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Einzigartiges in Kinderzeichnungen: Kinder können mehr, als Sie glauben
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Einzigartiges in Kinderzeichnungen: Kinder können mehr, als Sie glauben
eBook251 Seiten1 Stunde

Einzigartiges in Kinderzeichnungen: Kinder können mehr, als Sie glauben

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Über dieses E-Book

Kinder können viel mehr, als wir glauben!

Dieser Satz stammt aus meinem Buch «Geheime Botschaften - Was Kinderzeichnungen offenbaren», auf dem dieser Band
basiert.

Früher behandelte Themen werden aufgegriffen und weiter
geführt. Neues kommt hinzu und es wird auf die Bedeutung
eines freilassenden Arbeitsklimas hingewiesen, wo Kinder ihr persönliches Potenzial frei entfalten können, ohne von «Fördereinheiten» früh beeinflusst zu werden. Auch wird auf den großen Wert von Ruhe und Besinnlichkeit als erzieherische Ergänzung zu Unrast und täglicher Geschäftigkeit hingewiesen. Die Schlussfolgerungen entsprechen nicht den gewohnten Erfahrungen. Sie werden deshalb überraschen.

Auch dieses Mal gilt es wieder der eigenständigen und geheimnisvollen Bildersprache der Kinder die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und ihrer Tiefsinnigkeit nachzuspüren.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Okt. 2020
ISBN9783347094475
Einzigartiges in Kinderzeichnungen: Kinder können mehr, als Sie glauben

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    Buchvorschau

    Einzigartiges in Kinderzeichnungen - Hans Egli-Gottier

    1. Einzigartiges und Allgemeines in Zeichnungen

    In den Zeichnungen gleichaltriger Kinder zeigen sich vergleichbare Merkmale. Verallgemeinernd, d. h., unter Weglassung des individuellen Ausdrucks, lässt sich die typische, altersgemäße Entwicklung der Zeichnenden ermessen. Es darf nicht vergessen werden, dass dabei das Individuelle in Zeichnungen unberücksichtigt bleibt. Jede Zeichnung weicht vom allgemeinen Abstraktum mehr oder weniger ab. Die Abweichung ist Gradmesser für die Einzigartigkeit der Zeichnung: eine Hieroglyphe des zeichnenden Kindes. Auf das Einzigartige wollen wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit unsere Aufmerksamkeit richten.

    Die ersten menschlichen Gestalten (Kopffüßler) zeichnen Kinder etwa im dritten/vierten Lebensjahr. Kopffüßler zeigen Kopf, Beine und Arme und häufig ein Gesicht. Es überrascht, dass ihnen der Bauch fehlt. Kinder in diesem Alter kennen den Bauch gut, sie können ihn benennen und auf ihn zeigen. Wie wir sehen werden, dauert es unterschiedlich lang, bis er in den Kopffüßler integriert wird. Monate später bekommen die Menschen Kleider, Hut, Gehstock, Ohrclips und Handtasche.

    Das Wandtafelbild der 12-jährigen Schülerinnen und Schüler einer Förderklasse zeigt, wie früh Unterschiede sichtbar werden. Die Schülerinnen und Schüler hatten die Aufgabe, Menschen an die Wandtafel zu zeichnen. Sie bestimmten Platz und Größe ihrer eigenen Figur selbst.

    1.1 Unterschiede bei 12-jährigen Jugendlichen

    Die großen Unterschiede der 12-jährigen Schülerinnen und Schüler sind Ausdruck ihrer körperlichen, seelischen und geistigen Voraussetzungen. Auch Lebenserfahrungen und die aktuelle Befindlichkeit beeinflussen ihre Zeichnungen (Abb. 1).

    Den Einfluss der aktuellen Befindlichkeit zeigt Regula in ihrer Zeichnung mit dem braunen Männchen, das sie beim Spielen mit Kameraden zeichnete. Nach Unstimmigkeiten entfernte sie sich verärgert von ihren Freunden. Sie erschien aber schon bald wieder und beteiligte sich völlig beruhigt am weiteren Spiel.

    Abb. 1: 12-jährige Jugendliche mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf zeichnen an der Wandtafel

    Was war in der Zwischenzeit geschehen? Regula ließ ihrem Ärger freien Lauf. Sie «zeichnete sich frei». Abstrafend stellte sie das eckige, braune Männchen an den unteren, linken Blattrand! Die Zeichnung entspricht bei Weitem nicht ihren farbenfrohen Gestaltungen, wie z. B. der «Sonnenmutter» (Abb. 3).

    Männchen und Sonnenmutter zeigen Einzigartigkeiten (Singularitäten) in Regulas Darstellungskunst. Einer Verallgemeinerung bleibt das Einzigartige unberücksichtigt. Im weiteren Verlauf werden wir vorwiegend den Blick auf das Einzigartige richten aber auch die unmittelbare Begegnung mit dem zeichnenden Kind anstreben.

    Abb. 2: Regula, 9-jährig, nach einer Auseinandersetzung

    Abb. 3: Regula, 6-jährig, Sonnenmutter

    Wirkliches Verstehen baut auf der realen Begegnung von Mensch zu Mensch auf. Begegnung ist unmittelbar, nicht ersetzbar! Vorgefertigtes (angelerntes) Wissen mag hilfreich sein, doch wirkt es, oft kaum bemerkt, bestimmend auf die Blickrichtung, und es beeinflusst den Sehhorizont. Das trübt die Unbefangenheit: So lässt sich Birger Selim verstehen, wenn der bekannte Autist feststellt, dass sie [er meint Fachpersonen] nur seinen «Außenpanzer» sähen. Birger Selim sieht sich reduziert auf die allgemeine (studierbare) Symptomatologie des Autismus (sein Außenpanzer). Aber als Mensch fühlt er sich missachtet und abgewertet.

    Zur Anschauung der allgemeinen Entwicklung (Abb. 4) werden authentische Zeichnungen verwendet. Die Entwicklung des Menschen wird von Haus-, Tier- und Pflanzenzeichnungen ergänzt. Es soll die Zusammengehörigkeit von Mensch und Kreatur deutlich werden.

    1.2 Allgemeine Entwicklung bei Mensch, Haus, Tier, Pflanze

    Abb. 4

    2. Kritzeleien, Spirallinien und Kreis

    Irgendwann im Laufe des zweiten Lebensjahres entdecken Kinder, dass ihr Tun Spuren hinterlässt, und schon schaffen sie chaotisch kreisende, pendelnde und hiebartige Kritzeleien. Mit Pinsel und Farbe entstehen Kleckse und vielfarbige Gebilde. Schon für diese ersten Werke entwickeln die Kinder größte geistige und körperliche Anstrengungen! Ihnen gelingt eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen der rechten und der linken Hand.

    Die linke Hand – es ist die «emotional dominante» – hält das Zeichenpapier auf der Unterlage fest, damit die Rechte – es ist die «intentional dominante» – zeichnen kann. Gleichzeitig werden die Handbewegungen mit beiden Augen beobachtet (Auge-Hand-Koordination)! Diese Entwicklung verläuft nicht gradlinig, sie mäandriert dem Ziel entgegen.

    Ruhig wird früher Erworbenes wiederholt. Die Kinder nähern sich auf Umwegen dem Ziel, wo sie mit unerwarteten, neuen Fähigkeiten überraschen: So wird das chaotische Liniengewirr auf eine spiralförmige Linie verdichtet und zum geschlossenen Kreisgebilde weitergeführt. Der Kreis entsteht und signalisiert das Ende der, nur scheinbar, ziellosen Kritzelei. Der Kreis ist gleichzeitig Anfang für ein umwälzend Neues. Jetzt werden Zeichnungen des Menschen möglich, die Kopffüßler. Viele sehen in den Kopffüßlern den Anfang des kindlichen Zeichnens. Gleichzeitig mit den Kopffüßlern werden Urformen gezeichnet, aus denen später Baum, Blume und Gräser werden.

    Die primitiv anmutenden Zeichnungen verlocken Erwachsene zu Hilfestellungen. Allerdings ist Vorsicht geboten! Der Gestaltungswille der Kinder wird zurückgedrängt. Die vermeintliche Hilfe wirkt kontraproduktiv. Ein Déjà-vu erinnert an vergangene Zeiten, wo Flussläufe aus ökonomischen Gründen und zum alleinigen Nutzen des Menschen begradig wurden. Heute zeigen sich Nebenwirkungen, und mit viel Aufwand und hohen Kosten werden die vergangenen Ingenieurkünste rückgängig gemacht. Flussläufe werden renaturalisiert. Wir hoffen, dass der Erziehung dieses Schicksal erspart bleibt.

    2.1 Kritzeleien und Farbkleckse

    Die knäuelhaften Zeichnungen in Abb. 5 zeigen die überragende Vitalität der Kinder. Völlig impulsiv bekritzeln sie, was ihnen in den Weg kommt. Nicht zur Freude aller. Wenn beispielsweise die Küchenwand oder das Schulbuch der älteren Geschwister «beschrieben» wird. Um Kinder zu verstehen, müssen wir uns auf ihre Schaffensweise einlassen. Wer vielleicht glaubt, dass diese Zeichnungen bedeutungslos sind, irrt. Allein schon die Tatsache, dass aus eigenem Antrieb (intrinsisch motiviert) Linien und Formen sehr lange geübt werden, bis ein «Werk» gelingt, macht nachdenklich.

    In ihrem Leistungsnachweis stellen die beiden Psychologinnen M. Engler und M.-L. Schlapbach treffend fest: «Für das Verständnis von Kinderzeichnungen ist es wichtig zu wissen, dass das Kind in seinen Zeichnungen nicht etwas abbildet, sondern etwas erschafft.» Aber: «Wenn Erwachsene eine Kinderzeichnung betrachten, versuchen sie die Bilder in ihre eigene Vorstellungs- und Begriffswelt einzuordnen.» (Engler & Schlapbach, S. 5) Und das entfernt uns von der Wirklichkeit des Kindes.

    Abb. 5: Mädchen, 2,5 Jahre. Schwing- Pendel-, Hiebkritzel (links) und Farbklekse (rechts)

    Kinder kritzeln aus reiner Bewegungsfreude. Die Kritzeleien sind eine geniale Formensprache im Entstehungsstadium: Viel ist angelegt, wenig festgelegt! (Abb. 5)

    2.2 Der Gestaltungswille des Kindes – Bewegung und Form

    Den kraftvollen Bewegungen steht schon früh der Gestaltungswille des Kindes gegenüber: Absichtsvoll unterbricht es die endlosen Linien und setzt sie über- und nebeneinander. Das eigene Wollen zeigt es in kraftvollen Linien, in Gliederung und Raumaufteilung, wie auch in der Farbwahl.

    In der Dualität – Bewegung und Form – offenbart sich ein persönlicher Wesenszug, die eigene Handschrift.

    Abb. 6: Joana, 2½-jährig, erschafft Kritzeleien

    Kritzeleien werden unterschiedlich gedeutet: Als ein begnadeter Forscher sieht Wolfgang Grözinger darin Erinnerungen an die Zeit vor der Geburt, zu denen kleine Kinder noch Zugang haben. Wolfgang Schad, Pädagoge und Naturwissenschaftler, sieht die Quelle in den unbewussten Lebensvorgängen, in der Physiologie. Die Erziehungswissenschaftlerin Angelika-Martina Lebéus sagt es so: «Die Kraft, mit der ein Kind wird und wächst, ist es auch, die ihm die Hand führt bei seinem Kritzeln und Malen.» (Lebéus, S. 14)

    Tatsache ist, dass schon die frühen Zeichnungen das Werk eines großartigen Gestaltungswillens sind, dem sich Kinder lustvoll und konzentriert hingeben. (vgl. Abb. 6)

    2.3 Auf dem Weg der Schneckenlinie

    Stefan wiederholt unermüdlich Linien, die sich einem Zentrum nähern. Die kreisenden Linien werden schließlich zu Spiralen (Abb. 7).

    Der Basler Physiker und Mathematiker, Jakob Bernoulli (1654–1705) befasste sich zeitlebens mit diesen rätselhaften Linien. Die nach ihm benannte logarithmische Spirale windet sich von der Unendlichkeit, dem alles umfassenden Makrokosmos, zum Kleinsten, dem Mikrokosmos. Nicht zufällig nannte er sie «spira mirabilis». Eine eingravierte Spirale auf dem Grabstein erinnert an den begnadeten Mathematiker. Er befindet sich im Kreuzgang des Basler Münsters.

    Abb. 7: Stefan, 2,9 Jahre. Spiralen mit Zentrum

    Ob Stefans Schneckenlinien auch als «spira mirabilis» zu verstehen sind? Seine Spiralen zeigen den Weg von der Unendlichkeit zu seinem Körper, dem Bezugspunkt? Eben betrachtete er sich noch wie ein Außenstehender und nannte sich – genauso wie seine Eltern – Stefan. Aber schon bald wird er sich als eigenständige Person, als ICH

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