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Immobilienwirtschaftslehre - Recht
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eBook2.407 Seiten23 Stunden

Immobilienwirtschaftslehre - Recht

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Über dieses E-Book

Dieser Band schließt an die vorangegangenen Teile „Immobilienwirtschaftslehre – Management“ und „Immobilienwirtschaftslehre – Ökonomie“ an. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass eine immobilienwirtschaftliche Entscheidung, vor allem aufgrund der Großvolumigkeit der Transaktionen und der Länge des Investmentlebenszyklus, juristisch abgesichert sein muss. „Immobilienwirtschaftslehre – Recht“ richtet sich an Master-Studierende und Studierende der Rechtswissenschaften mit immobilienwirtschaftlichem Interesse ebenso wie an interessierte Bachelor-Studierende immobilienwirtschaftlicher Studiengänge sowie an Teilnehmer von Weiterbildungsstudiengängen vor allem von Kontaktstudiengängen zur „Immobilienökonomie“ sowie an Teilnehmer von „Executive Master of Real Estate“-Programmen, die sich mit betriebs- und volkswirtschaftlichen Fragestellungen sowie rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen für die Immobilienindustrie auseinandersetzen. Es ist in gleichem Maße aber auch für jeden in der Immobilienwirtschaft Tätigen von hoher Bedeutung, weil ihm in anschaulicher Weise die Grundlagen des für jede Immobilientransaktion notwendigen rechtlichen Wissens vermittelt werden, ohne das eine Immobilientransaktion nicht erfolgreich durchgeführt werden kann.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum6. Okt. 2016
ISBN9783658069872
Immobilienwirtschaftslehre - Recht

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    Buchvorschau

    Immobilienwirtschaftslehre - Recht - Nico B. Rottke

    Teil ITransaktionsbasiertes Immobilienwirtschaftsrecht

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016

    Nico B. Rottke, Alexander Goepfert und Karl Hamberger (Hrsg.)Immobilienwirtschaftslehre - Rechthttps://doi.org/10.1007/978-3-658-06987-2_1

    1. Recht: Interdisziplinärer Bestandteil der Immobilienwirtschaftslehre

    N. B. Rottke¹  

    (1)

    Ernst & Young Real Estate GmbH, Mergenthalerallee 3-5, 65760 Eschborn, Deutschland

    N. B. Rottke

    Email: nico.rottke@de.ey.com

    Nico B. Rottke

    Professor Dr. Nico B. Rottke, Jahrgang 1975, ist Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young) Real Estate für die Bereiche Immobilienfinanzierung und Kapitalmarktdienstleistungen mit den Schwerpunkten der Kapitalbeschaffungs- und M&A-Beratung.

    Ehrenamtlich engagiert er sich für die Counselors of Real Estate (CRE) und ist für das Urban Land Institute Deutschland sowie den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) Deutschland als wissenschaftliches Beiratsmitglied tätig.

    Vor seiner Zeit bei EY war er Gründer und langjähriger Leiter des Real Estate Management Institutes (REMI) der EBS Universität in Wiesbaden. Hier hatte er an der EBS den Aareal Stiftungslehrstuhl für Immobilieninvestition und -finanzierung und an der UCF University of Central Florida, Orlando, die Professur für Global Real Estate Capital Markets inne.

    Industrieerfahrung verzeichnet Herr Rottke in den Bereichen Immobilien Investment, Investment Banking und Beratung bei führenden Häusern der Immobilien- und Finanzindustrie.

    Professor Rottke hält die Venia Legendi für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und habilitierte zum Thema „essays in real estate investment and finance. Er ist Autor zahlreicher Printbeiträge und Kolumnen sowie TV-Fachexperte mit den Themenschwerpunkten Immobilieninvestition, -finanzierung und Immobilienzyklen sowie Immobilienwirtschaft an der Schnittstelle zu Unternehmensführung und Bildung. Er ist zudem Herausgeber und Autor diverser Sachbücher im Bereich Immobilien- und Kapitalmärkte sowie dem Standardwerk „Immobilienwirtschaftslehre, Band I-IV: Management (2011), Ökonomie (2012), Recht (2016) und Technik (2018e).

    2002, 2004 und 2010 wurden Professor Rottke nationale und internationale Forschungspreise für seine Arbeiten auf den Gebieten ‚Immobilienzyklen‘, ‚Real Estate Private Equity‘ und ‚Im-mobilien- und Kapitalmärkte‘ verliehen. Er wurde mit dem Leadership-Award des ‚Urban Land Institutes Deutschland‘ für zukunftsorientiertes Handeln und Denken in der Immobilienwirtschaft ausgezeichnet (2011).

    Die Magazine ‚Immobilienwirtschaft‘ (2007) und ‚Immobilien Manager‘ (2011) zählen ihn zu den wichtigsten Köpfen der deutschen Immobilienwirtschaft. Das ‚Urban Land Magazine‘ (2014) wählte ihn als einzigen Deutschen in die Gruppe der weltweit 40 ‚bedeutendsten Branchenvertreter unter 40 Jahren‘.

    Professor Rottke lebt in Wiesbaden, ist verheiratet und hat fünf Kinder.

    1.1 Recht in der interdisziplinären, transaktionsbasierten Immobilienwirtschaftslehre¹

    1.1.1 Historische Wurzeln

    ²

    Ein König richtet das Land auf durch Recht,

    wer aber viel Steuern erhebt, richtet es zu Grunde.

    Salomo (um 965–925 v. Chr.), König von Judäa u. Israel, Sohn Davids

    Recht und Steuern als staatsbildende Prinzipien

    Schon Salomo, Sohn Davids, König von Judää und Israel, wusste vor knapp 3000 Jahren, dass Recht und Grundbesitz untrennbar miteinander verbunden sind. Mehr noch, er erkannte neben der Wichtigkeit eines Steuersystems selbst den Einfluss des Erhebens von Steuern auf die Bevölkerung und betonte deren negative Wirkung bei einer (zu) hohen Belastung.

    5000 jährige Historie

    Bereits weitere 2000 Jahre früher, im 3. Jahrtausend vor Christus, entstand in Mesopotamien die Tempelwirtschaft . Diese lag in den regionalen Zentren rund um die Tempel in der Hand der Priester, die die Rechte zur Bewirtschaftung des Landes gegen Abgaben an die Tempelverwaltung vergaben. Gleichzeitig ist auch privater Grundbesitz, und damit Immobilienrecht, anhand von Kaufverträgen bereits in der damalig benutzten Keilschrift dokumentiert. So ließ auch der frühgeschichtliche babylonische König Hammurabi I. schon im 17. Jahrhundert v. Chr. Gesetze in Stein hauen, die die älteste vollständig erhaltene Rechtssammlung, den ‚Kodex Hammurabi ‘, darstellt, der bereits Kauf- und Erbrecht kannte [1].

    Reichtum entstand im antiken Rom durch die Akkumulierung von Eigentum, welches nach Cicero in der Regel durch die kriegerische Ausdehnung des eigenen Machtbereiches gewonnen wurde, aber auch durch Handel zwischen den jeweiligen Wirtschaftszentren der antiken Welt. Das Land der eroberten Provinzen betrachteten die Römer als Eigentum des römischen Volkes und begründeten hiermit das Recht auf eine Bodensteuer (Tribut ) [2]. So bildete sich durch die unterschiedliche Mehrung des Besitztums und somit die Gewinnung des Wohlstandes eine Grundbesitz innehabende Oberschicht heraus, deren Wohlstand durch Versklavung unterer Schichten noch gemehrt wurde.

    Kodifizierung römischen Rechts durch Zwölftafelgesetze

    Im antiken Rom bestand die Kodifizierung des Rechts 450 v. Chr. in den Zwölftafelgesetzen . Diese hatten den Zweck, in der Römischen Republik die aufkommenden Konflikte zwischen der grundbesitzenden und adligen Oberschicht, den Patriziern, und der in der Regel grundbesitzlosen Schicht, den Plebejern – dem einfachen Volk – zu regeln. Damit begründeten die Römer de facto die erste Wissenschaft des Rechts.

    Ähnlich wie in Griechenland war die römische Gesellschaft in Haushalten organisiert. Der lateinische Haushaltsbegriff „Dominium steht für „Eigentum respektive „Besitzrecht". Der Haushaltsvorstand war alleiniger Eigentümer. Er konnte durch Testament sein Eigentum uneingeschränkt vererben. Bei Ermangelung eines Testamentes erfolgte die Erbfolge in männlicher Linie.

    Meum esse aio

    Das römische Recht kannte keine Formaldefinition des Eigentumbegriffs, doch existierten verschiedene Eigentumsformen. Aus der Beschreibung „meum esse aio („ich behaupte, dass es mein ist) lässt sich rückschließen, dass die Befugnisse des Eigentümers in der Lesart des § 903 (1) BGB weitgehend mit der inhaltlichen Bestimmung zu Zeiten Ciceros übereinstimmen [3]. Auch war bspw. eine Art Immissionsverbot bereits bekannt (heute: § 906 BGB), was bedeutet, dass bereits in der Antike ein Grundstück nicht beliebig genutzt werden konnte, wenn mit der Nutzung der Besitz anderer beeinträchtigt wurde, bspw. durch die Inbetriebnahme von Entwässerungsgräben, die zu Wasserabfluss auf fremden Grundstücken führte [4].

    Urbare

    Ebenso ist das moderne Sicherungsprinzip des Immobilienrechts keine Erfindung der Neuzeit und hat weltweit eine mindestens knapp 1000jährige dokumentierte Tradition mit europäischen Wurzeln. So sind aus der Antike die Steuerkataster geläufig oder aus dem Mittelalter die sogenannten Traditionskodizes für Käufe und Übereignungen respektive die sogenannten „Urbare für Besitzungen. Ein „Urbar ist ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und zu erbringende Leistungen ihrer Grunduntertanen („Grundholden") [5].

    „Domesday book"

    Hervor tritt hier vor allem die Begründung des „domesday book (auch: „Buch von Winchester ) am Ende des Frühmittelalters (die sog. „finstere Epoche") als das wahrscheinlich erste ‚echte‘ Grundbuch durch Wilhelm den Eroberer. Dessen Einführung im Jahr 1086 wurde nur möglich durch den Gewinn der Schlacht bei Hastings 20 Jahre zuvor am 14. Oktober 1066 [6]. Das „domesday book" gilt als eines der berühmtesten Urbare und gehört zu den ältesten heute überlieferten und erhaltenen Verzeichnisse dieser Art.

    Das „domesday book selbst stellt eine Beschreibung von Land und Grundbesitz für große Teile Englands zur damaligen Zeit dar und beseitigte Unklarheiten über bestehende Besitz- und Lastenverteilungen. Alle Ländereien, Besitzer und Bewohner, Vieh und Landbesitz wurden erfasst. Es diente zur Sicherung von Besitztiteln (= „Immobilienrecht) und einer geregelten Abgabenerhebung (= „Immobiliensteuern"). Jede Legitimation von Landbesitz entsprang fortan allein diesem Lehnsregister [7]. Der ungewöhnliche Name bezog sich darauf, dass die im Domesday Book eingetragenen Grundbesitzverhältnisse – wie bspw. auch im deutschen Grundbuch, das gemäß deutschem Sachenrecht in § 892 BGB „öffentlichen Glauben genießt – als rechtlich „endgültig galten. Die Einrede, ein Eintrag sei falsch, wurde nicht zugelassen.

    Lehenswesen

    Die Schlacht bei Hastings schaffte letztlich die Grundlage der Herrschaft Wilhelms des Eroberers durch die später erfolgte Machtsicherung unter Zuhilfenahme des Lehnswesens (Lehnsherr-Vasallen-Beziehung). Diese wurde gewährleistet durch die Veränderung der Vergabe von Grundbesitz sowie die Einführung eines Katasters zur Langfrist-Sicherung an den Landrechten verbunden mit einem Militärsystem, das vorsah, für den vom König erhaltenen Grundbesitz („Lehen") demselben Ritter für die Verteidigung des Königreiches zur Verfügung zu stellen [8]. Die Einführung der beiden wichtigen Konzepte

    des rechtlichen Grundbesitzanspruches basierend auf einem schriftlichen Zentraldokument und

    des Kontrollanspruches des gesamten Landes zu einem Zeitpunkt durch hoheitliche Macht oder Regierung

    bilden auch heute noch die Grundlage des Immobilienrechts bspw. in vielen Teilen der Welt und Europas, wie etwa in Deutschland, Großbritannien oder in den USA.

    Geburtsstunde der modernen Immobilienwirtschaft

    Somit kann aus westlicher Sicht festgehalten werden, dass durch die Schlacht bei Hastings die Grundlage für die Sicherung immobilienwirtschaftlicher Verfügungsrechte geschaffen wurde und der 14. Oktober 1066 somit als Geburtsstunde der modernen Immobilienwirtschaft gelten kann, da ohne die Sicherung von Verfügungsrechten alle anderen Aspekte von Management und Ökonomie im heutigen Begriffsverständnis der Eigenkapitalmaximierung keinerlei Sinnhaftigkeit ergeben würden. Unabhängig davon führten die mittelalterlichen deutschen Städte Stadtbücher, die Vorläufer der heutigen Grundbücher.

    Immobilienwirtschaftslehre: Management, Ökonomie, Recht, Technik

    Aus dieser Historie abgeleitet beschäftigt sich der vorliegende Band des Grundlagenwerkes „Immobilienwirtschaftslehre, der sich in den ersten beiden Bänden den Themen „Management (= Entscheidungsfindung) und „Ökonomie" (= Analyse, auf der die Entscheidungsfindung beruht) widmet, in summa mit immobilienwirtschaftlichen Rechtsfragen im Sinne eines Immobilienrechts, genauer eines Immobilienwirtschaftsrechts im Sinne einer langfristigen rechtlichen und steuerrechtlichen Absicherung der vorgenannten ökonomischen Entscheidungsfindung. Der abschließende Folgeband ‚Technik‘ beleuchtet sodann die umsetzende Dimension und deren Auswirkungen auf die betriebswirtschaftliche Entscheidung (bspw. Bauqualität, Funktionalität, Drittverwendungsfähigkeit, Baustoffe etc.).

    1.1.2 Begriffsbestimmung

    Immobilienwirtschaftsrecht: Kein Rechtsgebiet, sondern Sammelbegriff

    Ein eigenständiges Immobilienrecht existiert in der nationalen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das Immobilienrecht setzt sich aus unterschiedlichsten Gesetzen und Verordnungen des öffentlichen und des Zivilrechts zu einem Rechtsgeflecht zusammen, denn die Jurisprudenz weist der Immobilienwirtschaft kein eigenes Rechtsgebiet zu und definiert das Immobilienrecht selbst ebenso wenig. Die Rechtssystematik ist anhand anderer Kriterien aufgebaut, immobilienwirtschaftliche Belange ordnen sich hier unter, so bspw. in das Sachenrecht, das Steuerrecht oder das Mietrecht, die wiederum über- und untergeordnete Kategorien aufweisen (s. Abschn. 1.2.1).

    Einordnung in die bestehende Systematik

    Eine „best-practice-Abgrenzung der Begrifflichkeiten lässt sich demnach nur vornehmen durch Einsortierung in die bestehende Systematik und, im Sinne der Nutzung des Begriffs, mit Blick auf dessen Verwendung als Definition, die die entsprechenden tatsächlichen Geschäftstätigkeiten beschreibt gemäß der Achleitner’schen Analogie „investment banking is what investment banks do [9].

    Zu differenzieren sind die Begriffe Immobilienrecht, Immobiliensteuern respektive Immobiliensteuerrecht sowie Immobilienwirtschaftsrecht:

    Das Steuerrecht lässt sich noch einfach als Teil des öffentlichen Rechts und somit als Teil der Rechtssystematik erfassen (s. Abschn. 1.2.1), weshalb in diesem Band auch jeweils der Begriff des „Rechts oder des „Immobilienrechts das „Steuerrecht respektive das auf die Immobilienwirtschaft anwendbare „Immobilien-Steuerrecht mit umfasst.

    Die Abgrenzung von Immobilienrecht zu Immobilienwirtschaftsrecht fällt schwerer. Ausgehend von der Achleitner-Analogie finden sich gute deutsche Best-Practice-Quellen hierfür mit der jährlich erscheinenden Auflage „Immobilienanwälte der Immobilien Zeitung sowie der alle 14 Tage erscheinenden „ZfIR – Zeitschrift für Immobilienrecht.

    Best-Practice-Immobilienrecht

    So verstehen die Herausgeber der „Zeitschrift für Immobilienrecht" unter Immobilienrecht im Sinne einer Beschreibung aller rechtlichen Entscheidungen mit Auswirkung auf Immobilienerrichtung, -betrieb und -veräußerung v. a. [10]:

    Immobilienkauf, -leasing, -franchising

    Maklerrecht, Architektenrecht

    Projektentwicklungsrecht, Bauträgerrecht

    Grundstücksfinanzierung und -bewertung

    Grundpfandrechte

    Gewerbliches Mietrecht

    Wohnungseigentumsrecht

    Steuerrecht der Immobilie

    Grundbuchrecht

    Zwangsvollstreckungs-, insbesondere Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsrecht

    Vertragsarten des Immobilienrechts

    Systematisiert und ergänzt man detailliert diese Beschreibung der Geschäfts- und Beratungsfelder in Bezug auf immobilienwirtschaftliche Vertragsarten in der o. g. Logik von Immobilienerrichtung, -betrieb und -veräußerung, ergeben sich folgende Vertragsarten:

    Verträge des öffentlich-rechtlichen Baurechts

    Städtebaulicher Vertrag

    Erschließungsvertrag

    Sanierungsvertrag

    Nachbarvertrag

    Baudurchführungsverträge

    Architektenvertrag

    Ingenieurvertrag

    Bauvertrag/Einzelvergabe

    Generalunternehmervertrag

    Generalübernehmervertrag

    Nutzerverträge

    Mietvertrag

    Pachtvertrag

    Franchisevertrag

    Dauernutzungsvertrag

    Finanzierungsverträge

    Darlehensvertrag

    Strukturierte Finanzierung (z. B. Bridge-Finanzierung, Mezzanine-Finanzierung)

    Sicherheitenbestellung (z. B. Grundschuld, Sicherungsabtretung, Verpfändung)

    Leasingvertrag

    An- und Verkaufsverträge

    Kaufvertrag (Asset- oder Share-Deal)

    Forward-Vertrag

    Projektentwicklungsvertrag

    Beteiligungsverträge

    JointVenture-Vertrag

    Gesellschaftsvertrag

    BOT (Build, Operate, Transfer)-Vertrag

    Sonstige Verträge

    Beratervertrag mit z. B. Rechtsanwälten und Steuerberatern

    Maklervertrag

    Immobilienwirtschaftsrecht

    Es verbleibt die Präzisierung der Begrifflichkeiten des Immobilienrechts respektive des Immobilienwirtschaftsrechts. Beide Begriffe werden im Sprachgebrauch prinzipiell synonym verwandt.

    Das Jahreskompendium „Immobilienanwälte der Immobilien Zeitung, das 142 Kanzleien mit immobilienwirtschaftlichem Angebot in den Vergleich stellt, vermerkt hierzu in seinem Glossar zum Stichwort „Immobilienwirtschaftsrecht einen „Sammelbegriff für alle rechtlichen Aspekte, die für die Immobilienwirtschaft wichtig sind und dementsprechend deren rechtliche Beratung" [11]. Der Begriff selbst wird häufig in Internetauftritten führender Kanzleien verwendet zur Beschreibung des eigenen Tätigkeitsfeldes gegenüber anderen typischen nicht-immobilienwirtschaftlichen Feldern, so bspw. bei Freshfields, Görg, Hogan Lovells, LinkLaters oder White & Case, um nur einige zu nennen [12].

    Ökonomisches Auswahlprinzip

    Genau genommen handelt es sich strukturell und semantisch beim Immobilienwirtschaftsrecht inhaltlich um einen Teil des Immobilienrechts, nämlich denjenigen, der sich mit der Betriebswirtschaft, genauer: dem betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzip des ökonomischen Handelns (= der Eigenkapitalmaximierung), befasst [13]. Nicht oder nur indirekt Teil dieser engeren Fassung sind bspw. Rechtsprechungen, die diesem Prinzip nicht in erster Linie folgen, keinen oder lediglich indirekten Einfluss ausüben, wie bspw. Rechtsprechung zur sozialen Wohnraumförderung, zur neuen Arbeitsstättenverordnung oder aber zur Bauphysik, bspw. Schallschutz, das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung, die Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler etc. So leitet sich die rein wirtschaftliche Ausrichtung des Immobilien(wirtschafts)rechts ab und gibt somit ebenso das Inhaltsverzeichnis dieses Werkes vor (siehe weiterführend Kap.​ 2).

    Entscheiderperspektive als Beurteilungsmaßstab

    Im vorliegenden Werk werden immobilienrechtlich relevante Fragestellungen aus der Management- und somit der Entscheiderperspektive beurteilt. Das Immobilienrecht als interdisziplinärer Zulieferer von Rechtssicherheit zur Unterstützung und Absicherung getroffener Entscheidungen steht also im Austausch mit der speziellen Betriebswirtschaftslehre der Immobilie sowie dem immobilienwirtschaftlichen Teil der Volkswirtschaftslehre. Dieser Grundgedanke zieht sich als roter Faden durch alle vier Bände der gesamten Grundlagenreihe.

    Als Oberbegriff aller Bände findet sich stets die ‚Immobilienwirtschaftslehre ‘, ein Begriff, der im Folgenden entwickelt werden soll, um ein einheitliches Grundverständnis zu gewährleisten und um – in diesem vorliegenden Band – das Fachgebiet des Immobilienrechts in den Kontext zu setzen.³

    Definition Immobilienrecht

    Grundsätzlich wird dabei die weitere Begriffsfassung des Immobilienrechts genutzt. Für den Zweck dieses Werkes wird Immobilienrecht als interdisziplinärer Bestandteil der Immobilienwirtschaftslehre aufgefasst als sämtliche Teile derjenigen Rechtsgebiete, die Anwendung finden im Bau und Betrieb sowie bei Transaktionen von Immobilien oder Immobilienportfolien sowie für assoziierte Dienstleistungen in der Immobilienwirtschaft.

    Immobilienrecht schließt für den Zweck dieses Werkes den Begriff des Immobilienwirtschaftsrechts mit ein, es sei denn, es wird ausschließlich und gezielt auf die wirtschaftliche Dimension des Immobilienrechts abgestellt.

    1.1.3 Recht in der Immobilienwirtschaftslehre

    Immobilienwirtschaftslehre

    Die Immobilienwirtschaftslehre als solches ist keine in sich geschlossene Disziplin, sondern setzt sich inter- und multidisziplinär mit unterschiedlichen Interaktionsgraden aus verschiedenen ursprünglichen Disziplinen zusammen, die in einem oder mehreren ihrer jeweiligen Teilbereiche (auch) auf Immobilienwirtschaft fokussieren und somit sämtlich den gleichen Untersuchungsgegenstand – wenn auch aus unterschiedlichsten Perspektiven und mit teilweise divergierenden Problemlösungsansätzen – gemeinsam haben.

    Die Immobilienwirtschaftslehre befasst sich mit den drei Kernbereichen Immobilienmanagement – im Sinne einer speziellen Immobilienbetriebslehre –, Immobilienökonomie – als Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre – und Immobilienrecht – als Teilgebiet der Rechtswissenschaften (vgl. Abb. 1.1).

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    Abb. 1.1

    Interdisziplinäre Immobilienwirtschaftslehre verortet in der speziellen Betriebswirtschaftslehre (SBWL): Fokus auf Immobilien(wirtschafts)recht [15]

    Erfahrungsgegenstand des Betriebes

    Diese Einschätzung sei wie folgt begründet: Die Untersuchung des Wirtschaftens findet in den Wirtschaftswissenschaften statt, diese unterteilt sich in die Volks- und die Betriebswirtschaftslehre. Rekurriert die Volkswirtschaftslehre auf die Gesamtwirtschaft, so zielt die Betriebswirtschaftslehre auf den Erfahrungsgegenstand des Betriebes ab [14].

    Einbettung in eine Rechtsordnung

    Da jeder Betrieb in eine bestimmte Rechtsordnung eingebettet ist, bestehen enge Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Wirtschaftswissenschaften und den Rechtswissenschaften, weil ein Betrieb nicht nur eine wirtschaftliche, sondern ebenfalls eine durch die Rechtsordnung reglementierte organisatorische Einheit darstellt. Alle rechtlichen Problemstellungen, die in Betrieben auftreten, gehören zum Erkenntnisgegenstand der Rechtswissenschaften und werden mit den Methoden und der Begriffsbildung dieses Wissenschaftsbereichs behandelt [16].

    Erkenntnisgegenstand der ABWL

    Die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) befasst sich mit Problembereichen des Wirtschaftens, die in Betrieben in gleicher Art auftreten, z. B. wirtschaftlichen Fragen von Beschaffung, Logistik, Fertigung, Marketing, Investition, Finanzierung, Personal, Planung und Verwaltung, jedoch auch mit wirtschaftlichen Fragen bezüglich Wachstum und Schrumpfung, Kooperation und Liquidation von Betrieben, Marktstrukturen, Globalisierung respektive Internationalisierung, europäischer Harmonisierung etc. Spezielle Betriebswirtschaftslehren (SBWL) behandeln die gleichen Fragen, jedoch unter sektorenspezifischen Besonderheiten und Zusatzproblemen [17].

    Die Immobilienwirtschaftslehre ist explizit keine neuartige, aber eine eigenständige und entstehende Disziplin. Sie ist interdisziplinär fundiert als spezielle Industrielehre in der Immobilienbetriebslehre und wird ergänzt um Bestandteile der benachbarten Disziplinen Immobilienökonomie und -recht. Sie ist zudem im Kanon weiterer eigenständiger Disziplinen multidisziplinär eingebettet in angrenzende Fachgebiete mit eigenständigen Erfahrungs- und Erkenntnisgegenständen wie beispielsweise der Architektur, den Ingenieurwissenschaften, der Stadt- und Raumplanung, der Politikwissenschaft oder der IT/EDV. Diese werden durch die Immobilienwirtschaftslehre interdisziplinär nicht koordiniert oder abgebildet [18].

    Branchenzugehörigkeiten

    In einer institutionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre wird auf die verschiedenen branchenzugehörigkeiten von Betrieben Bezug genommen. Dies führt aufgrund von Branchenspezifika zu einer Branchenspezifizierung der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre in Wirtschaftszweiglehren [19]. Für den Immobilienfall resultiert die Immobilienbetriebslehre analog bspw. zur Bank-, Handels- oder Versicherungsbetriebslehre.

    Immobilienbetriebslehre

    Die Immobilienbetriebslehre ist die Lehre des Erfahrungsgegenstandes des Immobilienunternehmens und des Erkenntnisgegenstandes des Wirtschaftens in Immobilienunternehmen. Einbezogen in den Erkenntnisgegenstand werden alle Produkte im Rahmen der Immobilienerstellung, des -betriebs und der -veräußerung sowie allen damit verbundenen Dienstleistungen. Die Immobilie selbst kann einzeln auf Objekt- oder im Verbund auf Portfolioebene untersucht werden [20]. Daher kann die Immobilienbetriebslehre pragmatisch auch als eine spezielle Betriebswirtschaftslehre der Immobilie, des Immobilienportfolios und des (Immobilien-)Unternehmens bezeichnet werden.

    Interdisziplinäre Immobilienwirtschaftslehre

    Die Immobilienwirtschaftslehre ist in der speziellen Betriebswirtschaftslehre verortet und koordiniert durch das Immobilienmanagement als Führungsdisziplin interdisziplinär die unterstützenden Disziplinen der Immobilienökonomie und des Immobilienrechts („interdisziplinäre Immobilienwirtschaftslehre") [21].

    Dies bedeutet, dass das Immobilienmanagement als übergeordneter Begriff im Rahmen der speziellen Betriebswirtschaftslehre dient für die vier für die Immobilienwirtschaftslehre betriebswirtschaftlich relevanten Bereiche der Unternehmensführung (= ‚Management in der Immobilienwirtschaft‘/‚Management von Immobilienunternehmen‘), des Lebenszyklus von der Projektentwicklungsphase über die strategische Haltephase (= ‚Management von Immobilien‘) bis hin zur Sanierungs- oder Abrissphase, der Strategie sowie der Transaktion.

    1.1.4 Transaktionsbasierter Ansatz: Management-Fachwissen

    Transaktionsbasierte Immobilienwirtschaftslehre

    Die Immobilienwirtschaftslehre kann entscheidungsorientiert im Sinne einer Transaktionsorientierung (‚transaktionsbasierte Immobilienwirtschaftslehre‘ ) aufgefasst werden. Alle Entscheidungen, die unter betriebswirtschaftlichen Aspekten getroffen werden, beruhen interdisziplinär unter anderem maßgeblich auf volkswirtschaftlichen Analysen des Immobilienprozesses mit den makro- und mikroökonomischen Bestandteilen der Immobilienökonomie. Eine (erfolgreiche) Immobilientransaktion im Rahmen des Immobilienprozesses kann dabei als die Abfolge einer Serie von Krisen – als Referenzpunkt – entlang eines kritischen Pfades beschrieben werden [22]. Ebenso werden alle relevanten Vorgänge, die durch Akteure der Immobilienwirtschaft in Transaktionen ausgelöst werden, in der Immobilienwirtschaftslehre interdisziplinär rechtlich und steuerlich abgebildet im Rahmen des Immobilienrechts.

    Aus institutioneller Perspektive betrachtet die Immobilienwirtschaftslehre Vorgänge aus der Sicht relevanter Akteure, bspw. von Investoren, Finanzierern, Projektentwicklern, öffentlicher Hand oder Nutzern. Sie kann zudem eine generische Perspektive einnehmen im Sinne der Beurteilung von diversen Immobilienarten, unterschieden nach ihrem Nutzungszweck.

    Schwierigkeiten der organisatorischen Umsetzung von Multidisziplinarität

    In Anbetracht der vielfältigen Möglichkeiten zur wissenschaftlichen bzw. theoretischen Betrachtung des Erkenntnisgegenstandes des Immobilienbetriebes ist auch die Organisation von akademischer Forschung und Lehre eine besondere Herausforderung. Eine besondere Schwierigkeit liegt im Umgang mit der multidisziplinären Natur der Immobilienwirtschaftslehre, die noch weit über den Trias von Immobilienmanagement, -ökonomie und -recht – den interdisziplinären Teilgebieten der Immobilienwirtschaftslehre, vervollständigt durch den multidisziplinären Bereich der technischen Dimension – hinausgeht. Da die Universitätslandschaft in besonderem Maße vom Denken in klassischen Disziplinen geprägt ist und eingeengt wird, gestaltet sich auch eine organisatorische Vernetzung der verschiedenen Disziplinen meist als sehr herausfordernd respektive nahezu unmöglich.

    Immobilienwirtschaftslehre an einer Business School bzw. betriebswirtschaftlichen Fakultät

    Realistisch operationalisierbar und zielführend erscheint daher die Implementierung eines auf die Immobilienwirtschaft fokussierten Forschungs- und Lehrcurriculums im Rahmen einer bestehenden und etablierten organisatorischen Einheit [23]. Im Falle der Immobilienwirtschaftslehre liegt, aufgrund ihrer Zuordnung als spezielle Betriebswirtschaftslehre der Immobilie, des Immobilienportfolios und des Immobilienunternehmens als Erkenntnisgegenstand, die Verortung in einer Business School bzw. eine betriebswirtschaftlichen Fakultät nahe. Dabei ist es von besonders großer Bedeutung, eine Balance zwischen einer umfassenden betriebswirtschaftlichen Grundausbildung und der Ausbildung in der Immobilienwirtschaftslehre als Spezialdisziplin der Betriebswirtschaftslehre zu finden. Um den Blick auf den gesamtwirtschaftlichen Kontext nicht zu früh zu verengen, erscheint in diesem Zusammenhang ein eher allgemein ausgerichtetes betriebswirtschaftliches Bachelor-Studium, gefolgt von einem auf die Immobilienwirtschaftslehre spezialisierten Master-Studium oder einer vergleichbaren, berufsbegleitenden Weiterbildung, als sinnvoll.

    Transaktionsbasierter Ansatz als Implementierungsmuster

    Ein transaktionsbasierter Ansatz bietet ein Rahmenwerk für eine Implementierung von immobilienwirtschaftlicher Forschung und Lehre. Anders als bei Kämpf-Dern und Pfnür [24] dargestellt, fokussiert der Ansatz gerade nicht allein auf die Finanzwirtschaft, sondern umfasst als vollständiger Ansatz zur interdisziplinären und transaktionsbasierten Immobilienwirtschaftslehre den gesamten Bereich der speziellen Betriebswirtschaftslehre der Immobilie, des Immobilienportfolios und des -unternehmens [24].

    Das Immobilienmanagement rückt mit seiner interdisziplinären Koordinierungsfunktion als Führungsdisziplin der Immobilienwirtschaftslehre in den Mittelpunkt der Betrachtung. Da betriebswirtschaftliche Entscheidungen durch volkswirtschaftliche Analysen fundiert und rechtlich und steuerlich in Verträgen abgebildet werden, vervollständigt der immobilienwirtschaftlich relevante Teil der Disziplinen der Ökonomie und des Rechts den Ansatz interdisziplinär (vgl. Immobilienwirtschaftslehre I – Management, Kap. A1). V. a. die technischen Aspekte der Architektur und der Ingenieurwissenschaften runden das multidisziplinäre Bild ab.

    Immobilienrecht als Fokus des Interesses

    Im Folgenden sei der Gesamtansatz aller drei interdisziplinären Bereiche (Management – Ökonomie – Recht) geschildert. Der Fokus wird dabei in einem ersten Schritt auf das übergeordnete Konzept der speziellen Betriebswirtschaftslehre gelegt und die interdisziplinäre Immobilienökonomie sowie das Immobilienrecht eingeordnet. Sodann werden sowohl die multidisziplinären Fachschnittstellen kurz beschrieben als auch die notwendigen persönlichen Kompetenzen der Entscheidungsträger in Fragen von Führung und Verhalten. Einige Anmerkungen bezüglich der inhaltlichen Weiterentwicklung einer transaktionsbasierten zu einer transformationalen Immobilienwirtschaftslehre beschließen den Abschnitt.

    Im Folgeabschnitt 1.2.1 wird der Fokus des vorliegenden Bandes, das Immobilienrecht, als interdisziplinärer Bestandteil der Immobilienwirtschaftslehre gesondert gewürdigt als Teilbereich der Rechtswissenschaften und später als Teilbereich des transaktionsbasierten Ansatzes (Abschn. 1.3.4) beschrieben. Die Teilbereiche werden ausführlich erläutert (Abschn. 1.2.2). Im Folgekapitel 2 erfolgt abschließend eine Darlegung deren Umsetzung in diesem Werk.

    Managementperspektive im Kern des transaktionsbasierten Ansatzes

    Die Sichtweise der Immobilienwirtschaftslehre als spezielle Betriebswirtschaftslehre der Immobilie, des Immobilienportfolios sowie des -unternehmens legt es nahe, für das Fachgebiet eine Managementperspektive zu wählen, die von interdisziplinären Fachgebieten gestützt und von multidisziplinären Fachgebieten komplettiert wird. Neben solchem inter- und multidisziplinären Fachwissen (vorliegender Absatz) treten zudem vor dem Hintergrund des betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzips des ökonomischen Handelns persönliche Führungs- und Verhaltenskompetenzen (Folgeabschnitt 1.1.6) als integraler Bestandteil des Ansatzes (Abb. 1.2).

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    Abb. 1.2

    Transaktionsbasierte Immobilienwirtschaftslehre [25]

    Das Immobilienmanagement selbst befasst sich maßgeblich mit den vier folgenden Teilgebieten, die die Immobilie, das Immobilienportfolio und das Immobilienunternehmen aus jeweils unterschiedlicher Perspektive beleuchten:

    Unternehmensführung: Koordination und Steuerung des Immobilienunternehmens

    Lebenszyklus: Genese und Betrieb einer Immobilie im Zeitverlauf

    Strategie: Strategisches Management von Immobilien(-portfolien)

    Transaktion: Transferieren einer Immobilie/eines Immobilienportfolios/-unternehmens

    Unternehmensführung

    Unternehmensführung beschreibt die Notwendigkeit, eine immobilienwirtschaftliche Organisation in zielgerichteter Weise zu führen, d. h., ökonomisches Handeln im Sinne einer Gewinnmaximierung anzustreben. Die typische Aufteilung der Unternehmensführung der funktionalen BWL zur Erreichung dieses Ziels erfolgt so in die klassischen Funktionen von Planung (inklusive Zielplanung), Organisation, Implementierung und Kontrolle [26]. Die Funktion des Rechnungswesens als Informationsfunktion kann ebenso wegen ihrer hohen Bedeutung gesondert aufgeführt werden wie das Gebiet der Personalwirtschaft, das in einer prozessorientierten Sicht auch unter der Ausführungsfunktion zusammen mit der Organisationsfunktion subsumiert werden kann.

    Lebenszyklus

    Zur oben formulierten Zielerreichung bedarf es einer genauen Betrachtung des unterliegenden Gutes – der Immobilie und deren Lebensdauer– von Initiation bis gegebenenfalls zu ihrem Abriss. Der Lebenszyklus von Immobilien beginnt mit der ersten Phase der Projektentwicklung im eigentlichen Sinne. Diese reicht von der Projektinitiierung über die Projektkonzeption mit Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsberechnungen hin bis zur Projektkonkretisierung im Rahmen von Realisierungsentscheidungen und Vertragsabschlüssen. In einem weiteren Schritt erfolgen das Bauprojektmanagement sowie die Übergabe des fertiggestellten Gebäudes und darauf folgend die Bewirtschaftung im Rahmen des Facility Managements, das ansetzt in der Nutzungsphase und durchgeführt wird bis zu einem eventuellen Abriss respektive einer Umwidmung oder einer Revitalisierung des Gebäudes. Alle drei Phasen zusammen werden auch als ‚Projektentwicklung im weiteren Sinne‘ bezeichnet.

    Die Betrachtung des Lebenszyklus von Immobilien darf nicht losgelöst auf den Einzelfall, sondern muss im Rahmen der Betrachtung von Immobilien als Teil der Stadt- und Raumplanung erfolgen. Ein spezieller Fokus sollte unter den gegebenen Rahmenbedingungen auf die Perspektiven von Immobilien in Bezug auf deren Nachhaltigkeit, unter anderem im Sinne eines verlängerten Lebenszyklus, gelegt werden.

    Strategie

    Zur Erreichung des Unternehmensziels bedarf es zu allererst einer umfassenden Strategie auf diversen Ebenen in verschiedenen Situationen, die sich, je nach Marktakteur, unterschiedlich gestaltet: Diese reicht von der Betrachtung des Managements auf Objektebene hin bis zur Portfolio- respektive Investmentebene und beschreibt das strategische Management einer Immobilie oder eines Immobilienportfolios im Auftrag des Eigentümers, entsprechend seiner Anlagestrategie und Vehikelwahl, über den gesamten Investitionszeitraum mit dem Ziel, die Objekt- oder Portfolioperformance durch eine effiziente Prozesssteuerung und die Realisierung von Wertsteigerungspotenzialen zu optimieren. Der oben skizzierte generelle Investorenfall kann angewendet werden auf die Berücksichtigung der speziellen Belange von Unternehmen ohne immobilienwirtschaftlichen Fokus als Kernkompetenz im Rahmen des sogenannten Corporate Real Estate Managements (CREM) für ‚Non-Property-Companies‘ respektive im Rahmen des sogenannten Public Real Estate Managements für den Immobilienbestand der öffentlichen Hand. Das Management von immobilienwirtschaftlichem Privat- oder Familienvermögen mit dem Ziel der Gesamtvermögensoptimierung (Einkommens- oder sonstige Nutzenerträge) rundet das strategische Immobilienmanagement ab.

    Transaktion

    Die vorgenannten drei zeitraumbezogenen Aspekte der Unternehmensführung, des Lebenszyklus und der Strategie bilden die Grundlage für den Prozess der eigentlichen zeitpunktbezogenen Transaktion von Immobilien, Immobilienportfolien oder -unternehmen, dem vierten Aspekt der allgemeinen Perspektive des Immobilienmanagements. Dieser Prozess lässt sich generisch unterteilen in die Analyse und Bewertung von Immobilien, deren Investitionsrechnung, Finanzierung, Risikomanagement und Marketing:

    Analyse

    Die Immobilienanalyse verfolgt das Ziel, als Informationsinstrument das Erfolgspotenzial der physischen Immobilien selbst zu bestimmen. Hierfür stehen bestimmte Analysetypen zur Verfügung, wie etwa die Standortanalyse, die Marktanalyse oder die Objektanalyse. Im Rahmen von Wettbewerbsanalysen werden die vorbenannten Analysetypen zusammengefasst, um die relative Marktposition der untersuchten Immobilie zu Vergleichsimmobilien zu bestimmen.

    Bewertung

    Die Bewertung von Immobilien befasst sich, je nach Horizont der Analyse, mit nationalen oder internationalen Verfahren zu der Ermittlung eines Marktwertes im Sinne eines Verkehrswertes. In Deutschland regelt seit Mai 2010 die ‚Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV‘ die drei gängigen Wertermittlungsverfahren des Vergleichswertes (§ 15), des Ertragswertes (§ 17) sowie des Sachwertes (§ 21).

    Investitionsrechnung

    Die Investitionsrechnung für Immobilien definiert die Verwendung finanzieller Mittel zur Beschaffung von indirektem oder direktem Immobilienvermögen. Somit kann die Immobilieninvestition als spezielle und risikobehaftete Umwandlung von Eigen- und/oder Fremdkapital in Immobilienvermögen betrachtet werden. Dies geschieht anhand verschiedenartig risikobehafteter Investitionsstrategien im Kontext des Einsatzes nationaler oder internationaler Immobilienanlageprodukte unter der Zuhilfenahme von statischen und dynamischen Methoden der Investitionsrechnung.

    Finanzierung

    Die Finanzierung von Immobilien umfasst analog die Planung, Beschaffung, Steuerung und Kontrolle finanzieller Mittel. Grundsätzlich kann die Finanzierung nach Immobilienart (Wohn- sowie Gewerbeimmobilienfinanzierung) oder nach Fristigkeit (kurzfristige Finanzierungsinstrumente für Vor- und Zwischenfinanzierungen sowie mittel- und langfristige Finanzierungsinstrumente) differenziert werden. Es werden zudem herkömmliche Finanzierungsarten, wie das klassische Bankdarlehen, unterschieden von ‚innovativen‘ im Sinne von alternativen Finanzierungsinstrumenten, wie bspw. einer Finanzierung mit externem Beteiligungskapital (Bsp. für Eigenfinanzierungsinstrumente) oder Genussrechten (Bsp. für Mezzanine-Finanzierungsinstrumente). Im Rahmen der Immobilienfinanzierung ist ebenfalls die Refinanzierung von Hypothekendarlehen zu behandeln.

    Risikomanagement

    Risikomanagement für Immobilien – in der gewählten Begriffsauffassung sowohl als Gefahr als auch als Chance skizziert – kann als das negative und positive Potenzial einer Immobilieninvestition angesehen werden. Immobilien-Risikomanagement wird dabei als Steuerungskreislauf aufgefasst im Sinne des Formulierens einer Risikostrategie, der Identifikation von relevanten Risiken, der Risikoanalyse, -bewertung, -steuerung und des Risikocontrollings bei paralleler Dokumentation und Berichterstattung. Im Vordergrund stehen in der Regel die Methoden der Risikobewertung, vor allem Scoring- und Korrektur-Verfahren, Sensitivitäts-, Szenarien- und Simulationsanalysen sowie die Value-at-Risk-Methode.

    Marketing

    Das moderne Marketing für Immobilien schließlich umfasst sämtliche Aktivitäten der Marktbearbeitung und -gestaltung. Es beginnt bei der Marktbeobachtung (Marktforschung), geht über die Marktabgrenzung und Definition von strategischen Geschäftsfeldern, beinhaltet die Marktkommunikation (Werbung) ebenso wie den Marktabschluss (Sales Management) und endet bei der Realisierung des Leistungsversprechens. Das Immobilienmarketing beschränkt sich somit nicht nur auf eine vertriebsorientierte Betrachtung, sondern ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle marktrelevanten Planungen und Aktivitäten subsumiert.

    Immobilienarten und -institutionen

    Die betriebswirtschaftliche Perspektive des Immobilienmanagements kann ebenfalls aus der Perspektive sowohl von Immobilienarten als auch von Immobilieninstitutionen abgebildet werden.

    Die Perspektive der Immobilienarten erlaubt dabei die Unterscheidung nach den verschiedenen Nutzungsarten einer Immobilie, wie zum Beispiel die Nutzung von Wohnimmobilien und Nicht-Wohnimmobilien. Unter die letztgenannte Kategorie fallen dabei unter anderem Büro- und Verwaltungsimmobilien, Handelsimmobilien, Produktionsimmobilien/Lagerhallen, Logistikimmobilien, Hotelimmobilien, Freizeitimmobilien, Krankenhäuser, Pflegeheime und sonstige Sozialimmobilien sowie Infrastrukturimmobilien.

    Die Perspektive der Immobilieninstitutionen beschreibt wiederum deren jeweils spezielle Betrachtungsweise des Erkenntnisgegenstandes, also beispielsweise die Sichtweise von Projektentwicklern, Bauunternehmern, Finanzierern, Investoren, Nutzern, Beratern, der öffentlichen Hand sowie von sonstigen Dienstleistern, zu denen bspw. Architekten, Bauingenieure, Facility Manager, Notare oder Werbe- und Marketingagenturen gehören.

    1.1.5 Inter- und multidisziplinäres Fachwissen

    Interdisziplinäre Fachgebiete

    Die betriebswirtschaftliche Managementperspektive (vgl. weiterführend Immobilienwirtschaftslehre, Band I – Management) wird von den Disziplinen der Immobilienökonomie (vgl. weiterführend Immobilienwirtschaftslehre, Band II – Ökonomie) sowie des Immobilienrechts (vorliegender Band) interdisziplinär unterstützt.

    Wechselbeziehungen zwischen Immobilienmarkt und Makroökonomie

    In der Immobilienökonomie werden im Rahmen einer transaktionsbasierten Immobilienwirtschaftslehre vor allem die Wechselbeziehungen zwischen Immobilienmarkt und Makroökonomie behandelt, die Immobilienwirtschaft aus mikroökonomischer Perspektive im Sinne des Spannungsfeldes von staatlicher Regulatorik versus Markt untersucht, die Beziehungen von Immobilienmarkt und Kapitalmarkt beschrieben sowie Prognosen und Prognosemethoden für den Immobilienmarkt erläutert.

    Eine rechtliche und steuerliche Betrachtung, die sich der Immobilienwirtschaftslehre aus der Perspektive der Transaktion nähert, lässt sich konsequenterweise in die beiden großen Bereiche der Investition und der Finanzierung untergliedern. Im Investitionsbereich werden rechtliche und steuerliche Regelungen für Bestandsimmobilien, für Projektentwicklungen sowie für sogenannte (Rechtsfolgen auslösende) „in Schieflage geratene" Immobilien (‚Distressed Assets‘) erfasst.

    Privater Eigen- und Fremdkapitalbereich

    In Bezug auf Immobilienrecht und -steuern unterscheidet die Finanzierung in privates und öffentliches Eigen- und Fremdkapital:

    Im privaten Eigenkapitalbereich findet eine rechtliche und steuerliche Behandlung von Vehikeln wie offenen Immobilienfonds, geschlossenen Immobilienfonds sowie Private-Equity-Fonds statt. Im öffentlichen Eigenkapitalbereich werden bspw. Immobilien-Aktiengesellschaften und REITs (sowie Maßnahmen der Kapitalerhöhung oder des -ersatzes) untersucht sowie Bilanzfragen und Eigenkapitalanforderungen nach Basel II/III erörtert oder aber eine Ausdehnung der Immobilieninvestition über die Landesgrenzen hinweg im Rahmen steuerlicher Betrachtungen grenzüberschreitender Transaktionen vorgenommen.

    Im privaten Fremdkapitalbereich werden rechtliche und steuerliche Gegebenheiten der Akquisitionsfinanzierung, der strukturierten Finanzierung sowie der Projektfinanzierung untersucht, der öffentliche Bereich wird vor allem durch Unternehmensanleihen sowie deren steuerliche Behandlung abgebildet.

    Multidisziplinäre Fachgebiete

    Multidisziplinäre Fachgebiete werden im transaktionsbasierten Ansatz als im Immobilienkontext relevante angrenzende Fachbereiche anerkannt. Sie unterscheiden sich von den interdisziplinären Fachgebieten, da sie als eigenständige Disziplinen nicht dem Koordinationsmechanismus der speziellen Betriebswirtschaftslehre der Immobilie, des Immobilienportfolios und des -unternehmens unterliegen. Jedoch liegen diese, aufgrund ihrer ihnen eigenen hohen Bedeutung und aufgrund ihrer Entfernung vom eigentlichen Erkenntnisgegenstand, nicht im Fokus der immobilienwirtschaftlichen Betrachtung im engeren Sinne.

    In diesem Zusammenhang seien beispielhaft die Architektur, die Ingenieurwissenschaften, Stadt- und Raumplanung, die Politikwissenschaft oder aber auch die Informationstechnologie (‚IT‘) respektive die elektronische Datenverarbeitung (‚EDV‘) genannt (siehe weiterführend Abschn. 1.3.4.3). Ein Ausschnitt weiterer multidisziplinärer Fachgebiete mit Bedeutung für die Immobilienwirtschaftslehre kann in Immobilienwirtschaftslehre, Band I – Management, Kap. A1 im Rahmen der Klassifikation der Einteilung der Wissenschaften nach der Dewey-Dezimalklassifikation in der derzeit aktuellen 22. Ausgabe ‚DDC 22‘ eingesehen werden.

    1.1.6 Persönliche Führungs- und Verhaltenskompetenz

    Betriebswirtschaftlich erfolgsrelevant sind nicht nur Fach- und Methodenwissen…

    Zur Erreichung des betriebswirtschaftlichen Ziels des ökonomischen Handelns, v. a. im Rahmen einer Gewinnmaximierung, sind nicht ausschließlich Fachwissenselemente relevant. Je mehr eine Persönlichkeit in der Unternehmenshierarchie aufsteigt, desto mehr treten deren persönliche Kompetenzen in den Vordergrund, die sich grob in den beiden Kategorien der Verhaltens- und der Führungsfähigkeiten widerspiegeln.

    …sondern v. a. persönliche Führungs- und Verhaltenskompetenz

    Abbildung 1.3 stellt beide Säulen, als Teil des transaktionsbasierten Ansatzes in der Übersicht mit den jeweils wichtigsten Unterpunkten vor.

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    Abb. 1.3

    Führungs- und Verhaltenskompetenz in der transaktionsbasierten Immobilienwirtschaftslehre [27]

    Elemente der Verhaltenskompetenz

    Elemente der persönlichen Verhaltenskompetenz zielen auf das individuelle Agieren im Rahmen von Beziehungen zu verschiedensten Anspruchsgruppen, bspw. zu Vorgesetzten, Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten. Sie spielen sich auf der persönlichen Ebene ab und sollen gewährleisten, vorhandenes Fachwissen optimal ein- und umzusetzen, um so in einer Transmitterfunktion den fachbedingten Teil des ökonomische Handelns als betriebswirtschaftliche Rationale auch zum gewünschten Erfolg zu führen. Einfacher ausgedrückt: Fach- und Methodenwissen alleine reicht häufig bei weitem nicht aus, es muss dem Gegenüber auch gut vermittelt werden. Dies startet bspw. bei Techniken der Kommunikation, Rhetorik und Präsentation, geht aber weiter in die Verhandlungsführung. Eine solche wird nicht nur bspw. für den Verkaufsfall benötigt, sondern auch für den Mediations-, Kritik- und Konfliktfall sowohl gegenüber Dritten als auch im eigenen Team.

    Eng mit der Verhaltens- sind somit die Elemente der persönlichen Führungskompetenz verbunden.

    Elemente der Führungskompetenz

    Zur Unternehmensführung gehört einmal ein methodischer Bausteinkasten an Fachwissen, bspw. in den Bereichen Planung, Organisation, Implementierung und Kontrolle, aber auch z. B. Rechnungslegung oder Personalwirtschaft (siehe Abb. 1.2). Mindestens ebenbürtig allerdings sind die persönlichen Führungskompetenzen , also Wille, Fähigkeit und Umsetzungsstärke, Verantwortung zu übernehmen für das anvertraute Unternehmen, die Belegschaft, die Produkte und die Kunden.

    Dazu gesellen sich Führungskompetenzen aus dem Bereich der Strategie (= Führungsbefähigung; „doing the right things; „effektiv handeln) und der operativen Umsetzung (= Managementbefähigung; „doing things right; „effizient handeln). Oder um es in den Worten von Peter Drucker zu beschreiben:

    It is fundamentally the confusion between effectiveness and efficiency that stands between doing the right things and doing things right. There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all. [28]

    Dem Feld der persönlichen Führungskompetenzen als einem maßgeblichen Baustein des transaktionsbasierten Ansatzes seien im Folgenden einige ausführliche Gedanken gewidmet, um die Wichtigkeit dieses Themas für jedes Unternehmen – vor allem in der mittelständisch geprägten, heterogenen und organisational höchst unterschiedlichen Immobilienindustrie – zu untermauern:

    Problemstellung „Führung"

    […] Wenn Unternehmen in ernste Schwierigkeiten geraten, liegt das […] in 90 Prozent aller Fälle nicht an mangelndem Fachwissen, sondern an mangelnder persönlicher Führungskompetenz und Fehlern in der Kommunikation. [29]

    Sollte diese Einschätzung zutreffen, hat die deutsche Immobilienwirtschaft eine durch ihre organisationale Struktur verursachte nicht zu unterschätzende Herausforderung, die sie bisher nicht adäquat adressiert hat. Bereits 1958 schrieb Roy Lewis:

    Wir wissen mehr über das Denken, die Gewohnheiten und die intimsten Geheimnisse der Ureinwohner Neuguineas als über die Bewohner der Chefetage im Unilever House. [30]

    Was für die Wirtschaft im Allgemeinen damals und sicherlich auch noch in Teilen heute zutraf und -trifft, ist in der Immobilienwirtschaft vermutlich noch ausgeprägter vorzufinden:

    Babylonisches Disziplinen-Sprachgewirr

    Denn die Immobilienwirtschaft unterscheidet sich in ihren Eigenschaften substanziell von der allgemeinen Wirtschaft respektive anderen Industriesektoren: Kaum eine Branche ist so sehr geprägt vom multidisziplinären Zusammenspiel verschiedenster Teildisziplinen, zeichnet sich durch eine so hohe Produktheterogenität und somit Komplexität aus und bietet damit eine so hohe Vielfalt an Spezialbereichen. Dies lässt sich bspw. an der Anzahl der verschiedensten Berufsbilder und dem ‚babylonischem Sprachgewirr‘ der verschiedenen Disziplinen ablesen. Ebenso verfügt kaum eine andere Branche über eine derart ausgeprägte Kapitaldimension und Langfristigkeit in deren -disposition.

    Dies führt dazu, dass in der Immobilienindustrie Fehler von Einzelentscheidern sehr langfristige Auswirkungen haben können, die auch mehrere Manager-Generationen überdauern können. Diese Branche verlangt aufgrund ihrer Multidisziplinarität mit teilweise widersprechenden Zielsetzungen von ihren Entscheidern, dass sie die so vorprogrammiert entstehenden größeren Konflikte zu lösen und Interessen in Übereinklang zu bringen haben.

    Führung ist aufgrund hoher voluntaristischer Entscheiderfreiheitsgrade (im Gegensatz zu in Gänze hoch regulierten deterministischen Industrien) und der zuvor skizzierten hohen Produktspezifität bei gleichzeitiger -heterogenität in höherem Maße notwendig als in anderen Branchen: Selbst der größte Generalist überschaut nicht mehr die Einzeldisziplinen, die notwendig sind, ein größeres Immobilienvorhaben umzusetzen. Daher sind Führungs- und Verhaltenswissen immer erfolgskritischer in Zeiten, in denen sich auch die deutsche Immobilienwirtschaft von einer privatwirtschaftlich betriebenen hin zu einer kapitalmarktorientierten institutionellen Industrie wandelt. Die Krisen der nahen Vergangenheit, an denen die Finanz- und Immobilienwirtschaft direkt oder indirekt beteiligt waren, verdeutlichen im besten Sinne Druckers die Wichtigkeit strategischer Führung.

    Herausforderungen persönlicher Führungs- und Verhaltenskompetenz in der Immobilienwirtschaft

    Es soll daher in der Folge dargelegt werden, welchen speziellen Herausforderungen persönliche Führungs- und Verhaltenskompetenz für das betriebswirtschaftliche Auswahlprinzip der Immobilienwirtschaftslehre dem ökonomischen Handeln, gegenübersteht, also vor allem der Maximierung der Eigenkapitalrentabilität.

    These

    Führung (Effektivität ; versus Management: Effizienz ) ist in der Immobilienwirtschaft noch herausfordernder und mit höheren Anforderungen versehen als in anderen Industrien aufgrund der organisationalen Heterogenität der Branchenmitglieder (inter-organisational) und der Multidisziplinarität der v. a. mittelständisch organisierten Branche (intra-organisational) mit sich jeweils teilweise widersprechenden Auswahlprinzipien der Teilbranchen sowie einer vorherrschenden, sich vor allem an Transaktionsergebnissen orientierenden, Führungskultur.

    Praxis

    85 % aller neu geschaffenen Arbeitsplätze in der EU entstanden laut Pressemitteilung der EU-Kommission zwischen 2008 und 2010 im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Dieses Verhältnis ist nicht nur für Europa erstaunlich. KMU stellen besonders für Deutschland das Fundament der Industrie dar, was auch für die größte deutsche Teilindustrie, die Immobilienindustrie, gilt. Marktmacht und vollständig vertikal integrierte Unternehmen gibt es praktisch nicht. Die Anforderungen an Bau, Betrieb und Transaktion sind so vielfältig, dass es vieler verschiedener Disziplinen und damit unterschiedlicher unternehmerischer Organisationsformen bedarf, um der bebauten Umwelt gerecht zu werden. Nicht nur intraorganisationalen Führungsstrukturen kommt hier hohe Bedeutung zu, sondern auch der Führung interorganisationaler Strukturen auf immobilienwirtschaftlicher Projektebene. Dass dies häufig nicht optimal funktionieren kann, zeigen v. a. komplexe Großprojekte wie das Frankfurter ‚Squaire‘, der Berliner Flughafen, die Hamburger Elbphilharmonie oder der Stuttgarter Hauptbahnhof. Ein Indikator ist hier bspw. neben der finanziellen und zeitlichen Dimension die hohe Frequenz des Austausches bedeutender Führungspersönlichkeiten oder Projektpartner.

    Vernachlässigung interorganisationaler Führung

    Zwar werden Führungsstrukturen intraorganisational als wichtig erkannt und mit mehr oder weniger Erfolg geprägt, doch wird der zentrale Bereich der interorganisationalen Führung i. d. R. völlig vernachlässigt. Die einzige immobilienwirtschaftliche Literatur zu diesem Thema kam schon früh Anfang der 1990er vom Verband der Projektsteuerer, der das Thema an zentraler Stelle in den Pflichtenheften verortet weiß. Dass die multidisziplinäre Immobilienbranche nicht nur „disziplinäre" Sprachprobleme hat und ein Architekt einen BWLer nicht versteht oder der BWLer nicht den Wirtschaftsgeographen oder dieser nicht den Juristen, sondern dass auch die Unterschiedlichkeit der Organisationsformen, vom Konzern über den familiengeführten nationalen Projektentwickler, die internationale juristische Partnerschaft oder die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bis hin zum Ein-Mann-Bewertungsbetrieb, eine Rolle für die reibungsfreie Funktionalität der Immobilienwirtschaft spielt, hat den Eingang in die Leadership- und Management-Trainings in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, Großbritannien oder den USA oft noch nicht gefunden: Die Breite der Einzeldisziplinen mit ihren jeweils anderen Auswahlprinzipien und Entscheidungsrationalen ist allgegenwärtig und wirkt durch ihre Dimension komplex und erschlagend auf den Einzelentscheider.

    Dieser scheitert daher oft nicht an disziplinärer inhaltlicher Fachkompetenz, sondern an einem persönlichen Mangel der Fähigkeit der intra- und v. a. interorganisationalen Führung, häufig im Verbund mit wenig ausgeprägter Verhaltenskompetenz (heute oft als ‚emotionale Intelligenz‘ bezeichnet).

    Dass Mitarbeitern als Ressource und deren Führungsfähigkeiten in der Immobilienwirtschaft eine zentrale Bedeutung zukommt, beschreibt Lee [31] treffend mit:

    One of the little known but perhaps most significant future and long-lasting impacts on the real estate industry may not be access to capital, supply/demand imbalance, or lack of job creation – it may be the looming shortage of qualified, experienced talent, and leadership.

    Er skizziert weiterhin die eigentlichen Führungskräfte als Persönlichkeiten, die für ihre organisationale Stabilität in Erinnerung bleiben werden und nicht für ihren Kurzfristerfolg:

    The founder(s), CEOs, and retiring company leaders will be remembered not for the deals they make 10, 15, or 20 years before, but for the financial health, operating standards, and quality of the organization or enterprise they leave.

    So wendet sich Lee auch ab von einem rein transaktionalen Verständnis der interdisziplinären Immobilienwirtschaftslehre:

    Leadership within the real estate industry has often been defined by titles, transactional events, and ownership. Very little has been defined by behavior, experimentation, innovation, and a driving need to create demand where demand did not formerly exist. [31]

    Dass diese Denkweise trotz ihrer hohen nachgewiesenen Bedeutung in die Praxis noch keinen Eingang gefunden hat, zeigt, dass die relevanten deutschen Verbände (ICG, ZIA, gif, RICS, ULI etc.), die dies vertreten müssten, sich dem Thema bis dato noch nicht intensiv genähert haben respektive sich derzeit noch mit Vorstufen wie „human resource management oder „compliance beschäftigen.

    Forschung

    Nicht nur die immobilienwirtschaftliche Praxis, auch die immobilienwirtschaftliche Forschung stellt ein Befassen mit führungs- und verhaltenswissenschaftlichen Fragestellungen hinten an.

    Industrieimmobilienspezifische Ausarbeitungen der Wissenschaft zu diesem Thema finden sich im internationalen Kontext lediglich in zwei neueren Werken von Ferguson [32] und Lee [31], beides praxisorientierte Autoren: Während Ferguson in seinem Werk „Keepers of the Castle: Real Estate Executives on Leadership and management über 150 Interviews mit Führungskräften aus den sechs wichtigsten immobilienwirtschaftlichen Teildisziplinen in Bezug auf Führungs- und Verhaltensfragen auswertet und diese in den historischen Kontext der Entwicklung des US-Amerikanischen Immobilienmarktes stellt [32], beschäftigt sich Lee in „Transformational Leadership in the new age of Real Estate vor allem mit der Frage, ob Führung in der Immobilienwirtschaft eher transaktional oder transformational ist oder sein sollte [31]. Beide Werke sind klar nicht auf die betriebswirtschaftlich handwerklichen Methoden wie Investitionsrechnung, Rechnungswesen oder Personalmanagement ausgerichtet, sondern auf persönliche Führungskompetenzen von Führungskräften der Immobilienwirtschaft und den Chancen bei deren Einsatz respektive den Gefahren bei deren Fehlen.

    Forschung zu Führungsfragen in der deutschen Immobilienwirtschaft

    In Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren lediglich Diederichs [33] auf wissenschaftlichem Niveau mit Führungsfragen in der Immobilienwirtschaft befasst in seinem Werk „Führungswissen für Bau- und Immobilienfachleute" [33]. Allerdings wurden hier betriebswirtschaftliche Methoden auf die Immobilien- und Bauwirtschaft angewandt, nicht aber die persönliche Ebene der Führungskraft selbst untersucht. Forschung über personenbezogene Führungskompetenzen in der Immobilienwirtschaft findet im deutschen Sprachraum gegenwärtig nahezu nicht statt – ein Zustand, der dringend der Änderung bedarf [34].

    Das dies bis dato nicht geschehen ist, ist der Tatsache geschuldet, dass die Forschung der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre – und somit auch der speziellen Betriebswirtschaftslehren wie der Immobilienwirtschaftslehre – seit etwa Mitte der 1990er Jahre der bedrohlichen Fehlentwicklung überbordender Mathematisierung unterliegt: Diese wird nur sehr schleppend korrigiert und dies auch erst nach der wirtschaftlichen Katastrophe der immer noch andauernden Finanzkrise und ihrer Konsequenzen. Aus der „herzlichen Umarmung der Mathematik wurde laut Princeton-Forscher Alan Binder eine „blinde Verliebtheit und schließlich schlug diese in Besessenheit um [35]. Der Freiburger Ökonom Viktor Vanberg kommentiert, dass „das Werkzeug (…) zunehmend bestimmt, „welchen Fragen man sich zuwendet [36]. 83 maßgebliche Professoren der Volkswirtschaftslehre beschrieben in einem Aufruf in der F.A.Z. [37], dass die Methode, Ergebnisse komplett vorab in den jeweiligen Annahmen reflektiert zu sehen „(…) formale Rigorosität garantiert; dieses Vorgehen „aber für die Analyse realweltlicher Wirtschaftspolitik wenig geeignet sei [37].

    Lehre

    Auch die immobilienwirtschaftliche Lehre befasst sich höchstens im Rahmen allgemeiner Teile universitärer Studiengänge mit ‚Leadership‘-Fragen; ein spezieller Fokus wird bisher an fast allen Hochschulen in Deutschland in den spezialisierten Programmen in Aus- und Weiterbildung nicht gelegt – obwohl gerade dies gefordert wird: Führungs- und verhaltenswissenschaftliche Komponenten werden häufig als Stückwerk wie ‚Corporate (Social) Responsibility ‘, ‚Nachhaltigkeit ‘, ‚Soft Skills‘ oder ‚Compliance und Governance‘ in die Curricula gepresst; eine echte Integration im Sinne einer Anwendung oder eines modulübergreifenden Lehr- und Prüfungskonzeptes findet oft nicht statt.

    Dieses isolierte Einfügen philosophischer respektive verantwortungs- oder nachhaltigkeitsbezogener curricularer Elemente im Nachgang zum Ausbruch der Finanzkrise bezeichnete Sattelberger in 2012 im Interview mit Schwertfeger als kosmetische „Tünche, da sich sonst ja nichts substantiell ändert" [38]. Ein rein aus Marketinggesichtspunkten verändertes Curriculum richtet sehr wahrscheinlich sogar mehr Schaden an als ein im Original verbliebenes Curriculum, da hier zumindest klar ist, dass es Gefahren gibt und wo diese genau liegen.

    Im Gegensatz zu in der inhaltlichen Breite aufgestellten MBA-Programmen, die sich an ein nicht betriebswirtschaftlich vorgebildetes Publikum ohne methodischen Tiefgang richten und eher auf Netzwerke und Marken-Name der Universität in ihren eigentlichen Kernprogrammen setzen, von denen man sich Spillover-Effekte auf die vorgenannten Programme verspricht, liefern deutsche und auch viele europäische immobilienwirtschaftliche Masterprogramme inhaltlichen und methodischen Mehrwert. Sattelberger [39] bezeichnet die MBAs US-amerikanischer Herkunft so auch etwas überspitzt als „lebendige Leichen, die ihren Zenit überlebt hätten, sowie als „ideologische Transportvehikel des Finanzkapitalismus. Deren Teilnehmer skizziert er als „Barbies und Kens im einheitlichen Businesslook, die die Wirtschaftsweisheiten der Vergangenheit predigten, aber keine kreativen, multidisziplinären individuellen Antworten für Herausforderungen der Zukunft hätten. „Bildung, Verlässlichkeit und nachhaltiges Wirtschaften kämen nämlich eine wesentlich höhere Bedeutung zu als dem Shareholder-Value [39].

    Fazit und Maßnahmenplan

    Die Anwendung von führungs- und verhaltenswissenschaftlichen Methoden hat aufgrund der speziellen Herausforderungen der Immobilienindustrie (Atomisierung, Multidisziplinarität, Interessenvielfalt etc.) hohe intra- und interorganisationale Hürden zu meistern.

    Das Thema ist in der Praxis als ‚best practice‘ teils mehr teils weniger gut gelebt, in der Lehre weitestgehend missachtet oder als curriculare Schönfärberei seit 2008 nur punktuell integriert und damit abgespeist sowie in der Forschung unpopulär, da nicht mathematisch genug und somit nicht publikationsfähig.

    Als Maßnahmenplan kann es nur die Forderung nach einer Umsetzung einer ernst gemeinten Integration von führungs- und verhaltenswissenschaftlichen Fragestellungen in die betriebs- und immobilienwirtschaftlichen Curricula geben. Dass dies eine Gesamtänderung der Ausrichtung der Programme nach sich zieht, ist selbsterklärend und wahrscheinlich vorerst nicht von allen Stakeholdergruppen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gewünscht, da dies – zumindest in der Betriebswirtschaft und somit auch in der Immobilienwirtschaft – ein Abweichen vom Auswahlprinzip des ökonomischen Handelns im Sinne einer reinen (kurzfristigen) Eigenkapitalrentabilitätsmaximierung bedeuten würde. Würden dies die Opportunity und Hedge Funds und die hinter diesen stehenden Versicherungs- und Pensionskassen und letztlich die am Anfang der Kette stehenden Einzahler, der viel zitierte ‚Lehrer aus Ohio‘ mit seinem monatlichen 30 USD-Einzahlungsbeitrag, akzeptieren?

    Curriculare Schönfärberei

    Reines ‚window dressing‘ und ‚curriculare Schönfärberei‘ werden aber die Probleme, denen die BWL im Allgemeinen und die Immobilienwirtschaft im Besonderen ausgesetzt sind, nicht lösen.

    Ein Prozess des Umdenkens ist notwendig hin zu einer Integration von Führungs- und Verhaltenswissen in die Lehre in den gesamten berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildungslebenszyklus, in die Forschung durch Fokussierung auf den Bereich der Unternehmensführung in der Immobilienwirtschaft und in die Praxis durch Aufnahme des Themas durch die führenden immobilienwirtschaftlichen Industrieverbände.

    1.1.7 Idealbild einer transformationalen Immobilienwirtschaftslehre

    1.1.7.1 Überblick

    Sowohl der Aufbau des vorliegenden Werkes als auch der gesamten vierbändigen Grundlagenreihe ‚Immobilienwirtschaftslehre – Management, Ökonomie, Recht, Technik‘ erfolgt im Rahmen und unter der Philosophie eines transaktionsbasierten Ansatzes, da als Paradigma die Transaktion selbst im Immobilienmanagement als der maßgebliche Blickwinkel auf die Immobilienwirtschaft erachtet wird aufgrund des Auswahlprinzips der Wirtschaftswissenschaften – dem ökonomischen Handeln. Dies gilt gerade und umso mehr als für jede andere Industrie für die kapital- und v. a. fremdkapitalintensive Immobilienwirtschaft, da sie mit ihren Substanzwerten weltweit für die Fremdkapitalseite eine Sicherheiten- und Schutzfunktion bietet.

    Transaktion kein Selbstzweck

    Nun ist die Transaktion als solches allerdings kein Selbstzweck und kann, bei Setzung falscher Anreize, die Ergebnisse ökonomischen Handelns verzerren oder aber zu einer Nichterreichung der Zielsetzung führen – gerade aufgrund der Eigenschaften der Immobilie als heterogenes, kapitalintensives und langlebiges, kurzfristig angebotsunelastisches und damit zyklisches Investitionsgut.

    Die Immobilienwirtschaft kann im Status Quo – obwohl dies empirisch noch nicht unterlegt werden konnte – sicherlich in Bezug auf Unternehmensführung als transaktional beschrieben werden mit den einhergehenden Nebeneffekten [40]. Ähnlich wie in anderen Industrien bietet eine Erweiterung des transaktionalen Ansatzes zu einem transformationalen Ansatz Chancen, die selbst gesteckten Zielsetzungen vor allem mittel- bis langfristigen ökonomischen Handelns zu erreichen. Aus diesem Grunde wird in der Folge kurz skizziert, was genau die Grundaussagen des Konzeptes der transformationalen Führung sind, wie transaktionale Führung unter anderem durch das Setzen der richtigen Anreize im Rahmen von Verträgen zu einem Konzept der transformationalen Führung erweitert werden kann und welche Implikationen dies in der Anwendung auf die Immobilienwirtschaft hat.

    1.1.7.2 Grundaussagen und Wege der Erweiterung

    Unterschiede transaktionaler zu transformationaler Führung

    Transaktionale und transformationale Führung unterscheiden sich maßgeblich. Beide Führungsstile sind für die Immobilienwirtschaft relevant und sollen daher in der Folge voneinander abgegrenzt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Immobilienwirtschaft derzeit und ebenso historisch von einem transaktionalen Leitbild beherrscht wird, sich in einer Selbsteinschätzung allerdings bereits weiterentwickelt sieht hin zu transformationalen Führungsstilen [41].

    Transaktionale Führung als ‚natürliches‘ organisationales Führungsformat einer transaktionsgetriebenen Immobilienwirtschaft beruht auf dem Prinzip von ‚Leistung‘ und ‚Gegenleistung‘, bspw. im Sinne der Veräußerung eines Gebäudes oder eines Portfolios sowie der variablen Kompensation dieser Leistung für das Top-Management und darunter befindliche Managementstufen durch Erreichen einer hohen oder das vereinbarte Maß mindestens erreichenden Eigenkapitalrentabilität.

    Menschliche Rohstoffe

    Das transaktionale Führungsmodell postuliert so einen sozialen Austauschprozess zwischen Führungskräften und Geführten. Indem der Mitarbeiter Vereinbarungen und Verhaltensregeln einhält und den Führungskräften Anerkennung, Respekt und Gehorsam entgegenbringt, erhält dieser im Zuge einer ‚Transaktion‘ eine entsprechende Gegenleistung in Form von ‚bedingter Belohnung‘ wie Grundgehalt, variables Zusatzgehalt oder Beförderung. Die transaktionale Führung ist ein klassisches und erfolgreich umgesetztes Modell, das jedoch den Nachteil eines falschen Bildes eines Mitarbeiters birgt, in dem diese als ‚human resources‘, als menschliche Rohstoffe, betrachtet werden. Herles bezeichnet Exemplare, die es hier übertreiben, auch als ‚insecure overachievers‘ [42].

    Eine Transaktion selbst induziert einen hohen Aktivitätsgrad, doch kann man auch weniger aktives Verhalten von Führungskräften als ‚transaktional‘ beschreiben, wie bspw. praktiziert bei der weiter unten beschriebenen Vorstufe des ‚Management by Exception ‘, da Leistung und Gegenleistung dadurch erreicht werden, dass der Vorgesetzte nur in dem Ausnahmefall eingreift, in dem Prozesse nicht wie geplant umgesetzt werden. Ansonsten werden diese ‚laufen gelassen‘, um Leistung und Gegenleistung effizient austauschen zu können.

    Extrinsische und intrinsische Motivation

    Transaktionale Führungsstile sprechen tendenziell eher die kurzfristige extrinsische als die intrinsische Motivation der Geführten an im Sinne der Etablierung einer ökonomischen Austauschbeziehung, also v. a. variierende und erfolgsabhängige respektive performancebezogene Vergütungsmodelle.

    Transformationale Führungsstile beinhalten transaktionale Elemente, gehen aber deutlich über diese hinaus. Kernelement ist, Mitarbeiter dazu zu bewegen, die Ziele und Werte einer Organisation zu verinnerlichen, d. h., es stehen eher langfristige und grundlegende intrinsische Motivatoren im Vordergrund, die kurzfristigen Leistungszielen vorangestellt werden.

    Augmentationseffekt

    Dies bewirkt bei Mitarbeitern eine höhere Selbständigkeit, Flexibilität, Loyalität und Leistungsbereitschaft, was wiederum die Basis für Leistung ist, die über die aus rein extrinsischer Motivation zu erwartende Leistung hinausgeht. Diesen Beitrag transformationaler über die transaktionale Führung hinaus bezeichnet Bass als Augmentationseffekt . Er führt aus, dass transformationale Führung die Effektivität transaktionaler Führung erhöht, aber diese nicht substituiert. Er bemerkt, dass „the best leaders are both transformational and transactional" [43].

    Führungskräfte müssen daher wesentlich mehr tun, als lediglich Ziele zu vereinbaren und für transaktionalen Austausch zu sorgen. Sie müssen bestimmte persönlichkeitsbezogene Führungs- und Verhaltenskompetenzen entwickeln, um bessere und nachhaltigere Ergebnisse zu erzielen. Nicht ein transformationaler Führungsstil allein, sondern die Kombination beider Führungsstile stellt in Aussicht, optimale Verhaltensweisen zu generieren und damit überlegene Ergebnisse zu erzielen.

    Maslow’sche Bedürfnispyramide

    Transformationale Führung versucht so die Integration von Mitarbeiterbedürfnissen gemäß der Maslow’schen Bedürfnispyramide : Transformationale Führungskräfte sind in der Lage, die Motivation, Werte und Überzeugung der Mitarbeiter zu erkennen und diese im Sinne der Bedürfnispyramide von einer niedrigeren auf eine höhere Reifestufe zu transformieren. Dem Verhalten der Führungskraft („Charisma"), der von ihr ausgehenden Inspiration und intellektuellen Stimulierung kommt ebenso ein Gewicht zu wie der individuellen Mitarbeiterorientierung.

    Abbildung 1.4 stellt in einer Übersicht den Zusammenhang von verschiedenen Ebenen der Leistungsbereitschaft zu verschiedenen Häufigkeiten der Anwendung transformationalen Verhaltens durch den Vorgesetzten dar. Es wird unterschieden zwischen einem empirisch sehr häufig auftretendem passiven Führungsstil mit aktiver Kontrolle (Management by Exception), der nur in Ausnahmefällen eingreift, einem aktiveren auf Leistungsaustausch beruhendem Führungsstil (Transaktionale Führung) sowie einem sehr aktiven und managementintensiven Führungsstil, der auf intrinsischen Motivatoren beruht und die vorigen Führungsstile ergänzt und vervollständigt mit dem Ziel der höheren Leistungsbereitschaft (transformationale Führung).

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    Abb. 1.4

    Treiber transaktionaler und transformationaler Führung [44]

    Idealisiertes Mitarbeiterverhalten

    Abbildung 1.5 skizziert im Überblick, wie ein idealisiertes Verhalten von Mitarbeitern durch ein vorgelebtes Verhalten von Vorgesetzten erreicht werden kann.

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    Abb. 1.5

    Verhalten von Mitarbeitern erreichen durch Vorleben durch die Führungskräfte [45]

    Ziel ist eine höhere Produktivität durch höhere Kunden-, aber auch höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Persönliche Verhaltenskompetenzen von Mitarbeitern betreffen deren Loyalität, Lernbereitschaft, Teamgeist, Selbstdisziplin, Verantwortung und Leistungsbereitschaft und beruhen auf der Vorbildfunktion des Vorgesetzten, die Mitarbeiter zu inspirieren und zu Leistung zu stimulieren.

    Ebenso sollen unternehmerisches Handeln (‚Innovation‘) gefordert und Kompetenzen entwickelt (‚Enabling‘) werden bei gleichzeitiger ständiger fairer Kommunikation (‚Consideration‘) des Vorgesetzten (siehe auch Abb. 1.2 in Abschn. 1.1.4 sowie die weiteren Ausführungen hierzu in Abschn. 1.1.6)

    1.1.7.3 Relevanz und Implikation für die Immobilienwirtschaft

    Deutsche Topmanager halten deutsche Führungskultur für überholt

    Eine Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums und der ‚Initiative Neue Qualität der Arbeit‘, in der 400 Führungskräfte in Tiefeninterviews befragt wurden, stellt heraus, dass selbst deutsche Top-Manager im September 2014 die deutsche Führungskultur für überholt halten, sie gefährde gar den Wirtschaftsstandort Deutschland. Stile, die rein auf Unternehmensrendite und -hierarchie abzielten, seien nicht mehr Ziel führend, sich selbst organisierende Netzwerke mit kooperierenden und emphatischen Führungskräften, die Mitarbeiter über Wertschätzung, Entscheidungsfreiräume und Eigenverantwortung motivieren und sie zu mehr Innovation animieren das zukünftige Modell [46].

    ‚Deal-bezogenes‘ Verhalten

    Indirekt werden hier exakt die Wesenseigenschaften transformationaler Führung beschrieben. Die Probleme, die für die deutsche Unternehmenswelt im Allgemeinen gelten, gelten ebenso und ggf. sogar verstärkt für die deutsche Immobilienwirtschaft, da diese mit ihrem Transaktionsgeschäft ein natürliches Umfeld für rein transaktionale Führung der oben skizzierten Prägung ist. In der Immobilienwirtschaft besteht die latente Gefahr, dass das Verhalten ‚deal-bezogen‘ ist und sich rein auf denselben fokussiert und Arbeitsverträge in der variablen Komponente genau so geschlossen werden.

    Hohlräume oder Umbauten?

    Es geht den Handelnden häufig weniger um die Graaskamp’schen ‚voids‘, also die Hohlräume, in denen sinnvolle Wertschöpfung betrieben wird, sondern um die Veräußerung der ‚solids‘, der Umbauten des Raums, im Rahmen von Fee-Business und somit einer Beteiligung an der Wertschöpfung bei Verkauf, an denen die Beteiligten variabel partizipieren [47].

    Oft stehen nicht langfristige Sinn stiftende und finanzierungs- und transaktionswürdige Konzepte im Vordergrund des Interesses für die Unternehmen. Diese sind in der Immobilienwirtschaft auch schwierig und selten zu erreichen, da die Immobilie selbst nur die Hülle darstellt, in der ein Business Plan umgesetzt wird. Doch wie schon Lee oben beschreibt, sind es nicht die Transaktionsaspekte, wegen derer man sich im Nachgang an Unternehmensvorsteher erinnert, sondern Aspekte organisationaler und transformationaler Natur.

    Dieses Gesamtwerk „Immobilienwirtschaftslehre‟ postuliert die Entwicklung von einer transaktionalen zu einer transformationalen Führungskultur für die Immobilienwirtschaft aufgrund deren Heterogenität und Multidisziplinarität (Komplexität) sowie der massiven Zukunftsauswirkungen der getroffenen Management-Entscheidungen.

    Ein ausschließlich transaktionales Verständnis kurzfristiger Shareholder-Value-Maximierung herrscht in der Regel vor, eine Weiterentwicklung und ein Bewusstmachen zu einem Verständnis einer ‚transformationalen Immobilienwirtschaftslehre‘ wäre hingegen erstrebenswert.

    1.1.8 Weiterentwicklung und Zusammenfassung des transaktionsbasierten Ansatzes

    Transaktion als ‚DNS‘ der Immobilienwirtschaft

    Die interdisziplinäre, transaktionsbasierte Immobilienwirtschaftslehre stellt den derzeitig in allen Dimensionen maßgeblichen wissenschaftlichen Ansatz der Immobilienwirtschaft dar. Dieser sollte künftig zu einem transformationalen Ansatz weiterentwickelt werden. Fundament und ‚DNS‘ der Immobilienwirtschaft allerdings wird immer die Transaktion des Immobilienbestandes sein, also der Fokus auf Lebenszyklus, Strategie und Transaktion im Rahmen des Immobilienmanagements.

    Der transaktionsbasierte Ansatz wurde in der Zeit von 2006 bis 2007 in den Grundzügen entwickelt und formuliert und in die hier vorliegenden Reihe ‚Immobilienwirtschaftslehre: Management – Ökonomie – Recht – Technik‘ eingebracht. Weiterentwicklungen des in Band I ‚Immobilienwirtschaftslehre – Management‘ formulierten Ansatzes finden sich in Band II ‚Immobilienwirtschaftslehre – Ökonomie‘ sowie in diesem vorliegenden Band III ‚Recht‘ [48]. Der besseren Übersichtlichkeit halber sollen die wesentlichen Weiterentwicklungen in der Folge skizziert werden, um die Abgrenzung zu den Vorgängerbänden zu verdeutlichen und zu erleichtern. Neben marginalen Ergänzungen, Präzisierungen und Vereinheitlichungen in Bezug auf den Stand der sich ständig weiterentwickelnden immobilienwirtschaftlichen Forschung im Ovid’schen für die Wissenschaft interpretierten Sinne der ‚Zwerge auf den Schultern von Riesen‘, finden vor allem Erweiterungen statt, die die Immobilienwissenschaft und deren Untersuchungsgegenstand, die Immobilienwirtschaft mit dem Immobilienbetrieb und seinen angeschlossenen Produkten und Dienstleistungen, nicht nur auf Fach- und Methodenwissen beschränken, sondern um Wissen im Bereich der persönlichen Verhaltens- und Führungskompetenzen vervollständigen.

    Weiterentwicklung des transaktionsbasierten Ansatzes

    Alle Änderungen im Vergleich zum 2011er Original des oben zitierten ersten Bandes der Reihe, das die Forschung der Jahre 2006 bis 2010 erstmals in Druckfassung wiedergibt, seien im Folgenden kurz skizziert (Abb. 1.6):

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    Abb. 1.6

    Transaktionsbasierte Immobilienwirtschaftslehre: Weiterentwicklung des Ansatzes im Zeitverlauf [49]

    Unterschiedliche Visualisierung der Bereiche Institutionen, Arten, Ökonomie und Recht: ‚Leer‘-Kästchen symbolisieren die Bereiche als übergeordnet, denen weitere untergeordnete Bereiche zugehörig sind, die aus Platz- und Übersichtlichkeitsgründen nicht aufgeführt werden.

    Es wird dezidiert von Fachwissen gesprochen (in Abgrenzung zu den neu aufgenommenen persönlichen Kompetenzen).

    Der Ansatz wurde um persönliche Führungs- und Verhaltenskompetenzen mit jeweils vier gebündelten Unterdimensionen erweitert.

    Das methodische Fachwissen ‚Führung‘ wurde in ‚Unternehmensführung‘ umbenannt, um es von den ‚persönlichen Führungskompetenzen‘ abzugrenzen.

    Zu dem multidisziplinären Fachwissen wurden die wichtiger werdenden Gebiete der IT und der EDV aufgenommen.

    Der Managementbereich ‚Strategie‘ wurde analog der Definition der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung zum ‚Real Estate Investment Management‘ neu ausgerichtet: Die Felder ‚Portfolio‘ und ‚Objekt‘ wurden ersetzt durch die Felder ‚Investmentebene‘, ‚Portfolioebene‘ und ‚Objektebene‘ [50].

    Der Managementbereich ‚Transaktion‘ wurde präzisiert und vereinheitlicht: Der Begriff der ‚Investition‘ wurde ersetzt durch den Begriff der ‚Investitionsrechnung‘. Der besseren Ordnung halber können die Investmentvehikel respektive Immobilienanlageprodukte in künftigen Auflagen des ersten Bandes ‚Management‘ sodann unter dem neu entstandenen Bereich der ‚Strategie: Investmentebene‘ abgehandelt werden.

    Zusammenfassung

    Der Entwicklung von wissenschaftlichen Paradigmen kommt in der Evolution wissenschaftlicher Disziplinen eine besondere Bedeutung zu. Die für das theoretische Fundament der Immobilienwirtschaftslehre prägenden Paradigmen sind die mit Immobilien in Zusammenhang stehende Multidisziplinarität, die Einbettung in die Institutionenökonomie und die neoklassische Ökonomie, die in ihrer Weiterentwicklung wiederum die Berücksichtigung von verhaltensorientierten Aspekten ermöglicht.

    Der transaktionsbasierte Ansatz – mit seiner potenziellen Weiterentwicklung im Führungsbereich zu einem transformationalen Ansatz – stellt eine Möglichkeit dar, diese verschiedenen Paradigmen in solcher Form zu gewichten, dass sie ein sinnvolles Rahmenwerk für die Implementierung eines immobilienwirtschaftlichen Forschungs- und Lehrcurriculums an einer Business School bzw. an einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät bieten. Dieses Vorgehen entspricht somit dem Setup des überwiegenden Teils der weltweit angebotenen immobilienwirtschaftlichen Master- oder MBA-Programme mit Spezialisierungsanteil auf Immobilienwirtschaft, nämlich einer Verortung an einer Business School [51].

    Dieses immobilienwirtschaftliche Grundlagenwerk gliedert sich entsprechend analog zum Ansatz der transaktionsbasierten Immobilienwirtschaftslehre. In den beiden nächsten Kap.​ 2 und 3 wird in der Folge aus verschiedenen Perspektiven die spezielle Rolle des Immobilienrechts für die Immobilienwirtschaftslehre beschrieben – und damit die inhaltliche Struktur des vorliegenden Werkes.

    1.2 Immobilienrecht in den Rechtswissenschaften: Ein Überblick

    1.2.1 Struktureller Aufbau der Rechtswissenschaften

    Rechtsordnung

    Die Rechtswissenschaften – oder auch Jurisprudenz (aus dem lat.: iuris prudentia : ‚des Rechtes Klugheit‘; Plural: ‚iura‘ = die Rechte) – werden im Deutschen in der Regel im Plural genannt und bezeichnen die Wissenschaften, deren Erkenntnisgegenstand das Recht – im Sinne von Aufstellen und Durchsetzen von Regeln des zwischenmenschlichen Zusammenlebens – ist (siehe vertiefend für das industriespezifische Immobilienrecht Abschn. 1.3.3). So sind die Rechtswissenschaften

    […] die Disziplinen, die die Erforschung des Rechts mit dem Ziel der erläuternden Darstellung und Kritik durch Interpretation (Auslegung) und Argumentation zum Gegenstand haben. [52]

    Grundlegend für dieses Werk ist ein Verständnis der Disziplinen der Rechtsgeschichte, der Rechtsphilosophie, der Rechtstheorie, der Rechtspolitik sowie der Rechtssoziologie. Die vorgenannten Bereiche werden zusammen mit der Rechtsdogmatik und der Methodenlehre auch im Plural als Rechtswissenschaften bezeichnet und daher auch in diesem Werk wie vorbezeichnet verwendet.

    Hermeneutik als Methode

    Die vorherrschende Methode dieses v. a. geisteswissenschaftlichen Fachgebietes ist die Hermeneutik , also die Textauslegung . Und so ist die zentrale Disziplin unter den Rechtswissenschaften, die häufig fälschlicherweise schlechthin als die Rechtswissenschaft bezeichnet wird, die Rechtsdogmatik, die zum Inhalt die begriffliche Analyse und systematische Durchdringung der Rechtsquellen hat. Doch gibt es daneben noch weitere Gebiete, teilweise mit anderen Forschungsmethoden, so bspw. die Rechtspolitik, die vergleichende Rechtswissenschaft, die Rechtsphilosophie mit den beiden Bereichen der Rechtstheorie sowie der Rechtsethik und die (in weiten Teilen sogar empirische) Rechtssoziologie .

    In Bezug auf inhaltliche Fragen des deutschen Rechtssystems oder der deutschen Rechtsordnung kann in eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, teilweise nicht überschneidungsfreier und voneinander abgrenzbarer Rechtsgebiete unterteilt werden [53].

    Um der Zielsetzung dieses Werkes gerecht zu werden, soll daher zu allererst eine Übersicht über die klassischen Rechtsgebiete vorgenommen werden, bevor sodann alle Gebiete, die das über viele Gesetze, Normen und Verordnungen verstreute Immobilienrecht betreffen, der bestehenden und anerkannten Systematik zugeordnet werden sollen.

    Unterteilung der deutschen Rechtsordnung

    Die deutsche Rechtsordnung ist für den Rechtskreis der Bundesrepublik herkömmlich in das öffentliche Recht und das Privatrecht aufgeteilt (vgl. näher Abb. 1.7). Die Zuweisung eines Rechtsgebietes zu den beiden großen juristischen Teilbereichen des Privatrechts (auch: ‚Zivilrecht‘ oder ‚Bürgerliches Recht‘) und des öffentlichen Rechts ist wichtig für die Frage, welche Gesetze Anwendung finden, welche Institution gesetzgebend tätig wird und welche Gerichtsbarkeit angerufen wird, so z. B. ein ordentliches bürgerlich-rechtliches⁴ oder ein öffentlich-rechtliches Verwaltungsgericht.

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    Abb. 1.7

    Systematisierung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland [54]

    Grundsätzlich gilt, wenn eine gleichgeordnete Ebene aufeinander trifft, also z. B. zwei Privatpersonen untereinander, gilt privatautonome Selbstbestimmung und somit Privatrecht (auch bei privatwirtschaftlichen Unternehmen, nicht nur bei Privatpersonen)⁵. Ist der Staat als Träger hoheitlicher Gewalt involviert, hat er also das Recht, seine Stellung zu exekutieren, gilt in der Folge ein Über- oder Unterordnungsverhältnis – und somit öffentliches Recht. Dies ist relevant, da der Staat auch bspw. als Mieter oder Käufer auftreten kann und sodann kein hoheitliches, sondern lediglich sog. ‚schlicht-hoheitliches‘ Handelns vorliegt und in diesem Falle Privatrecht Anwendung findet [55].

    Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen

    ‚Recht‘ und ‚Rechtsprechung‘ und das wissenschaftliche Auseinandersetzen mit Recht und Rechtsprechung, die Rechtswissenschaften, befassen sich in ihren verschiedenen Facetten mit der Vielgestaltigkeit und Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen in gesellschaftlichen, sozialen und auch wirtschaftlichen Bereichen. Daher ist es notwendig, bestimmte Verhaltensweisen mit Geboten und Verboten zu versehen oder sie mit Folgen zu verknüpfen [56]. Diese sind in einer Ordnung zu systematisieren, die aufgrund der Komplexität der Materie nicht eindeutig darstellbar sein kann und die selbst unter Juristen kontrovers diskutiert wird.

    Herrscht noch Einigkeit, dass die beiden übergeordneten Rechtsgebiete in Analogie zum römischen Recht das öffentliche (‚ius publicum ‘ = Verhältnis des Staates zum Bürger) und das Privatrecht (‚ius privatum ‘ = Verhältnis der Bürger untereinander) sein müssen, so gibt es zur weiteren Untergliederung verschiedenste Thesen.

    In der Folge sei eine Systematisierung gewählt, die sich an der herrschenden Meinung orientiert, welche neben dem öffentlichen Recht im eigenen Sinne zwei in sich selbständige Rechtsgebiete sieht, die weiterhin öffentlichen Charakter tragen, nämlich das Staats- und Verfassungsrecht sowie das Strafrecht. Das Verfassungsrecht – die rechtliche Grundlage der Bundesrepublik – sowie das Strafrecht sind Teilbereiche des öffentlichen Rechts. Jedoch ist diese Zuordnung strittig, und sie werden häufig aufgrund ihrer prominenten Stellung auch separat aufgeführt.

    Recht der Kaufleute

    Ebenso wird immer wieder ein weiterer Bereich gesondert hervorgehoben, der die Gesamtheit aller unterliegenden Rechtsnormen regelt, die staatliche Verfahren betreffen, das Verfahrens- und Prozessrecht. Neben diesem Gesamtbereich des öffentlichen Rechts wird das Privatrecht (auch: Zivilrecht oder Bürgerliches Recht) gestellt, das sich in das allgemeine Privatrecht und das Sonderprivatrecht unterteilen lässt; hier vor allem das Handelsrecht ,

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