Tierisch angedichtet: Ein Bestiarium für Erwachsene, die Kinder geblieben sind
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Buchvorschau
Tierisch angedichtet - Hermann Forschner
1. Tiere sind auch nur Menschen
Der Mensch – die Krone der Schöpfung!
Nicht alle sehen das so.
Hund und Herrchen
Mein Herrchen geht heut mit mir aus.
Hurra! Gejault, gehüpft!
Obwohl – er geht nie weit vom Haus,
und er riecht nicht mal eine Maus,
die da am Wegrand schlüpft.
Wie duftet es so wundervoll
da links und rechts am Steg,
doch Herrchen findet´s nicht so toll,
er will nicht, dass ich schnuppern soll,
und zieht mich immer weg.
Ja, Stöckchenspringen hat er gern,
ich tu es ihm zulieb.
„Ja brav, bring´s Stöckle zu dein´m Herrn!
Ja aufgepasst, ich will dich´s lehrn!"
Er hat so´n Bildungstrieb!
Ich hör von ferne Hundgebell,
mein Herrchen hört es nicht.
Ich würde hin gern rasen schnell.
„Hier bleibst du, schimpft er, „auf der Stell!
Na gut! Und ich verzicht.
Steigt mir ein Düftlein in die Nas,
ein fremdes Exkrement,
dann heißt es gleich „Pfui, pfui!" Das war´s,
denn da versteht er keinen Spaß,
weil er es halt nicht kennt.
Ich wälzte mich so gern im Dreck,
das wär mein höchstes Glück,
doch Herrchen zieht mich eilig weg.
„Pfui, böser Hund!" Wie immer steck
ich wieder mal zurück.
Trotz allem mag ich Herrchen sehr,
ein Streit gäb mir ´nen Stich.
Wo krieg ich sonst mein Futter her?
´Ne Trennung fiele mir sehr schwer.
Was tät er ohne mich!
Der weise Schildkröt
Ein Schildkröt chillt am Palmenstrand,
sieht Menschen um sich her
und denkt sich mit Reptilverstand:
Was hüpfen die umher im Sand,
was haben die es schwer.
Sie sind so weich und sind so nackt
und kriegen Sonnenbrand,
sie leben im Minutentakt,
und wenn die Ungeduld sie packt,
wird hin und her gerannt.
Für Lust und Laune, Spaß und Fun
sorgt ihr Animateur.
Der treibt die armen Leute an
und steigert den Bewegungswahn.
Sie dauern mich so sehr.
Was machen sie für ein Geschrei
um ihre ein, zwei Kinder.
Ich lege, mehr so nebenbei,
zweihundert Eier und bin frei,
das funktioniert nicht minder.
Und mühen sich und planen vor
und haben Angst vorm Morgen.
Ich haue mich erst mal aufs Ohr,
denn ich, ich bin nicht so ein Tor,
ich mach mir keine Sorgen.
Mut ist eine der vornehmsten Eigenschaften. Der Mutige wird sich immer die Anerkennung seiner Mitwelt sichern.
Der Ameis und der Wanderer
Ein Ameis zeigt sich tief empört,
weil immer wieder einer stört
das emsige Treiben der Ameisenstraße:
Oh, wie ich die achtlosen Wanderer hasse!
Da kommt schon wieder wer geschritten.
Dem les ich jetzt mal die Leviten!
Und drohend verstellt ihm der Ameis den Weg
und schimpft was er kann und bewirft ihn mit Dreck.
Der Wandrer wandert und bleibt stumm
und achtet nicht, was um ihn rum,
und seine Sandalen verfehlen nur knapp
den Ameis und ziehen sodann wieder ab.
"Dem gab ich´s jetzt, dem Störenfried!
Seht, wie er klein von dannen zieht!"
Die anderen klatschen: Nie war einer dreister!
Und wählen den Ameis zu ihr´m Bürgermeister.
Der mutige Frosch
Ein Frosch hüpft an den Weges Saum
und sucht sich einen feuchten Raum,
wo er bei Tages Mittagshitze
geruhsam in dem Wasser sitze.
Da kommt daher ein Bauernkarren,
mit Riesenrädern, welche knarren,
gezogen von ein´m Ochsenpaar,
dem unser Frosch gleichgültig war.
Und irgendwie ist´s dem gelungen,
zu retten sich, dieweil gesprungen
er zwischen Hufen und dem Rad,
das knapp verfehlet ihn nur hat.
Nachdem der Tross hinweg gerollt
und rumpelnd sich ins Weite trollt,
da reckt sich´s Fröschlein wütend auf:
"Du Dummkopf! Pass doch besser auf!
Das nächste Mal kommst du mir nicht
so leicht davon, elender Wicht!
Solltest du nochmal an mich pöbeln,
dann werd ich kräftig dich vermöbeln!"
Das hörten seine grünen Freunde,
des Teichs amphibische Gemeinde,
bequakten lobend seine Wort
– und setzten ihre Siesta fort.
Besondere kulturelle Leistungen sind Strategien zur Mehrung des Besitzstandes und der soziale Zusammenhalt bei der Verfolgung gemeinsamer Interessen.
Elster
Die Elster ist ein kluges Tier,
auf Eier andrer treibt sie Gier.
Den stolzen Adler pickt sie kühn,
will selber das Revier durchziehn.
Auf Artgenossen ist sie neidisch,
doch warnt man sich laut gegenseitig.
Die bunten kleinen Vögel fliehen,
wenn sie die Elster sehen ziehen.
Sieht sie wo Gold und Silber blitzen,
will sie es schnell für sich stibitzen.
Die Elster ist ein kluges Tier,
sie stiehlt und tötet – so wie wir!
Schimpansen
In der Schimpansen tiefem Blick
erkennst du, Mensch, selbst dein Geschick:
Sie ziehn die Mäuler manchmal schief
und killen kalt im Kollektiv!
Der Kuckuck lebt uns effektive Arbeitsteilung vor. Insofern ist er ein Vordenker moderner Kooperation.
Des Kuckucks Teamgeist
Der Kuckuck gibt, es ist bekannt,
den andern gern sein Ei,
und findet´s gar nicht intressant,
was weiter damit sei.
Man nennt das heute Team-Arbeit!
Teams schaffen tags und nachts.
Doch wisst ihr, was TEAM auch bedeut´t?
"WIE TOLL – EIN ANDRER MACHT´S!"
Auch Geier achten auf eine ausgewogene und ökonomische Nahrungsaufnahme.
Keineier-Geier
Ein Aasgeier isst niemals Eier!
Sie seien ihm nicht ganz geheuer:
Da sei so was drin,
man nennt´s Cholest´rin.
Und außerdem sei´n Eier teuer!
Manche Lebensweise leidet an einer gewissen Einschränkung an Übersicht. Es kann ein Vorteil sein, nicht alles zu sehen, was um einen herum geschieht – muss aber nicht.
Der blinde Borkenkäfer
Der Borkenkäfer nagt herum
in eines Baumes Kambium
und denkt: Der Schaden ist banal,
das merkt der Baum ja nicht einmal.
Und ahnt nicht, da er wühlt so blind,
Wie viele Fresser um ihn sind!
Und wundert eines Tags sich sehr:
Sein Futterbaum, der war nicht mehr!