Vom Athleten zum Poeten: Olympischer Zehnkampf in Versen: Gedichte - Autobiografische Erzählungen - Gedanken ... gehört und empfunden
Von Horst Beyer
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Buchvorschau
Vom Athleten zum Poeten - Horst Beyer
EIN OLYMPISCHER ZEHNKAMPF
in Versform erzählt
Erster Tag
100 Meter
Weitsprung
Kugelstoß
Hochsprung
400 Meter
Zweiter Tag
110 Meter Hürden
Diskuswurf
Stabhochsprung
Speerwurf
1500 Meter
Verstehe dein Ringen um Exzellenz
als ein
> Gegeneinander im Miteinander <
Ich las von der antiken Welt,
Von wilden Schlachten, großen Spielen,
Habe als Kind mir vorgestellt,
Als edler Held Ruhm zu erzielen.
Den Großen der Vergangenheit,
Zu folgen ihrem noblen Stil,
Wie mancher Junge meiner Zeit,
Empfand ich bald als lohnend Ziel.
Zehnkämpfer wollte ich dann werden,
Vom Jüngling zum Athleten reifen,
Wollt’ zu den Besten zähln auf Erden,
Nach allerhöchstem Lorbeer greifen.
Die Zeiten sind für mich vergangen,
Mein Blick jedoch streift oft zurück,
Ein großes Spiel neu einzufangen,
Athletentum als Lebensglück.
So gibt in reifen Mannesjahren,
Mein Innerstes hier einmal frei,
Was ich in Kämpfen hab erfahren,
Auch, welches Fühlen war dabei
DER ERSTE WETTKAMPFTAG
Dem Fiber gleich ist mein Empfinden,
als man uns an den Start geführt,
muss die Erregung überwinden,
obwohl es in mir mächtig rührt.
Erste Disziplin
Der 100 Meter Lauf
Die Sprintkraft bringt die Schnelligkeit,
Der ersten Prüfung ihren Sinn,
Bei höchstem Einsatz Lockerheit
Erziel’ ich Punkte zu Beginn.
Der Start ist ganz besonders wichtig,
Ihn nicht verschlafen, zuck nicht zu früh,
Schnell reagieren, so ist’s richtig.
Im Rennen ganz gelöst dann bleiben,
Den Körper leicht nach vorne neigen,
Den Atem möglichst lang anhalten,
Geschwindigkeit nun voll entfalten.
Und weiter kraftvoll mit den Tritten,
Nicht kürzer werden mit den Schritten,
Die Arme geben kräftig Schwung,
Endlich durchs Ziel mit einem Sprung.
Olympischer Endkampf Tokio1964
Zieleinlauf 100m, Bahn2: Horst Beyer
Zweite Disziplin
Der Weitsprung
Jetzt gilt’s zu springen, möglichst weit,
Rhythmischer Anlauf – Schnelligkeit,
Im Lauf sich zur Exaktheit zwingen,
Ich will genau vom Balken springen.
Erster Versuch auf Sicherheit,
Ist gültig, jedoch nicht sehr weit.
Die Sieben sollt’ vorm Komma stehn,
Hoff’ sie beim nächsten Sprung zu sehn.
Ich treffe ganz genau den Balken,
Nach sieben Metern lande ich,
Nur kann ich die Balance nicht halten
Und fall’ zurück: Das ärgert mich.
Der letzte Versuch war sehr gut,
Die zweite Übung ist vollbracht,
Ein weiter Sprung mit allem Mut,
Auch taktisch hab ich’s gut gemacht.
Dritte Disziplin
Das Kugelstoßen
Ich übte viel fürs Kugelstoßen
In Vorbereitung auf den Kampf.
Vom Wuchs her zähl’ ich zu den Großen,
Doch fehlte mir der rechte „Dampf".
Den holte ich mir mit Gewichten,
Zweimal pro Woche an die Eisen,
Aus tiefer Beuge mich aufrichten,
Auch mit den Hanteln Armekreisen.
So steigerte ich meine Kraft,
Davon wurd’ auch die Technik gut.
Hab fünfzehn Meter schon geschafft.
Für heute bin ich voller Mut.
Der erste Versuch mit Bedacht
Muss gültig sein, ich darf nicht fallen.
Mein Krafteinsatz war viel zu schwach,
Lieg noch zurück, fast hinter allen.
Beim zweiten Stoß bemüh’ ich mich
All das Erlernte einzubringen,
Versagensängste regen sich,
So kann kein guter Stoß gelingen.
Zum letzten Durchgang in den Kreis,
Im Kopf beginnt es sich zu drehn,
Zugleich ist’s in mir kalt und heiß,
Wer mal dabei war, kann’s verstehn.
Trotz Nervenflatterns wird’s ein Stoß
Von leidlich respektabler Weite,
Die Spannung in mir war zu groß,
Vorbei geschrammt an einer Pleite.
Vierte Disziplin
Der Hochsprung
Die vierte Übung, das Hochspringen.
Aus rundem Anlauf soll’s gelingen.
Ich springe mit dem rechten Bein,
Kräftig und schnell setz ich es ein.
Die Körpergröße macht was gut,
Dazu gesunder Wagemut,
Einfach zu springen ist es nicht,
Hab’ ja die Latte nicht in Sicht.
Da hat „Dick Fosbury" * erkannt,
Dass man die Latte ganz gewandt
Rücklings zu überqueren hätte.
Früher gewiss ein Flop, ich wette
Denn damals zeigen alte Bilder
war’s Landen eine Kunst für sich.
Der Aufprall heute ist viel milder,
Ein Fortschritt ist das sicherlich.
Deutsche Meisterschaft – München 1972
Zwei Meter sind hier übersprungen,
Sehr oft ist das noch nicht passiert.
Heut ist es mir zum Glück gelungen,
Hab viele Punkte hier kassiert.
Fünfte Disziplin (und damit letzte des ersten Tages)
Der 400 Meter Lauf
Nun kommen wir zum langen Sprint,
Sehr angespannt hier alle sind.
Ein Unwohlsein erreicht mich früh,
Beim schnürn der Spikes schon weiche Knie.
Der Startschuss löst die Angst in mir,
Fühl’ mich bald locker und marschier’,
Sag mir, die ersten Meter: „Voll",
Dann auf der Gegenbahn - da roll!
Eingangs der zweiten Kurve dann
Befehl ich mir: „Jetzt greifst du an!"
Man weiß, die Kurve ist sehr weit,
Am End’ von ihr bin ich schon „Breit".
Spüre, es wird auch dieses Mal
Zum Ziel hin eine wahre Qual.
Wir laufen nicht auf Sieg allein,
Immer am Limit muss es sein.
TOKIO 1964
Der Härtetest des ersten Tages:
„Die Stadionrunde ist’s, ich sag es!"
Fünfzig Sekunden dauert’s rund,
Danach fühlt’ ich mich nie gesund.
Die Eigenart im Zehnkampflager ist,
dass Fähigkeiten sind verteilt,
beim Einen sind die Würfe mager,
doch in den Läufen er enteilt.
Der And’re ist ein „Neunmalkämpfer",
sich wacker hält auch bis dahin,
zur zehnten Übung dann der Dämpfer,
am Ende kaum ein Punktgewinn.
Gesucht werden die selt’nen Könner,
der Mann, dem alles gut gelingt.
Beim Werfen stark ist, schnell als Renner,
ausdauernd läuft und kraftvoll springt.
DER ZWEITE WETTKAMPFTAG
Ins Stadionrund sind wir geführt,
die Nervenspannung jeder spürt.
Respekt macht dieser Hürdenwald.
Der erste Startschuss folgt nun bald.
Sechste Disziplin
Der 110 Meter Hürdenlauf
Ich kenn’ die Wettkampfprozedur
Und konzentriere mich ganz stur.
Vor mir der ganze Hürdenwall,
Bin in den Blöcken – Schuss und Knall.
Der Wettkampfwille treibt mich mächtig,
Die erste Hürde krieg’ ich prächtig,
Die zweite, dritte, vierte – gut,
Erstmals verspür’ ich Siegesmut.
Leicht schlage ich die fünfte an,
Verlass’ zum Glück nicht meine Bahn,
Die sechste nehm’ ich mit Bravour,
Touchier die siebte wenig nur.
Dann - in die achte hau’ ich rein,
Zu flach zog ich mein Nachziehbein,
Komm’ so ein wenig aus dem Tritt,
Die neunte nehm’ ich auch noch mit.
Die zehnte wieder ganz geschwind,
Ein wenig half der Rückenwind,
Stürze mich in das Ziel hinein,
Ein Schmerz durchzieht das Nachziehbein.
Am Ende doch Zufriedenheit,
Erreichte eine gute Zeit.
Bis hierher lief die Sache toll,
Befind’ mich im geplanten Soll.
Stuttgart : Deutsche Meisterschaften 1970
K. Bendlin
H. Beyer
B. Knut
W. Linkmann
Siebente Disziplin
Das Diskuswerfen
Zehn Hürden liegen hinter mir,
Die größte aber find’ ich hier,
Trainieren kann man noch so viel,
Der Diskuswurf bleibt diffizil.
Fast liegen meine Nerven blank,
Mir ist’s, als wär’ ich plötzlich krank,
Auf einmal ist der Ring so klein,
Das Wurffeld könnt’ auch weiter sein.
Gerade bin ich konzentriert,
Wird eine Hymne intoniert.
Nun ist es mit den Nerven aus,
Der erste Wurf rutscht völlig raus.
Der zweite Versuch steht jetzt an,
Ein weiter Anschwung, dreh’ mich dann,
Hab’ schnell gedreht und ziehe kräftig,
Fühle im Schwung, es war zu heftig.
Die Scheibe flattert - segelt nicht,
Gewünschte Weite nicht in Sicht.
Wenn alles wirkt entspannt und leicht,
Man einen guten Wurf erreicht.
Betrete letztmals nun den Ring,
Ich streichle das verflixte Ding,
Geh’ locker in die Drehung rein,
Bemüh’ mich ganz gelöst zu sein,
Befind’ mich nun zum Wurf bereit,
Zieh’ ab, der Diskus segelt weit,
Geh’ hinten raus, es ist vollbracht,
Habe es doch noch gut gemacht.
ARMENIEN / UDSSR, 1965
Achte Disziplin
Der Stabhochsprung
Hier scheiden sich die Zehnkampfgeister,
Verabschiedete so mancher Meister
Sich früh - ich muss ganz ruhig bleiben,
Entgehe so dem Nerventreiben.
Dennoch wird jeder kalkulieren,
Was ist noch drin, was zu verlieren?
Was mich betrifft, bin hier kein As,
Am Stab bisher nur Mittelmaß.
Darum fange ich niedrig an,
Drei Meter achtzig, laufe dann
Zum Kasten, steche ein die Stange,
Streife die Latte, sie wackelt lange.
Den Stab im vollen Lauf zu tragen,
Den Aufschwung dann gekonnt zu wagen,
Beim Einstich ihn extrem zu biegen,
Um frei und hoch hinaus zu fliegen,
Bedarf viel Mut, Kraft und Geschick,
Bricht mir der Stab, weh dem Genick.
Die erste Höh’ ist übersprungen,
Die Besten sind noch nicht zu sehen,
Der nächste Sprung ist auch gelungen,
So kann es hoch nach oben gehen.
Tatsächlich, es entwickelt sich
Mein Sprunggefühl ganz wesentlich,
Heut’ schwinge ich mich hoch in Höhn,
Wo man zuvor mich nie gesehn.
Wollt’ mit den Besten ich vergleichen,
Kann meine Leistung noch nicht reichen.
Dennoch, ich ging hier gut zu Werke,
Zum Schluss hin kommt ja meine Stärke.
Deutsche Meisterschaften 1964
Olympiaausscheidung in Karlsruhe
Neunte Disziplin
Das Speerwerfen
Zwei Meter sechzig misst der Speer,
Hat achthundert Gramm Gewicht,
Ihn werfen liebt der eine sehr,
Der andre Athlet eher nicht.
Gehören tu’ ich zu den andern,
Spür’ es zu oft im Ellenbogen,
Schmerzen bis in die Schulter wandern,
Habe am Speer oft falsch gezogen.
Tokio/Japan, Olympische Spiele1964
Die Schmerzen muss ich überwinden,
Halt mich beim Einwerfen zurück,
Rhythmusgefühl beim Anlauf finden,
Erhoffe auch ein wenig Glück.
Der erste Wurf ist nicht gelungen,
Hab’ wieder diesen Schmerz verspürt,
Den Arm zu seitlich wohl geschwungen,
Den Speer dabei nicht gut geführt.
Noch einmal auf die Zähne beißen,
Noch einmal Schmerzen überwinden,
Muss mich erneut zusammenreißen,
Den richt’gen Zug beim Abwurf finden.
Zum Glück half mir ein Gegenwind
Bei einem Wurf, es war der zweite,
Die achtundfünfzig Meter sind
Mir die erhoffte gute