Religion und Homosexualität: Aktuelle Positionen
Von Thomas Bauer, Bertold Höcker, Walter Homolka und
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Über dieses E-Book
Thomas Bauer
Thomas Bauer ist Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Münster, Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste und wurde mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet. Er ist außerdem Preisträger des Tractatus 2018 und erster Preisträger des wbg-Wissen-Preises, der ihm 2019 für sein Buch »Warum es kein islamisches Mittelalter gab. Das Erbe der Antike und der Orient« zugesprochen wurde.
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Buchvorschau
Religion und Homosexualität - Thomas Bauer
Hirschfeld-Lectures
Herausgegeben von der
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Band 3
Thomas Bauer, Bertold Höcker,
Walter Homolka, Klaus Mertes
Religion und Homosexualität
Aktuelle Positionen
Eingeleitet von Jan Feddersen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Wallstein Verlag, Göttingen 2013
www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond und der Myriad
Umschlaggestaltung: Marion Wiebel, Friedland
Druck und Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen
ISBN (Print) 978-3-8353-1325-5
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2487-9
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2488-6
Inhalt
Geleitwort.der Reihenherausgeberin
Geleitwort.der Kooperationspartnerin
Andere Volksfrömmigkeiten.Einleitung
Klaus Mertes: »Von Angesicht zu Angesicht« Die katholische Kirche und Homosexualität
Walter Homolka: Jüdische Perspektiven zur Homosexualität
Bertold Höcker: Homosexualität im Protestantismus
Thomas Bauer: Islam und »Homosexualität«
Anmerkungen
Die Autorlnnen und Kooperationspartnerlnnen
Die Hirschfeld-Lectures im Wallstein Verlag
Geleitwort
der Reihenherausgeberin
Der dritte Band unserer Hirschfeld-Lectures beschäftigt sich mit dem Verhältnis der monotheistischen Weltreligionen – Christentum, Judentum, Islam – zur Homosexualität. In Kooperation mit dem Institut für evangelische Theologie der Universität zu Köln fand am 4. Juli 2013 zu diesem Thema eine bisher in Deutschland einmalige Vortragsveranstaltung in Köln statt. Sie wurde von unserem Kurator Jan Feddersen im Vorfeld beratend begleitet, und er moderierte auch den Abend.
Der Impuls für diesen Band ging ursprünglich von Volker Beck, Mitglied des Bundestags und ebenfalls Kurator der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, aus: Er monierte zu Recht, dass es bislang viel zu wenige, vor allem keine systematische wissenschaftliche Betrachtungen sowie Forschungen zur Religion in ihren Perspektiven zur Homosexualität gibt – insbesondere vor der dem Hintergrund der Radikalisierung von einzelnen Personen oder Gruppen innerhalb der Kirchen und Religionsgemeinschaften in aller Welt, die gezielt Homosexuellenfeindlichkeit schüren, alte Vorurteile zementieren und Errungenschaften der Emanzipationsbewegungen von LSBTI zunichte zu machen drohen. Um für die notwendige Diskussionen und Auseinandersetzung mit diesen Menschen »gewappnet zu sein«, bedarf es wissenschaftlicher Erkenntnisse – zum Beispiel aus der Theologie oder der Kulturwissenschaft, die sich auf die Argumente der genannten Strömungen beziehen.
Thomas Bauer, Bertold Höcker, Walter Homolka und Klaus Mertes schildern in ihren Aufsätzen beeindruckend, dass man die religiösen Schriften und Überlieferungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitgeschichte auch anders lesen kann und dass die Homosexuellenfeindlichkeit vor allem durch andere Einflüsse (gesellschafts-)politisch geschürt und damit die jeweilige Religion missbraucht wird.
Eingeleitet werden diese vier spannenden Analysen von unserer Kooperationspartnerin Cornelia Richter und Jan Feddersen, denen ich für ihren wissenschaftlichen Rat, und Letzterem insbesondere auch für die redaktionelle Begleitung und Betreuung der Autoren danke.
Jörg Litwinschuh
Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Geleitwort
der Kooperationspartnerin
Die Hirschfeld-Lecture am 4. Juli diesen Jahres an der Universität zu Köln hat ein mutiges Zeichen gesetzt: Nicht nur hat sie die Frage nach »Homosexualität und Religion« aufs Programm gesetzt, sondern diese Frage zudem im interreligiösen Gespräch zwischen Judentum, Christentum und Islam diskutiert, das Christentum zudem vertreten in beiden Konfessionen, evangelisch und katholisch. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich darüber ein friedliches, freundliches und von gegenseitiger Achtung getragenes Gespräch ergibt.
Magnus Hirschfeld selbst hatte vielleicht auch deshalb lieber Philosophie und Philologie studiert als Theologie, und es ist ihm, dem 1868 geborenen, auch nicht zu verdenken. Haben Kirche und Theologie gleichgeschlechtliche Lebensformen doch lange Zeit hindurch als ein »Leben in Sünde« bezeichnet und sich jeder Anerkennung verweigert – in ihren orthodoxen Traditionen ohnehin, aber auch der für die vorletzte Jahrhundertwende dominante »Kulturprotestantismus« hätte schwerlich Identifikationsfiguren bieten können.
Erst in den jüngsten Veröffentlichungen bemüht sich die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) um eine explizite Öffnung. Im Jahr 1996 hatte sie sich in der Orientierungshilfe »Mit Spannungen leben« noch auf die kulturgeschichtliche Bedeutung der Ehe berufen und sich zu der theologischen Begründung verstiegen, »dass es keine biblischen Aussagen gibt, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen« (S. 21), und in der Folge mit dem Sündenbegriff argumentiert. Mit der Stellungnahme »Verlässlichkeit und Verantwortung stärken« von 2000 zeichnet sich eine Tendenz zur Öffnung ab, indem sich die EKD ausdrücklich für eine »Verbesserung des Rechtsschutzes für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften« eingesetzt. Doch erst 2013 wird die theologische Begründung der Orientierungshilfe »Zwischen Autonomie und Angewiesenheit: Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken« mit dem Bibelzitat eröffnet: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.« (Gen 2, 18)
Hier wird nun endlich erkannt, dass die biblischen Bilder keineswegs nur die klassische Ehe favorisieren, sondern eine sehr viel breitere Vielfalt menschlichen und familialen Zusammenlebens kennen und spiegeln. Die historischen Ausführungen der Soziologin Ute Gerhard sind hier tatsächlich gehört worden und haben angestiftet, die Bibel noch einmal mit neuem Blick zu lesen. Jetzt geht es der EKD um das Bemühen um ein verbindliches und verantwortliches Miteinander. Ein Miteinander, das über die Geschlechtergrenzen hinweg so unendlich schwierig zu leben ist, besonders wenn Menschen versprechen, einander treu zu sein, bis dass der Tod sie scheidet.
Für die Anerkennung von Homosexualität ist damit ein wichtiger Schritt getan – auch wenn keineswegs alle Spannungen gelöst sind. Das wissen all jene Lesben und Schwule, die sich in Kirchengemeinden, Synagogen oder Moscheen einbringen möchten – und persönliche Verletzung wie institutionalisierte Benachteiligung erfahren. In allen drei Religionen sind sie konfrontiert mit orthodoxen Lesarten oder fundamentalistischen Strömungen, die nur das Eigene als recht und richtig gelten lassen – und dabei gar nicht merken, dass sie ihre kleine, historisch und kulturell geprägte Gewohnheit an die Stelle göttlicher Wahrheit setzen.
Umso wichtiger ist es, die Frage nach Homosexualität und Religion in einem so liberalen und interreligiösen Gespräch zu erörtern: Es geht darin um Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit im gemeinsamen Leben zweier Menschen; es geht aber auch um gemeinsame Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit zwischen den Religionen – und das für bunt gemischte LeserInnen, die sich vielleicht gar nicht unbedingt der einen oder anderen Religion zuordnen möchten.
Das ist genau die Offenheit, die wir für unser Gespräch brauchen, denn nur so können wir unseren Blick neu auf die eigene Tradition richten.
Cornelia Richter
Professorin am Institut für Evangelische Theologie
der Universität zu Köln
Andere Volksfrömmigkeiten
Einleitung
Ein Sommertag im August in Berlin, der Bundestagswahlkampf 2013 will nicht so recht in Schwung kommen, die amtierende Kanzlerin Angela Merkel scheint so unumstritten ihr Amt inne zu haben wie kaum ein deutscher Regierungschef vor ihr, Bundesministerien und Kanzleramt in Berlin laden vor dem Ende der Parlamentsferien zum »Tag der Offenen Tür«. Themen aus dem Spektrum der Politiken, für die Schwule oder Lesben stehen, etwa das der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, sind nicht Teil des offiziellen Diskurses im Kampf um Macht und Mandate. Auf der Bühne vor dem Kanzleramt steht an diesem »Tag der Offenen Tür« Regierungssprecher Steffen Seibert und gibt dem zahlreich erschienenen Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen – es ist auch ein Werbetermin für die Angelegenheit der Demokratie, für Teilhabe und Mitsprache. Einer der Besucher fragt am Mikrofon, gerichtet an den Regierungssprecher, er sei doch so sehr Christ wie er, der Fragende, aber wie stünde es um Ehe und Familie, wie um die Christliches verfehlende Politik der Gleichstellung von Homosexuellen. Seibert lässt charmant die Frage des Mannes versanden – er will nicht thematisieren, ob womöglich sein eigenes Sein als Christ ihn solidarisch stimmt mit einem Gottesfürchtigen, der nicht glaubt, dass die Partei der Kanzlerin, die Christliche Union Deutschlands, mitmacht, was in der politischen Elite