Farbgestaltung Fotografie
Von Albrecht Rissler
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Über dieses E-Book
Als Farbmodell dient das neunteilige Farbdreieck, das gegenüber dem bekannten Farbenkreis einen entscheidenden Vorteil hat: Es beinhaltet Mischfarben – in diesem Buch Tertiärfarben genannt – die in weit größerem Maß als die gesättigten Farben die Umwelt prägen. Diese sind zudem an der Attraktivität von Farbfotos mit ihren feinen Nuancen und Harmonien, auch in der Verbindung mit reineren Farben, entscheidend beteiligt.
Neben dem Aspekt der Farbe wird in jedem der gezeigten Beispiele deutlich, wie stark die Bildwirkung auch von der formalen Gestaltung beeinflusst wird.
ALBRECHT RISSLER hat zwei Begabungen, die er ein Leben lang gepflegt hat: Zeichnen und Fotografieren. Bildgestaltung rückte somit selbstverständlich ins Zentrum seiner eigenen Arbeiten. Von Bedeutung war sie auch in der Funktion als Lehrer in künstlerischen Fächern, – zuletzt als Professor für Zeichnen und Illustration an der Hochschule für Applied Sciences in Mainz. Auch in seinen zahlreichen Büchern ist die Bildgestaltung ein zentrales Thema.
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Buchvorschau
Farbgestaltung Fotografie - Albrecht Rissler
Venedig · ar
Bildbetrachtung · ar
ZU DIESEM BUCH
FOTOGRAFINNEN UND FOTOGRAFEN sind aufmerksame Beobachter ihrer Umwelt und stets auf der Lauer nach einem bildwerten Motiv. Was lenkt ihre Aufmerksamkeit? Was ist ihnen ein Foto wert? Wie kommt man zu dem besonderen Bild, das aus der Masse farbiger Bildwelten heraussticht? Wer nach einer Fototour und Hunderten aufgenommener Bilder feststellen muss, dass nur ein einziges wirklich brauchbares dabei ist, kennt dieses Problem.
Viele FotokünstlerInnen sehen in der Schwarz-Weiß-Fotografie eine Alternative. Tatsächlich kommen viele Aufnahmen gut ohne Farben aus. Das funktioniert in der Regel, wenn primär formale oder narrative Aspekte das Motiv bestimmen. Schwarz-Weiß-Aufnahmen genügen jedoch diesem Anspruch nicht, wenn Farbe das bildbestimmende Element ist. Aber auch sie alleine macht noch kein gutes Bild aus! Möchte man Farbe attraktiv – auch formal – ins Bild setzen, muss man die Wirkung von Farben kennen. Wie aus diesem Wissen allmählich intuitives fotografisches Handeln werden kann, möchte ich in diesem Buch beschreiben. Es ist eine Anleitung zum aufmerksameren Sehen und Beachten von Farben und ihren Wirkungen in der Fotografie.
Blätterteppich · ar
Zimmerflucht im Goethehaus, Weimar · wd
GRUNDSÄTZLICHES Es gibt – stark vereinfacht – zwei theoretische Ansätze zum Farbensehen, die sich offenbar schwer vereinbaren lassen. Der eine basiert auf physikalisch-mathematischen Forschungen, während der andere mit anschaulichen, rein ästhetischen oder gar mit metaphysischen Argumenten operiert. 1704 veröffentlichte Isaac Newton eine optische Theorie des Lichts. Sein Nachweis, dass sich weißes Licht im Prisma in Spektralfarben zerlegt – der auch das Phänomen Regenbogen erklärt – forderte ein Jahrhundert später Johann Wolfgang von Goethe zu einem polemischen Widerspruch heraus. Dies führte schließlich zu der berühmten 1000-seitigen Farbenlehre des Weimarer Dichterfürsten. Sein Hauptwerk, wie er es sah.
Mit Goethes aus vielerlei Experimenten und Beobachtungen erwachsenen Thesen zur Polarität und Entstehung der Farben aus Hell und Dunkel setzten sich bald viele Maler auseinander. Philipp Otto Runge zum Beispiel, der 1810 mit der Veröffentlichung seiner »Farben-Kugel« einen eigenen, wichtigen Beitrag leistete. Teile von Goethes »Farbenlehre« interessierten auch den englischen Maler William Turner. Komplementäre Farbpaare bestimmen auch Vincent van Goghs Bilder und die des Pointillisten Georges Seurat. Wie Goethe sah auch der Maler und Farbtheoretiker Adolf Hölzel das Auge als maßgeblich für die Beurteilung der Farben an. Dieser Ansatz ist mir sehr sympathisch, weil die Betrachtung von Farbfotografien und von anderen Werken der Bildenden Kunst vor allem ein Akt der Anschauung ist.
Albrecht Rissler im Oktober 2018
Rheinebene mit dem Kernkraftwerk Philippsburg · ar
Frachtschiff auf dem Neckar · ar
FARBENKREIS
ERST EINMAL RUND Die Entstehung komplementärer Farbenpaare ist grundsätzlich auf zwei Arten vorstellbar. Zunächst die physikalische Variante: Licht, das ein Prisma durchdringt, zerlegt sich in die Spektralfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. Wird eine Farbe davon aus dem regenbogenfarbenen Band ausgeblendet, z. B. Grün, und werden die übrigen Farben in einer Linse gesammelt, entsteht die Farbe Rot – das Komplementär zu Grün. So geschieht es mit der isolierten Farbe Blau, die den Partner Orange bekommt und mit Violett, wenn Gelb isoliert wird.
Die andere Variante ist, die Sache physiologisch zu betrachten. Ein anschaulicher Test kann helfen: Schaut man eine Zeitlang auf ein rotes Feld und schließt danach die Augen, so entsteht ein grünes Nachbild, also die Mischung aus Blau und Gelb, den beiden anderen primären Farben. Bei Blau erscheint das komplementäre Orange, bei Gelb der Farbton Violett.
Stellt man diese Beobachtungen in einem bildhaften Modell dar, entsteht ein sechsteiliger Farbenkreis. Jeder Primärfarbe (Gelb, Rot, Blau) liegt eine Sekundärfarbe (Violett, Grün, Orange) als Komplementärfarbe gegenüber – die Mischung zweier angrenzender Farben. Aber dem Farbenkreis fehlt dennoch etwas …