Als es Nacht wurde, trieben wir heim: Lustige Stilblüten und humorvolle Geschichten in 72 Aufsätzen von Bauernhofkindern
Von LV Buch
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Über dieses E-Book
bemerkenswerte Zeitzeugnisse gelebter Kindheit auf dem Land – von 1937 bis heute.
Zugleich ist diese Sammlung lustiger Stilblüten weit mehr als das: nämlich allerbeste Unterhaltung. Man erfährt vieles über die besonderen Lebensbedingungen, die Traditionen und das soziale Geflecht, in dem die Kinder aufgewachsen sind. Dabei zeigt sich wieder einmal aufs Neue, wie
gut es Kindern gelingt, dank ihrer hervorragenden Beobachtungsgabe und schnörkellos-einfachen Sprache die Dinge auf den Punkt zu bringen: erfrischend direkt, ohne Umschweife und unverfälscht … witzig und anrührend. Ein absoluter Lesespaß.
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Buchvorschau
Als es Nacht wurde, trieben wir heim - LV Buch
Loock
Monika, 12 Jahre - September 1949
Beim Volksfest ging’s lustig zu
Bei der Ernte musste ich fleißig mithelfen. Aber mich reute es nicht, denn als die Ernte eingebracht war, sagte der Vater zu meiner Schwester und mir: „Am nächsten Sonntag fahren wir ins Volksfest." Wir zwei hatten natürlich eine riesengroße Freude und konnten es fast nicht erwarten, bis der Sonntag da war. Die Woche verging diesmal so langsam.
Endlich kam der langersehnte Sonntag. Wir mussten aber, obwohl wir fortfahren durften, zuerst in die Kirche gehen. Als wir nach Hause gekommen waren, aßen wir und gingen nach Altomünster zum Zug.
Nun aber hatten wir mächtige Angst, dass uns der Zug davonfahren könnte und wir zu Hause bleiben müssten. Als wir in den Zug einstiegen, richteten die Schwester und ich das Auge auf einen Fensterplatz. Es war zu unserem Glück noch einer frei.
Nun fuhren wir von einer Station zur anderen. Sooft der Zug hielt, stiegen Leute ein. Der Eisenbahnwagen, der ganz leer war, als wir einstiegen, wurde mit der Zeit übervoll. Endlich kamen wir in Dachau an. Der Vater hielt uns an den Händen fest, dass wir uns im Gedränge nicht verlieren konnten. Auf der Festwiese angekommen, war das Karussellfahren das Erste. Gleich danach musste uns der Vater „Gutseln" kaufen.
Später gingen die Schwester und ich ins Kasperltheater.
Als die zum Kauf angebotenen Sachen angeschaut waren, besuchten wir die Kunst-, Gersten- und Landwirtschaftsmaschinenausstellung. Letztere interessierte mich gar nicht.
Die Preise, die bei der Braugerstenschau ausgesetzt waren, gefielen mir gut. Die Kunstausstellung und die Schau für die Bäuerin waren etwas für mich. Es waren viele Kochbücher ausgestellt und Maschinen, die der Hausfrau die Arbeit erleichtern. Dann verließen wir die Festwiese und gingen zum Zug. Als wir zum Bahnhof kamen, war der Zug schon losgefahren. Wir mussten warten, bis der Halb-neun-Uhr-Zug fuhr. An diesen schönen Volksfesttag werde ich noch öfter denken.
Heidi, 13 Jahre - April 1950
Feuerweihe
Am Karsamstag war die Feuerweihe. Meine Freundin Roswitha und ich machten aus, miteinander hinzugehen. Endlich war es Karsamstagmorgen. Um sieben Uhr fuhren wir los. Aber diesmal hätte mich das Radfahren bald verdrossen. Das Holzscheit, das ich zum Weihen tragen musste, verrutschte nämlich immer im Gepäckträger. So musste ich etliche Male vom Fahrrad steigen und mein Holz befestigen. Um 7.25 Uhr langten wir in Altomünster an. Hinter der Kirche brannte das Feuer schon lustig. Eine Weile dauerte es, bis der Geistliche Rat kam und das Feuer weihte. Als er es geweiht hatte, wäre er bald nicht mehr durch die Leute gekommen, so wurde er gedrängt. Mein Holz brachte ich lange nicht in das Feuer hinein. Als ich endlich nahe dort war, erlosch das Feuer. Als es dann wieder aufloderte, stand ich ganz vorn beim Feuer und konnte mein Holz schön hineinhalten. Als ich es später herauszog, war es ganz schön schwarz. Da ich nun heimgehen wollte, suchte ich die Renate, die ich während des Holzbrennens verloren hatte, und dann begaben wir uns auf den Heimweg. Wir dachten gleich an die nächste Feuerweihe und nahmen uns vor: „Nächstes Jahr sind wir aber früher dran."
Paula, 15 Jahre - Oktober 1952
Heimische Bräuche zum Hochzeitsfest
Am vergangenen Samstag wurde bei uns eine große Bauernhochzeit gefeiert. Die alten Hochzeitsbräuche unserer bayerischen Heimat durften einmal alle wieder aufleben. Der große Festtag für die Brautleute wurde schon vor dem Gebetläuten angeschossen, damit sie nicht verschlafen. Um sieben Uhr erscheinen die Musikanten vor dem Hause des Bräutigams und der Braut, um den frohen Tag mit Musik anzufangen. Vor der Abfahrt muss vom Elternhaus Abschied genommen werden, was in rührender Weise geschieht. Der Hochzeitslader fängt das „Urlaubnehmen, wie hier der Abschied genannt wird, mit Verslein an, denen ein Vaterunser für die Toten der Familie folgt. Nach dem endgültigen Abschied der Braut von Vater und Mutter tritt die Braut aus dem Haus mit einer mit Weihwasser gefüllten Tasse .Sie besprengt damit das Gefährt, das sie fortbringen soll, damit auf dem Weg kein Unglück geschieht. Während die Braut zum Hof hinausfährt, wird wieder geschossen, und die Musikanten spielen: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus.
Der Bräutigam empfängt die Braut bei der Ankunft unter der Haustür und überreicht ihr den Brautstrauß. Nach dem Entgegennehmen vieler Glückwünsche wird dann zur Kirche gezogen, wo die Brautleute getraut werden. Wenn die Braut so viel Glück hat, wie es geregnet hat, dann wird sie überglücklich. Es wird nämlich gesagt, wenn es regnet, regnet es der Braut Glück.
Rosa, 15 Jahre - Juni 1952
Liebe Tante!
Im Juli werde ich aus der Schule entlassen. Das ist in meinem Leben eine große Wendung. Viele Gedanken beschäftigen mich, teils gute, teils schlechte. Habe ich in meiner Schulzeit so viel gelernt, dass ich die Aufgaben meines Lebens werde meistern können? Mein sehnlichster Wunsch ist es, einmal eine Bäuerin zu werden. Ich fühle mich jetzt schon wohl in der stilecht eingerichteten Bauernstube im Kreise meiner Familie, die recht groß werden soll. Im Stall erst soll Stück neben Stück stehen, jedes kerngesund und wohl genährt. Im Hühnerhof soll es recht lebendig zugehen. Hühner, Gänse und meine Lieblinge unter den gefiederten Tieren, die Enten, sollen in großer Anzahl den Hühnerhof bevölkern. Ein gepflegtes Blumengärtchen wird vor dem Hause sein. Den Tag werde ich mit Waschen, Nähen und anderen Arbeiten verbringen. Ob es so weit kommt, dass meine Luftschlösser Wirklichkeit werden, weiß nur unser Herrgott. Er wird mir Gesundheit und Arbeitsfreude schenken, die ich als zukünftige tüchtige Bäuerin dringend benötige.
Viele Grüße sendet Deine Nichte Rosa
Monika, 13 Jahre - Oktober 1953
Wie mein Schultag abläuft
Morgens, wenn ich aufstehe, ziehe ich mein Kleid an, und schnell wird mein Frühstück verzehrt. Denn es ist bereits 3/4 8 Uhr. Ein paar Schritte entfernt liegt das Schulhaus. Nun marschieren die Kinder mit den Mappen in der Hand dorthin. Jetzt sitzen wir in den Bänken. Nun kommt der Herr Hauptlehrer, und gleich wird gebetet. Er schaut mit lächelnder Miene auf die Kinder zu, denn die Kinder wissen bereits, dass das Rechnen als erstes Fach auf dem Stundenplan steht. „Rechenbuch heraus!, tönt es aus dem Munde des Herrn Hauptlehrers. Nun beginnt das von den Kindern gehasste Rechnen. Nach dem Rechnen kommt meistens Deutsch, das bei den Kindern als ein „sehr schönes
Fach gilt. Jetzt aber kommt das Schönste an der Schulzeit, nämlich die Pause. Sie ist aber schnell vorbei. Das interessanteste und schönste Fach ist für mich Erdkunde. Wir behandeln zurzeit Deutschland. Ist Erdkunde vorbei, werden ein paar Minuten lang Lieder gesungen, die eine gute Stimmung hervorbringen. Nun wird der „Mensch" noch einmal durchgenommen. Jetzt ist es 3/4 1Uhr. Nun gibt der Herr Hauptlehrer noch die Hausaufgabe auf. Die Kinder freuen sich und gehen eilends nach Hause.
Rosa, 15 Jahre - November 1952
Meine liebe Tante!
Heute habe ich Dir etwas Trauriges mitzuteilen. Am Freitag früh verunglückte unser Herr Kaplan. Er fuhr um 3/4 6 Uhr nach Oberzeitlbach zur Kirche. Als er vom Motorrad steigen wollte, kam er zu Fall und brach sich den Fuß.
In der Kirche warteten die Leute auf das Beichten. Ebenso konnten die Kinder nicht kommunizieren.
Ich erfuhr von dem Unglück erst nach Mittag, als meine Schwester von der Schule kam. Sie kam zu mir in den Stall, wo ich gerade beschäftigt war, und berichtete von dem Unglück. Ich dachte mir: „Als unser Herr Kaplan voriges Jahr verunglückte, brach er sich den Arm und jetzt den Fuß. Was kommt dann nächstes Mal dran?" Hoffentlich wird er bald wieder gesund.
Es war keine Freudenbotschaft, was ich Dir heute mitzuteilen hatte. Aber ich dachte mir, es wäre Dir lieb, wenn Du diese Neuigkeit auch gleich erfährst, weil Du unseren Herrn Kaplan auch kennst.
Es grüßt Dich Deine Nichte Rosa
Anna, 12 Jahre - Februar 1953
Unser Faschingszug
Heuer haben die Kinder in Petershausen einen Faschingsumzug veranstaltet. Ich richtete mich schon um zwölf Uhr her. Als ich fertig war, ging ich zum Schulhof. Mich fror schon sehr an den Füßen. Aber endlich setzte sich der Zug in Bewegung. Ein Knabe machte den Einleiter des Zuges. Er trug eine Maske mit großen Backen. Ihm folgte die Kapelle „Fürchterlich. Hinter der Kapelle fuhr ein Wagen mit den Feuerwehrmännern, die spritzten. Hierauf kam ein kleines Prinzenpaar. Nach dem Prinzenpaar kam ein Rotkäppchenwagen, den ein Hund zog. Nun schlossen sich ein Ochsengespann mit dem „Gemeinderat
und ein Wagen mit Schulkindern an. Den Schluss bildete ein Wagen, auf dem der „Gesangsverein" Platz genommen hatte. Zwischen den einzelnen Wägen marschierten maskierte Kinder. Der Zug führte vom Schulhof durch das obere Dorf zum Bahnhof. Dort kehrte er um und endete wieder im Schulhof. Auf dem ganzen Weg waren Zuschauer, die viel lachten. Bei manchen Häusern wurden Würste und Süßigkeiten in den Zug geworfen. Als der Zug beendet war, teilte der Herr Bürgermeister Würste mit Semmeln aus. Nun ist der Fasching wieder zu Ende, und jetzt beginnt wieder die ernste Fastenzeit.
Eva, 16 Jahre - März 1953
Glück im Unglück
Vorigen Winter wurde ich Zeuge eines Verkehrsunfalls. Ein von Altomünster kommender Bulldog mit Anhänger kam auf der vereisten Straße ins Rutschen. Das Gefährt wurde von der rechten auf die linke Straßenseite geschleudert und stürzte den Straßenrain hinunter, wobei es sich überschlug.
Der geistesgegenwärtige Fahrer sprang, als er die Gefahr erkannte, ab. Es entstand zum Glück nur Sachschaden. Es waren nämlich nur die Seitenwände des Gummiwagens eingedrückt. Zur Hilfe geeilte Männer brachten den Bulldog bald wieder auf die Räder.
Dieser Mann hatte wahrhaftig Glück im Unglück.
Anna, 12 Jahre - Juni 1953
Liebe Renate!
Du bist jetzt schon wieder einige Zeit fort, und nun muss ich Dir ein paar Zeilen senden. Wie geht es Dir? Hoffentlich gut! Wir haben schon wieder einige Proben geschrieben. Wie gefällt es Dir in Dachau? Gehst Du zum Baden? Wo sind die Dachauer Kinder im Rechnen? Wir sind jetzt beim Schiefeck.
Renate, hast Du einen strengen Herrn Lehrer bekommen? Hoffentlich. Wir haben vor, mit unserem Herrn Lehrer eine kleine Radtour nach Scheyern zu machen. Darauf freue ich mich sehr.
Es würde uns sehr freuen, wenn Du uns mal besuchen würdest. Jetzt kommt bald wieder der Herr Geistliche Rat.
Nun schließe ich in der Hoffnung, dass es Dir in Dachau gut gefällt. Es grüßt Dich herzlich - Deine Schulfreundin A.
Hildegard, 14 Jahre - Dezember 1954
Kirchgang im Dorf
Freudig steige ich aus dem Bett, denn heute ist Sonntag. Zuerst wasche