Abschied in Schritten: Roman
Von Resa Fary
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Über dieses E-Book
Da ist die Ärztin, die aus ihrer Ablehnung der Kernenergie keinen Hehl macht. Sie lebt von ihrem Ehemann, einem bekannten Journalisten, der die AKW's radikal bekämpft, getrennt.
Sie und der Stefan lernen sich auf ungewöhnlichem Weg kennen. Zwischen ihnen bahnt sich eine Liebesbeziehung an. Sie glauben an einer Versachlichung der Diskussion über die Vor- und Nachteile der Kernenergie.
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Buchvorschau
Abschied in Schritten - Resa Fary
Kapitel 1
„Ich werde ihr nicht sagen, dass ich im Kernkraftwerk arbeite" dachte Stefan, als er im Wartezimmer der Arztpraxis der Internistin Alexandra Worth saß.
Schon seit mittlerweile mehr als zwei Jahren hatte Stefan immer wieder Schmerzen im Bauchbereich. Zuerst hatte er die Schmerzen als eine vorübergehende Erscheinung wenig beachtet. Er konnte sie nicht immer lokalisieren und führte sie auf das Kantinenessen zurück. Sie traten hin und wieder auf und er versuchte, sich mit Tee, Schonkost und warmem Dinkelkissen zu helfen. Seit längerem verzichtete er mittags auf warme Speisen, die in der Kraftwerkskantine preislich günstig angeboten wurden. Stattdessen nahm er selbst belegte Brote, Obst und Gemüse von Zuhause mit zur Arbeit. Zusätzlich nutzte er in der Mittagspause den Gymnastikraum des Kraftwerkes, um sich fit zu halten. Denn er hatte öfter gehört, dass sich auch verklemmte Nerven im Bauchbereich in Form von Bauchschmerzen bemerkbar machen könnten. Außerdem soll durch Fitnessübungen der gesamte Verdauungstrakt des Körpers begünstigt werden. Er hatte große Angst davor, an Krebs zu erkranken oder schon erkrankt zu sein. Daher redete er nie darüber, obwohl derartige Gedanken ständig in seinem Kopf herumkreisten. Wenn in einer Zeitung etwas über Krebskrankheiten stand, las er die Information genau durch und machte für sich eine Bewertung, ob sie für seine Bauchschmerzen relevant waren.
Als er im Rahmen der jährlichen ärztlichen Untersuchung, die für ihn als Schichtleiter im nahegelegenen Kernkraftwerk vorgeschrieben war, dem Vertrauensarzt des Kraftwerkes erstmals von seinen Schmerzen erzählt hatte, untersuchte dieser ihn näher, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. Ein Jahr später bei der turnusmäßigen ärztlichen Untersuchung trug er sein Problem erneut vor. Diese jährliche ärztliche Untersuchung war für alle Mitarbeiter eines Kernkraftwerkes vorgeschrieben, die nach den Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung als so genannte strahlenexponierte Personen der Kategorie 1 und 2 eingestuft waren und Stefan fiel unter die Kategorie 1. Der Vertrauensarzt, ein Internist mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Radiologie, konnte ihm auch diesmal keine befriedigende Erklärung geben. Er stellte einige Fragen, von denen die meisten seine Essgewohnheiten betrafen. Auf diese Fragen antwortete Stefan sehr schnell und er hatte den Eindruck, dass der Arzt daraus keine Schlussfolgerungen ableitete. Schließlich empfahl er, auf das Kantinenessen für eine Weile zu verzichten. Seine letzte Bemerkung, Stefans Frau sollte leichte Sachen kochen, verärgerte ihn so stark, dass er am liebsten aufgestanden und gegangen wäre. Er versuchte, ruhig zu bleiben. Denn er sah ein, dass der Arzt nicht wissen konnte, dass seine Frau nicht mehr lebte. Der Arzt wollte dann noch wissen, welche Tätigkeiten Stefan im Kernkraftwerk verrichtete. Als Stefan ihm antwortete, dass er Schichtleiter war, sagte der Arzt, „Ja, das steht hier" und riet ihm lediglich, die Sache weiter zu beobachten.
Manchmal versuchte Stefan, sich zu erinnern, wann genau das erste Mal die Schmerzen aufgetreten waren, um darin vielleicht eine Erklärung zu finden. Er konnte auch nicht genau sagen, ob die Schmerzen zuerst leicht auftraten und sich dann langsam bis auf die heutige Heftigkeit verschlechtert hätten. Wo genau traten die Schmerzen das erste Mal auf? Auch auf diese Frage fand er keine Antwort. Er erinnerte sich nur, dass er im Frühsommer des letzten Jahres über Schmerzen geklagt hatte und daher früher als sonst üblich nach Hause gegangen war. An diesem Tag demonstrierten Kernkraftgegner vor dem Kraftwerkseingang und forderten das sofortige Abschalten der Anlage. So ein Ereignis prägte sich leicht in seinem Gehirn ein. Und das konnte er dann längere Zeit nicht einfach vergessen. Er hatte kein Verständnis für diese Leute, die die Nutzung einer Anlage in Frage stellten, die völlig legal errichtet worden war. Die Grundlage der Genehmigung, die in vielen einzelnen Schritten erteilt worden war, bildete das Atomgesetz zur Förderung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken. Der Staat, der selbst das Atomgesetz in der bestehenden Form erlassen hatte, hielt sich gerade bei dem Streit um die Rechtfertigung der moralischen und sozialen Aspekte weitgehend zurück und ließ die Befürworter und Gegner aufeinandertreffen. Das ärgerte Stefan sehr. In solchen Situationen merkte er die Schmerzen sehr deutlich.
Als die Schmerzen immer öfter und heftiger auftraten, entschloss sich Stefan einen anderen Arzt aufzusuchen. Er dachte, dass eine Ärztin sich vielleicht intensiver mit seinen Beschwerden befassen würde. So hatte er das Telefonbuch in die Hand genommen und die Internistin Dr. med. Alexandra Worth herausgesucht. Sie war Fachärztin für innere Medizin und hatte ihre Praxis in einem alten Gebäude, das aufwendig saniert worden war und zum Teil auch als Wohnhaus diente.
Das Haus lag in der Stadtmitte einer schönen Kleinstadt, die in den letzten zwanzig Jahren großartig saniert worden war. Die Fassaden der Häuser hatte man vollständig erhalten. Wo Anbauten errichtet worden waren, hatte man besondere Sorgfalt gelten lassen und sie den Aspekten des Denkmalschutzes architektonisch gelungen angepasst. Die Stadt war durch die reichlich fließenden Steuern seitens des Kernkraftwerkes wohlhabend und als Wohnort insbesondere bei älteren Menschen sehr begehrt. Die noch junge Universität trug mit ihren Studenten zur Attraktivität und Vitalität der Stadt bei und senkte das Durchschnittsalter der Bevölkerung.
Es war Mittwoch und Stefan hatte den Vormittag frei. Erst um vierzehn Uhr begann seine Arbeit im Kraftwerk. Den Arzttermin hatte er bewusst auf den heutigen Tag gelegt. Es hatte ihn viel Anstrengung gekostet, sich für diesen Arztbesuch zu entscheiden. Er war ja noch jung und vorher nie krank gewesen. Er machte regelmäßig Sport, um sich fit zu halten. Er erledigte die meisten Sachen, soweit es ging, mit dem Fahrrad. Auch heute war er mit dem Fahrrad zum Arzttermin gekommen. Nun saß er im Wartezimmer der Internistin.
Das Wartezimmer war voll von Menschen, die darauf warteten, aufgerufen zu werden. Um die Wartezeit erträglicher zu machen, waren sie alle konzentriert dabei, mit Hilfe der auf dem kleinen runden Tisch