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Einer von vier: (Un)glückliche Fügungen
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Einer von vier: (Un)glückliche Fügungen
eBook230 Seiten3 Stunden

Einer von vier: (Un)glückliche Fügungen

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Über dieses E-Book

Teil 3 der Romanreihe Einer von vier - (Un)glückliche Fügungen
Vorgänger Teil 1: Einer von vier - falsche Vorstellungen, Teil 2 Einer von vier - Eine Frage des Prinzips

Allgemeine Beschreibung der ersten beiden Teile:
In der Romanreihe "Einer von vier", geht es um die Resozialisierung und Wiedereingliederung des abtrünnigen Erzengels Luzifer. Durch das von ihm eingeführte Prinzip der Versuchung, mit dem die Menschen größtenteils nicht umgehen können, herrscht soviel Gewalt unter ihnen. Bianca, eine junge Frau, eigentlich bereits als Mensch fertig entwickelt und ins Paradies eingegangen, kommt noch einmal auf die Erde des späten 15. Jahrhunderts. Doch sie ist nicht allein: auch Luzifer wird, gegen seinen Willen, in einen menschlichen Körper auf die Erde geschickt. Bianca hofft, ihn dazu bringen zu können, sein Prinzip aufzugeben und sich unter den anderen Erzengeln wieder einzugliedern. Zunächst beäugen sich beide Seiten sehr misstrauisch. Während ihrer Zeit in Florenz machen sie religiöse Würdenträger und sogar den Papst auf sich aufmerksam. Eines Tages läuft Luzifer ein Schützling zu, die 11jährige Livia, die er nach anfänglichem Widerstand schließlich bei sich aufnimmt und für die er sorgt.

Teil 3 (Un)glückliche Fügungen:
Bianca, Luzifer und Livia siedeln im Sommer 1498 nach Bristol über. Dort hofft Bianca, das "Luzifer-Experiment" zu Ende bringen zu können, nachdem sie tatsächlich einige Erfolge verzeichnen konnte. Doch auch in der südenglischen Hafenstadt haben sie keine Ruhe: der Hexenhammer wirft seine Schatten voraus! Bald sind Hexenverfolgungen auch in Bristol ein Thema und weder Bianca noch Livia bleiben davon verschont...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Juli 2022
ISBN9783347427990
Einer von vier: (Un)glückliche Fügungen
Autor

Helen David

Helen David wurde am 16. Juli 1991 in Pegnitz geboren. Bereits in ihrer Jugend schrieb sie gerne Kurzgeschichten und kleine Romane. Zunächst kam der Beruf des Autors für sie nicht ernsthaft in Frage und sie versuchte es mit einer klassischen Ausbildung und einem Studium. Mit der Zeit wurde ihr aber immer klarer, dass die schon früh entdeckte Leidenschaft für das Schreiben sie dauerhaft begleitet hatte. Im Alter von 26 Jahren entschied sie sich, ihr erstes Buch zu schreiben, das sie auch veröffentlichen wollte. Nachdem sie eine Dokumentation über Savonarola und sein Leben und Wirken gesehen hatte, beschloss sie, diesen Mann und sein Leben in Florenz in ihren Roman mit aufzunehmen. Das allein hatte ihr jedoch noch nicht gereicht und so entschied Helen sich, diese historischen Tatsachen mit einer eigenen Idee zu kombinieren und einen Mehrteiler zu schreiben. 2019 im Sommer war der erste Teil ihres Vierteilers "Einer von vier - Falsche Vorstellungen " fertig. 2020 im Sommer folgte Teil zwei "Eine Frage des Prinzips". Teil eins verfügt über eine Rahmenhandlung, die 1944 beginnt. In dieser zeigt sich der Konflikt, der den gesamten Vierteiler umfasst. Darauf folgt die Haupthandlung, die im Florenz des späten, 15. Jahrhunderts spielt. Die Haupthandlung wird im zweiten Teil chronologisch fortgeführt. Im dritten Teil "(Un)glückliche Fügungen" ändert sich die Kulisse; die Haupthandlung wird nach England verlagert. Im vierten Teil werden sowohl Haupt- als auch Rahmenhandlung komplett abgeschlossen und der in Teil eins aufbrechende Konflikt gelöst. Ihr Roman "Einer von vier" zeichnet sich durch eine spannende, ungewöhnliche Handlung ab, die stellenweise auf sehr beklemmende Art die historischen Hintergründe mit den eigenen Ideen kombiniert.

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    Buchvorschau

    Einer von vier - Helen David

    Kapitel 1

    Die Wochen auf See waren für Bianca einige der anstrengendsten, seit sie 1492 in Florenz angekommen war. Nachdem das Schiff Ende Mai in Pisa abgelegt hatte, hatte es bis zu den ersten Anzeichen von Seekrankheit keine 48 Stunden gedauert. Nun waren zwei Wochen vergangen und weder Luzifer noch Livia hatte es so übel erwischt wie sie. Die meiste Zeit verbrachte Bianca deshalb in ihrer Kabine und versuchte, sich nicht zu übergeben. In den ersten Tagen hatte sie den Fehler gemacht und war regelmäßig an Deck gegangen, um frische Luft zu schnappen, doch das hatte alles nur noch verschlimmert. Der Kapitän hatte es mitbekommen und Bianca erklärt, dass sie besser unter Deck in ihrer Kabine bleiben sollte, da der Wellengang das Ganze noch verschlimmerte. So war sie in der letzten Zeit meist in ihrer Koje geblieben, bis die stärksten Symptome abgeklungen waren. Da Luzifer und sie sich einig gewesen waren, Italien ganz zu verlassen und sie inzwischen auch darin übereinstimmten, überhaupt eine gewisse Distanz zwischen sich und Rom zu bringen, hatten sie England als Ziel ihrer Reise bestimmt. Allerdings musste Bianca dafür den Preis zahlen, zwei Monate an Bord zu bleiben. Gerade hatten sie die französische Küste hinter sich gelassen.

    „Du wolltest es ja so haben."

    „Bitte was?, murrte Bianca und versuchte mühsam, sich aufzusetzen. Ihr wurde schwindelig und sie ließ es bleiben. „Was meinst du denn damit? Luzifer stand noch immer vor dem Spiegel ihrer Kabine und beendete seine Rasur. „Ich meine damit, dass ich dir gesagt habe, dass die Schweiz für mich auch in Ordnung gewesen wäre. Er wischte sich den restlichen Schaum ab. „Dann hätten wir nicht auf dem Seeweg um halb Europa herum gemusst.

    „Nein, nein, nein. Auf keinen Fall. Ich bleibe dabei, England ist schon gut. Und ich werde das hier irgendwie durchstehen. Luzifer kam neben Bianca und sah sie kritisch an. „Du bist weiß wie ein Laken. Hast du heute überhaupt schon etwas gegessen?

    „Sicher. Es ist nur nicht drinnen geblieben."

    „Wenn das mit dir so weitergeht, verlierst du noch bedenklich an Gewicht. Bianca seufzte: „Ich werde das schon wieder aufholen. Wir erreichen doch morgen Barcelona. Luzifer nickte.

    „Da werde ich von Bord gehen und etwas Ordentliches essen. Versprochen. Sag mal…, fing sie nach einer Weile an. „Wieso hast du dich eigentlich hier bei mir rasiert?

    „Ich wollte nur nach dir sehen. Bianca gluckste düster: „Von wegen. Du wolltest dich über meinen Zustand amüsieren, stimmt’s?

    „Erwischt. Vielleicht ein bisschen von beidem."

    Livia war in Biancas Kabine mit untergebracht und Luzifer war während der Reise für sich. Das Schiff segelte zunächst immer an der Küste entlang; in den ersten Tagen hatte es die letzten Ausläufer Italiens hinter sich gelassen, als es Genua passierte; dann war es an der französischen Mittelmeerküste weitergefahren, vorbei an Toulon und Marseille, bis es schließlich Barcelona erreichte. Hier machte das Schiff zum ersten Mal einen längeren Zwischenstopp als nur einige Stunden, wenn Passagiere von Bord gingen, neue kamen, oder wenn Lebensmittel aufgefüllt wurden. In Barcelona lag das Schiff insgesamt drei Tage. Es war eine angenehme Abwechslung und besonders Bianca war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Nachdem sie es auf die Beine geschafft hatte, folgte sie Livia von Bord.

    „Fühlst du dich wieder besser?"

    „Um Welten besser. Vielleicht sollten wir einfach hierbleiben. Hier ist es doch auch ganz nett. Das war nur ein Scherz", setzte Bianca nach, als Livia sie irritiert anblickte. Die beiden jungen Frauen setzten sich im Hafen auf eine Bank im Schatten.

    „Wo ist eigentlich Luzifer?"

    „Der meinte, er muss mal eine Weile allein sein."

    Bianca gluckste: „Das kann ich mir vorstellen, dass er Zeit für sich braucht. Die Reise muss doch die reinste Katastrophe für ihn sein."

    „Nun, ich habe eher das Gefühl, die Reise ist bis jetzt eine Katastrophe für dich." Livia warf Bianca einen vergnügten Seitenblick zu.

    „Kann ja keiner wissen, dass ich seekrank werde… Livia schaute sich etwas um und atmete tief ein: „Hier fühlt es sich fast so an wie bei uns. Man könnte meinen, wir sind noch in Pisa. Aber die Leute reden so komisch.

    „Das ist Spanisch."

    „Hört sich lustig an. Klingt, als hätten sie es alle furchtbar eilig. Livia blickte zu Bianca. „Luzifer meinte, in England wird das Wetter ganz anders sein.

    „Das wird es auch. Da oben ist es oft regnerisch und neblig, sogar im Sommer. Das habe ich zumindest gehört. Wir sollten das hier also genießen. Bianca streckte die Arme in die Luft. „Eines der wenigen Dinge, die ich an Italien vermissen werde: das warme Wetter.

    „Warum fahren wir eigentlich so weit weg?"

    „Ich will einfach einen gewissen Abstand zwischen uns und den Papst bringen."

    „Wegen Savonarola?"

    Bianca nickte und sah sich um. „Ich bin so froh, dass wir mal ein bisschen für uns sind. Wir müssen uns unbedingt umsehen, wenn wir schon hier sind. "

    „Die Seefahrt wird wohl nicht deine Welt, was?"

    „Nein, wirklich nicht."

    „Komm, wir vertreten uns mal ein bisschen die Beine."

    „Und weißt du, was wir auch unbedingt tun müssen, solange wir hier im Hafen liegen?" Livia schaute Bianca neugierig an.

    „Wir müssen unbedingt ein Badehaus aufsuchen! In einer so großen Stadt gibt es doch sicher einige. Ich freue mich so darauf, mich endlich einmal wieder richtig waschen zu können!"

    Eine halbe Stunde später hatten Bianca und Livia eines der Badehäuser entdeckt, das direkt im Hafen lag. Viele Leute waren hierhin unterwegs und so hatten sie gar nicht lange suchen müssen. Vor dem Eingang war eine kleine Schlange; Bianca kramte schon mal das Geld heraus, während Livia sich neben ihr einreihte; nach wenigen Minuten waren sie an der Reihe.

    „Guten Tag. Wir beide", wandte sich Bianca an den Betreiber und legte ihm das Geld hin. Ihre frischen Kleider hatten sie dabei. Gemeinsam betraten sie das Badehaus; in dem schummrigen Licht der Fackeln folgten sie dem Mann, der sie zu den Becken für die Frauen brachte. Warmer Wasserdampf hing in der Luft. Aus der Entfernung drangen gedämpfte Stimmen an ihre Ohren, die immer deutlicher wurden, je weiter sie den Gang entlangliefen.

    „So bitte schön, hier gleich rechts durch die Tür. Bianca nickte dem Mann zu. „Danke sehr.

    „Bei uns ist im Moment auf Grund des Andrangs Zeitbegrenzung, eine Stunde maximal."

    „Das reicht uns auf jeden Fall."

    Wenig später ließ Livia sich seufzend neben Bianca in das warme Wasser gleiten.

    „Das ist der Himmel. Einfach wunderbar."

    Bianca brummte zustimmend.

    Das Wasser duftete nach Rosmarin und Lavendel. Livia nahm sich das Stück Seife vom Beckenrand und begann, sich die Haare zu waschen. Danach reichte sie die Seife an Bianca weiter.

    Kurz darauf saßen die beiden Frauen vor einer Gaststätte und genossen das erste richtige Essen seit drei Wochen. An Bord gab es hauptsächlich gepökeltes Fleisch, ab und zu sogar frischen Fisch, Brot, Hartkäse und Obst und Gemüse, das sich länger hielt. Bianca kratzte gerade mit dem Brot den letzten Rest warmen Olivenöls aus der Schale, als Livia das Gespräch wieder aufnahm: „Wisst ihr eigentlich schon, wo genau wir das Schiff verlassen werden?"

    „Wahrscheinlich Bristol. Das liegt an der Südwestküste. Da ist es bestimmt ganz nett."

    „Suchst du dir wieder eine Arbeit in einem Gasthaus? Bianca nickte. „Sicher. Das wird das Beste sein.

    „Und Luzifer findet bestimmt auch wieder eine Arbeit in einer Sattlerei." Livia dachte an die vielen Pferde, die sie dann wieder um sich haben würde.

    „Pass mal auf, am Ende hat er noch seine eigene Sattlerei."

    Nachdem sie Barcelona verlassen hatten, ging es Bianca wieder besser. Endlich hatte sie sich an den Wellengang und die Bewegungen des Schiffes gewöhnt. Es ging ihr so gut, dass sie sogar an Deck gehen und die Aussicht genießen konnte. Die Sonne schien vom beinahe wolkenlosen Himmel und der Blick auf die blaue Weite war herrlich. Gestern hatten sie, nachdem sie Valencia wieder verlassen hatten und an der Küste nach Alicante weitersegelten, in der Entfernung einen kleinen Teil der Balearen sehen können, zumindest eine der Inseln. Bianca lehnte sich an die Holzverkleidung und legte den Kopf auf ihre Arme. Ganz bestimmt war es richtig gewesen, Italien zu verlassen. Auch, wenn sie keine Ahnung hatte, was sie in England erwarten würde. Sicher gab es dort, wo auch immer sie sich niederlassen würden, ebenfalls einen Bischof und wahrscheinlich auch Organisationen, die Hexen jagten. Bianca seufzte und schloss die Augen; davor gab es nirgends ein Entrinnen, egal, wohin sie gingen. Aber diesmal würde sie sich hüten, irgendjemandem von Luzifer oder ihrem Vorhaben zu erzählen, nach allem, was geschehen war. Keiner durfte mehr davon erfahren, es war besser so. Manchmal sah sie in ihren Träumen den Moment wieder, als Savonarola zum Galgen geführt worden war und ein Teil von ihr fühlte sich noch immer schuldig deswegen. Gabriel hatte wirklich Recht gehabt, ihr wäre einiges an Ärger und Frust erspart geblieben, wenn sie sich damals zurückgehalten hätte. Andererseits hatte Savonarola ihr auch einige Male geholfen und sie sogar beim Bischof freigesprochen. Dennoch war es falsch gewesen, ihn einzuweihen. Immerhin verstand sie sich mit Luzifer nun viel besser; sie waren beinahe schon Vertraute und hatten sich inzwischen gut kennengelernt. Eigentlich konnte sie stolz auf sich sein; nie hätte sie geglaubt, dass sie so weit kommen würde.

    Bianca gähnte und blinzelte verschlafen, als Livia sie wachrüttelte.

    „Kaum ist Rebecca nicht mehr da, schmeißt du mich aus den Federn…seit wann bist du denn schon wach?"

    „Seit einer halben Stunde! Du musst sofort aufstehen und an Deck kommen, wir fahren jeden Moment in die Straße von Gibraltar ein! Der Kapitän hat gemeint, man kann bis nach Nordafrika hinübersehen! Livia zog sie am Arm. „Das kannst du doch nicht einfach so verpassen!

    „Ist ja gut, ich komme. Gib mir fünf Minuten!"

    „Aber nicht wieder einschlafen!" Bianca seufzte und fuhr sich durch die Haare, dann stand sie auf.

    Als die junge Frau an Deck kam, war es noch nicht einmal richtig hell; noch waren am Himmel die blau-violetten Streifen der Morgendämmerung und der abnehmende Mond gut zu sehen. Es war noch etwas frisch. Kopfschüttelnd ging sie zu Luzifer und Livia hinüber, die an der Bordwand standen. „Wieso seid ihr eigentlich schon auf?"

    „Weil der Kapitän gestern Abend gesagt hat, dass wir heute Morgen diese Meerenge durchqueren werden und Livia hat mich aufgeweckt."

    „Ich möchte einmal erleben, dass ich schon auf den Beinen bin und du noch schläfst, murrte Bianca und biss in einen Apfel. Luzifer sah sie von der Seite an. „Das wird eher nicht passieren.

    Livia genoss es, wie der Wind durch ihre Haare wehte und es langsam immer heller wurde. Sie zappelte.

    „Sag mal Livia, hast du denn schon wieder mit dem Kapitän geredet? Das Mädchen schaute Bianca unschuldig an. „Manchmal unterhalte ich mich eben mit ihm. Ich war noch nie irgendwo anders als in Florenz und jetzt durchquere ich auf einmal das halbe Mittelmeer! Und dann noch einen Teil des A- At…

    „Des Atlantiks", half Luzifer aus.

    „Ja genau. Der Kapitän hat gesagt, dass nach der Straße von Gibraltar der

    Atlantik anfängt und der ist so viel größer als das Mittelmeer. Und das Mittelmeer ist schon so groß! Das kann man sich gar nicht vorstellen!, meinte Livia aufgeregt und blickte um sich, um ja nichts zu verpassen. „Und wie viele Länder am Mittelmeer liegen! Bisher habe ich immer nur geglaubt, Italien, Spanien und Griechenland, aber das sind ja noch viele mehr! Das hat mir auch alles der Kapitän erzählt.

    „Livia, findest du nicht, dass du den Kapitän…etwas weniger… Bianca versuchte es diplomatisch zu formulieren. „…oft aufsuchen solltest? Der Mann hat doch bestimmt viel zu tun. Vielleicht störst du ihn ja.

    „Ich habe das schon mit dem Kapitän geklärt. Er meinte, dass er keine Kinder hat und er sich sehr über Livias Gegenwart freut, erwiderte Luzifer entspannt. Bianca zog die Augenbrauen kurz nach oben und nickte. „So ist das. Na gut, dann passt ja alles. Mich erinnert sie an eine meiner Schwestern. Die war genauso quirlig wie Livia, ich habe ständig auf sie aufpassen müssen, sonst hat sie nur Unfug angestellt.

    „Wie hieß sie? Bianca seufzte: „Wenn ich das noch wüsste. Livias Stimme riss sie aus ihren Gedanken: „Ist das schön! Und es ist schon so hell, dass man alles sehen kann!"

    Es war wirklich ein toller Anblick, das musste sie zugeben, auch, wenn

    Bianca Livias Enthusiasmus nicht ganz teilen konnte. Sie war eben doch noch ein Kind und die Seefahrt schien es ihr genauso angetan zu haben wie die Sattlerei. Man konnte wirklich bis nach Nordafrika blicken, ja, man hatte beinahe das Gefühl, den Felsen dort auf der anderen Seite berühren zu können. Ein paar Möwen kreisten über ihren Köpfen. Im nächsten Moment kam der Kapitän an Deck und gesellte sich zu ihnen.

    „Guten Morgen Livia. Luzifer und Bianca drehten sich um. „Oh, guten Morgen.

    „Guten Morgen Kapitän! Livia kam auf ihn zu und strahlte. „Sie haben nicht übertrieben, das ist ein solch wundervoller Anblick! Man hat das Gefühl, fast hinüberspringen zu können.

    „Ja, das wirkt schon sehr verlockend", stimmte der Kapitän zu und stellte sich neben Luzifer.

    „Können wir nicht einen kleinen Abstecher machen?"

    „Livia…, kam es leicht warnend von Luzifer. Sie schaute ihn mit großen Augen an. „Wieso denn nicht, das ist doch so nah. Der Kapitän lachte: „Das liegt aber nicht auf unserem Kurs. Und außerdem können die Gewässer hier ganz schön tückisch sein, wo der Atlantik und das Mittelmeer aufeinandertreffen. Wir fahren durch die Straße von Gibraltar und an der Küste von Portugal entlang. Lissabon ist der nächste große Hafen. Und danach geht es in einem Stück bis nach Bristol."

    „In Lissabon sprechen sie dann nochmal komischer als in Barcelona", gab Bianca ironisch von sich. Luzifer gluckste. Livia warf noch einen letzten Blick zu der Landspitze auf der anderen Seite.

    Während sie das Loch in ihrem Kleid stopfte, summte Bianca vor sich hin. Der nächste und zugleich letzte Hafen war Lissabon und danach ging es in einem Stück bis nach England. Es würden lange Wochen werden. Es war ja so schon anstrengend genug. Auch jetzt, wo Bianca die Seekrankheit überwunden hatte, strengte die Reise sie an. Es war so ganz anders auf einem Schiff; spannend war es nur in den ersten Tagen, danach, sobald die Routine sich eingestellt hatte, langweilte man sich fast pausenlos. Livia konnte stundenlang auf das Meer schauen oder die Seevögel beobachten und war glücklich damit; ihr ging es da etwas anders. Bianca fehlte eine Beschäftigung, ihre ehemaligen Kollegen und vor allem fehlte ihr ihre Arbeit. Seufzend legte sie das Kleid beiseite. Die Tür der Kabine öffnete sich.

    „Na, ist dir langweilig geworden?"

    „Nein, aber es fängt an zu regnen. Der Himmel hat sich in der letzten halben Stunde richtig verdunkelt."

    „Hoffentlich gewittert es nicht."

    Sehnsüchtig blickte Luzifer zum Hafen zurück, nachdem das Schiff wieder abgelegt hatte; inzwischen waren sie die einzigen Passagiere, die an Bord waren; hier in Lissabon hatte sich der letzte Mitreisende verabschiedet und es war niemand mehr dazugekommen. Jetzt sollte es noch einige Tage an der portugiesischen und spanischen Küste entlanggehen, bevor ihnen Wochen tödlicher Langeweile auf offener See bevorstanden. Der Kapitän hatte ihnen schon gestern geraten, alles noch einmal richtig auszukosten, solange sie hier im Hafen lagen. So waren sie essen gegangen, hatten ihre Kleidung gewaschen und Badehäuser aufgesucht.

    „Sieh nochmal genau hin."

    „Das habe ich doch."

    „Sei doch nicht so launisch, Bianca!"

    „Ich versuche ja, mich zusammenzureißen. Seufzend ließ ich mich neben Luzifer auf das Deck sinken und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Mir wird gerade klar, dass ich noch nie so lange an einem Stück mit dir zusammen war. Der Erzengel warf mir einen genervten Blick zu. Livia blickte derweilen zu den letzten Ausläufern der spanischen Küste, ehe sie sich zum Kapitän begab, um sich etwas mit ihm zu unterhalten.

    „Ich weiß, was du sagen willst. Die Schweiz wäre auch in Ordnung gewesen."

    Er erwiderte nichts. Ich schielte nach oben. „Fehlt dir deine Arbeit auch so sehr wie mir?"

    „Ja, das tut sie. Ich werde vermutlich verlernt haben, wie man einen Sattel herstellt, wenn wir angekommen sind."

    „Aber so lange ist das doch auch noch nicht her."

    „Weißt du, das Zeitempfinden in einem menschlichen Körper ist ganz anders."

    „Ach ja?"

    „Sicher. Ich meine, die Wochen auf See fühlen sich viel länger an. Wie schnell sind in Florenz manchmal die Wochen vergangen? Und wie ist die Zeit erst im Jenseits vergangen. Plötzlich waren zweihundert Jahre vorbei, einfach so."

    „Du hast Recht. Aber das kannst du ja auch nicht miteinander

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