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DER AMAZONAS-CODE: Thriller
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eBook400 Seiten4 Stunden

DER AMAZONAS-CODE: Thriller

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Über dieses E-Book

Tief im Regenwald des Amazonas verbirgt sich ein Geheimnis. Ein Geheimnis, welches die Welt verändern könnte. Ein Geheimnis, um dafür zu morden …
Als Dr. Amanda Meron unverhofft auf eine bedeutsame versteckte Botschaft in den träumenden Gehirnen ihrer Testsubjekte stößt, führt sie die Spur an einen der unzugänglichsten Orte auf dieser Welt – den Regenwald im Amazonas. Und auch Harvey »Ben« Bennett stößt auf Hinweise, dass die von ihm gesuchte, ruchlose Organisation in Brasilien aufgetaucht ist. Zusammen mit seiner neuen Freundin Juliette Richardson begibt er sich auf einen Wettlauf in den Dschungel, um herauszufinden, was diese dort zu finden beabsichtigt … und sie hoffentlich aufzuhalten.
Vom Mythos der vergessenen Stadt Eldorado bis zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen – auch der zweite Roman aus der Harvey-Bennett-Reihe bietet ein actionreiches Abenteuer vor exotischer Kulisse.
★★★★★ »Die Fortsetzung zu DER ENIGMA-VIRUS ist ein unglaublich guter, die Fantasie anregender Thriller.« - Amazon.com
★★★★★ »Nicht vielen Autoren gelingt es, den Leser mit dem ersten Wort zu packen und die Spannung bis zum letzten Kapitel aufrecht zu erhalten. Diesem hier schon.« - Amazon.com
★★★★★ »Eine fesselnde Geschichte, sehr gut erzählt, die mich neugierig auf weitere Bücher von diesem Autor gemacht hat.« - Amazon.com
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum26. Aug. 2022
ISBN9783958356924
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    Buchvorschau

    DER AMAZONAS-CODE - Nick Thacker

    Prolog 1

    Die Welt ist für einen derartigen Durchbruch noch nicht bereit, dachte Doktor Amanda Meron. Und auch ich bin für einen derartigen Durchbruch noch nicht bereit.

    Sie raste durch die Flure des Forschungszentrums und wich dabei Metallwägelchen aus, auf denen sich Testgeräte, Computer und Bildschirme stapelten. Normalerweise liebte sie solche Momente, denn genau jene waren es, denen sie ihr gesamtes Dasein gewidmet hatte. Und sie wollte diese Augenblicke um keinen Preis missen.

    Amandas Antrieb lag nicht in der Forschung. Natürlich übte die Forschungsarbeit eine gewisse Faszination auf sie aus, allerdings war diese zweitrangig gegenüber der unbändigen Lebendigkeit, die sie beim Erzielen eines wissenschaftlichen Durchbruchs durchströmte.

    Wie müssen sie sich gefühlt haben?, rätselte Amanda. Einstein, Newton, Bohr. Die Helden ihrer Kindheit, mit denen sie sich nun im Rahmen eines freundschaftlichen Wettstreits verbunden fühlte.

    »Da kommt Doktor Meron. Gerade noch rechtzeitig«, sagte jemand in einem Zimmer, an dem sie fast vorbeigerannt wäre.

    Sie kannte diesen Ort besser als jeder andere und doch hatte ihre Aufregung für eine momentane Desorientierung gesorgt. Sie bremste ab und betrat den Raum, wo sie von ihren Kollegen mit einem freundlichen Lächeln begrüßt wurde. Die Wissenschaftler saßen rund um einen Computermonitor in der Mitte des Zimmers.

    »Wir sind so weit, wenn Sie es sind«, sagte Doktor Henry Wu, dessen Stimme sie vom Flur aus gehört hatte. Die Leihgabe von der Stanford Universität machte seiner Chefin Platz.

    Amanda holte tief Atem und setzte sich neben ihn. Sie nickte und auf dem Bildschirm erschien nach einem kurzen Flackern ein Strudel aus Farben mit einem strahlenden Licht im Zentrum.

    »Wir haben seit der Entdeckung der ersten neuralen Brücke über zehntausend weitere Ansatzpunkte gefunden«, erklärte Doktor Wu. »Die Abbildung nähert sich einer relativen Exaktheit von vierzig Prozent.«

    Vierzig Prozent. Sie konnte es fast nicht glauben. Fast.

    Seit Jahren, selbst ohne die Zeit ihrer universitären Ausbildung mitzurechnen, hatte sie auf dieses Ereignis hingearbeitet. Die Mehrheit in ihrem Fachbereich hatte an der Durchführbarkeit ihrer Idee gezweifelt. Doch die theoretischen Entwürfe, die sie für die Modellrechnung in ihrer Doktorarbeit verwendet hatte, beruhten auf mehr als auf einem verschrobenen Einfall.

    Sie hatte gewusst, dass es möglich war.

    Sie hatte gewusst, dass sie ihre Theorie in die Praxis überführen konnte. Wenn es jemand konnte, dann sie.

    »Die Datenübertragung ist jetzt aktiviert«, verkündete Wu. »Die Testperson nähert sich der REM-Phase. Das Stammhirn sendet elektrische Impulse in einer rapiden, unregelmäßigen Reihenfolge aus.«

    Amandas Zuversicht wuchs. Endlich ist es so weit. Sie griff nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Ihre Hände fanden die kalte Stahlkante des Tisches, auf dem der Monitor stand.

    Die Testperson, ein Mister Ricardo Herrera, schlief im Raum nebenan. Der Siebenundsechzigjährige stammte aus einem Dorf in der Gegend und hatte sich freiwillig für die Arbeit im Forschungszentrum gemeldet. Er und seine Familie wurden für die Teilnahme fürstlich entlohnt und da keine Nebenwirkungen zu befürchten waren, war es das am leichtesten verdiente Geld seines Lebens.

    »Zeichnen wir auf?«, fragte Amanda.

    Ein junger Techniker antwortete: »Ja, natürlich. Digital und analog.« Er deutete auf einen rechteckigen Kasten neben dem Computer.

    Ein Videorecorder. Amanda lächelte. Ich habe seit Jahren keinen mehr gesehen.

    Nach dem Ärger mit einem Computervirus vor einigen Monaten, hatte sie die Techniker beauftragt, zusätzlich der – wie sie es nannte – Alten Schule zu vertrauen und analoge Aufnahmetechniken parallel zur digitalen Ausrüstung einzusetzen. Die analogen Geräte funktionierten langsamer, waren unhandlicher und verursachten im täglichen Gebrauch massenhaft Probleme, aber sie waren weitreichend sicher, was Hackerangriffe betraf. Jemand, der auf die darauf enthaltenen Daten zugreifen wollte, müsste schon persönlich hier erscheinen.

    »Testperson tritt in den REM-Schlaf ein«, sagte der Techniker.

    In einer Dialogbox auf einem kleineren Monitor erschienen die Worte: REM-S positiv.

    Auf dem Hauptmonitor gewann das Leuchten im Zentrum an Intensität und der Strudel aus Farben änderte seine Drehrichtung. Kleine Lichter, die Sternschnuppen ähnelten, tanzten um die Ränder des Farbwirbels.

    »Das sieht aus wie aus einem Science-Fiction-Film«, flüsterte einer der Anwesenden ergriffen.

    »Das ist aus einem Science-Fiction-Film«, befand ein anderer.

    Die Sternschnuppen wuchsen, schrumpften und wuchsen erneut, ehe sie erloschen und von einem tiefen Schwarz übertüncht wurden. Dann explodierte das Monitorbild in einem Meer aus Farben.

    »Ist das ein Traum?«, fragte jemand.

    »Nein«, widersprach Doktor Wu. »Die Testperson tritt gerade erst in die REM-Phase ein, also hat sie bisher nicht geträumt. Glauben Sie mir, es wird nicht mehr lange dauern.«

    »Was werden wir dann sehen?«

    Doktor Wu lächelte vieldeutig.

    Nach ungefähr einer Minute verblasste der Farbstrudel und die Wissenschaftler starrten ein leeres Display an. Amanda verstärkte ihren Griff um die Tischkante, bis das Weiße in ihren Fingerknöcheln durchschimmerte. Dann ließ sie los. Haben wir die Verbindung verloren? Sie durchdachte sämtliche Möglichkeiten und versuchte, sich die hypothetischen Zeitfenster, die sie für die ersten Praxistests anberaumt hatten, zu vergegenwärtigen …

    Plötzlich erwachte der Monitor wieder zum Leben.

    Verschwommene Formen nahmen Gestalt an, einige davon waren als Körper identifizierbar. Sie bewegten sich und interagierten, verschmolzen miteinander und wechselten das Aussehen.

    Oh mein Gott!

    Amanda musste schlucken und unterdrückte ein Blinzeln, da sie keine Sekunde verpassen wollte.

    »Wir befinden uns jetzt in einem Traum. Die Testperson träumt relativ luzid und strebt danach, sich auf einen der Körper zu fokussieren.«

    Die Aufregung überwältigte Amanda beinahe. Auch ohne in ihren Aufzeichnungen nachzuschlagen, wusste sie, was das bedeutete. Die Antwort lag ihr auf der Zunge. Wenn sie nicht persönlich für die Ausbildung jedes einzelnen ihrer Mitarbeiter hier in diesem Raum verantwortlich gewesen wäre, hätte sie in diesem Augenblick eine kurze Vorlesung zum Thema Traumzustand abgehalten. Traumzustand war ihre Bezeichnung für das mittlere Stadium des REM-Schlafs einer Testperson. Und Körper nannten sie alle physischen Elemente des Traums, die der Träumende unbewusst heraufbeschwor, wie Menschen, Orte und Dinge.

    Von ihrem ersten Versuch, einen Traum zu visualisieren, waren bis zum heutigen Tag zwei anstrengende Jahre verstrichen. Und nun funktionierte es endlich.

    Die Testperson – Mister Herrera – richtete ihre Aufmerksamkeit auf einen der Körper. Er war kleiner als die übrigen, jedoch schärfer umrissen und kontrastierte stark zu dem bunten, wirbelnden Hintergrund.

    Ein Mensch.

    »Testperson fokussiert sich auf Erinnerungen.«

    Das Bild wurde zunehmend genauer und der Körper manifestierte sich anhand der Erinnerungen kontinuierlich.

    Ein jüngerer Herrera befand sich in einem Zimmer, das anstelle von Wänden von vertikalen und horizontalen Lichtstrahlen begrenzt wurde. Er bewegte sich und hantierte mit Objekten, die zu verschwommen waren, um ihre Identität zu erfassen.

    Amanda unterbrach ihre steife Konzentration auf das Bild, um voreingenommene, unweigerlich aufkommende Interpretationen, worum es sich bei den Objekten handeln mochte, zu unterbinden. Ihre Absicht dabei lautete, eine genauere Wahrnehmung der verschwommenen Objekte zu bewerkstelligen.

    Und es gelang ihr.

    Jetzt konnte sie die Erinnerungen der schlafenden Testperson besser verstehen. Herrera ging durch ein Haus, erst durch ein Wohnzimmer, dann durch ein Esszimmer. Die Farben und Schatten an den Wänden wurden immer konkreter.

    Er jagte einen kleinen Schatten.

    Herrera verfolgte ein lachendes Kind durch das Haus. Das Kind stoppte ab und drehte sich zu Herrera um. Nachdem sie eine visuelle Operationslinie etabliert hatte, konnte Amanda die Schlieren und unsauberen Silhouetten der Körper interpretieren und vor ihrem geistigen Auge entstand das grobe Bild eines Kindergesichts.

    Es handelte sich um Herreras ältesten Sohn, der inzwischen in seinen Zwanzigern war. Auf dem Display lag sein Alter irgendwo zwischen drei und acht Jahren.

    Amanda hielt die Hand vor den Mund. Wir haben es tatsächlich geschafft.

    Die Unschärfe der Visualisierung konnte zweifelsfrei behoben werden, ebenso die Schwankungen in der Helligkeit. Dazu bedurfte es lediglich einer spezifischeren Technik der Kartografie und vielleicht einiger zusätzlicher Elektroden am Gehirn. Danach würden sie mittels Bildbearbeitung und eines verbesserten Video-Renderings eine akkuratere Darstellung erhalten. Unweigerlich dachte die Wissenschaftlerin an die Kreise, die ihre Entdeckung ziehen würde, und versuchte zu kalkulieren, wie viel Zeit ihrem Team blieb, um ein fertiges, praxistaugliches Produkt zu entwerfen.

    »I… ich kann es kaum glauben«, stammelte Doktor Wu. »Das Bild ist so … lebensecht. Ich hätte nie gedacht …« Seine Stimme versiegte, als Herrera dem Kind in ein weiteres Zimmer nachging.

    »Wir sind … dort. In seinem Kopf«, staunte einer der Techniker. »Und wir können die Bildqualität steigern, indem wir den Output der einzelnen Elektroden erhöhen. Außerdem können wir ihre Anzahl vervierfachen und …«

    »Gehen Sie zurück!«, unterbrach ihn Doktor Wu.

    »Sir?«

    »Gehen Sie zurück«, wiederholte Wu. »Der aktuelle Vorgang wird doch aufgezeichnet, oder?«

    »J… ja, aber …«

    »Die aktuelle Übertragung ist gerade unwichtig. Spulen sie drei Sekunden nach hinten.«

    »Doktor Wu«, intervenierte Amanda. »Wir wollen nichts verpassen.«

    »Das kann ich verstehen, aber ich habe etwas bemerkt …«

    Amanda nickte und der Techniker am Monitor fing an, auf der Tastatur des Computers zu tippen. Der Bildschirm zeigte kurz den Desktop, dann führte er einen Doppelklick auf einen Ordner aus und startete das darin gespeicherte Video. »Ich wechsele jetzt von der Liveübertragung zur Aufzeichnung.«

    Das Video startete wieder mit einem leeren Display, gefolgt von dem Wirbel aus Farben. Der Techniker zog den Cursor auf die Bedienleiste und »spulte« das Video bis kurz vor Schluss.

    »Was hast du gesehen, Henry?« Amandas Stimme klang ruhig, obwohl darin eine gewisse Besorgnis mitschwang. Doktor Wu war niemand, der aus einem nichtigen Grund heraus aus der Haut fuhr, besonders während eines laufenden Testversuchs.

    »I… ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher. Da! Sofort anhalten und ein paar Frames zurückgehen!«

    Die Erinnerung, die sie betrachteten, war die gleiche wie zuvor. Herrera scheuchte seinen ältesten Sohn durch das Haus. Doktor Wu schien jedoch auf etwas im Hintergrund fixiert zu sein.

    Die Perspektive schwenkte nach links, als Herrera versuchte, mit dem Kind Schritt zu halten. Es wirkte, als renne Herrera an einem Fenster vorbei.

    »Stopp«, ordnete Wu an. »Dort draußen, außerhalb des Fensters. Das ist doch ein Fenster, korrekt?«

    Alle nickten.

    Amanda hatte keine Ahnung, was das gesteigerte Interesse ihres Kollegen provoziert hatte.

    »Draußen, direkt vor dem Fenster, leicht nach rechts versetzt«, leistete er Hilfestellung.

    Amanda lockerte ihre Konzentration erneut und fixierte diese anschließend wieder. Als sie den Körper entdeckte, schnürte es ihr die Kehle zusammen. »Was zur Hölle? Ist das ein Mensch?« Kaum, dass sie die Frage formuliert hatte, war sich Amanda dessen gewiss.

    Trotz der geringen Größe war er klar sichtbar – erschreckend klar.

    Es handelte sich um einen Mann, der wirkte, als hätte ihn jemand mit Goldfarbe angestrichen.

    »Könnte eine Statue sein …«

    »Aber die Details …«

    Amanda schüttelte den Kopf. »Das ist doch ein Scherz. Richtig, Doktor Wu?«

    Ihr Kollege runzelte die Stirn. »Der Mann – oder die Statue – ist vollkommen fokussiert.«

    Tatsächlich war die goldene Gestalt innerhalb ihrer verschwommenen Umgebung perfekt definiert. Aufgrund ihrer geringen Größe konnte sie leicht übersehen werden, dennoch war sie ganz erkennbar.

    Amanda starrte auf den goldenen Mann und er starrte zurück. »Doktor Wu, haben Sie das hier wirklich nicht in die Übertragung eingefügt?«

    »Nein, Doktor Meron«, antwortete er leise. »Ich habe nichts damit zu tun. Was wir hier sehen, gehört zu dem Traumzustand, den Mister Herrera unbewusst erschaffen hat. Der goldene Mann ist ein Teil von Herreras Gedächtnisinhalt.«

    »Aber wie kann er so klar, so perfekt fokussiert sein?«

    Wu schüttelte den Kopf. »Das wissen wir noch nicht. Am besten schauen wir, was passiert, wenn wir mehrere Frames auf einmal vor und zurück springen.«

    Der Techniker, der den Computer bediente, justierte die Einstellungen neu. Der Frame auf dem Monitor sprang ein gutes Stück vor. Herreras Blickwinkel war nun vom Fenster weg nach links gerichtet, da er seinen Sohn suchte.

    Alle Augen ruhten auf dem mit Gold überzogenen Mann, der jetzt in der unteren rechten Ecke des Displays stand.

    Der Techniker sprang einen einzelnen Frame weiter nach vorn.

    »Da!«, rief jemand.

    Amanda zuckte zusammen. Der Mann auf der anderen Fensterseite hatte sich bewegt. Er hatte sich zur Seite gedreht und sein Blick folgte Herrera in dessen Erinnerung. Amanda konnte seine Augen erkennen, die pechschwarz in tiefen Höhlen lagen. Sein Gesicht und sein Körper wurden von einem schimmernden Licht umrahmt.

    Der Mann blickte Amanda direkt an.

    Prolog 2

    »Wie konnte er mich anschauen?«, fragte Amanda ihren Kollegen Doktor Wu auf dem Weg durch den Flur, der zum Konferenzraum führte.

    »Das hat er nicht. Er hat in die Kamera gestarrt.«

    »Welche Kamera?«

    »Na ja, Sie wissen, was ich meine. Die Projektion des Gedächtnisinhalts unserer Testperson. In diesem Fall die Erinnerung an ein Fangspiel durch das Haus mit seinem ältesten Sohn, die aus der Ich-Perspektive wiedergegeben wurde.«

    »Der Mann sah also Herrera an? Unsere Testperson?«

    »Das müssen wir erst beweisen. Aber ich halte es für die logischste Schlussfolgerung. Der goldene Mann wäre wohl kaum in dem Traum aufgetaucht, wenn die Testperson keine signifikante Erinnerung an ihn hätte, auch wenn diese vielleicht unterdrückt ist. Als Nächstes müssen wir Mister Herrera fragen, wer dieser Mann ist und weshalb er in seinem Traum erscheint?«

    »Nur, warum war dieser Mann derart fokussiert? Sobald wir ihn lokalisiert hatten, war sein Abbild so scharf wie eine hochauflösende Fotografie. Ich dachte …«

    »… dass alle Projektionen verschwommen sein müssten«, vollendete Wu den angefangenen Satz. »Ursprünglich war ich der gleichen Meinung wie Sie. Doch aus irgendeinem Grund muss diese Erinnerung so stark, so verfestigt sein, dass mittels der Elektroden innerhalb der Übertragung ein fast perfektes Abbild erschaffen wurde.«

    »Fast perfekt?«, fragte einer der Techniker, der gerade zu den beiden Wissenschaftlern auf ihrem Weg stieß. Es war derjenige, der zuvor die Computerkontrollen bedient hatte. »Mir erschien er rundum perfekt.«

    »Fast richtig«, relativierte Wu, ohne in seinem schnellen Schritt innezuhalten. »Allerdings war der Goldüberzug des Manns absolut gleichmäßig. Die Erinnerung wies nicht die nötige Konsistenz auf, um Einzelheiten sichtbar zu machen, wie etwa verschiedene Farbschattierungen. Trotz dieser Ungenauigkeit glaube ich, dass er eine besondere Bedeutung hat.«

    »Welche könnte das sein?«, fragte Amanda.

    »Weshalb war dieser Mann der einzige fokussierte Körper? Zwar mangelt es uns bisher an den Möglichkeiten, scharfe Bilder zu erzeugen, aber wir haben schon vor Beginn des Praxistests die Hypothese aufgestellt, dass die stärksten Erinnerungen beziehungsweise die wichtigsten Elemente einer Erinnerung am klarsten wiedergegeben werden.«

    »Das heißt also, dieser Mann ist der fundamentalste Teil dieses spezifischen Gedankeninhalts?«

    »Das liegt nahe.«

    Amanda hatte bereits zuvor denselben Schluss gezogen. Es ermutigte und motivierte sie, eine Bestätigung ihrer Überlegung aus dem Mund eines guten Freundes und geschätzten Mitarbeiters zu hören. Ich bin also nicht verrückt, dachte sie. »Nur warum trifft das auf genau diesen Mann zu? Und nicht auf seinen Sohn oder sein Haus?«

    »Diese Frage müssen wir unbedingt klären, Doktor Meron.«

    Im Konferenzraum angekommen, dachte Amanda, dass dieser wegen seiner geringen Größe besser als Abstellkammer geeignet sei. Sie verkniff sich eine entsprechende Bemerkung und schob mehrere Stühle an den Lehnen zur Seite, um einen Sitz in einer der Ecken des Zimmers zu ergattern. Denn um ehrlich zu sein, lag die räumliche Ausstattung der Einrichtung in ihrer eigenen Verantwortung, da sie selbst die Inhaberin der Firma war, die diese betrieb. Und bei der Planung hatte sie die Meinung vertreten, geräumige, schicke Konferenzzimmer seien pure Geldverschwendung.

    Ein Techniker namens Johnson und zwei Forscher – Guavez und Ortega – waren bereits anwesend und saßen an der gegenüberliegenden Tischseite. Wu und Nichols, ein weiterer Techniker, nahmen neben Amanda Platz.

    Ohne Zeit zu verschwenden und ohne einleitende Floskeln eröffnete Amanda die Besprechung: »Wie Sie wissen, war heute unser erstes neurologisches Experiment an einem voll funktionsfähigen menschlichen Gehirn erfolgreich. Wir werden unmittelbar nach dem Ende dieses Meetings mit der Auswertung des bisherigen Projektverlaufs beginnen und entsprechend den Ergebnissen ein hypothetisches Modell skizzieren.«

    Bei ihrer Zusammenfassung des Experiments ließ Amanda keine Zwischenfragen zu. Erst als sie nach mehreren Minuten fertig war, durften Anmerkungen vorgebracht werden.

    »Okay, wer will zuerst?«

    Alle Anwesenden hoben im Gleichklang die Hand.

    »Lassen Sie mich raten?«, schlug Amanda lächelnd vor. »Sie möchten wissen, wer dieser goldene Mann sein konnte und weshalb er so fokussiert war?«

    Alle nickten.

    »Das frage ich mich selbst auch.«

    Plötzlich schwang die Tür auf und eine kleine Frau quetschte sich in den verbliebenen Freiraum im Konferenzzimmer. Dann schob sie Amanda eine Aktenmappe zu.

    »Danke, Diane.« Wieder an die versammelten Techniker und Forscher gerichtet, fuhr Amanda fort: »Wie schon früher, soll uns dieser Raum hier ein Forum für einen offenen und ehrlichen Austausch bieten. Wir alle haben an dem Versuch teilgenommen und wir alle sind Zeugen seines Resultats geworden.«

    Amanda schlug die Mappe auf und las laut vor: »Nachdem der Patient um 9:00 Uhr geweckt wurde, wurden ihm verschiedene Fragen gestellt. Eine vollständige Transkription des Interviews, inklusive der Antworten, liegt bei.«

    Amanda blätterte eine Seite weiter. »Eins: War Ihr Schlaf erholsam? Antwort: ja. Zwei: Erinnern Sie sich an ihren Traum? Antwort: ja.«

    Sie blickte auf und verkündete: »Ich werde ein Stückchen vorspulen.«

    Einige der Anwesenden kicherten nervös.

    »Sieben: Innerhalb Ihres Traums erschien ein Objekt, ein Mann, um exakt zu sein. Der Mann wirkte, als sei er mit goldener Farbe lackiert worden. Wer ist dieser Mann? Antwort: Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern, einen Mann gesehen zu haben. Acht: Dieser Mann stand im Freien vor einem der Hausfenster. Erinnern Sie sich an das Fenster? Antwort: ja. Ich war in unserem Haus. Im Haus meiner Familie. Es müsste ein Fenster zur Front hin gewesen sein. Mit Blick auf die Straße. Neun: Trotzdem fehlt ihnen die Erinnerung an den Mann vor dem Fenster? Antwort: Da war mit Sicherheit kein Mann.«

    Amanda schluckte und klappte die Mappe zu. Sie deponierte die Mappe stumm auf dem Tisch und legte ihre Hände darauf. Was zur Hölle geschieht hier? Amanda kochte innerlich fast vor Wut. Meine Forschung, meine Firma … irgendwer sabotiert sie.

    Sie behielt diesen Gedanken für sich. Ihre nächste emotionale Reaktion konnte sie dagegen nicht verbergen, denn der Schock, der plötzlich ihren Zorn verdrängte, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

    »Doktor Meron, geht es Ihnen gut?«, fragte Wu.

    Die Gedanken purzelten in Amandas Kopf durcheinander. Zittere ich? Sie hielt sich an der Tischplatte fest und nickte ihrem Kollegen zu.

    »Ich bin mir sicher, dass es eine logische Erklärung für die Vorkommnisse gibt. Vielleicht hat Mister Herrera einfach Bruchstücke des Traums vergessen«, vermutete Wu.

    »Nein. Wir müssen einen zweiten Test anberaumen. Diane, bitte bereiten Sie eine Testperson auf einen zweiten REM-Schlaf vor. Wir müssen das Tempo forcieren, damit wir heute Abend einen zweiten Test durchführen können.«

    Die anderen nickten zustimmend. Amanda hörte Doktor Wu sprechen, aber seine Worte drangen nicht zu ihr durch, während sie dachte: Wir wurden sabotiert. Das Ganze ist ein Witz. Ein gottverdammter Witz.

    »Haben wir eine zweite Testperson, die für eine REM-Schlaf-Analyse bereitsteht?«, fragte Doktor Wu.

    »Ja, Doktor Wu. Der Cousin von Mister Herrera ist ebenfalls hier. Sie haben einen Vertrag für die gleiche Forschungswoche unterzeichnet.«

    »Ausgezeichnet.« An die Techniker gewandt, sagte er: »Bereiten Sie sofort den Computer und das fMRI-System vor.«

    Prolog 3

    Doktor Wu gab Amanda keine Schuld an ihrem Zustand. Sie hatte Jahre darauf verwendet, dieses Projekt aufzubauen, in denen sie rastlos auf das Ziel hingearbeitet hatte, menschliche Träume aufzuzeichnen. Die Tatsache, dass sie momentan von der Situation überfordert wurde, überraschte ihn nicht. Solange, bis sie sich gedanklich wieder sortiert hatte, konnte er die Leitung übernehmen. So wie er sie kannte, würde sie nur ein wenig Zeit und Ruhe benötigen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

    Er selbst war vor einigen Jahren zu ihrem Team gestoßen. Obwohl ihre Karrieren bis dahin einen ähnlichen Verlauf genommen hatten und ihre Qualifikationen etwa gleich hoch waren, war Amanda die entscheidende Führungspersönlichkeit, was die kreativen Aspekte ihrer Forschung betraf. Er dagegen steuerte alles an Logik und nüchterner Analytik bei, die das Projekt erforderte. Auch charakterlich harmonisierten sie ausgezeichnet miteinander. Vom ersten Tag an hatten sich ihr Esprit und ihr Charme und seine Ernsthaftigkeit ergänzt.

    Während seiner wissenschaftlichen Laufbahn hatte Wu hauptsächlich Typen kennengelernt, die es in erster Linie auf möglichst viele Veröffentlichungen in wichtigen Publikationen und auf hochdotierte Stellungen an Universitäten abgesehen hatten. Hier bei NARATech, kurz für Neurological Advanced Research Applications, bot sich ihm ein gänzlich anderes Bild. Die Mitarbeiter strebten gemeinsam nach einem Ziel, das alle teilten. In ihrem engen Konferenzzimmer spielten politische und bürokratische Überlegungen schlichtweg keine Rolle.

    Anfangs hatte Wu geglaubt, Amanda würde NARATech aus ihrem Privatvermögen finanzieren, da er sich keine andere Konstellation vorzustellen vermochte, in der eine solche Firma existieren könnte. Nachdem er sie besser kennengelernt hatte, ließ sie gelegentlich Bemerkungen über Investoren und Kapitalgeber fallen. Er rätselte bis heute, wo seine Kollegin das Geld aufgetrieben hatte, um eine wissenschaftliche Einrichtung dieses Kalibers aus dem Boden zu stampfen? Normalerweise war niemand bereit, größere Summen in eine riskante Marktnische zu stecken, vor allem ohne gleichzeitig auf massive Eingriffsmöglichkeiten auf das Unternehmen zu pochen.

    Doch NARATech schien es gelungen zu sein, derartigen Verpflichtungen auszuweichen. Die Firma, mit Sitz im brasilianischen Marabá, verfügte über eine Forschungsstation, deren Bau Millionen Dollar verschlungen hatte und die vergleichbaren Unternehmen im Silicon Valley jederzeit das Wasser reichen konnte.

    Amanda leitete die Firma und Wu fungierte als Chefwissenschaftler. Das war alles. Eine einfache und elegante Lösung, die es ihnen erlaubte, ungestört zu agieren.

    Wu hoffte für Amanda, dass der nächste Versuch glatter vonstattenginge. Genaugenommen hoffte er, auf ein Verschwinden des seltsamen Phänomens aus dem ersten Anlauf.

    Mit einem Wink bedeutete er dem Techniker, anzufangen. Wieder waren alle vor dem Monitor versammelt, lediglich Amanda fehlte. Der Techniker schickte eine Mitteilung an Diane im Nebenraum, die besagte, sie solle den fMRI-Scanner einschalten, der die Elektroden auf der Innenseite des Helms, den die Testperson trug, aktivierte.

    Wie beim ersten Mal tanzte ein Wirbel aus Farben auf dem Bildschirm, den schließlich Eruptionen strahlenden Lichts umgaben. Diesmal dauerte es länger, bis die Testperson den Traumzustand erreichte. Erst nach zehn Minuten erteilte er die Anweisung: »Beginn der Aufzeichnung.«

    Das Geschehen auf dem Monitor war wieder von erstaunlicher Schönheit. Die anfänglichen Schwierigkeiten, das Geschehen zu interpretieren, schwanden, je mehr Einzelheiten deutlich hervorstachen.

    Der aktuelle Traumzustand wies wesentlich weniger Struktur auf, als der von Mister Herrera. Abstrakte, unruhige Linien und Formen bildeten den Hintergrund für die zerfaserten Erinnerungen aus der Vergangenheit von Mister Herreras Cousin. Davor bewegten sich bisher undefinierte Körper vor und zurück. Es wirkte fast, als würde das Display selbst auf und ab hüpfen, während die Körper nach rechts und links steuerten.

    Zum Glück bin ich nicht empfänglich für Krampfanfälle, dachte Wu.

    »Wo ist das?«, fragte Johnson.

    »Keine Ahnung«, erwiderte Gauvez. »Aber es scheint ein lustiges Ereignis zu sein.«

    »Könnte ein Tanz auf einer Party sein«, schlug jemand vor und einige kicherten.

    Wie aus heiterem Himmel verstand Wu den Kontext und den Bezugsrahmen. Es ist tatsächlich ein Tanz. Die Testperson träumte von einem glücklichen Moment voller Freude.

    Menschen beziehungsweise deren Umrisse tanzten und dann umarmte einer der Körper einen anderen und sie verschmolzen zu einem Farbklecks. Der Klecks huschte auf den Monitorrand zu und die Testperson folgte ihm mit dem Blick an eine andere Örtlichkeit. Nach zwei Minuten trennten sich die beiden Körper und gingen ein Stück auf Distanz.

    Und da war er wieder, mitten auf dem Monitor – der goldbedeckte Mann.

    Er wartete.

    Er schaute sich um.

    Er blickte Doktor Wu direkt in die Augen.

    Mit gutem Plan

    ein Edelmann

    in der Sonne und im Schatten

    ist lang geirrt,

    und hat ein Lied gesungen,

    auf der Suche nach El Dorado.

    Edgar Allen Poe

    Kapitel 1

    »Was meinen Sie mit ergebnislos?«, fragte Amanda. Sie wollte nicht anklagend klingen, aber es misslang ihr, da die letzten Wochen ein einziger Albtraum gewesen waren.

    »Es … es tut mir leid, Doktor Meron«, bat Doktor Juan Ortega um Verzeihung. Vor ihm türmte sich ein Berg aus Aktenmappen und Papieren, hinter dem er plötzlich zu versinken schien.

    Doktor Wu saß neben Amanda an der jenseitigen Tischseite und zusammen hatten sie ihren Mitarbeiter in den letzten Minuten regelrecht mit Fragen bombardiert.

    »Ich meine nur, unsere bisher gesammelten Daten sind zu unvollständig, um fundierte Schlüsse zu ziehen.«

    »Ich bin mit den Daten vertraut, Doktor Ortega«, sagte Amanda. »Ich möchte von Ihnen lediglich eine professionelle Einschätzung der Sachlage. Sie waren doch bei jedem der Versuche anwesend, wenn ich mich nicht irre.«

    »Das war ich.«

    »Gut. Und jetzt möchte ich von Ihnen hören, was sie glauben, womit wir es zu tun haben könnten. Warum taucht immer wieder dieser eine präzise umrissene Mann auf? Und weshalb ist er mit Gold überzogen? Warum zeigte er sich nur in den Erinnerungen von sechs Prozent unserer Testpersonen statt bei allen? Welche Idee für eine Erklärung haben Sie, die wir bisher vielleicht vernachlässigt haben?«

    Doktor Ortega presste betreten die Lippen zusammen.

    Amanda wusste, dass er zu den Menschen gehörte, die erst spät mit ihrer eigenen Meinung herausrückten. Er war ein ruhiger, reservierter Geselle, der oft erst in letzter Sekunde einen Entschluss traf, der dann jedoch häufig für Klarheit sorgte oder eine Diskussion auf die richtige Spur brachte.

    Mit anderen Worten, er war ein essenzieller Bestandteil ihres Teams.

    »Ich bin mir noch nicht sicher. Ich habe sämtliche Aspekte, die wir bereits debattiert haben, mehrfach abgewogen. Wir haben unsere Ausrüstung überprüft und wir können einen Hackerangriff oder sonstige Manipulationen ausklammern. Wir haben die Daten wieder und wieder studiert …«

    »Kommt Ihnen vielleicht eine andere Erklärung in den Sinn. Eine, äh, nichtwissenschaftliche.«

    Doktor Wu musste bei dieser Frage Amandas lächeln. Sie scherte sich nicht darum, was andere über sie dachten, und ihre Außenwirkung war ihr egal. Für sie zählten einzig Resultate. Und deshalb schätzte er sie.

    »Na ja, äh … wir könnten uns stärker vorhandenen Ähnlichkeiten im soziokulturellen Umfeld der Testpersonen widmen, wie dem Bildungsgrad und ihrem Lebensstil.«

    »Das sind wir doch schon durchgegangen. Vor ihrer Teilnahme mussten die Testpersonen

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