortete Zeke.

    »Irgendeine, die ich beantworten kann, bevor du mir die Werkzeugkiste holst? Wir haben Zeit für eine oder zwei.«

    »Was zur Hölle ist gerade passiert?«

    Pedro starrte Zeke einen Augenblick an, bevor er antwortete. Er rieb sich den Bart, als würde er darüber nachdenken, wie er am besten darauf antworten sollte.

    »Neuankömmlinge bringen Teile ihrer Welt mit«, sagte er. »Eine vertraute Landschaft hilft bei dem Schock des Übergangs.«

    »Der Mann kommt aus einer Welt, die mit Wasser bedeckt ist?«

    »Ja.«

    »Ist es die Erde?«

    »Natürlich«, sagte Pedro. »Alle hier kommen von der Erde. Sie kommen aus verschiedenen Zeiten und Versionen.«

    Zeke war nicht sicher, ob er Pedro richtig verstanden hatte. »Verschiedene Versionen?«

    Pedro lächelte wieder. Dieses Mal war es das wissende Lächeln eines Vaters, der seinem Kind etwas so Offensichtliches erklärte, dass das Kind die Wahrheit hätte erkennen müssen, ohne dass man sie ihm erklärte.

    »Es gibt mehr als eine Erde, Ezekiel«, sagte er. »Darum ist das Gleichgewicht so schwer beizubehalten.«

    Zeke wusste nicht, was er fragen sollte. Er war schwindelig, fast desorientiert von dieser neuen Information. Er dachte an das Wasser, an die Horde, an seine eigene Ankunft im Niemandsland. Sein Magen zog sich zusammen.

    »Was ist

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