Schöne Zeiten, schlimme Zeiten: Erinnerungen 1927 bis 1947
Von Reinhard Meis
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Buchvorschau
Schöne Zeiten, schlimme Zeiten - Reinhard Meis
Inhalt
Aus der Kindheit
Solingen, Heimat des Vaters
Hartes Leben im Schleifkotten
Max wird Lehrer
Großeltern Brand in Stuttgart
Im kalten Wasser der Schmiech
Schülerjahre
Als Schulrat abgesetzt
Da wurden die Eltern schweigsam
Ferien in Volkmarsen
Vater wieder im Schuldienst
Max Meis wird Rektor
Neue Wohnung in der Schule
Spiele auf der Straße und zu Hause
Hitlers »Führerwagen« aus Blech
Auf dem Traumrad unterwegs
Tägliches Einkaufen
In der Oberrealschule
Jungvolk
Zeltlager und andere Abenteuer
Erst viel später den Vater verstanden
Abschiedsbesuch in Schrozberg
Der Chauffeur
Im Krieg
Der Zweite Weltkrieg beginnt
Siegesmeldungen und Soldatendrill im Jungvolk
Spitzel hören mit oder: Wände haben Ohren
Der Fahne keine Ehre erweisen und die Folgen
Bombenangriff auf Barmen
Nach Ellwangen, um dem Flakhelferdienst zu entkommen
Meldung zur Marine
Dennoch zur Flak
Scharlach
Überraschender Familienurlaub
An der Flak in Pforzheim
Einberufung zum Reichsarbeitsdienst
Dem Obersalzberg nahe
Einberufung zur Marine
Zum Abschied: Befiehl du deine Wege
Ankunft in Stralsund
Wacheschieben im kalten Winter 1944/45
An die Ostfront
Weg mit dem Gewehr
Nachts auf abenteuerlicher Flucht vor den Russen
In Ami-Gefangenschaft
Nach Wuppertal?
Bei den Briten auf Fehmarn
Nachkriegsjahre
Erinnerungen melden sich
Frei
Zum Entlassungslager Weeze am Niederrhein
Überglückliche Eltern
Lebensmittelmarken, Schwarzmarkt, Tauschhandel
Das Fremdwort Demokratie – mit Leben gefüllt
Schulabschluss
Marlis
Zu den Jugenderinnerungen von Reinhard Meis
Lebensdaten
Aus der Kindheit
Es war Sonntag, der 1. Mai 1927, als ich als zweiter Sohn meiner Eltern das Licht der Welt erblickte. Mein Vater war Schulrat in Barmen. Meine Mutter war im Ersten Weltkrieg bis zu ihrer Hochzeit in der Kinderfürsorge der Stadt Barmen tätig, die sie zuletzt leitete. Sie schuf zahlreiche Kindertagesstätten vor allem zur Versorgung der Kinder, deren Mütter in der Kriegsindustrie arbeiten mussten. Nach dem Krieg bemühte sie sich um die zahlreichen Probleme in den Familien.
Der kleine Reinhard
Aus meiner frühen Kindheit habe ich nur wenige Erinnerungen, die recht vage sind. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich gerne mit meinem Bruder Fritz auf dem Balkon unserer Wohnung in Barmen, Schwalbenstr. 27 im Sommer mit Wasser geplanscht habe.
Reinhard und Fritz mit den Eltern
Wir gingen auch gerne mit Mutter und Maria, unserem Kindermädchen, manchmal auch mit unserem Vater in den Nordpark zum Spielen. Dazu nahmen wir unseren Bollerwagen mit, eine Nachbildung der Leiterwagen der Bauern. Heute sind diese Wägelchen in Feriengebieten an der See wieder recht beliebt. In diesem kleinen Wagen hatten wir Spiel- und Esssachen dabei.
Im Bollerwagen
Wenn unser Vater mit uns spazieren gehen konnte, machte er uns auf viele kleine Tiere und auf Pflanzen aufmerksam, so dass wir uns schon früh als Naturforscher fühlten.
Hier zeigte Vater uns den Aronstab von innen
Mit dem Bruder Fritz
Bei weiteren Zielen gingen Vater und wir Jungen – vielleicht mit Maria – voraus, und Mutter kam mit der Straßenbahn oder dem Autobus zum Ziel nach, fiel ihr das Gehen doch sehr schwer durch ihr Hüftleiden. Wie oft, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich gerne an so manche Rast in einem am Stadtrand bei Hatzfeld in der oberen Uellendahler Straße gelegenen Gartenlokal. Es hieß »En de Mang« (im Korb), heute heißt es Pfannkuchenhaus, und es gab dort Teilchen und Kakao und vor allem eine Rutschbahn, Schaukeln und ein kleines Karussell. Das war natürlich toll für uns Kinder, hatten wir doch nicht, wie es damals Sitte war, brav bei den Eltern sitzen zu bleiben, bis die ausgeruht waren und ihr Schwätzchen gehalten hatten.
Reinhard, Zweiter von rechts, mit Spielkameraden
Die Brüder in der Stadt
Am Ameisenhaufen
Weitere Gartenlokale waren die »Lempe« bei Haßlinghausen, »Haus Vesper« oben im Nordpark, wo wir später auch mit Bärbel noch Rast gemacht und die Hirsche gefüttert haben, die »Waldesruh« in der S-Kurve der Hatzfelder Straße und die »Villa Foresta« auf dem Barmer Heidt, wo ganz in der Nähe heute Gisela und Peter ihr schönes Haus haben.
Gerne gingen wir auch in den Zoo zu den Seehunden und Eisbären.
Reinhard (links) und Fritz im Wuppertaler Zoo
Die Erzählungen, an die ich mich erinnern kann, sind Selma Lagerlöfs Christuslegenden und die Geschichten vom kleinen Nils Holgersson und der Gans Aka von Kebnekaise. Mutter erzählte aus ihrer Kindheit in Riedlingen und Stuttgart. Samstags war meist Badetag für uns Kinder. Dann wurde vor dem Abendessen eine Zinkbadewanne in die Küche geholt und mit warmem Wasser vom Herd gefüllt. Hinterher wurde sie wieder ausgeschöpft und in den Keller gebracht.
Solingen, Heimat des Vaters
Nur wenige Erinnerungen aus meiner Kindheit verbinden mich mit der Solinger Heimat des Vaters, an Krahenhöhe, Dorper Hof, Wiesenkotten und Balkhauser Kotten sowie Schloss Burg. Auf der Krahenhöhe, wo Susanne heute auf dem Weg zum Halfeshof von der Stadt kommend links abbiegen muss, wohnte Vaters Mutter in dem vom Großvater Fritz Meis gebauten typischen Haus Nr. 47 an der Burger Chaussee, der heutigen Burger Landstraße.
Weniger als das Äußere des Hauses ist mir im Innern der Schrank mit der Klappe vorne noch bewusst, vor allem natürlich, weil dieser schöne alte bergische »Sekretär« heute in meinem Zimmer steht. Hingegen blieb anderes in dieser Wohnung kaum in der Erinnerung hängen. Aber die Ortsmitte von Gräfrath steht mir noch vor Augen, wo wir als Kinder am Brunnen gespielt haben. Vater erzählte von unseren Vorfahren, die hier lebten und arbeiteten.
Hartes Leben im Schleifkotten
Unser Großvater Fritz Meis lebte nicht mehr. Die Großmutter ist auch wenig später gestorben. Sie hatte als Frau des Schleifers ein sehr schweres, arbeitsreiches Leben gehabt. Denn sie hatte wie alle Schleiferfrauen die zu schleifenden Scheren oder Messerteile in einem großen Korb auf dem Kopf von der weit entfernten Stadt bis hinunter zum jeweiligen Kotten hin- und wieder zurücktragen müssen. Den Korb nannten die Schleifer Levermang, also Lieferkorb. Die Schleiferfrauen bekamen zu ihrer Hochzeit als sichtbares Zeichen ihrer Aufgabe ein besonders geformtes Kissen. Sie legten es zum Tragen der Last auf den