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Auf meinem Weg: Frauen erzählen aus ihrem Leben
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eBook222 Seiten2 Stunden

Auf meinem Weg: Frauen erzählen aus ihrem Leben

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Über dieses E-Book

Die Anthologie "Auf meinem Weg - Frauen erzählen aus ihrem Leben" umfasst autobiografische und biografische Texte von 20 Autorinnen aus dem Münsterland. Die Geschichten und Gedichte, die in Schreibkursen entstanden sind, widmen sich dem Motiv der Lebensreise mit den vier großen Stationen Herkunft, Aufbruch, Unterwegssein und Ankunft. Die älteren Autorinnen wurden in den 1930er Jahren geboren und erinnern sich zurück an ihre Kindheit im Zweiten Weltkrieg, an Flucht und Vertreibung - und an die schönen Momente. Die Geburtsjahre der jüngsten Autorinnen liegen in den Sechzigern; sie erlebten ihren Aufbruch in die Eigenständigkeit in den 80er Jahren und mussten ihre Studentenbude noch ohne Internet und Smartphone finden. Die Texte befassen sich mit den philosophischen Lebensfragen des "Woher?", "Wohin?" und "Warum?" genauso wie mit ganz konkreten Erinnerungen an verschiedenste Stationen der jeweiligen Lebensreise - von unbeschwerten Momenten aus der Kindheit über unerwartete Herausforderungen des Erwachsenseins bis zum Neu-Anfang beim Eintritt in die Rente. Die Texte spannen einen zeitlichen Bogen von 1907 bis heute und sind so bunt wie das Leben selbst. Teils humorvoll und staunend, teils träumerisch und nachdenklich machen sie unterschiedlichste Erinnerungen lebendig und bieten den Leserinnen und Lesern vielfältige Anregungen, sich selbst schreibend dem eigenen Leben zu nähern.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Okt. 2019
ISBN9783749763887
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    Buchvorschau

    Auf meinem Weg - WunderWorteWerkstatt I

    Kapitel 1

    Herkunft: Die frühen Jahre

    Unser Leben beginnt mit dem Zufall unserer Herkunft: Wir werden hineingeboren in eine Zeit und in eine Familie; wir wachsen auf an einem Ort, der durch diese Zeit und diese Familie bestimmt wird. Es ist dieser Zufall, der uns prägt, denn unsere Herkunft entscheidet darüber, wie unsere Lebensreise beginnt.

    Beim Nachdenken über unsere Herkunft haben wir vor unserer Zeit angefangen und uns gefragt, wie wir überhaupt in dieses Leben gekommen sind. Und wir erinnern uns an unsere frühe Kindheit – gern an die schönen Erlebnisse, aber auch an weniger schöne.

    Wie es dazu gekommen ist, dass es mich gibt

    von Marga Lenger

    Meine Eltern lebten auf dem Land in den Niederlanden, im nördlichen Teil der Provinz Drenthe. Sie wohnten ungefähr 20 Kilometer voneinander entfernt.

    Vater war zu Hause der Älteste von drei Kindern. Er wohnte mit seinen Eltern, mit Bruder und Schwester in einem Geschäftshaushalt. In diesem Geschäft wurden Fahrräder und Radios verkauft und repariert. Vor dem Haus stand eine Tanksäule, und im Haus war noch eine Telefonzentrale. Vater arbeitete bei der PTT (Post Telefon Telegrafie). Er legte Telefone und Telefonleitungen an.

    Mutter wohnte mit ihren Eltern und drei Brüdern auf einem Bauernhof. Auf dem Hof gab es Kühe, Pferde, Schweine, Hühner und Katzen. Zum Hof gehörte einiges an Land mit Weiden und Äckern: Äcker für Getreide, Futterrüben, Kartoffeln und Bohnen, soweit ich weiß. Mama erzählte uns immer, wie sie als Schulkind – sie ging nur vier Jahre zur Grundschule – in den Ferien dabei helfen musste, Kartoffeln zu roden und Bohnen zu pflücken. Auch beim Schweineschlachten musste sie helfen. Ihre Aufgabe war es dann, das Blut zu rühren, damit es nicht klumpte und weiter verarbeitet werden konnte. Sie sorgte aber meistens dafür, dass sie dann gerade nicht zu Hause war.

    Getroffen haben sie sich zum ersten Mal beim Tanzen in dem Ort, in dem mein Vater lebte. Meine Mutter, anscheinend die Unternehmungslustigere und Interessiertere von beiden, fragte meinen Vater nach seinem Namen. Er stellte sich vor als Mannus Kah (sprich „K). Das gefiel meiner Mutter gar nicht, sie fühlte sich auf den Arm genommen. Natürlich wollte mein Vater dann auch den Namen meiner Mutter wissen. Da antwortete meine Mutter ganz kess: „Geertje B. (sie heißt Bathoorn). Vater musste erklären, was das mit seinem Namen auf sich hatte, und dass er leider nicht mit mehr Buchstaben und Lauten dienen konnte.

    Nach diesem Abend, oder vielleicht war es auch ein Nachmittag, sind meine Eltern abwechselnd aufs Rad gestiegen, um sich gegenseitig zu besuchen.

    Mein Vater war dort, wo meine Mutter wohnte, etwas Besonderes. Er trug einen Hut, keine Schirmmütze wie die Leute in ihrem Dorf. Außerdem redete mein Vater auffällig viel, was den Verdacht nahe legte, dass es sich bei ihm um einen Anwalt handeln könnte oder sonst jemand Studierten.

    Nach einiger Zeit hatten meine Eltern vor zu heiraten und begannen, nach einer Wohnung zu suchen. Es war kurz nach dem Krieg, und Wohnungen waren rar. Auf dem Amt hörten sie, dass es besser sei, erst zu heiraten, dann würden sie bestimmt schneller eine Wohnung bekommen. Also wurde geheiratet. Vater trug einen Anzug, den er dann auch weiter zu wichtigen Anlässen anziehen konnte. Mutter hatte ein dunkelblaues, langes Kleid aus Wollkrepp an, dazu einen weißen Schleier. Das Kleid wurde nach der Hochzeit auf Wadenlänge gekürzt, so dass sie es als Sonntagskleid tragen konnte.

    Die Wohnung ließ aber noch auf sich warten. So radelten meine Eltern weiter hin und her, um sich zu sehen. Beide wurden nacheinander tüchtig krank. Mutter bekam Diphtherie, und als sie wieder gesund war, bekam Vater Pleuritis, eine Rippenfellentzündung.

    Nach über einem Jahr gingen beide wieder zum Amt. Der Beamte meint dieses Mal: „Ja, wenn ein Kind unterwegs ist, dann klappt es bestimmt schneller". Da wunderte Mutter sich über den Beamten. Sie fragte, wie das denn wohl gehen solle, wo doch jeder noch bei seinen Eltern wohne.

    Irgendwann bekamen sie schließlich eine Zweizimmerwohnung in der Stadt Assen, wo mein Vater auch arbeitete. Dort wurde als erstes meine dreieinhalb Jahre ältere Schwester geboren. Danach, am 7. Dezember 1955, wurde ich dann geboren, einen Tag nach dem Geburtstag von „Sinterklaas. Es war eine schwere Hausgeburt. Meine Lungen mussten erst einmal gründlich von Schleim befreit werden, bevor ich laute Lebenszeichen von mir geben konnte. Bei der Geburt wog ich 5200 Gramm, hatte viel langes schwarzes Haar und unten schon zwei Zähne. Meine Mutter musste oft erklären, wieso das große Baby noch so faul herum lag. Sie erklärte: „Marga sieht älter aus, als sie ist. Heute sagt man das glücklicherweise öfter anders herum.

    Als ich selbst schon Kinder hatte, erzählte meine Mutter, dass sie und Vater sich oft gewundert hätten, wieso ich mich so gerne etwas bunter als üblich anzog. Sie meinte, das habe bestimmt daran gelegen, dass ich an dem Abend gezeugt wurde, als sie sich die Operette „Der Zigeunerbaron" angeschaut hatten. Mutter wirkte bei diesem Bekenntnis sichtlich schüchtern. Es war nicht üblich, dass sie sich über solche Sachen mit uns unterhielt.

    Das Haus, in dem wir damals wohnten, wurde für den Bau einer Umgehungsstraße abgerissen. Als Kind habe ich die Wohnung nicht bewusst kennen gelernt. Ich war wohl noch zu klein, als wir dort wegzogen in ein größeres, frei stehendes Haus mit Garten. Vor einigen Jahren habe ich dann einmal meine Geburtsadresse gegoogelt. Ich fand tatsächlich ein Bild des Hauses und dazu die Information, dass dort Carel Samuel Nathans gewohnt hatte. Er wurde am 8. Februar 1944 in das Judenlager bei Westerbork und dann nach Auschwitz deportiert. Ich war sehr betroffen, als ich erfuhr, dass ich in einer Wohnung geboren wurde, in der ein Jude gewohnt hatte, der wahrscheinlich Auschwitz nicht überlebt hatte. Wenn es den Krieg nicht gegeben hätte, wäre ich wohl woanders geboren worden, und mein Leben wäre womöglich ganz anders verlaufen.

    Warum bin ich?

    von Gaby Steinriede

    Wenn ich mich daran zurück erinnere, wo und wie ich als Kind gelebt habe, dann kommt mir der Gedanke: „Warum bin ich?"

    Ich bin, weil es meine Eltern gab!!

    Aber wie konnte es dazu kommen, dass sie sich trafen?

    Meine Mutter Erika wurde 1926 in Königsdorf in Oberschlesien geboren. Dort lebte sie mit ihren Eltern und zwei jüngeren Geschwistern auf einem Bauernhof.

    Mein Vater Franz wurde als uneheliches Kind 1924 in Ibbenbüren geboren. Er wurde in der Ehe seiner Mutter vom Stiefvater geduldet, jedoch im Gegensatz zu seinem fünf Jahre jüngeren und ehelich geborenen Halbbruder nicht anerkannt. Welchen Namen er bis zur Adoption durch seinen Erzeuger trug, ist mir nicht bekannt.

    Mein Vater wollte fort von zu Hause, und meine Mutter wollte bleiben, dort wo sie geboren wurde und wo sie den elterlichen Hof mit bewirtschaftete. Sie fühlte sich auf dem Land mit den Tieren wohl. Mein Vater wurde Seemann und begann, die Welt zu bereisen.

    Warum also gibt es mich heute?

    Der Zweite Weltkrieg und Adolf Hitler waren maßgeblich an meiner Entstehung beteiligt! Ich mache mir darüber so meine – oft widersprüchlichen – Gedanken. Was bedeutet es für mich, dass es mich ohne den Weltkrieg nicht gäbe? Ein Krieg, der die Ursache dafür ist, dass es viele Menschen mit ihren Familien nicht mehr gibt?

    Ich wurde 1958 in Ibbenbüren geboren, weit weg von der Heimat meiner Mutter, zurück in der Heimat meines Vaters.

    Glück oder Unglück? Ich denke: Beides!

    Durch den Krieg wurde die Familie meiner Mutter vertrieben. Irgendwann erreichten sie Ibbenbüren und bekamen eine kleine Wohnung zugewiesen. Diese Zweizimmerwohnung kenne ich noch ganz genau. Solange meine Oma noch selbständig leben konnte, habe ich dort viel Zeit alleine mit meiner Oma verbracht.

    Mein Vater wurde als Soldat eingezogen und kam zur Marine. Wie er mir später oft erzählte, wurde er zweimal „abgeschossen. Er meinte damit, dass sein Kriegsschiff, ein U-Boot, von Torpedos getroffen wurde und sank. Er konnte sich bis zur Rettung 24 Stunden über Wasser halten, indem er bewegungslos auf dem Rücken lag. Er nannte es „Leichenschwimmen, das bedeutet, mit geringer Kraftanstrengung auf dem Wasser zu liegen. Diese Technik brachte er meiner Schwester und mir schon im Kindergartenalter bei. Ihm war es sehr wichtig, dass wir gute Schwimmer wurden und auch seine Überlebenstechnik gut beherrschten. Obwohl er sehr viel arbeitete, ging er mehrmals in der Woche mit uns Schwimmen. Noch bevor ich in die Schule kam, sprang ich im Hallenbad von jedem Sprungbrett und im Mittellandkanal von Brücken, Laderampen oder aus einem fahrenden Motorboot. Wenn unsere Mutter aus Angst vorm Schwimmen im Kanal unsere Badeanzüge versteckte, meine Schwester und ich deshalb todunglücklich waren, schmunzelte mein Vater und meinte, wir haben doch Unterbuxen an! So konnte unsere Mutter das Schwimmen im Kanal doch nicht verhindern.

    Diese unterschiedliche Sichtweise meiner Eltern bezüglich der Sicherheit von uns Kindern ist nur ein Beispiel für die vielen Widersprüche in unserer Erziehung. Diese Widersprüche wurden verstärkt durch unsere beiden Großmütter, die mit meinen Eltern, meinen beiden Geschwistern und mir in unserem gemeinsamen Haushalt lebten, sehr weit weg vom Rest der Welt: Das Haus, in dem wir lebten, war auf unserer Straße das einzige mit einer Hausnummer und mit Leben darin. Außer uns gab es nur noch die Leichenhalle gegenüber, ohne Hausnummer. Unsere „Nachbarn" auf dem Friedhof luden mich oft ohne Worte zu sich ein und beschwerten sich nie bei irgendwem über mich.

    Meine beiden Großmütter waren sehr an allen Regeln im Haus beteiligt. Das oberste Gebot lautete: „Erwachsene haben immer Recht!" Obwohl meine Eltern sich auch Gedanken über unsere Erziehung machten, wurde doch meistens aus der Situation heraus erzogen und uns Kindern keine Rechte zugestanden, denn Kinder hatten sich zu fügen.

    So gab es einige Regeln meiner Familie, die mich später gefühlsmäßig praktisch zwangen, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was von mir erwartet wurde. Eine dieser Regeln, gegen die ich unbedingt rebellieren musste, als ich es dann konnte, war, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Der Kirchgang war für mich eine Last, so dass ich mir als Kind und auch noch als Jugendliche nicht eingestehen konnte, dass ich die Messe auch irgendwie schön, beruhigend und besinnlich fand.

    Meine Omi hatte mit der Religion wenig am Hut und schlief sonntags immer aus. Oma hingegen war sehr religiös. Sie bestand darauf, dass wir jeden Sonntag nicht nur sehr pünktlich die Kirche besuchten, sondern auch auf nüchternen Magen die heilige Kommunion empfingen. Da meine Eltern immer erst ganz knapp beim Kirchengeläut in unserem alten VW-Käfer zur Kirche fuhren, wollte Oma zu Fuß zur Kirche gehen, damit sie vor dem Geläut schon eine Viertelstunde zum Einbeten hatte.

    Um Oma nicht alleine laufen zu lassen, wurde mir die Aufgabe übertragen, sie jeden Sonntag in der Frühe zu Fuß zur Kirche zu begleiten. Mit leerem Magen, durch die Kälte und die lange Zeit des Ausharrens, wurde mir dort oft schlecht. Einmal bin ich sogar umgekippt, was mir aber nicht ersparte, am darauf folgenden Sonntag wieder mit Oma zur Kirche zu gehen.

    Wo komme ich her?

    von Andrea Fröhlking

    Vielleicht ist es dem Wohlwollen meiner Tanten geschuldet, dass es mich gibt?

    Als ältere Schwestern meiner Mutter waren sie es, die sie auf ihren ersten Tanzabend mitnahmen, obwohl sie eigentlich noch zu jung war. Sie setzten sich für sie ein und umgarnten meinen Großvater mit ihrem Charme und guten Worten, so dass er ihr erlaubte mitzugehen.

    Für meine Mutter war dieser erste Dorfabend aufregend. Sie zog ihr bestes Kleid an und toupierte ihre Haare mithilfe ihrer Schwestern, die sich glücklich schätzten, das Nesthäkchen der Familie in die Gesellschaft einführen zu dürfen.

    In meiner Vorstellung kicherten sie fröhlich und erwartungsvoll und halfen einander, hübsch auszusehen, bevor sie sich auf den Weg machten, den Berg hinabzusteigen, ins Dorf.

    Am Tanzsaal angekommen, werden sie durch beschlagene Scheiben geschaut haben in Erwartung auf einen schönen Abend. Vielleicht haben die ersten Gäste draußen gestanden und die frische Luft genossen, bevor es wieder hineinging in den Saal? Vielleicht haben sie sich hier zum ersten Mal gesehen, meine Eltern?

    Mein Vater mit gegeltem Haar, groß und schnieke anzuschauen in seinem dunklen Anzug und mit der brennenden Zigarette in der Hand? Und meine Mutter mit frischem, rosigem Teint und glockig geschwungenem Rock?

    Im Saal wird es laut gewesen sein von der Musik

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