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Willkommen, Mr. Ace!: Eine Raumzeitalter-Agenten-Farce
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eBook243 Seiten3 Stunden

Willkommen, Mr. Ace!: Eine Raumzeitalter-Agenten-Farce

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Über dieses E-Book

In den Vereinigten Staaten von Amerika ist ein rechtspopulistischer Immobilienmogul zum Präsidenten gewählt worden. Nicht nur viele Bürger und Politiker weltweit sind alarmiert. Auch der Sternenrat auf ALPHA CENTAURI, von wo aus man seit Jahrtausenden die Evolution auf der Erde steuert, herrscht größte Beunruhigung, und so wird beschlossen, ein Team unter der Leitung des erfahrenen Agenten Bondishi auf die Erde zu schicken, um potentiellen Gefahren vorzubeugen. Tatsächlich gelingt es ihm nach kurzer Zeit, in das Umfeld des neuen Präsidenten zu gelangen, der als Einziger von seiner eigenen Großartigkeit überzeugt ist und stümperhaft durch sein neues Amt irrlichtert. Da tauchen plötzlich Gegenspieler auf, die ahnen, dass der smarte Arzt, als der sich der außerirdische Agent tarnt, noch etwas anderes im Schilde führt als die Gesundheit seiner Patienten...
So entfaltet sich eine nicht immer ganz ernstzunehmende Geschichte darüber, was im mächtigsten Land der Kolonie GAIA möglich ist - und was nicht.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Juni 2022
ISBN9783347654587
Willkommen, Mr. Ace!: Eine Raumzeitalter-Agenten-Farce

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    Buchvorschau

    Willkommen, Mr. Ace! - Torsten van de Sand

    Prolog

    - Wenn ich recht informiert bin, haben Sie vor einigen Jahren einmal über eine Kandidatur für die Präsidentschaft nachgedacht, Mr. Ace. Wäre die nächste Wahl nicht eine günstige Gelegenheit, dies ernsthaft zu verfolgen?

    Der Angesprochene richtete sich auf. Automatisch fühlte er sich nicht nur noch etwas größer, ein wenig wirkte er auch so.

    - Ach, wissen Sie, zweifelsohne könnte mein Land jemanden wie mich an höchster Stelle gut gebrauchen. Jemanden, der zupacken kann, durchsetzungsstark ist, unkonventionelle Wege geht… Und konsequent das Ziel verfolgt, das Land wieder zu dem zu machen, was es einmal war: das größte, stärkste, fabelhafteste Land auf Erden, dem kein anderes das Wasser reichen konnte. Auch nicht das Ihrige, mit Verlaub gesagt. Aber in diesem Sumpf, den das politische Establishment heute darstellt, hat jemand, der von außen kommt - ein erfolgreicher Unternehmer wie ich - niemals eine Chance. Diese Abgeordneten und Senatoren, sie verteidigen ihr Revier wie eine Bande Geier das Aas.

    - Gerade deshalb dachte ich an Sie, Mr. Ace. Was Sie gesagt haben, ist vollkommen richtig. Deshalb bedürfte es schon einer herausragenden Persönlichkeit, um sich dort durchzuboxen. Sie haben die nötige Statur dafür.

    - Vielen Dank. Mir scheint, Sie sind in der Lage, die Fähigkeiten eines Menschen gut einzuschätzen.

    - Das habe ich in den langen Jahren meiner Arbeit in sehr unterschiedlichen Milieus gelernt. Wie Sie gewiss auch, Mr. Ace. Wenn nun zu den besonderen Talenten eines Kandidaten noch eine ganz besondere Hilfe dazu käme… Einige hilfreiche Winke, die mit Geld nicht zu bezahlen sind… Warum sollte dann nicht das scheinbar Unmögliche gelingen?

    Dagobert Ace merkte auf. Welche Botschaft wollte man ihm gerade geben? Er wusste nicht recht, was er von seinem Gesprächspartner halten sollte.

    - Wie dem auch sei, sagte Ace. Schauen Sie herein bei mir, wenn Sie das nächste Mal in New York sind. Und lassen Sie sich bloß nicht von meiner Sekretärin abwimmeln. Für jemanden wie Sie habe ich immer Zeit.

    - Das höre ich gern, Mr. Ace. Und denken Sie einmal darüber nach, was ich gesagt habe.

    - Gewiss. Bis zum nächsten Mal also!

    Ace reichte dem anderen die Hand.

    - Bis zum nächsten Mal, Mr. Ace. Doswidanja, wie man bei uns hier sagt.

    ***

    Sofort nachdem er aufgelegt hatte, wusste er, dass sie recht hatte. Es musste etwas geschehen, sonst würde seine Kandidatur mit einem Erdrutschsieg seiner Konkurrentin enden. Mit einer Niederlage hatte er zwar von Anfang an gerechnet und vor allem auf einen Gewinn für seinen Namen und den seiner Firmen gesetzt. Aber eine allzu deutliche Niederlage wäre doch peinlich. Niemand anderen als ihn selbst würde man dafür verantwortlich machen, und es wäre zweifelhaft, ob seine Strategie, anderen die Schuld am Misserfolg zu geben, aufginge. Am Ende wäre er unter Umständen selbst erledigt, und das durfte auf keinen Fall das Ergebnis seiner Kampagne sein. Doch Aufgeben war nicht seine Sache. Wer das dachte, kannte Dagobert Ace nicht. Er würde kämpfen bis zum Ende. Hatte er nicht in der Vergangenheit schon oft erlebt, dass sich das Blatt plötzlich auf unerwartete Weise wendete? Wie vor Jahren, als die Firma kurz vor dem Bankrott gestanden hatte. Auch da hatte es so ausgesehen, als ob er mausetot wäre - und dann hatte er sie doch alle rumgekriegt. Alle bis auf einen, aber diese deutschen Zwergenbanker zählten natürlich nicht. Er, Dagobert Ace, war auferstanden wie Phönix aus der Asche.

    Was es jetzt brauchte, war ein klarer Schnitt. Nicht nur jemanden feuern. Das war einfach. Zu einfach. Das allein würde nicht verfangen. Was er brauchte, war ein ganz neuer Ansatz, und er wusste, wer in der Lage war, den zu liefern. Er hätte ihren Hinweis auf diesen Mann gar nicht gebraucht. Aber immerhin war es eine Bestätigung, dass diese kluge Frau an denselben Mann gedacht hatte. Er griff erneut zum Telefonhörer.

    Tom Crewley überraschte dieser Anruf nicht. Aufgrund seines Jobs und seiner Geschichte war er im Grunde seit langem in einer stand-by-Position für die Aufgabe, die Dagobert Ace ihm anbot. Er brauchte keine Bedenkzeit. Nachdem sie einen Termin für den nächsten Morgen vereinbart hatten, um das weitere Vorgehen zu besprechen, konnte er mit voller Überzeugung dem Kandidaten versichern: Wir schaffen das.

    Dagobert Ace war zufrieden und erleichtert. Wieder einmal hatte er gespürt, dass dieser Tom aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie er selbst. Das hatte ihm diesen Mann vom ersten Moment an sympathisch gemacht. Genau wie er selbst war das jemand, der sich nicht den Teufel darum scherte, was andere von ihm hielten. Einer, der sein Ding durchzog. Gegen alle Widerstände. Auf Biegen und Brechen. Und der damit zum Erfolg kam. Genau wie er selbst, Dagobert Ace. Er schöpfte wieder Zuversicht. Die Entschlossenheit, nicht aufzugeben, war das Eine. Einen Plan zu haben, war etwas ganz Anderes. Er wusste: Dieser Mann würde einen haben.

    Tom Crewley lächelte zufrieden. Was für eine phantastische Chance, dachte er. Schon dieser Kandidat war eine einzigartige Gelegenheit für seine politischen Vorstellungen, und er hatte sie mit seiner Plattform im Netz in den letzten Monaten genutzt, wann immer es möglich war. Doch nun an diese Schaltstelle im Zentrum des Wahlkampfes zu gelangen, ganz dicht am potentiellen nächsten Präsidenten, vergrößerte seine Möglichkeiten und die Effizienz, mit der er seine Botschaft unter das Volk bringen konnte, um ein Vielfaches. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, die Wahl zu gewinnen, wäre Wesentliches erreicht, auf das man beim nächsten Versuch aufbauen könnte. Doch im Gegensatz zu fast jedem anderen im Lande hielt er es noch ganz und gar nicht für ausgemacht, das Ace´ Gegnerin, diese korrupte Furie, gewinnen würde. Genauso wie viele andere wusste er, dass etwas passieren musste, um das zu verhindern. Was ihn von all den anderen unterschied, war: Er wusste, wie man das Ruder herumreißen konnte. Was getan werden musste, um ein scheinbar aussichtsloses Rennen zu gewinnen. Es ging jetzt darum, auf volle Offensive umzuschalten. Die Gegnerin anzuklagen, zu demaskieren, zu deligitimieren, zu dämonisieren; mit einem Wort: sie fertig zu machen. So dass sie selbst erledigt war, ohne es zu merken, weil sie immer noch meinte, dass alle Schwächen des Gegners genügten, um ihr zum Sieg zu verhelfen. Crewley wusste es besser. Er hatte seine Studien durchgeführt. Sie belegten, dass all das Material, das er jahrelang über sie und ihren Mann gesammelt hatte, auf offene Ohren stieß. Dann musste man die eigene Botschaft, die eigenen Ziele dagegensetzen. Klar den Feind benennen; vielmehr all die vielen Feinde, denen gegenüber der normale Bürger, der kleine Mann dort draußen im Lande seit Jahren ein diffuses Unbehagen spürte und denen gegenüber er sich ohnmächtig fühlte. Ein riesiges Heer von Unterstützern wartete nur darauf, dass jemand kam, der denen den Kampf ansagte. Es galt jetzt, diese Feinde zu benennen. Sie zu isolieren. Und dann aus allen Rohren auf sie zu schießen. Mit voller Feuerkraft. Und auf alle, die nicht auf der eigenen Seite standen. Jede Brücke zu irgendwelchen Kompromisslern konsequent abzubrechen. Jedes Haus irgendwelcher angeblichen Gemeinsamkeiten niederzubrennen. Die Botschaft war: Schwarz oder weiß. Die oder wir. Und das Wahlergebnis würde ein großer Aufschrei sein: Wir!

    I Plötzliche Unruhe auf ALPHA CENTAURI

    - Nervös? fragte der Ältere den Jüngeren, als das ungleiche Paar gemessenen Schrittes den langen weißen Gang entlang schritt, begleitet allein von dem Klacken ihrer Sohlen auf den dunkelblauen Granitfliesen.

    - Ein bisschen schon, antwortete der Jüngere.

    - Das kann ich verstehen. Mir erging es nicht anders, als ich zum ersten Mal an einer der Kommissionssitzungen teilnahm. Aber ich kann dir versichern: Auch dort treffen wir lediglich auf Wesen aus Fleisch und Blut.

    - Und trotzdem… Es sind immerhin Kommissare des Sternenrats für eine unserer Kolonien. Verdienstvolle Frauen und Männer, seit vielen Jahren im Einsatz in verantwortungsvoller Position.

    - Das Letztere ist Fakt. Über die Verdienste gibt es freilich verschiedene Meinungen.

    Ehrfurchtsvoll betrachtete der Jüngere im Gehen die Bilder an den Wänden, die Landschaften auf verschiedenen Kolonien von ALPHA CENTAURI zeigten. Schließlich stoppte der Ältere vor einer Tür. Sein Blick fiel auf das kleine Schild daneben. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er klopfte an, und nachdem eine Stimme sie von innen ermuntert hatte einzutreten, drückte er die Klinke herunter.

    - Da ist er ja, der Agent Bondishi… Unser bester Mann für GAIA, und wie immer mehr als pünktlich. Es ist eine Weile her, dass ich Sie hier begrüßen durfte. Eigentlich müsste ich sagen: viel zu lange. Wenn ich nicht wüsste, was Ihr Aufkreuzen hier zu bedeuten hat, sagte die blonde Frau.

    Sie ging auf ihn zu und umarmte ihn. Sie tauschten Wangenküsschen rechts und links und strahlten sich an.

    - Nämlich dass es irgendwo auf GAIA ein Problem gibt, setzte Bondishi ihren Gedanken fort. Wie ist die Stimmung, Assistentin Fontanella?

    Sie rümpfte die Nase.

    - Sie ist schon seit Wochen eher schlecht und seit gestern - nun, das können Sie sich ja denken: Miserabel.

    Bondishi nickte.

    - Aber wen haben Sie denn da mitgebracht?

    - Oh, wie unhöflich von mir, sagte Bondishi. Darf ich vorstellen: Azubishi, frisch gebackener Diplom-Gaiologe und seit einem halben Jahr bei mir im Kurs zum GAIA-Agenten. Azubishi, Assistentin Fontanella ist die gute Seele für die Betreuung dieser Kolonie. Ohne sie würden -

    - Übertreiben Sie nicht, Bondishi. Ich tue, genau wie Sie und jeder andere hier, nur meine Pflicht. Erzählen Sie mir lieber, was Sie von den neuesten Entwicklungen auf unserem kleinen Problemplaneten halten.

    - Unsäglich, sagte Bondishi mit einer wegwerfenden Handbewegung und einem Tonfall, der Frustration und Unverständnis zum Ausdruck brachte. Unfassbar, dass so etwas möglich ist, und das in diesem Land und in dieser Zeit…

    - Tja, da hatte wohl niemand mit gerechnet, dass dieser Ace… Aber vielleicht sagt es ja etwas aus über dieses Land und diese Zeit. Und wenn wir uns jetzt so darüber wundern, vielleicht auch über uns.

    - Das lassen Sie besser niemanden in der Kommission hören.

    - Natürlich nicht. Aber Ihnen gegenüber, Bondishi, wird man so eine Bemerkung wohl machen dürfen.

    Sie hatte sich inzwischen wieder hinter ihren Schreibtisch gesetzt und blickte Bondishi etwas kokett von unten an. Ein Lächeln spielte um Bondishis Lippen, als der Computer vor der

    Assistentin einen kurzen Klingelton gab.

    - Assistentin Fontanella, bitte schicken Sie Agent Bondishi herein, ertönte eine Stimme.

    - Sehr wohl, Frau Präsidentin, antwortete Fontanella.

    Sie warf Bondishi einen kurzen Blick zu. Er nickte und schritt zu der Tür auf der rechten Seite, die in das Konferenzzimmer führte. Mit einer kleinen Geste bedeutete er Azubishi, ihm zu folgen.

    Die Mitglieder der Kommission erhoben sich, als die beiden eintraten. Bondishi und Azubishi stellten sich hinter die beiden leeren Stühle und neigten leicht den Kopf zur Begrüßung. Die Kommissare erwiderten die Geste. Man setzte sich.

    - Agent Bondishi, wir freuen uns, Sie in dieser Runde begrüßen zu dürfen. Ich glaube, ich spreche für jeden hier, wenn ich sage, wir schätzen Sie als den Mann, der besser als jeder andere auf ALPHA CENTAURI die Verhältnisse auf dem Planeten GAIA kennt. Deshalb interessiert uns Ihre Ansicht zu den jüngsten Entwicklungen dort, sagte die Frau, die im Abstand von einigen Metern ihm am Tisch gegenüber saß, während ihn von links und rechts jeweils drei Augenpaare konzentriert musterten.

    - Präsidentin Brahmashana, das Wahlergebnis im wichtigsten Staat auf GAIA hat mich gewiss genauso überrascht wie jeden anderen. Es wirft sehr viele Fragen auf. Sowohl im Hinblick darauf, wie es zustandekommen konnte, als auch auf seine Folgen, sagte Bondishi.

    - Wie beurteilen Sie es im Hinblick auf die Sicherheit der Kolonie?

    - Das erscheint mir im Moment noch schwer abzuschätzen. Keinesfalls stellt es eine Verbesserung dar. Eine erhebliche Destabilisierung ist zu befürchten.

    - Was meinen Sie damit konkret? Was wäre aus Ihrer Sicht das Schlimmste, was passieren könnte?

    - Um ehrlich zu sein -, Bondishi räusperte sich etwas, gibt es so viele worst-case-Szenarien, dass es schwer ist, ihre Wahrscheinlichkeiten gegeneinander abzuwägen.

    Bondishi bemerkte, dass sich zu beiden Seiten von ihm Unruhe

    ausbreitete.

    - Bitte erläutern Sie das, sagte die Präsidentin.

    - Nun, Dagobert Ace, der neugewählte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, zeichnet sich meines Erachtens vor allem durch drei Eigenschaften aus: Ich-Bezogenheit, Skrupellosigkeit und Unberechenbarkeit. Er verfügt über keinerlei politische Erfahrung. Was eine solche Persönlichkeit auf diesem Hintergrund bedeutet, ist nicht einfach vorherzusagen. Aufgrund vieler seiner Äußerungen im Wahlkampf muss man extreme Entscheidungen für möglich halten.

    - Es weiß doch jeder, dass das, was die Gaianer bei ihren Bewerbungen für ein Amt von sich geben, in der Regel völlig unglaubwürdig ist, sagte einer der Männer zu Bondishis Linken in leicht indigniertem Tonfall.

    - Es ist genau so, wie Sie sagen, Kommissar Nihilishi: in der Regel. Jedoch spricht vieles dafür, dass wir es hier mit der berühmten Ausnahme von der Regel zu tun haben.

    - Dieser Mann ist in jeder Hinsicht anders, warf eine Kommissarin zur Rechten Bondishis ein.

    - So nehme ich Ace auch wahr, Kommissarin Darwilishi. Er ist in jeder Hinsicht brutal. Das bedeutet zuweilen auch: brutal ehrlich. In gewisser Hinsicht jedenfalls. Denn erwiesenermaßen ist er ein großer Lügner.

    - Was denn nun, ist er besonders ehrlich oder besonders verlogen? fragte Nihilishi ungeduldig.

    - Das bedürfte einer differenzierten Analyse, sagte Bondishi. Im Hinblick auf diese brutale Ehrlichkeit denke ich: Er ist unter anderem gerade deshalb gewählt worden. Nicht wegen seiner Ehrlichkeit. Sondern wegen deren Brutalität.

    - Wie abstoßend, sagte der Mann, der links neben Kommissar Nihilishi saß.

    - Ein Zeichen für den immer noch erschreckend niedrigen Entwicklungsstand der Gaianer, sagte dessen Gegenüber.

    Ein beifälliges Nicken ging durch die Runde.

    - Jede Evolution braucht ihre Zeit. Das ist keine neue Erkenntnis, sagte Nihilishi.

    - Es geht nicht darum, wieviel Zeit wir ihnen lassen müssen oder wollen. Es geht um die Nebenwirkungen, sagte die Präsidentin.

    Mehrere der Anwesenden nickten.

    - Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen, Präsidentin Brahmashana. Nicht umsonst erleben wir das seltene Ereignis, dass ein Wahlergebnis auf GAIA zu einer umgehenden Krisensitzung auf ALPHA CENTAURI führt. Doch ich denke, sagte Kommissar Nihilishi, wir sollten gerade in dieser Situation unsere größte Tugend pflegen: Gelassenheit.

    - Ich gebe zu bedenken, dass dies auch die Reaktion der Kommission war, als vor einigen Jahrzehnten dieser gescheiterte Kunstmaler in einem mittelgroßen Staat die Macht ergriffen hatte. Auch ihn hat damals niemand für voll genommen. Und wir alle wissen, was daraus geworden ist, sagte Bondishi. Im übrigen hatte auch er, bevor er an die Macht kam, genau gesagt, was er tun würde.

    Die Unruhe unter den Kommissionsmitgliedern nahm sichtlich

    zu, begleitet von einem nachdenklichen Schweigen.

    - Wir haben die Situation ja bereits ausführlich diskutiert, bevor der Agent eingetreten ist, sagte Präsidentin Brahmashana. Agent Bondishi, wir möchten Sie bitten, auf dem Hintergrund seiner Biographie eine Studie über die Persönlichkeit des Dagobert Ace zu erstellen und auf dieser Basis eine Einschätzung der zu erwartenden positiven und negativen Entwicklungen für sein Land und die gesamte Kolonie vorzunehmen. In unserer nächsten regulären Sitzung erwarten wir Ihre detaillierten Aussagen.

    - Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kommissare, Ihnen werden pünktlich meine Ergebnisse vorliegen, sagte Bondishi.

    Er nickte kurz und erhob sich. Im Aufstehen schaute er kurz Azubishi an, der ebenfalls aufstand, und sie verließen den Sitzungssaal.

    Dagobert Ace war groß, von eher bulliger Statur und mit seinen siebzig Jahren nicht mehr der Jüngste, doch es gelang ihm, sich rechtzeitig zur Seite zu drehen und zu ducken. Der Teller flog an seinem Kopf vorbei und zerschellte an der Wand hinter ihm.

    - Du altes Miststück! brüllte seine Frau. Du verdammter Großkotz! Das haben wir jetzt von deiner Angeberei.

    - Aber Liebling, versuchte Ace zu beschwichtigen. Das konnte doch niemand ahnen, dass die mich tatsächlich wählen.

    - Du hast zu mir gesagt: Mach dir keine Sorgen… Ich werde denen allen bloß mal ein bisschen die Meinung sagen… Und ihnen eine Vorstellung davon geben, wie man das wirklich machen sollte… Und jetzt musst du genau das vier Jahre lang tatsächlich tun. Aus ist es mit unserem schönen, ruhigen Leben!

    - Aber Manuela, mein Schatz… Ja, es stimmt, das habe ich gesagt. Ich hätte doch niemals geglaubt, dass mich die Partei überhaupt als Kandidaten aufstellen würde. Geschweige denn… Aber anscheinend habe ich etwas angesprochen, das

    - Halt den Mund! Ich will es nicht mehr hören! Ich will nicht denken an all die fürchterlichen Dinge, die in den letzten Wochen passiert sind. Und ich darf gar nicht daran denken, was in der nächsten Zeit noch alles auf mich zukommt. Während des ganzen Wahlkampfes haben sie mit Argusaugen auf uns geblickt. Keinen Schritt konnte ich mehr unbeobachtet tun. Und jetzt, wo du gewählt bist, wird das noch viel schlimmer werden.

    - Aber Manuelalein, bist du nicht auch ein klein bisschen stolz? Ich meine, nicht auf mich - obwohl du auch das könntest. Aber du wirst die First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika sein! Jetzt bist du nicht nur die schönste, sondern auch die wichtigste Frau der ganzen Welt.

    - Ich pfeife darauf, die wichtigste Frau der Welt zu sein! Du bist es, der diese ganze Aufmerksamkeit braucht. Für sein verdammtes Ego. Ich war ganz zufrieden mit meinem Leben. Wir haben genug interessante Leute getroffen. Wir standen auch so schon oft genug im Rampenlicht. Und wir konnten uns alles leisten, was wir wollten. Und jetzt? Jeden Tag wird nicht nur dir, sondern auch mir vorgeschrieben werden, wo wir hinzugehen, wen wir zu treffen, mit wem wir zu essen und uns zu unterhalten haben. Jedes Wort werde ich auf die Goldwaage legen müssen, weil ständig irgendwelche Kameras und Mikrofone laufen, die alles aufnehmen. Und wehe, ein falsches Wort - schon zerreißt sich am nächsten Tag die ganze Welt das Maul darüber. Ich habe keinen Bock auf so ein Leben, kapierst Du das nicht?

    Vor Wut nahm sie einen weiteren Teller vom Tisch und zerschmetterte ihn auf dem Boden zwischen sich und ihm. Dagobert Ace wertete es als ein gutes Zeichen, dass sie ihn nicht mehr nach ihm schleuderte. Anscheinend war ihre Wut, auch wenn es sonst noch nicht danach aussah, am Abklingen.

    - Aber mein Täubchen, bedenk doch einmal: Wir werden viele tolle Sachen machen.

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