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Die Tragödie muslimischer Gesellschaften: Eine Weltreligion am Abgrund
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eBook375 Seiten4 Stunden

Die Tragödie muslimischer Gesellschaften: Eine Weltreligion am Abgrund

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Über dieses E-Book

Der Politische Islam scheint unaufhaltsam auf dem Vormarsch zu sein. Vielen Menschen - insbesondere auf dem von muslimischer Migration besonders betroffenen Kontinent Europa - gilt er als eine ernstzunehmende gesellschaftliche Bedrohung. Islamistischer Terror, muslimische Migration und erkennbare Probleme im Zusammenhang mit Integration und täglichem zwischenmenschlichen Umgang schaffen ein Klima gesellschaftlicher Verunsicherung. Doch Verunsicherung oder gar Angst entstehen immer dann, wenn Wissen über die Gefährdung fehlt. Das vorliegende Buch will helfen, Lücken im Wissen über muslimische Gesellschaften zu schließen - in einer einfachen und verständlichen Sprache.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Juli 2021
ISBN9783347344198
Die Tragödie muslimischer Gesellschaften: Eine Weltreligion am Abgrund

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    Buchvorschau

    Die Tragödie muslimischer Gesellschaften - Eckhard Dr. Gerloff

    1. Christentum und Islam – und „Welten" dazwischen

    Es existieren zweifellos recht unterschiedliche Wege, sich an eine Religion und die aus ihr folgenden religiös-spirituellen, kulturellen und gesellschaftlichen Aussagen, Haltungen und Werte anzunähern. Ein möglicher Weg besteht darin, wichtige einzelne Aspekte dieser Religion zu betrachten und mit anderen Religionen zu vergleichen. Wählt man einen solchen Weg, so führt es in der Regel zu einer Erörterung anhand von Einzelaspekten, wie sie sich zum Beispiel aus einzelnen Passagen und Zitaten einer religiösen Schrift – der Bibel oder dem Koran – ergeben. Ein solcher Weg kann jedoch schnell in die Irre führen, denn von vornherein ist nicht immer klar, in welchem historischen und theologischen Kontext eine solchermaßen zitierte und betrachtete einzelne Textstelle steht. Falsche Schlussfolgerungen, wenigstens aber erhebliche Missverständnisse sind bei einer solchen Vorgehensweise vorgezeichnet.¹⁶

    Ein gänzlich anderer Weg besteht darin, sich mit dem durch eine Religion vermittelten Menschenbild zu beschäftigen. Ein solchermaßen beschrittener Weg enthält dann stets auch die Frage nach dem Gottesbild und damit zu den Vorstellungen darüber, ob es einen Gott gibt und wie dieser Gott beschaffen ist.

    In diesem ersten Hauptteil werden wesentliche Facetten des Christentums und des Islam beschrieben und miteinander in eine vergleichende Beziehung zueinander gesetzt. Die beiden ersten Kapitel legen das Verhältnis von Gott und den Menschen und die eigentlichen spirituellen Kerne dar. In den beiden abschließenden Kapiteln dieses ersten Hauptteiles werden dann die unterschiedlichen Weltbilder beider Religionen betrachtet; um im Anschluss daran den Blick auf die aus den Religionen abgeleiteten Normen, Gesetze und Vorschriften zu richten.

    Kapitel 1.1 stellt zunächst die Gottes- und Menschenbilder dar, wie sie aus dem Christentum und dem Islam abgeleitet und formuliert werden können. Der Folgeschritt auf dem Weg der Annäherung an die beiden im Vergleich stehenden Religionen besteht darin, den eigentlichen spirituellen Kern der hier betrachteten Religionen zu erfassen; dieser Frage widmet sich das Kapitel 1.2. Unter dem Begriff der Religion wird in diesem Zusammenhang eine Deutung der Welt und des Lebens verstanden, eine Deutung, die auf eine umfassende und prägende Erfahrung zurückgreift.

    In Kapitel 1.3 folgt eine vergleichende Darstellung der Weltbilder, wie sie sich aus den Religionen Christentum und Islam entwickelt haben. Kapitel 1.4 beschäftigt sich mit den in den beiden Religionen begründeten Vorstellungen über Normen-Systeme. Dem christlichen Weltbild folgend wird die bereits im Neuen Testament angelegte Trennung von Staat und Kirche (gleich Religion) aufgezeigt. Für den Islam wird dem die Scharia als Gottesrecht gegenübergestellt.

    1.1 Gottes- und Menschenbilder

    Es gehört offensichtlich zum Menschsein dazu, eine Vorstellung darüber zu haben, was den Menschen im Wesentlichen ausmacht. Bilder vom Menschen helfen dabei zu bestimmen, was wir als unsere fundamentalen Eigenschaften annehmen. Dabei handelt es sich lediglich um verallgemeinerte Vorstellungen vom Menschen; und so verstanden sind Menschenbilder stets als Konstruktionen zu betrachten, „die nicht einfach vorgefunden werden oder unabhängig vom Menschen existieren, sondern (…) nach Bedarfslage, Zielsetzung und weltanschaulicher Orientierung immer wieder neu entworfen werden müssen".¹⁷

    Wer die Frage nach dem Menschenbild stellt, der macht sich in der Regel auch seine Gedanken über das Gottesbild. Er muss dann eine Vorstellung darüber entwickeln, ob es überhaupt einen Gott gibt und durch welche Eigenschaften sich dieser Gott beschreiben lässt. Es liegt bei dieser Übung auf der Hand, dass ein Menschenbild im Rahmen einer rein atheistischen Weltanschauung vollkommen anders gestaltet ist als dort, wo ein Gott als existent angenommen wird. So haben zum Beispiel die autoritären Weltanschauungen des Kommunismus und Faschismus einen Gott geleugnet; das in diesen Weltanschauungen zugrunde liegende Menschenbild war eine erschreckende Realität und führte in beiden Fällen in furchtbare Menschheitskatastrophen. Die Menschen wurden manipuliert und instrumentalisiert durch utopische Ideologien und die sie ausführenden Machthaber.

    Aber auch eine Religion kann für menschenverachtende Zwecke missbraucht werden: für Unterwerfung und Unterdrückung, für Verachtung, Diskriminierung bis hin zum Mord, für totalitäre Herrschaft. Derartige Erfahrungen haben zahlreiche Kulturen machen müssen. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet: handelt es sich lediglich um einen Missbrauch der Religion, oder beinhaltet eine Religion selbst bereits einen inhumanen Kern, eine problematische Auslegung oder leistet sie diesen doch zumindest Vorschub. Im Christentum und im Islam gibt es einen Gott, und er wird von beiden Religionen auch als der Schöpfer der Welt bezeichnet. Wenn dieser Gott jedoch anders verstanden wird, so führt dies zwangsläufig auch zu einem gänzlich anderen Menschenbild.¹⁸

    Wenn daher im Folgenden von Gott die Rede ist, dann soll der Gott gemeint sein, wie er von den Verfassern der Bibel des Alten und Neuen Testamentes geschildert wird. Ist hingegen von Allah die Rede, dann ist es der Gott, der von Mohammed im Koran beschrieben wurde. Unternehmen wir also den Versuch, uns ein Bild von dem Gott der Christen und dem Gott des Islam über den Weg der Darstellung der Menschen zu zeichnen. Denn: Gott können wir nicht mit unseren Sinnen erschließen, wohl aber die Menschen.

    Nach christlichem Verständnis ist der Mensch in Ebenbildlichkeit zu Gott erschaffen worden. Allein diese Glaubensgrundlage hat weitreichende Folgen: so haben alle Menschen, gleichgültig welcher Religion, Rasse oder Nationalität sie angehören mögen, unabhängig davon was sie denken und glauben, die gleichen und unveräußerlichen Grundrechte. Die Würde jedes einzelnen Menschen ist nicht einzuschränken und nicht anzutasten. Das christliche Menschenbild wird insofern durch das einzelne Individuum geprägt. Die Persönlichkeit des Menschen mit seiner Würde entfaltet sich frei, sie steht jedoch auch in direkter Beziehung zur sozialen Gemeinschaft. Das bedeutet, dass jeder Mensch gegenüber sich selbst und seinem Nächsten verantwortlich ist, egal wie dieser Nächste geschaffen und beschaffen ist. Hierauf basierend ist auch die gesamte christliche Rechtskultur geprägt. Diese Rechtskultur ist uns vertraut und wir erkennen sie als quasi selbstverständlich; selbstverständlich aber ist sie keinesfalls.

    Neben die christlich geprägte Rechtskultur tritt nun mit dem Gewissen noch eine weitere ethisch-moralische Dimension hinzu, eine individuelle Instanz, angelegt im menschlichen Bewusstsein. Das Gewissen drängt, aus ethischen, moralischen und intuitiven Gründen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Entscheidungen können als unausweichlich empfunden oder mehr oder weniger bewusst – also im Wissen um ihre Voraussetzungen und die denkbaren Folgewirkungen – getroffen werden (Verantwortung). Die heutige Bedeutung des Begriffes Gewissen geht wesentlich auf Martin Luther zurück, der das in der lateinischen Bibel enthaltene Wort conscientia mit Gewissen übersetzte; richtig gewesen wäre wohl der Begriff Mitwissen, worunter man konkret das Mit-Wissen einer übergeordneten, göttlichen Instanz um das eigene Handeln verstehen kann. Das Gewissen ist das, was in der Philosophie des Sokrates bereits als Daimonion angelegt war, eine innere Stimme, die vor falschen Handlungen warnt. Der Dialog mit dieser inneren Stimme – mit dem Gewissen also – ist im christlichen Glauben tief verankert.

    Dem hier geschilderten Menschenbild des Christentums diametral entgegen steht das Menschenbild im Islam. Nach islamischem Verständnis ist der Mensch zwar auch von dem einen Gott, von Allah geschaffen worden, im Unterschied zum Christentum jedoch nicht in Ebenbildlichkeit.¹⁹ Es ist der absolute Gehorsam gegenüber Allah²⁰, der die Wesensbestimmung des Menschen ausmacht und nicht – wie im Christentum – die Selbstentfaltung.²¹ Mit Allah gibt es kein Verhandeln, es gibt keinen Bund, so wie er im Alten und im Neuen Testament beschrieben wird.

    Nach christlicher Vorstellung war Jesus Christus bereits vor seinem irdischen Leben existent (Vorstellung von der Präexistenz Christi) und hatte als solcher auch an der Schöpfung der Welt seinen Anteil. Nach den islamischen Glaubensvorstellungen haben alle Menschen bereits in ihrer (seelischen) Präexistenz bezeugt, Muslim zu sein. Aus islamischer Perspektive gehört somit das Muslim-Sein schlechthin zur Natur des Menschen. Ein Nicht-Bekenntnis als Muslim wird mithin nicht nur als eine Auflehnung gegen die Gebote Allahs angesehen, sondern als gewalttätiger, kriegerischer Affront gegen die von Allah gewollte und geschaffene Natur des Menschen interpretiert. Ein offenes Bekenntnis zu einer anderen Religion als dem Islam wird geradezu als Provokation, wenn nicht gar als eine Perversion angesehen.

    Mit solchermaßen Verworfenen darf es keine menschliche, soziale und kulturelle Gemeinschaft geben. Dies vorausgeschickt liegt die Bestimmung aller Muslime in der durch Allah begründeten Vereinigung als Gleiche, der Umma. Die Umma ist mithin eine Gemeinschaft all derer, die sich dem Willen und den Geboten Allahs unterwerfen und streng nach seinen Geboten leben. Vor den Augen Allahs kann nur gerechtfertigt sein, wer der Gemeinschaft der Gläubigen, der Umma angehört und sich für sie einsetzt. Der Islam trägt also durchweg kollektivistische Züge, während das Christentum in seinem Wesenskern individualistisch geprägt ist. Allein vor diesem Hintergrund bereits erscheint es logisch, dass sich die aus beiden Religionen abgeleiteten Rechtskulturen vollkommen unterschiedlich gestaltet und entwickelt haben.

    Menschen, die nicht der islamischen Gemeinschaft der Gläubigen, der Umma angehören sind nach den islamischen Vorstellungen von vornherein als sittlich minderwertig eingeschätzt. Diese Trennung zwischen Gläubigen und minderwertigen Ungläubigen führt in ihrer Konsequenz nicht nur zu unterschiedlichen Handlungsweisen, sondern auch zu sehr differenzierten Behandlungen von Menschen. Im islamischen Menschenbild ist es immanent angelegt, dass Menschen wie selbstverständlich eingegrenzt (Gläubige) und ausgegrenzt (Ungläubige) werden.²² Dieses Phänomen bezeichnet man mit Blick auf die Ausgegrenzten als Entmenschlichung oder Dehumanisierung. Menschen, die sich nicht zum Islam bekennen wird damit ihre Menschlichkeit (Humanität) bzw. ihre menschliche Qualität abgesprochen. Entmenschlichung ist von Emotionen wie Verachtung, Abscheu oder Ekel sowie von einem Mangel an Empathie begleitet und lässt moralische Grundsätze gegenüber der betroffenen Person oder Personengruppe als nicht mehr gültig erscheinen.

    Entmenschlichung dient – als ein Instrument betrachtet – der Stabilisierung der Identität einer Person oder Personengruppe, etwa durch das Reduzieren moralischer Emotionen, durch das Erzeugen von Gefühlen der Überlegenheit oder Begründung von Konflikten. Deshalb führt die Entmenschlichung von Minderheiten oder allgemein gegenüber Anderen (Ungläubigen) zu mangelnder Hilfsbereitschaft, zur Duldung von Gewalt sowie zum Zuspruch zu Gewalt gegenüber der Minderheit. Dieses Verhalten gegenüber Anderen (Ungläubigen) führt indes umgekehrt auch zur Entmenschlichung der Täter selbst.²³

    Eines der wichtigsten Menschenrechte betrifft die Freiheit. Frei zu sein von etwas und zu etwas ist eine ganz wesentliche Frage, wenn davon ausgegangen wird, dass der Mensch in Ebenbildlichkeit Gottes geschaffen wurde. Aber es ist exakt diese Freiheit, die in einem islamisch geprägten Gemeinwesen fehlt, was Andersgläubige oder auch Frauen anbelangt. Die Freiheit fehlt auch den Muslimen selbst, denn keinesfalls darf sich der Gläubige über die Normen des islamischen Rechts, der Scharia hinwegzusetzen.

    Über ihre bereits angesprochene Schöpferrolle hinaus wird Gott und Allah eine weitere Eigenschaft zugesprochen: die Barmherzigkeit. Doch fällt diese Barmherzigkeit in ihrer konkreten Beschreibung und Ausprägung recht unterschiedlich aus. Während der Gott der Bibel als berechenbar, zu seinem gegebenen Wort stehend und treu beschrieben wird, ist bei Allah die Entscheidung über Gut oder Böse, richtig oder falsch bis zum letzten Gericht nicht festgelegt. Damit wird im Islam der Begriff der Barmherzigkeit von Willkür überlagert, denn es ist weder absehbar noch berechenbar, wie Allah sich je entscheiden wird.

    Aus christlicher Perspektive hat das Empfinden der Willkür Allahs mit dem Verständnis seiner Allmacht zu tun, denn Allah wird im Koran als der Allmächtige dargestellt. Und seine Allmacht ist grenzenlos. Bei dem christlichen Gott gibt es jedoch eine von ihm selbst gesetzte Grenze: Sie wird – abgeleitet aus der Ebenbildlichkeit zu Gott – bestimmt durch die Persönlichkeit und die von Gott akzeptierte Entscheidungsfreiheit des einzelnen Menschen. Aus dem christlichen Verständnis über das Menschenbild folgt, dass sich das Ich mit Blick auf das Du zu begreifen hat. Hier findet sich die Grenze des Menschen und seines Handelns, die Grenze des Ich.

    Vor diesem Hintergrund darf keine Willkür walten, weder beim Menschen noch bei Gott. Viele Menschen empfinden das als paradox: denn wie kann ein Gott der Liebe dieses oder jenes, Gutes wie Schlechtes zulassen? Wie kann Gott auch den fehlerhaften Menschen annehmen? Wieso benutzt Gott die Menschen, um seinen Heilsplan mit der Welt zu verwirklichen? Menschen, die selbst schwach sind Schuld auf sich laden und fehlerhaft sind. Wieso handelt er so, wenn er doch allmächtig ist? Hier liegt eine Selbstbindung Gottes aus Liebe zu seiner Schöpfung vor. Nur wer sie begreift, wird die Tiefe der christlichen Botschaft erfassen können.

    Gerne wird die Behauptung erhoben, die Menschenbilder des Islam und des Christentums würden keine bedeutenden Unterschiede aufweisen, da ja beide Religionen zum Frieden aufrufen würden und bereits hierüber die Menschen prägen. „Die Überschneidungen zwischen den Menschenbildern des Christentum und des Islam sind groß."²⁴; So sagt man wohl, wenn man eine Tatsache nicht anerkennt, weil sie gegen das eigene Interesse verstößt: Solchermaßen vorgenommene Bewertungen gleichen einer Selbstbeschwörung. Eine Tatsache als solche nicht anzuerkennen bedeutet aber, sich einem Problem zu verschließen, sich zu weigern, die Realität wahrzunehmen, eine Gefahr zu verdrängen. Denn wie die Ausführungen dieses Kapitels gezeigt haben – beide Menschenbilder stehen einander diametral gegenüber. Sie gehen von vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen aus und führen zu vollständig anderen Ergebnissen.

    Und um eines dieser Ergebnisse bereits vorwegzunehmen: „Eine Demokratie abendländischer Prägung ist .. mit dem islamischen Staats- und Rechtsverständnis nicht vereinbar. Um es deutlich zu sagen: Koran, Hadithe und Scharia verstoßen gegen die Verfassung (Anm. d. Verfassers: der meisten westlich orientierten Staaten) insbesondere gegen deren zentralen Wert der unantastbaren Menschenwürde."²⁵

    1.2 Religiöse Kerne und Spiritualität

    Der Begriff der Spiritualität hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Schlüsselwort religiöser Gegenwartskultur entwickelt. Hinter diesem häufig diffus und vielschichtig verwendeten Begriff verbergen sich unterschiedliche Strömungen und Tendenzen: Zunehmend wird heute eine neue oder freie Spiritualität proklamiert, auf deren Basis sich ein religiöses Auswahl- und Probierverhalten entwickelt, dem gewachsene religiöse Traditionen letztlich gleichgültig sind. In westlichem Kontext ist Spiritualität ein Leitbegriff für die Sehnsucht der Menschen geworden, angesichts des Bedeutungsverlusts der Kirchen und eines Leidens an der Entleerung und Erstarrung ihrer Lebensformen zu einer Erneuerung und Vertiefung des eigenen Glaubens zu finden. Als Leitbegriff im Zusammenhang mit einer vergleichenden Betrachtung unterschiedlicher Religionen zielt Spiritualität auf die Erfassung und Beschreibung deren inneren Kerns: Spiritualität wäre in diesem Sinne verstanden dann das, was übrig bleibt, wenn man die Religionen ihrer äußeren Lehren und Formen entkleidet.

    Die Vorstellung, die das Klima des philosophischen und religiösen Nachdenkens über Spiritualität wesentlich beeinflusst hat, besteht darin, dass Körper und Seele sich als gegenseitige Antagonisten darstellen und sich nur auf Kosten des anderen entwickeln können Für die Seele wäre im Rahmen dieser Betrachtung der Körper ein Gefängnis, und die Aktivitäten des täglichen Lebens wären die Fesseln, die sie in der Knechtschaft hält und ihr Wachstum unterbindet. Diese Vorstellung hat historisch betrachtet unvermeidlich dazu geführt, das Universum in geistig und weltlich zu unterteilen.

    Diejenigen, die den weltlichen Weg für sich aussuchen, werden davon überzeugt, dass sie die Anforderungen des geistigen nicht gerecht werden können, und so führen sie überaus materielle und genusssüchtige Leben. Diejenigen Menschen, die den Weg der spirituellen Exzellenz beschreiten wollen, sehen sich als Ausgestoßene von der Welt; sie sind der Auffassung, dass spirituelles Wachstum unmöglich mit einem normalen Leben vereinbar sei.

    Dem Begriff der Spiritualität begegnet man heute sowohl im Christentum als auch im Islam in zahlreichen und differenzierten Zusammenhängen.

    Im christlichen Kontext meint der Begriff ein Leben, das erfüllt ist vom Heiligen Geist (lateinisch: Spiritus = Geist), ein Leben inspiriert vom Geist Jesu Christi: Denn das, was das Evangelium lehrt, hat Konsequenzen für die Art zu denken, zu empfinden und zu leben. Es wird nicht möglich sein, sich für große Dinge allein mit Lehren zu engagieren, ohne eine Mystik, die die Menschen beseelt, ohne innere Beweggründe, die das persönliche und gemeinschaftliche Handeln anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn verleihen. Eine spirituelle Vertiefung des Blicks auf die Wirklichkeit kann deshalb nichts Theoretisches bleiben, sondern motiviert individuelles und gesellschaftliches Handeln aus christlichem Geist und gibt ihm somit eine wirkende Richtung.

    Kern aller christlichen Spiritualität ist dabei der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus, die Verknüpfung von göttlicher Macht mit dem Mensch-Sein in all seiner Gebrechlichkeit und Verwundbarkeit. Der Glaube an die Menschwerdung²⁶ bedeutet das Leben einer Menschlichkeit, die gerade in ihrer Schwachheit mächtig ist und die in Leben, Tod und Auferstehung Jesu geoffenbarte unbedingte Güte und liebende Hinwendung Gottes zu allen Geschöpfen. Wenn man Gott ernsthaft so annimmt, dann beginnt man die Welt mit all ihren Phänomenen anders wahrzunehmen; man lernt, auch das Leben in all seinen Facetten anders zu verstehen, und so Orientierung für das Urteilen und Handeln zu gewinnen.

    Spirituelle Vertiefung im christlichen Sinn meint dann eine Suche, die gesamte Wirklichkeit vor Gott wahrzunehmen, Gott in seiner Beziehung zu allem und alle Dinge in ihrer Beziehung zu Gott zu begreifen. Die zentrale Botschaft Jesu vom Reich Gottes ist zu verstehen als Erkenntnis und Verwirklichung der Verbindung der Welt und der Menschen mit Gott und untereinander. Das lädt die Christen nicht nur ein, die vielfältigen Verbindungen zu bewundern, die unter den Geschöpfen bestehen, sondern führt sie dahin, auch einen Schlüssel zu der eigenen Verwirklichung zu entdecken. Denn der Mensch wächst, reift und heiligt sich zunehmend in dem Maße, in dem er in Beziehung tritt, wenn er aus sich selbst herausgeht, um in Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit allen Geschöpfen zu leben.

    Dieses Praktisch-Werden der Gotteserkenntnis zeigt sich im Doppelgebot der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst".²⁷ Eine im Gottesbild des Evangeliums verortete Spiritualität realisiert sich daher immer im Zusammenwirken zweier Blickrichtungen: zum ersten der Blick hin zu Gott – die eigene individuelle Suche nach Gott, das Sich-Einlassen auf die Gottesliebe; zum zweiten der Blick hin zum Nächsten – der Einsatz für das Heil des Anderen, das Eröffnen des Reiches Gottes schon in dieser Welt im Einsatz für eine für alle lebenswerte und gerechte Welt. Die Selbstidentifikation Jesu mit den Armen und Bedrängten („Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!"²⁸) und der Verweis auf die Mitmenschen als Orte der Gottesbegegnung in der Rede von der Gottebenbildlichkeit aller Menschen in der ersten Schöpfungserzählung machen dabei noch einmal deutlich, dass Gottes- und Nächstenliebe, die Ausrichtung auf Gott und auf den Nächsten, letztlich untrennbar miteinander verbunden sind.

    Die islamische Sichtweise unterscheidet sich radikal von den christlichen Annäherungen an Spiritualität. Denn während in der christlichen Religion eine Person, nämlich Jesus Christus im Zentrum aller Betrachtungen steht²⁹, so betrachtet der Islam lediglich ein Buch, eben den Koran als Grundlage alles Religiösen. Zugespitzt ließe sich formulieren: Im Christentum geht es um Menschwerdung, im Islam dagegen um eine „Buchwerdung".³⁰ Der Apostel Paulus hat das bereits weit vor der Begründung des Islam in klare Worte gefasst: „Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig".³¹

    Nach den Lehren des Islam hat Allah die menschliche Seele als seinen Khalifa (Statthalter) in dieser Welt eingesetzt. Er hat sie mit einer bestimmten Autorität ausgestattet, und ihr Verantwortung und Verpflichtungen für die Erfüllung gegeben, zu der er sie mit dem besten und geeignetsten körperlichen Rahmen ausgestattet hat. Der Körper wurde einzig und allein geschaffen, damit die Seele ihn in der Ausübung ihrer Aufgabe und der Erfüllung ihrer Pflichten und Verantwortung nutzen kann. Der Körper ist kein Gefängnis der Seele, sondern er ist quasi ihr Arbeitsplatz; und wenn die Seele wächst und sich entwickelt, dann ist es eben durch diesen Arbeitsplatz. Dem entsprechend ist diese Welt kein Ort der Bestrafung, an dem sich die menschliche Seele unglücklicherweise befindet, sondern ein Feld, in das Allah sie zum Arbeiten geschickt hat und damit sie ihre Verpflichtungen Ihm gegenüber erfüllt.

    Daher sollte die spirituelle Entwicklung nicht die Form annehmen, dass ein Mensch (im islamischen Verständnis ist dies ausnahmslos ein Mann) sich von seinem Arbeitsplatz abwendet. Ein Mensch sollte lieber leben und arbeiten und das beste von sich geben, das er kann. Es ist eine Prüfung für ihn, jeder Aspekt und jede Sphäre des Lebens ist so, als wäre es eine von Allah gestellte Frage an den Menschen. Erfolg und Entwicklung sind in diesem gedachten Zusammenspiel nur dann möglich, wenn der Mensch bereit ist, sein ganzes Leben dieser Prüfung zu unterwerfen. Der Islam lehnt grundsätzlich eine asketische Lebenseinstellung ab und schlägt eine Reihe von Methoden und Prozessen für die spirituelle Entwicklung des Menschen vor, jedoch nicht außerhalb der Welt, sondern mit und in ihr. Der wirkliche Ort für das Wachstum des Geistes ist mitten im Leben.

    In seiner Rolle als Statthalter (Khalifa) Allahs ist der Mensch ihm für alle seine Taten verantwortlich. Es ist seine Pflicht, all die Kräfte zu nutzen, die ihm in Übereinstimmung mit dem Willen Allahs gegeben wurden. Der Mensch sollte die Fähigkeiten und das Potential, die ihm gewährt wurden, um Allahs Zufriedenheit zu suchen, bis zum Äußersten nutzen. In seinem Verhalten zu anderen Menschen sollte er sich auf eine Allah-gefällige Art verhalten. Kurz gesagt, alle seine Energie sollte er darauf verwenden, die Angelegenheiten dieser Welt zu regulieren, auf eine Art und Weise, wie Gott will, dass sie reguliert werden. Je besser ein Mensch dies tut, mit einem Sinn der Verantwortung, des Gehorsams und der Demut, und mit dem Ziel, seinem Herrn zu gefallen und um Allah näher zu sein. Im Islam ist spirituelle Entwicklung somit gleichzusetzen mit der Nähe zu Allah. Abstand von Allah bedeutet im Islam: spiritueller Sturz und Zerfall des Menschen.

    Aus islamischer Sicht ist die Sphäre der Aktivität des religiösen Menschen und des weltlichen Menschen dieselbe. Nicht nur, dass beide in derselben Sphäre arbeiten, der religiöse Mensch wird mit größerem Enthusiasmus arbeiten als der weltliche Mensch. Der Mensch der Religion wird genauso aktiv sein wie der weltliche Mensch, tatsächlich noch aktiver in seinem häuslichen und gesellschaftlichen Leben. Was ihre Taten unterscheiden wird, wird die Art ihrer Beziehung zu Allah sein und die Ziele hinter ihren Taten.

    Was auch immer ein religiöser Mensch tut, es wird in dem Gefühl getan, dass er vor Allah dafür die Verantwortung trägt, er muss versuchen, die Zufriedenheit Allahs sicherzustellen, seine Taten müssen im Einklang mit den Gesetzen Allahs stehen. Eine sich rein weltlich definierende Person ist Allah gleichgültig und wird in seinen Taten allein durch seine persönlichen Motive geleitet. Dieser Unterschied macht das gesamte materielle Leben des Menschen der Religion aus, ein vollkommen spirituelles Unterfangen; und das ganze Leben eines weltlichen Menschen ist dagegen eine Existenz ohne einen Funken Spiritualität. „.. „Islam" ist gerade die Unmöglichkeit eines Ich als einer freien Macht dem Göttlichen gegenüber. Jeder Versuch, der Wirkung Gottes mit einer eigenen Absicht oder auch nur Ansicht entgegenzutreten, ist „masija, das heißt nicht ein böses Wollen, sondern der Beweis, dass die Mächte der Finsternis und des Bösen Besitz von einem Menschen ergriffen und das Göttliche daraus verdrängt haben.³²

    1.3 Weltbilder

    Wie bereits in Kapitel 1.1 zu den Menschen- und Gottesbildern aufgezeigt wurde, handelt es sich hierbei um Konstruktionen, die eine durchaus gewollte Vereinfachung aufweisen; diese ist jedoch mit Blick auf eine konzentrierte Darstellung

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