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Energieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbe: Energietechnische Optimierungskonzepte für Unternehmen
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Energieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbe: Energietechnische Optimierungskonzepte für Unternehmen
eBook1.384 Seiten10 Stunden

Energieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbe: Energietechnische Optimierungskonzepte für Unternehmen

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Über dieses E-Book

Ein wesentlicher Anteil der in Deutschland benötigten Endenergien entfällt auf die Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Wegen der Vielfalt der dort eingesetzten Maschinen- und Anlagentechniken sowie Fertigungsverfahren stellen sich besondere Anforderungen an Fachleute, die mit den Aufgaben des Energieeinsatzes in Betrieben betraut sind. Das vorliegende Buch benennt zahlreiche Möglichkeiten der Energieeinsparung unter technischen Gesichtspunkten.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum1. Apr. 2020
ISBN9783658232047
Energieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbe: Energietechnische Optimierungskonzepte für Unternehmen

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    Buchvorschau

    Energieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbe - Martin Dehli

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    M. DehliEnergieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23204-7_1

    1. Einleitung

    Martin Dehli¹ 

    (1)

    Hochschule Esslingen, Esslingen, Deutschland

    1.1 Anstieg der Primärenergieproduktivität

    Deutschland hat auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz auf vielen Gebieten erhebliche Fortschritte gemacht. Das Bewusstsein für die Bedeutung eines sparsamen Umgangs mit Energie begann sich anlässlich der ersten Ölpreiskrise 1973/1974 herauszubilden: Die Sorge um drastische Verteuerungen und mögliche Versorgungsengpässe löste zahlreiche Aktivitäten aus, die vor allem von Ingenieuren aufgenommen wurden. Inzwischen hat sich die Notwendigkeit zur Steigerung der Energieeffizienz nicht nur in Industrie und Gewerbe, sondern auch bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung fest verankert. Einige Zahlen belegen dies eindrucksvoll: Setzt man das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt – also die Wertschöpfung in Deutschland – im Jahr 1990 zu 100 %, so stieg dieser Wert seit der Wiedervereinigung bis 2016 auf rund 147 %; demgegenüber verringerte sich im gleichen Zeitraum der Einsatz von Primärenergieträgern um etwa 10 % und der Einsatz von Endenergieträgern um mehr als 5 %. Dies bedeutet, dass im Jahr 2016 im Vergleich zu 1990 die Primärenergieproduktivität um über 63 % und die Endenergieproduktivität um knapp 55 % erhöht werden konnten [1].

    Inzwischen ist ein weiteres Argument für mehr Energieeffizienz hinzugekommen: die Begrenzung des anthropogenen Klimawandels. So soll gemäß dem 2015 geschlossenen internationalen Klimaabkommen von Paris bis zum Jahr 2100 nur eine mittlere globale Temperaturerhöhung von höchstens 2 Grad Celsius, besser noch nur 1,5 Grad Celsius angestrebt werden [2]. Deutschland will hierzu bis 2050 durch ein stärker nachhaltiges Energiesystem beitragen – allerdings unter der Voraussetzung, dass das Energiesystem gemäß den Zielsetzungen der Bundesregierung auch „sicher und bezahlbar" bleibt.

    1.2 Verbesserung der Energieeffizienz als Teil der Energiewende

    Der bisherige Verlauf der Energiewende wird von Energiefachleuten als nur teilweise sinnvoll beurteilt: Beispielsweise seien zu viele Investitionen in den Umbau der Kraftwerksstruktur in Richtung Grünstromerzeugung geflossen, wobei zugleich ein erheblicher vorzeitiger Wertverlust bei den bestehenden Kraftwerks- und Netzstrukturen aufgetreten sei. Die finanziellen Mehrbelastungen – hauptsächlich als Umlage gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, in steigendem Ausmaß aber auch als Bestandteil der Netzkosten und als Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung – hätten zwischen 2013 und 2017 rund 160 Milliarden Euro betragen [3]. Es sei also bisher nicht gelungen, dem Ziel der „Bezahlbarkeit" voll Rechnung zu tragen. Hinzu komme, dass das Ziel, die Sicherheit der Stromversorgung beizubehalten, mit dem wachsenden Anteil von Grünstrom schwieriger werde.

    Dagegen sei der Verbesserung der Energieeffizienz in vielen Bereichen der Energieanwendung zu wenig Aufmerksamkeit zuteilgeworden; dort hätte man mit geringeren Mitteln mehr Werte schaffen können. Deshalb wäre es wohl sinnvoll, bei der Energiewende im Stromsektor ein langsameres Tempo einzuschlagen und mehr Augenmerk auf das Ziel einer Verbesserung der Energieeffizienz in den vier Energieanwendungssektoren Industrie, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, Haushalte und Verkehr zu lenken.

    Die Bundesregierung hat die Zielsetzung einer weiteren Verbesserung der Energieeffizienz vergleichsweise spät in ihr politisches Programm aufgenommen: Es dauerte bis zum Ende des Jahres 2014, bis mit dem „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz" eine entsprechende Initiative vorgestellt wurde. Allerdings wird dabei die Thematik der weiteren Erhöhung der Energieeffizienz zugleich mit dem Erfordernis verknüpft, dass mit ihr auch offene Fragen der Stromwende zu lösen seien. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) teilte dazu mit [4]:

    Die umweltfreundlichste und günstigste Kilowattstunde ist die, die wir gar nicht erst verbrauchen. Deshalb beruht die Energiewende darauf, die Energieeffizienz zu steigern, den Energieverbrauch zu senken und die erneuerbaren Energien weiter auszubauen, um die verbleibende Nachfrage abzudecken. Unser Ziel ist es, den Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 … bis 2050 zu halbieren. Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) ist ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Energieeffizienzpolitik in Deutschland … 3 Zielsetzungen der Energieeffizienzpolitik sind hierbei zentral. Es geht darum: die Energieeffizienz im Gebäudebereich voranzubringen, Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell zu etablieren und die Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz zu erhöhen.

    1.3 Förderfähige Konzepte; Ratgeber zur Energieeffizienz

    Die Beschlüsse der Bundesregierung zur finanziellen Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen halten sich bisher in Grenzen. Eine Ausnahme stellen zum Beispiel zinsgünstige Kredite der staatlichen Förderbank KfW dar: Bei einer Finanzierung mit einem KfW-Förderkredit etwa können bis zu 25 Millionen Euro finanziert werden; diese Finanzierung enthält einen nichtrückzahlbaren Tilgungszuschuss von bis zu 40 % der Investitionsmehrkosten. Benötigt das Unternehmen keinen Kredit, kann es einen ähnlich attraktiven Investitionszuschuss nutzen (Stand 2018; [5]).

    Die Deutsche Energie-Agentur (dena) ist ein Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme. Als „Agentur für angewandte Energiewende" trägt die dena zum Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung bei, wobei sie nach ihrem Selbstverständnis entsprechende Lösungen entwickelt und in die Praxis umsetzt. Um diese im Effizienzmarkt zu etablieren, initiiert die dena Netzwerke, Kompetenzzentren und Motivationskampagnen, die sich für mehr Energieeffizienz einsetzen; entsprechende Schriftenreihen sind z. B. auf die Verbesserung der Energieeffizienz von Querschnittstechnologien ausgerichtet.

    Zudem übernimmt die dena als Geschäftsstelle die wissenschaftliche und organisatorische Begleitung der Plattform Energieeffizienz, die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) eingerichtet wurde. Ziel ist es, zum Erreichen der nationalen und europäischen Energieeffizienzziele beizutragen. In dieser Plattform sind Wirtschafts-, Verbraucher- und Umweltverbände, Gewerkschaften, Energieagenturen sowie Bundes- und Länderministerien vertreten [6].

    1.4 Grünbuch Energieeffizienz

    Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) veröffentlichte 2016 ein „Grünbuch Energieeffizienz" [7]: Dort wird in einer These 1 gefordert, Kosten und Nutzen von Energieeffizienzmaßnahmen gegenüber Alternativen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (sogenannte Dekarbonisierung) abzuwägen. Energie, die eingespart werde, müsse nicht erzeugt, gespeichert, transportiert und bezahlt werden; dadurch würden die Kosten der Energiewende sinken. In einer These 2 wird postuliert, dass in Planungs- und Steuerungsprozessen mit zu bedenken sei, welchen Beitrag das Energiesparen für den Erfolg der Energiewende leisten könne. Die Energiewende müsse stärker von der Nachfrageseite gedacht werden; der tatsächliche Energiebedarf habe die Ausgestaltung des Energiesystems zu bestimmen. In These 3 wird die Einführung eines Energieeffizienzgesetzes vorgeschlagen, da für das Handlungsfeld Energieeffizienz bisher kein übergreifender Rechtsrahmen existiere; dabei könnten z. B. auch die nationalen Effizienzziele gesetzlich verankert werden.

    In These 4 wird gefordert, die Instrumente zur Steigerung der Energieeffizienz weiterzuentwickeln. Das bisherige Instrumentarium habe eine Steigerung der Energieeffizienz in vielen Bereichen ermöglicht; dennoch müsse es fortentwickelt und ergänzt werden, um den Primärenergieverbrauch bis 2050 zu halbieren. Zu den dabei zu bewältigenden Herausforderungen gehörten die verringerten Anreize für das Energiesparen, die sich aus niedrigen Energiepreisen ergäben. Ebenso bestehe die Notwendigkeit, den Energieverbrauch nicht nur relativ, sondern auch absolut zu senken. Mögliche ergänzende Instrumente würden etwa in die Kategorien Preissteuerung, Mengensteuerung und Ordnungsrecht fallen. Gemäß These 5 müsse die Entwicklung des Energiedienstleistungsmarktes stärker vorangetrieben werden, um Energieeffizienzpotenziale zu erschließen – z. B. durch Beratungen und Contracting-Lösungen.

    In den Thesen 6 und 7 geht es darum, dass sich nationale und europäische Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz ergänzen müssten, wobei dies auch bedeuten könne, verbindliche Zielvorgaben auf europäischer Ebene zu vereinbaren. In These 8 wird thematisiert, dass die Verringerung von Treibhausgasemissionen in den Energiesektoren Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, Industrie und Verkehr den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien erfordere, um in diesen Sektoren fossile Brennstoffe und Kraftstoffe zu ersetzen. Hierzu wird gemäß These 9 eine Sektorkopplung angestrebt, bei der mit wenig erneuerbarem Strom Wärme, Kälte und Antriebsenergie effizient bereitgestellt werden solle. These 10 hebt auf eine Flexibilisierung des Stromsystems ab, da Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrokessel im Sinne von Energiespeichermöglichkeiten flexible Verbraucher seien und diese „Sektorkopplungstechnologien" ihre Stromnachfrage künftig an das Wind- und Solarstromangebot anpassen könnten; damit werde ein Ausgleich zum fluktuierenden Stromangebot aus erneuerbaren Energien möglich. Entsprechend These 11 sollten alle Endenergieverbrauchssektoren einen angemessenen Beitrag zu den Kosten der Defossilisierung leisten, d. h. zu den Kosten, die zur Umstellung der Stromerzeugung von fossilen auf erneuerbare Quellen notwendig seien.

    Mit den Thesen 12 bis 14 wird auf die Digitalisierung eingegangen, die neue Möglichkeiten für Mehrwertdienste und Effizienzdienstleistungen eröffne. Neue Geschäftsmodelle sowie Organisations-, Mess- und Steuerungsoptionen für Verbraucher und industrielle Prozesse würden den Energieeinsatz optimieren; Digitalisierung und der Einsatz von erneuerbaren Energien würden die Kostenstruktur der Energieerzeugung hin zu geringeren Energie- und mehr Leistungskosten verändern; eine langfristig angelegte Effizienzstrategie müsse dies berücksichtigen, um Fehlanreize für einen überhöhten Energieverbrauch zu vermeiden. Auch werde die Digitalisierung zum Ausgleich der Energienachfrage mit einer dezentralen und schwankenden Energieerzeugung beitragen.

    Diesen Thesen stehen marktliberale Auffassungen gegenüber, die es für sinnvoll erachten, dass beim Thema Energieeffizienz staatliche Eingriffe so gering wie möglich sein sollten. Seit etwa vier Jahrzehnten hätten unter dem Zwang zur Rationalisierung und Kosteneinsparung vor allem Großbetriebe zahlreiche Möglichkeiten genutzt, die Betriebsabläufe zu straffen und dabei auch zahlreiche Energieeinsparungsmaßnahmen zu verwirklichen. Dennoch sei der Spielraum zur Energieeinsparung noch nicht voll ausgenutzt; nach wie vor seien zahlreiche wirtschaftlich lohnende Einsparpotenziale vorhanden, die sich mit einem vertretbaren technischen und finanziellen Aufwand erschließen ließen. Vor allem bei kleineren und mittelgroßen Betrieben, die im Gegensatz zu Großbetrieben nicht über einen Stab eigener Energieingenieure verfügen könnten, lasse sich der spezifische Energieverbrauch noch weiter senken.

    1.5 Energieeffizienz als Ziel von Industrie und Gewerbe

    Zu den genannten Zielen der Bundesregierung hat eine Reihe von Institutionen und Verbänden der Wirtschaft Stellung genommen: z. B. die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) und der VfW – Verband für Wärmelieferung e. V. In deren Stellungnahme von 2016 [8] heißt es:

    Tatsächlich zeigen Szenarien zur Energiewende, dass eine nennenswerte Verringerung des Primärenergieverbrauchs durch die Erhöhung der Energieeffizienz die Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich die Zusatzkosten für den künftigen Umbau der Strom-Infrastruktur – Kraftwerke, Netze und Speichertechniken – einigermaßen in Grenzen halten. Gelingt es nicht, weitgehende Effizienzsteigerungen in allen Sektoren umzusetzen, ist eine vollständige Energiewende frühestens im Jahr 2150 erreichbar. Auch muss weltweit etwa die Hälfte der Treibhausgasreduzierungen durch Energieeffizienzmaßnahmen bewirkt werden. Entsprechend ist der Beitrag der Energieeffizienz zur Defossilisierung sogar größer als der der erneuerbaren Energien und verstärkt diesen nicht bloß. Die Bundesregierung strebt an, bis 2050 … die Energieproduktivität um jährlich 2,1 % zu erhöhen … Diese Sichtweise stimmt mit dem Konzept der EU-Kommission überein, die Energieeffizienz als mit der Erzeugung gleichberechtigte „Energiequelle" zu betrachten. Damit soll ein volkswirtschaftliches Optimum zwischen Maßnahmen auf der Energieangebots- und auf der Energienachfrageseite geschaffen werden, um die Energiewende mit dem größten Nutzen und den geringsten Kosten umzusetzen.

    Aus Sicht von DENEFF und VfW sind zur erfolgreichen Verwirklichung der Energiewende die folgenden, ineinandergreifenden Maßnahmen erforderlich:

    Systemoptimierung durch Energieeffizienzmaßnahmen entsprechend ihrer Wirtschaftlichkeit:

    Es sei zu prüfen, ob eine Steigerung der Energieeffizienz eine volkswirtschaftlich bessere Option darstelle als der Zubau von Versorgungsinfrastrukturen; die jeweils sinnvollste Maßnahme sei umzusetzen. Die Förderung von Energieeffizienzinnovationen solle verbessert werden.

    Praktische Ergebnisse von Effizienzmaßnahmen: Maßstab für die Förder- und Ordnungspolitik:

    Die Förder- und Ordnungspolitik habe sich an den praktischen Ergebnissen von Energieeffizienzmaßnahmen zu orientieren; die tatsächlich erreichten Effizienzsteigerungen seien nachzuweisen … Einzelne Technologien dürften dabei nicht einseitig begünstigt werden; die verwendeten Technologien dürften keine Rolle spielen – wesentlich sei das Ergebnis.

    Abbau von Marktbarrieren:

    DENEFF und VfW sind der Auffassung, dass die umfassende Beseitigung von Barrieren und die Reform bestehender Umlagen und Abgaben Vorrang haben sollen. Mengen- und Preissteuerungsmodelle sollten vermieden werden – darunter auch eine vom „Grünbuch Energieeffizienz" ins Spiel gebrachte Preisindexierung von Energiesteuern: Der zufolge sollte bei einem Sinken der Energiepreise die verlorene Anreizwirkung durch einen dynamisch steigenden Steuersatz kompensiert werden. Dem widersprechen DENEFF und VfW: Richtig sei zwar, dass die Wirtschaftlichkeit von Einsparmaßnahmen mit den Energiepreisen sinke und umgekehrt, jedoch bleibe die Nachfrage nach Energieeffizienzlösungen auch bei höheren Ölpreisen weit hinter den wirtschaftlichen Potenzialen zurück, weil aufgrund von Barrieren der Markt im Energiebereich nicht idealtypisch funktioniere und Preise nur eingeschränkt wirksam seien, solange diese Markthemmnisse dominant seien. Zudem seien die Energiekosten nur ein Faktor; für die Wirtschaftlichkeit spiele das Zinsniveau eine fast ebenso große Rolle. Entsprechend sollten prioritär Barrieren für Energieeffizienz systematisch beseitigt werden und eine Rückverteilung von Energieabgaben so stattfinden, dass diese einen substanziellen Beitrag zur Steigerung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz leisten könnten. Wesentlich sei daher eine Reform bestehender Abgaben und Steuern.

    Qualitätssicherung und Qualifizierung:

    Laut DENEFF und VfW seien Qualitätssicherung und Qualifizierung voranzutreiben. Damit die teilweise sehr komplexen Energieeffizienzlösungen exzellent umgesetzt würden, sei eine Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive nötig, denn professionelle Energiedienstleister spielten im Bereich der Qualitätssicherung eine wichtige Rolle.

    Digitalisierung nutzen:

    Die Digitalisierung solle genutzt werden, um die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen einfacher zu machen sowie Transaktions-, Opportunitäts- und Risikokosten zu senken.

    Literatur

    1.

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: BMWi – Energiedaten und -szenarien. https://​www.​bmwi.​de/​Navigation/​DE/​Themen/​energiedaten-und-szenarien

    2.

    1,5 °C globale Erwärmung – Der IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Bemühungen zur Beseitigung von Armut. Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, DLR Projektträger, Bonn 2018. de-ipcc@dlr.​de |www.​de-ipcc.​de The report – IPCC www.​ipcc.​ch/​report/​sr15/​

    3.

    Bericht nach § 99 BHO über die Koordination und Steuerung zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Herausgeber: Bundesrechnungshof Bonn 2018. www.​bundesrechnungsh​of.​de

    4.

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz – BMWi 2014. https://​www.​bmwi.​de/​Redaktion/​.​.​.​/​nationaler-aktionsplan-energieeffizienz​-nape.​html

    5.

    Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): KfW-Förderung: Überblick über Fördermittel und Zuschüsse. https://​www.​kfw.​de/​inlandsfoerderun​g/​Unternehmen/​Energie-Umwelt/​F%C3%B6rderprodukte/​F%C3%B6rderprodukte-(S3).​html

    6.

    Deutsche Energie-Agentur (dena): https://​www.​dena.​de/​

    7.

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Grünbuch Energieeffizienz 2016. https://​www.​bmwi.​de/​Redaktion/​DE/​.​.​.​/​gruenbuch-energieffizienz-august-2016.​html

    8.

    Noll, C.; Schmees, V. u. a.: Stellungnahme der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (Deneff) und des VfW – Verband für Wärmelieferung e. V. zum Grünbuch Energieeffizienz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Berlin und Hannover 2016.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    M. DehliEnergieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23204-7_2

    2. Ordnung hat ihren naturgesetzlichen Preis

    Martin Dehli¹ 

    (1)

    Hochschule Esslingen, Esslingen, Deutschland

    2.1 Fortlaufende Entwertung der Energie

    Mit dem „Ersten Hauptsatz der Thermodynamik" haben Robert Mayer, James Prescott Joule und Hermann von Helmholtz (Abb. 2.1) um die Mitte des 19. Jahrhunderts den alten Menschheitstraum von der Gewinnung unerschöpflicher Energie – dem „Perpetuum mobile erster Art" – zur Illusion erklärt: Energie wird weder geschaffen noch vernichtet – sie wird lediglich umgewandelt [1].

    ../images/438308_1_De_2_Chapter/438308_1_De_2_Fig1_HTML.jpg

    Abb. 2.1

    James Prescott Joule (links); Robert Mayer (Mitte); Hermann von Helmholtz (rechts)

    Rudolf Clausius (Abb. 2.2 links) hat rund zwei Jahrzehnte danach präzisiert: Nichts geht an Energie verloren, aber ein Teil der Energie wird bei Energieumwandlungsvorgängen für „konstruktive mechanische, thermische, chemische und biologische Zwecke unbrauchbar und am Ende von Energieumwandlungsvorgängen ist die – zuvor geordnete und damit wertvolle – Energie für eine weitere Nutzung nicht mehr zu verwenden, weil sie in einen ungeordneten Zustand übergegangen ist. Demgemäß ist auch ein „Perpetuum mobile zweiter Art unmöglich. Clausius gelang es, die Zunahme der Unordnung mithilfe einer Zustandsgröße zu quantifizieren, die er als „Entropie" bezeichnete.

    ../images/438308_1_De_2_Chapter/438308_1_De_2_Fig2_HTML.jpg

    Abb. 2.2

    Rudolf Clausius (links); Ludwig Boltzmann (Mitte); Georg Wilhelm Friedrich Hegel (rechts)

    Dies ist die Konsequenz des „Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik", des sogenannten Entropiesatzes: Obwohl die Menge der Energie in einem abgeschlossenen System vollständig erhalten bleibt, sagt dies noch nichts über ihre Verfügbarkeit. Die zur Überwindung von Reibung notwendige Arbeit lässt sich praktisch nicht mehr zurückgewinnen – sie wirkt wie Wärme und erhöht nur die innere Energie von Stoffen – meist auf einem Temperaturniveau, das in der Nähe der Umgebungstemperatur liegt und damit unbrauchbar ist. Wärme fließt von selbst immer nur in eine Richtung – vom Stoff mit der höheren Temperatur zum Stoff mit der niedrigeren Temperatur, nie umgekehrt. Deshalb werden in fernster Zukunft alle Vorgänge im abgeschlossenen System Weltall beim sogenannten Wärmetod auf Niedrigtemperaturniveau zum Stillstand kommen [1].

    Der Physiker Ludwig Boltzmann (Abb. 2.2 Mitte) schuf im Jahr 1877 die Verbindung zwischen dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Er kam mit wahrscheinlichkeitstheoretischen und kombinatorischen Argumenten zu dem Schluss, dass der Übergang zum thermischen Gleichgewicht und die damit verbundene Erhöhung der Entropie einem Übergang von einem unwahrscheinlicheren zu einem wahrscheinlicheren Zustand entspricht: „Der Anfangszustand wird in den meisten Fällen ein sehr unwahrscheinlicher sein, von ihm wird das System immer wahrscheinlicheren Zuständen zueilen, bis es endlich den wahrscheinlichsten, d. h. den des Wärmegleichgewichts, erreicht hat. Wenden wir dies auf den Zweiten Hauptsatz an, so können wir diejenige Größe, welche man gewöhnlich als die Entropie zu bezeichnen pflegt, mit der Wahrscheinlichkeit des betreffenden Zustandes identifizieren."

    2.2 Von der Ordnung zur Unordnung

    Es gibt also eine unumkehrbare Richtung in allem Naturgeschehen und in allem Geschehen bei technischen Systemen: Sie führt aus „unwahrscheinlichen Zuständen und Strukturen einer aus Ungleichverteilung bestehenden „Ordnung in „wahrscheinliche Zustände der Gleichverteilung – also der „Unordnung. Waren Stoffe und Potenziale zuvor hoch aggregativ verdichtet und konzentriert, münden sie schließlich in einen Zustand des allgemeinen Ausgleichs und in der Auflösung von Unterschieden – alles ist mit allem unumkehrbar vermischt, alles ist gleichförmig geworden. Deshalb gibt es ein Davor und ein Danach; deshalb gibt es Zeit und Geschichte. Und darum ist aus philosophischer Sicht der „Niedergang – trotz aller „Erfolge – letztlich nicht zu vermeiden. Die Entwicklung zielt auf allgemeinen Ausgleich und damit auf Erstarrung und schließlich Stillstand des ununterscheidbar immer Gleichen. Alle qualitativ hochwertigen Vorräte an Energien und Stoffen sind begrenzt. Zwar bleibt die Summe aus Energie und Materie konstant, doch verringert sich mit jedem natürlichen und technischen Prozess der Umfang der arbeitsfähigen Energie und der nutzbaren Materie [1].

    Dies wird an einem Beispiel sichtbar: Fährt ein Kraftfahrzeug in der Stadt auf eine rote Ampel zu, muss es abgebremst werden. Im einfachsten Fall wird die kinetische Energie des Fahrzeugs auf null gebracht, wobei gleich viel Reibungsarbeit frei wird, die die innere Energie der Bremsscheiben, der Reifen, der Straße und – nach Abkühlen der Bremsscheiben – der Umgebungsluft erhöht. Die Hoffnung, dass diese Vorgänge umkehrbar seien, ist vergeblich: Das Fahrzeug wird sich nicht wieder von selbst auf seine Anfangsgeschwindigkeit bringen können. Die Zunahme der inneren Energie der Luft, der Reifen und der Straße ist mit einer so geringen Temperaturerhöhung gegenüber der vorherigen Umgebungstemperatur verbunden, dass sie sich praktisch nicht mehr nutzen lässt. In der Thermodynamik lässt sich dieser Vorgang als Verlust an Exergie (d. h. an technischer Arbeitsfähigkeit von Energie) und ihre Umwandlung in Anergie (d. h. nicht weiter nutzbare Energie im Gleichgewichtszustand mit der Umgebung) beschreiben; dabei ist die Änderung der Entropie von Belang. Dasselbe gilt vom Reifen- und Asphaltabrieb, der beim Bremsvorgang entstanden ist: Es gehen zwar keine Partikel „verloren, doch sind sie zerstreut und mit der Umgebung so vermischt, dass sie von selbst nicht wieder zusammenfinden. Auch hier ist „Unordnung entstanden, in die die Stoffe bei ihrer Nutzung übergegangen sind. Man hat es bei dieser Zunahme an Entropie mit einem irreversiblen Verlust an Verfügbarkeit über die Stoffe zu tun.

    Immerhin lässt sich jedoch mit einer verbesserten Technik ein Teil der anfangs vorhandenen hochwertigen kinetischen Energie „zurückgewinnen" – mithilfe eines elektrischen Generators, der beim Abbremsen hilft, indem er über die Antriebswellen der Räder elektrische Energie erzeugt, die in einer elektrochemischen Speicherbatterie zwischengespeichert werden kann. Wird der Generator danach im Vier-Quadranten-Betrieb als Elektromotor genutzt, kann er beim Wiederanfahren mit der in der Batterie gespeicherten Energie die Räder antreiben. Doch auch bei diesen Vorgängen muss eine Entwertung der Energien in Kauf genommen werden: Die ursprüngliche kinetische Energie – und damit die ursprüngliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs – kann nicht wieder vollständig erreicht werden.

    Im Grundsatz verhält sich der Mensch bei seinem Bestreben, nützliche Ordnung zu schaffen, ähnlich wie die Natur. Er nimmt dabei die Vermehrung von Unordnung in der Umgebung in Kauf. In der Summe entsteht dabei in dem zur Nutzung geschaffenen Teilsystem zwar die gewünschte Ordnung – aber eben auf Kosten einer Erhöhung von Unordnung in der Umgebung (Abb. 2.3). Zieht man Bilanz, ist insgesamt mehr Unordnung als Ordnung entstanden: Die Entropie des Gesamtsystems hat zugenommen [1].

    ../images/438308_1_De_2_Chapter/438308_1_De_2_Fig3_HTML.jpg

    Abb. 2.3

    Ruine des Heidelberger Schlosses (links [2]). Das Schaffen von Ordnung bewirkt zugleich mehr Unordnung in der Umgebung (rechts [3])

    Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik zeigt gewissermaßen den unvermeidlichen Preis der Ordnungslösungen auf, die der Mensch mit seinen technischen Systemen und die Gesellschaft mit ihren staatlichen Strukturen verwirklicht: Jede Ordnungsleistung wird mit einem überproportionalen Anstieg an Unordnung in der Umgebung bezahlt. Jede bewusste Ordnungsleistung „verbraucht" einen zusätzlichen Teil des gestaltbaren materiellen und energetischen Vorrats.

    Damit stellt sich nicht zuletzt auch die Vorstellung von Geschichte als einem linearen eindeutigen Fortschrittsgeschehen als Irrtum heraus: Zwar können Wissenschaft und Technik sowie die Staatskunst hochgeordnete Teilsysteme schaffen und erhalten, doch das Gesamtsystem gerät in immer größere Unordnung. Die Idee Georg Wilhelm Friedrich Hegels (Abb. 2.2 rechts), dass die Geschichte ein Ziel habe, sich dabei Höherentwicklung ereigne und bestehende Gegensätze auf immer höheren Ebenen aufgehoben werden könnten, erscheint unter diesem Blickwinkel als Illusion. Dies gilt auch von der materialistischen Auffassung der Weltläufte, wie sie Karl Marx formulierte und in den Ideologien des Sozialismus und Kommunismus des 20. Jahrhunderts fortlebte.

    2.3 Die Spezies Mensch beschleunigt die Entropievermehrung

    Der Mensch vermehrt – wie die Natur – die Entropie, er vernichtet Ordnung und vergrößert die Unordnung; er beutet die Potenziale der Ungleichverteilung – der Ordnung – aus, indem er die vorhandenen Energiegefälle nutzt und die Stoffe aus dem Zustand ihrer hochgradigen Konzentration in die nicht mehr nutzbare Form weitgehender Verdünnung und allmählicher Gleichverteilung – der Unordnung – überführt. Freilich arbeitet er im Unterschied zu vielen Vorgängen in der Natur oft deutlich weniger effizient. Die Gesamtheit der pflanzlichen und tierischen Naturvorgänge in ihren vielfältigen Wechselbeziehungen hat einerseits die Tendenz, Strukturen immer höherer Ordnung hervorzubringen; andererseits wird dabei auch Unordnung in der Umgebung hinterlassen – in einem größeren Maße, als Ordnung entstanden ist. Doch ist dort die unvermeidliche Zunahme der Unordnung relativ begrenzt, vergleicht man sie mit der Unordnung, die der Mensch bei Aufbau und Erhalt seiner hochkomplexen Ordnungsstrukturen hinterlässt: Im Rahmen seines Bestrebens, mit immer mehr technischen Hilfsmitteln das äußere Leben erträglicher zu gestalten, beschleunigt er zugleich das Anwachsen der Entropie in seiner Umgebung durch die vielen Transformationsvorgänge, bei denen aus wertvollen natürlichen Stoffen und konzentrierten Energien wie Mineralöl, Erdgas und Kohle fortlaufend wertloser Abfall und „Wärmemüll" wird. Erdgeschichtlich gesehen stellt dieses Tun eine beispiellose Beschleunigung der Entwertungsvorgänge dar, an deren Beginn die Nutzung des Feuers stand (Abb. 2.4 links und Mitte [1]).

    ../images/438308_1_De_2_Chapter/438308_1_De_2_Fig4_HTML.jpg

    Abb. 2.4

    Unumkehrbar: die Folgen des Feuers (links); hohe Unordnung: Müll (Mitte); belebte Natur: Ausdruck der Selektionserfolge von Jahrmillionen (rechts)

    Gemessen an den irreversiblen Vorgängen im Weltall nimmt sich diese menschenverursachte Zunahme an Unordnung immer noch äußerst bescheiden aus – doch kann ihm dies nicht als Entschuldigungsgrund zugerechnet werden, da der Mensch an die Erde als seine Umgebung gebunden ist: Hier muss er die Aufgabe lösen, bei den vielfältigen technischen und gesellschaftlichen Vorgängen das Anwachsen der Unordnung in Grenzen zu halten. Eindeutigkeit, Struktur und Ordnung erscheinen dabei als „Ressourcen, die endlich sind und die nicht beliebig vermehrt werden können. Der Mensch handelt also nicht mehr in einem vermeintlich unerschöpfbaren Zeithorizont, er ist nicht nur in seinem Einzelschicksal durch den Tod mit der Endlichkeit seines Daseins konfrontiert, sondern auch als „Gattungswesen Mensch. Doch kann er kraft seiner Vernunft die Zeitspanne beeinflussen, die der Spezies Mensch auf der Erde vergönnt ist.

    Wie die Anfänge menschlichen Lebens, so ist auch das Ende prinzipiell unverfügbar: Weitsicht, Klugheit und lebensschonendes Wohlverhalten der jetzigen und aller künftigen Generationen vorausgesetzt, existiert trotzdem eine äußerste Grenze des Lebens, ein eindeutiger Abschluss in der Zeit. Dies ist vergleichbar mit dem unausweichlichen Ende der individuellen Lebenszeit, das wir nur einseitig „sabotieren können, indem wir es schon vor der Zeit herbeiführen. Das vorzeitige Ende der Spezies Mensch und der sie umgebenden belebten Natur kann „verschuldet sein – ähnlich wie das vorzeitige Ende des einzelnen Menschen. Das Ende selbst erscheint freilich unaufhebbar.

    2.4 Das Rettende wächst nicht mit

    Der Mensch hat sich durch technische Hilfsmittel die Möglichkeit geschaffen, seinem Handeln eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit zu verleihen. Die Veränderungen in der Natur verlaufen demgegenüber sehr viel langsamer. So besteht die Gefahr, dass die Natur um ein Vielfaches schneller zerstört wird, als sie nachzuwachsen vermag: Wenn Tier- und Pflanzenarten innerhalb weniger Jahrhunderte aussterben, dann sind für die Natur Jahrhunderttausende nötig, dies wieder auszugleichen. Der Mensch kann – durchaus unbeabsichtigt – in kurzer Zeit die natürlichen Selektionserfolge von Jahrmillionen (Abb. 2.4 rechts) zunichtemachen. So gilt auch hier: Was immer der Mensch tut, er erzeugt unausweichlich stets auch das nichtgewollte „Gegenteil" dessen mit, was er eigentlich beabsichtigt.

    Der Staat, der lebenswerte Rahmenbedingungen für seine Bürger schafft, verursacht durch seinen zugleich erhöhten Energiebedarf umso mehr Unordnung in seiner Umwelt. Wo immer eine geordnete Struktur geschaffen wird, ist dieser Ordnungszuwachs nur die eine Seite der Medaille: Zugleich wächst die weniger leicht sichtbare Unordnung in der jeweiligen Umgebung an [1].

    Der Mensch setzt also ungewollt Handlungsketten in Gang, die in ihren Folgen auf das Gesamtsystem schwerwiegender sind als das absichtsvoll Veranlasste. Die Eigendynamik des Nichtgewollten überwiegt das gewollt Nützliche. Zum Wesen des Zweiten Hauptsatzes gehört, dass – wie der Politikwissenschaftler Bernd Guggenberger formulierte – „nicht nur wächst, was wachsen soll. Kein Kraut ist gewachsen wider jenes Kraut, das unversehens mitwächst. Wir vermehren in einem gewissen Sinn ja stets auch die Ordnung, um ein Vielfaches der jeweiligen Ordnungssteigerung aber die regelwidrige, unfreiwillige Unordnung. Wir sehen die mitproduzierte Unordnung oft nicht, genauer: wir bringen sie mit unseren Ordnungsleistungen nicht in einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung [4]." Der Dichter Friedrich Hölderlin fand für den Zusammenhang von Ordnung und Unordnung die folgenden Worte [5]:

    „Doch nimmer bleibt Dir verborgen das Lächeln des Herrschers

    bei Tage, wenn fieberhaft und angekettet erscheint alles Lebendige,

    oder auch bei Nacht,

    wenn gemischt ist alles ordnungslos und wiederkehrt uralte Verwirrung."

    Wenn in der Industriegesellschaft ein Bereich unkontrolliert schnell wächst, wächst auch die Gefahr, dass die damit zugleich mitwachsende Entropie nicht mehr planmäßig entsorgt werden kann. Viele Umweltprobleme – etwa auch die Müll-, Abfall- und Abwärmeprobleme – lassen sich als Probleme einer Materie- und Energieentropie deuten. Dabei gilt freilich keineswegs der Satz von Friedrich Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch [6]." Denn es gibt kein Heilmittel gegen die mitwachsende Unordnung.

    2.5 Wege zur Begrenzung der Zunahme von Unordnung

    Was zur Verfügung steht, sind lediglich Linderungsmittel: Diese können nicht heilen, aber das Unvermeidliche immerhin stark verzögern:

    Das erste Mittel ist ein Leben in Selbstbescheidung, Vermehrungsbegrenzung, Askese, Langsamkeit, Achtsamkeit, Gemächlichkeit und Sparsamkeit.

    Ein zweiter Ansatz ist die stoffliche Wiederverwertung, ein „Materialrecycling".

    Das dritte Mittel ist die wirksame Verbesserung der Energieeffizienz mit weiterentwickelten Techniken, die bei gleichem Nutzen ein geringeres Anwachsen an Unordnung bewirken.

    Die vierte Möglichkeit ist das zeitgleiche „Sich-Einklinken" in natürliche energetische Vorgänge im Sinne einer Nutzbarkeit: etwa in den Weg der Strahlungsenergie von der Sonne zur Erde, des Pflanzenwachstums oder in die Wege des Windes und des Wassers.

    Dabei wird zwar das Gesetz vom „unaufhaltsamen Niedergang", das der Zweite Hauptsatz formuliert, nicht außer Kraft gesetzt, die genannten Mittel schaffen aber einen erwünschten Aufschub.

    Der erste Weg – der Weg der Askese – hat in vielen Kulturen Tradition: Er fordert ein einfaches, mönchisches oder mönchähnliches Leben, das der Betrachtung immaterieller Zusammenhänge gewidmet ist und bewusst auf Üppigkeit und Luxus verzichtet. Vielfach gehört dazu auch ein Verzicht auf die Selbstreproduktion. Dieser Weg kann vor allem angesichts der starken Bevölkerungszunahme – etwa in Afrika – und des Exports selbst verursachter Probleme aus solchen Regionen in andere Weltgegenden eine nützliche Wirkung entfalten. Freilich lässt sich dieser Weg nicht einfach verordnen. Doch gewinnen Vorstellungen von Achtsamkeit, Behutsamkeit und Entschleunigung (vgl. Abb. 2.5 links) gerade auch im abendländischen Kulturbereich im Vergleich zu einem beschleunigten Leben (vgl. Abb. 2.5 rechts) wieder an Bedeutung. Aus thermodynamischer Sicht sind schnell ablaufende Vorgänge in der Regel stärker irreversibel als langsamer ablaufende Vorgänge; der ideale Grenzfall ist die reversible Zustandsänderung, bei der der jeweilige Vorgang unendlich langsam abläuft und im Gesamtsystem keine Unordnung entsteht [1].

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    Abb. 2.5

    Ein Stück Vergangenheit: entschleunigtes Leben als Biedermeieridyll (links [7]); beschleunigtes Leben in der modernen Industriegesellschaft (rechts)

    Dem Denken und Handeln des Ingenieurs stehen vor allem der zweite, der dritte und der vierte Weg zur Gestaltung offen. Wollte man Prioritäten setzen, ob beispielsweise verstärkt auf mehr Energieeffizienz gesetzt oder ob der weitere Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien forciert werden solle, so sprechen viele Argumente für einen Vorrang von mehr Energieeffizienz: Denn damit lässt sich unmittelbar an den Ursachen ansetzen: Häufig passen nämlich Ort, Zeit und Umfang der energetischen Vorgänge gut zusammen, sodass die zusätzlichen technischen Aufwendungen für mehr Energieeffizienz in Grenzen gehalten werden können. Meist kommt man deshalb beispielsweise mit wenig oder ganz ohne aufwendige Speicher- und Transportsysteme aus: Dies ist bei der energetischen Nutzung erneuerbarer Energien häufig nicht der Fall – etwa bei der Stromerzeugung aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse (Abb. 2.6 und 2.7 links) oder bei der Nutzung der Sonnenenergie zur Nutzwärmebereitstellung [1].

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    Abb. 2.6

    Fotovoltaikanlage (links [8]); Nutzung der Wasserkraft (Mitte [9]); seegestützter Windkraftpark (rechts [10])

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    Abb. 2.7

    Biogaserzeugung (links); hocheffizienter Elektromotor (Mitte [10]); Energierückgewinnung mit Wärmeübertragern (rechts [11])

    In Deutschland wird die Grünstromerzeugung stark subventioniert; ihr weiterer Ausbau wird in den nächsten Jahrzehnten zu überproportionalen Mehrkosten für Speicher- und Transportsysteme führen, weil Ort, Zeit und Umfang von Erzeugung und Verbrauch nicht zusammenpassen. Im Sinne einer technischen Optimierung kann daher mit der Verbesserung der Energieeffizienz ein einfacherer und wirksamerer Weg beschritten werden. Es fehlt dabei nicht an sinnvollen Möglichkeiten: Die Energieeffizienz kann auf vielen technischen Gebieten weiter erhöht werden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, lässt sich benennen:

    eine verbesserte Wärmedämmung bei Gebäuden und technischen Anlagen,

    die Modernisierung von Wärmeversorgungssystemen,

    die Nutzung der zentralen und dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung zur gekoppelten Bereitstellung von Strom und Wärme,

    der Einsatz von Wärmepumpen,

    die Anwendung von Techniken der Abwärmenutzung in Industrie, Gewerbe und Haushalten,

    die Verwendung energieeffizienter Pumpen und Ventilatoren,

    die Steigerung der Energieeffizienz bei Druckluftsystemen,

    die Nutzung energieeffizienter industrieller Lufttechnik,

    der Einsatz energieeffizienter Lüftungs- und Klimatisierungssysteme,

    die Nutzung energieeffizienter Kältetechniken,

    der Einsatz energieeffizienter Elektromotoren,

    die Entwicklung und Anwendung effizienter Speichersysteme,

    die Nutzung energieeffizienter Bürogeräte,

    der Einsatz sparsamer Haushaltgeräte,

    die Nutzung energieeffizienter Beleuchtungstechniken,

    der Einsatz energieeffizienter Informationstechniken und Rechenzentren,

    die stärkere Nutzung von Regelungs- und Automatisierungstechniken (Abb. 2.8 [12]),

    die Anwendung von Energiemanagementsystemen und von energiebezogenen Monitoringkonzepten,

    die Verbesserung der Energieeffizienz im Verkehrswesen – etwa durch verbesserte Fahrzeugtechniken.

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    Abb. 2.8

    Gebäudeautomation: Möglichkeit zur Steigerung der Energieeffizienz [12]

    Ingenieure haben sich in Deutschland – wohl intensiver als in vielen anderen Staaten – den hier sichtbaren Aufgabenstellungen bereits in der Vergangenheit mit viel schöpferischer Intelligenz zugewandt. Es ist an der Zeit, dass sie in der öffentlichen politischen Diskussion für den Weg der Energieeffizienz mehr Aufmerksamkeit als bisher finden, damit sie ihr Wissen hierüber noch stärker umsetzen können – mit nüchternem technischem Sachverstand und ohne ideologische Zwänge, aber unter Beachtung der gebotenen wirtschaftlichen Maßstäbe und mit dem Ziel einer Begrenzung des erforderlichen Stoff- und Energieeinsatzes ([1]).

    Literatur

    1.

    Dehli, M.: Aufgabensammlung Technische Thermodynamik. 2. Auflage, S. XVII–XXIV. Verlag Springer Vieweg, Wiesbaden 2018.

    2.

    Carl Blechen: Ausblick vom Stückgarten des Heidelberger Schlosses. Gemälde um das Jahr 1844.

    3.

    Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Paulus im Gefängnis; Gemälde aus dem Jahr 1627.

    4.

    Guggenberger, B.: Zwischen Ordnung und Chaos. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 2.2.1001, Nr.28.

    5.

    Friedrich Hölderlin: Der Rhein. Hymne aus dem Jahr 1806.

    6.

    Friedrich Hölderlin: Patmos. Hymne aus dem Jahr 1803.

    7.

    Carl Spitzweg: Der Besuch des Landesvaters. Gemälde aus dem Jahr 1870.

    8.

    E.ON Energie AG, Düsseldorf: https://​www.​eon.​com/​de/​ueber-uns/​presse/​pressefotos.​html (abgerufen am 16.10.2013)

    9.

    Voith GmbH & Co. KGaA, Heidenheim: http://​voith.​com/​corp-de/​news-room_​_​_​press-releases_​113770.​html (abgerufen am 16.10.2013)

    10.

    KSB SE & Co. KGaA, Frankenthal: https://​www.​ksb.​com/​blob/​118890/​cfcf89ca84771ce9​9f2fc7000a81c302​/​motorentwicklung​1-data.​jpg (abgerufen am 6.2.2019)

    11.

    Kelvion GmbH, Bochum: https://​www.​kelvion.​com/​de/​unternehmen/​presse/​. Zugegriffen am 6.2.2019

    12.

    Belser, K. H.: Gebäudeautomation – Schlüsselgewerk für die Minimierung der Lebenszykluskosten von Gebäuden. Vortrag im Rahmen des VU-Kolloquiums vom 11.5.2011. VU-Berichte 28/2011, S. 42/44

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    M. DehliEnergieeffizienz in Industrie, Dienstleistung und Gewerbehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23204-7_3

    3. Der Energieverbrauch in Deutschland

    Martin Dehli¹ 

    (1)

    Hochschule Esslingen, Esslingen, Deutschland

    3.1 Allgemeines

    Die Energieversorgungsstrukturen eines hochindustrialisierten Landes wie der Bundesrepublik Deutschland haben einen hohen Grad an Leistungsfähigkeit und Versorgungssicherheit erreicht; sie ermöglichen es, dass die jeweils bestgeeignete Energieform für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete zur gewünschten Zeit, im erforderlichen Umfang und preisgünstig bereitgestellt werden kann. Die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Energieversorgungsstrukturen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich notwendige Anpassungsprozesse – insbesondere weitere Maßnahmen der Energieeinsparung und der rationellen Energieverwendung sowie die Substitution von CO2-intensiven Energieträgern durch CO2-ärmere und CO2-freie Energieträger – in größerem Umfang verwirklichen lassen. In dieser Hinsicht haben sich die Energieversorgungssysteme, die sich unter den Bedingungen der sozialen Marktwirtschaft entwickeln konnten, denen einer planwirtschaftlichen Energieversorgung als überlegen erwiesen. Allerdings haben die Mechanismen der Marktwirtschaft bei der Stromwende – einem wichtigen Teilbereich der Energiewende – inzwischen stark an Bedeutung eingebüßt.

    3.2 Der Energiefluss in der Bundesrepublik Deutschland

    Über den Energiefluss in Deutschland liegen umfangreiche statistische Angaben vor. Eine erste Übersicht über das Energieaufkommen und den Energieverbrauch in den Jahren 1990 und 2017 gibt Abb. 3.1 [1]. (Der Begriff „Energieverbrauch" wird hier im volkswirtschaftlichen Sinne verwendet – ungeachtet der Tatsache, dass die verschiedenen Energieformen aus thermodynamischer Sicht nicht verbraucht, sondern lediglich in andere Energieformen umgewandelt werden und dabei insgesamt eine Entwertung von Energie stattfindet.) Die Energien werden dabei in der einigermaßen anschaulichen Einheit von 1 Million Tonnen Steinkohleeinheiten (Mio. t SKE) bilanziert – also der Energie, die in einer Million Tonnen deutscher Steinkohle enthalten ist. Dies entspricht nicht dem internationalen Einheitensystem, gemäß dem in der unanschaulichen Energieeinheit Joule (J) bzw. deren Vielfachen – in Petajoule (1 PJ = 10¹⁵ J) – zu bilanzieren ist; dabei entspricht 1 Mio. SKE einem energetischen Wert von 29,308 PJ bzw. 8,14 Mrd. kWh.

    ../images/438308_1_De_3_Chapter/438308_1_De_3_Fig1_HTML.png

    Abb. 3.1

    Übersicht über Energieaufkommen und Energieverbrauch im Jahr 1990 und im Jahr 2017 in der Bundesrepublik Deutschland; Angaben in Mio. t SKE [1]

    Im Jahr 2017 wurde das Energieaufkommen im Inland von 556,2 Mio. t SKE durch Importe im Umfang von 416,3 Mio. t SKE, durch die Gewinnung im Inland im Umfang von 137,3 Mio. t SKE und durch Bestandsentnahmen aus Vorräten im Umfang von 2,6 Mio. t SKE bestritten. Zieht man hiervon jene Energiemengen im Umfang von 92,4 Mio. t SKE ab, die exportiert bzw. zur Erhöhung der Vorräte gebunkert wurden, und berücksichtigt zudem noch statistische Differenzen von 1,9 Mio. t SKE, so erhält man den tatsächlichen Primärenergieverbrauch in Deutschland von 463,8 Mio. t SKE.

    Ein kleinerer Teil des Energieaufkommens im Inland wurde bereits als anwendungsfähige Endenergien bereitgestellt – etwa als importierte Mineralölprodukte oder als Erdgas. Der weitaus größere Teil setzte sich jedoch aus noch nicht anwendbaren Primärenergien zusammen: Diese mussten zu geeigneten Endenergieträgern aufbereitet und umgewandelt werden; dabei traten Umwandlungsverluste auf, deren Ausmaß sich im Jahr 2017 auf 89,8 Mio. t SKE aufsummierten; weiter trat ein Verbrauch in den Energiesektoren im Umfang von 19,9 Mio. t SKE auf: Ein Beispiel hierfür war die Umwandlung von Stein- und Braunkohle in Kondensationskraftwerken in den Endenergieträger Strom, als Umwandlungsverlust wurde wertlose Abwärme an die Umgebung abgegeben; daneben trat als weiterer Verbrauch z. B. die elektrische Energie zum Betrieb von Kohlemühlen, von Gebläsen zur Förderung von Verbrennungsluft und zum Antrieb der Speisewasserpumpe in den jeweiligen Kraftwerken auf. Als nichtenergetischer Verbrauch im Umfang von 34,0 Mio. t SKE war im Jahr 2016 die Verwendung von Energieträgern als Rohstoffe zu berücksichtigen, beispielsweise der Einsatz von Mineralölprodukten und Erdgas für die Herstellung von Kunststoffen.

    Für den Endenergieverbrauch im Umfang von 318,3 Mio. t SKE wurden die unmittelbar einsetzbaren Edelenergieträger genutzt – im wesentlichen Mineralölprodukte wie etwa Kraftstoffe sowie leichtes und schweres Heizöl, Gase wie vor allem Erdgas und zusätzlich Kokereigas sowie Schwachgase aus industriellen Prozessen, Strom aus Kondensations- und Heizkraftwerken sowie aus Biomasse, Windkraftwerken und Fotovoltaikanlagen, Fernwärme aus Heizkraftwerken und Heizwerken, Kohle sowie zusätzlich Biomasse (insbesondere Holzpellets, Scheitholz, Grünschnitt und Biogas), biogene Kraftstoffe und schließlich Wärme aus thermischen Solaranlagen.

    Aus statistischer Sicht liegt es nahe, die Endenergieverbräuche in den vier Verbrauchssektoren

    Industrie,

    Verkehr,

    Haushalte sowie

    Gewerbe, Handel, Dienstleistungen (gelegentlich auch als Sonstige Verbraucher bezeichnet)

    auszuweisen. Der Endenergieverbrauch der Industrie (aus statistischer Sicht auch als Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe bezeichnet) betrug im Jahr 2017 92,1 Mio. t SKE. Mit 94,0 Mio. t SKE war der Endenergieverbrauch des Verkehrs fast gleich hoch; mit 82,9 Mio. t SKE lag der Endenergieverbrauch der Haushalte in einer ähnlichen Größenordnung. Demgegenüber war der Endenergieverbrauch des Sektors Gewerbe, Handel, Dienstleistungen mit 49,2 Mio. t SKE nur gut halb so hoch wie in den drei erstgenannten Verbrauchssektoren.

    Wie facettenreich sich der Energiefluss zeigt, ist im ausführlichen Energieflussbild für die Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2016 dargestellt (Abb. 3.2, vgl. u. a. [2–4]): Hierin sind die verschiedenen Energieträger

    Mineralöle,

    Erdgas,

    Braunkohle,

    Steinkohle,

    Kernenergie,

    erneuerbare Energien

    Fernwärme

    sonstige Energieträger sowie ergänzend die

    Stromeinfuhr

    aufgeführt. Als Umwandlungsbereiche sind

    Raffinerien,

    Kraftwerke,

    Kokereien, Brikettfabriken, Fernheizwerke und Sonstige

    dargestellt; dabei sind die energetischen Verhältnisse beim Energieaufkommen, bei der Energieaufbereitung und -umwandlung in den einzelnen Energieumwandlungsbereichen sowie beim Endenergieverbrauch in den Verbrauchssektoren Industrie (d. h. Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe), Verkehr, Haushalte sowie Gewerbe, Handel, Dienstleistungen differenzierter erfasst; darüber hinaus ist das Energieflussbild ergänzt, wobei nach dem jeweiligen Anwendungszweck der verschiedenen Endenergieträger unterschieden wird. Es wird sichtbar, dass in jedem der vier Verbrauchssektoren Industrie, Verkehr, Haushalt sowie Gewerbe, Handel, Dienstleistungen die verschiedenen Endenergieträger zum Bereitstellen von

    Raumwärme,

    Warmwasser,

    sonstiger Prozesswärme,

    Klimakälte,

    sonstiger Prozesskälte,

    mechanischer Energie,

    Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie

    Beleuchtung

    eingesetzt werden. Die dabei genutzte Energie wird als Nutzenergie bezeichnet. Auch hierbei müssen Umwandlungsverluste (so genannte Verlustenergie) in Kauf genommen werden, die allerdings in diesem ergänzten Energieflussbild nicht weiter ausgewiesen sind.

    ../images/438308_1_De_3_Chapter/438308_1_De_3_Fig2_HTML.png

    Abb. 3.2

    Energieflussbild der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2016; Angaben in Mio. t SKE [2–4]. Das Energieflussbild ist im rechten Teil erweitert um die jeweiligen Anwendungsbereiche der verschiedenen Endenergieträger in den vier Verbrauchssektoren Industrie, Verkehr, Haushalt sowie Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

    2016 verbrauchte die Bundesrepublik Deutschland etwa 460,3 Mio. t SKE Primärenergie. Mit 33,8 % Anteil hatte Mineralöl die größte Bedeutung. Erdgas war mit 22,7 %, Steinkohle mit 12,6 %, Braunkohle mit 11,3 % und die Kernenergie mit 6,8 % am Primärenergieverbrauch beteiligt; insgesamt umfasste der Beitrag dieser Energieträger zusammengenommen 87,2 %. Darüber hinaus trugen erneuerbare Energien mit 12,4 % zur Primärenergieversorgung bei; dagegen hatten sonstige Energieträger (z. B. Müll) mit weniger als 0,4 % nur eine untergeordnete Bedeutung.

    Gegenüber 1990 wurde in Deutschland im Jahr 2016 rund 10,2 % weniger Primärenergie benötigt, obwohl in der Zwischenzeit das Bruttoinlandsprodukt – also die Gesamtheit aller produzierten Waren und Dienstleistungen – real um 46,6 % gesteigert werden konnte (Abb. 3.3). Unsere Gesellschaft leistete somit 2016 gegenüber 1990 knapp die Hälfte mehr, setzte aber hierzu rund ein Zehntel weniger an Primärenergieträgern ein. Hierin spiegeln sich die erheblichen Bemühungen um einen sparsameren Umgang mit Energie wider.

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    Abb. 3.3

    Primärenergieverbrauch, Primärenergieproduktivität, Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt, verkettet

    Auch bei der Entwicklung des Endenergieverbrauches haben sich zwischen 1990 und 2016 volkswirtschaftlich ähnliche Entwicklungen ergeben (Abb. 3.4): In Deutschland wurde in diesem Zeitraum rund 5,3 % weniger Endenergie benötigt, obwohl in der Zwischenzeit das Bruttoinlandsprodukt real um 46,6 % gesteigert werden konnte (Abb. 3.4).

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    Abb. 3.4

    Endenergieverbrauch, Endenergieproduktivität, Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt, verkettet

    3.3 Übersicht über die Struktur des industriellen und gewerblichen Endenergieverbrauchs

    In der Industrie hatten die beiden Endenergieträger Gase (vor allem Erdgas sowie ergänzend Kokereigas und Schwachgas) und Strom eine herausragende Bedeutung: 2016 trugen sie 34,6 % und 31,4 % zum Endenergieverbrauch bei. Steinkohle leistete mit 14,2 % insbesondere zur Strom- und Wärmeerzeugung in industriellen Kraftwerken und Heizkraftwerken einen wesentlichen Beitrag. Die Anteile von Fernwärme, erneuerbaren Energien, Mineralölprodukten, Braunkohle und sonstigen Energieträgern beliefen sich auf 6,9 %, 4,5 %, 2,8 %, 2,8 % und 2,9 % (Abb. 3.5; vgl. [5]). (Anmerkung: Aufgrund unterschiedlicher statistischer Erfassungsmodalitäten weichen die Zahlenwerte der Abb. 3.5, 3.6, 3.9 und 3.10 von den Zahlenwerten anderer Diagramme und Tabellen in diesem Abschnitt etwas ab.)

    ../images/438308_1_De_3_Chapter/438308_1_De_3_Fig5_HTML.png

    Abb. 3.5

    Endenergieverbrauch der Industrie 2016 nach Energieträgern (vgl. [5])

    Im Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen hatten die beiden Endenergieträger Erdgas und Strom ebenfalls eine besondere Bedeutung: 2016 trugen sie 28,8 % und 39,0 % zum Endenergieverbrauch bei. Mineralölprodukte erreichten einen Anteil von 22,0 %; die Anteile von erneuerbaren Energien und Fernwärme beliefen sich auf 6,9 % und 3,3 % (Abb. 3.6; vgl. [5]).

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    Abb. 3.6

    Endenergieverbrauch des Sektors Gewerbe, Handel, Dienstleistungen 2016 nach Energieträgern (vgl. [5])

    Vergleicht man die Entwicklung des Stromverbrauchs sowie des Verbrauchs an fossilen Energieträgern in der Industrie zwischen 1950 und 2017, so zeigt sich dabei eine interessante Tendenz: In Abb. 3.7 ist die Entwicklung des jährlichen Stromverbrauchs auf der Ordinate und die des jährlichen Brennstoffverbrauchs auf der Abszisse dargestellt (Zahlenangaben in Terawattstunden; 1 TWh = 1 Mrd. kWh = 0,123 Mio. t SKE). Abb. 3.7 verdeutlicht, dass sich die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in den alten Bundesländern von 1950 bis 1973 – dem Jahr der ersten Ölpreiskrise – etwa verdoppelte; bis 1990 war ein deutlicher Verbrauchsrückgang an fossilen Brennstoffen zu verzeichnen. In Abb. 3.7 sind zwischen 1990 und 2017 die Entwicklungen für Gesamtdeutschland erfasst; dabei ist ersichtlich, dass der Bedarf an fossilen Endenergieträgern in der Industrie erheblich zurückging.

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    Abb. 3.7

    Entwicklung des jährlichen Stromverbrauchs sowie des Verbrauchs an fossilen Endenergieträgern in der Industrie der Bundesrepublik Deutschland

    Diese Entwicklung wird sich vermutlich noch fortsetzen. Grund für diesen Verlauf ist die abnehmende anteilige Bedeutung der Grundstoffindustrie mit ihren teilweise wärmeintensiven Produktionsverfahren (z. B. in der eisenschaffenden Industrie, der Zementindustrie); daneben wirkte sich die Substitution fester Brennstoffe mit ihren geringeren Wirkungsgraden (aufgrund aufwendigerer Handhabung sowie schwierigerer und deshalb weniger bedarfsgerechter Regelungseigenschaften) durch besser regelbare und deshalb energetisch wirkungsvoller nutzbare Energieträger wie Gas und Heizöl verbrauchsmindernd aus. Ebenfalls zu einem Rückgang fossiler Endenergieträger führte der verstärkte Einsatz von Wärmerückgewinnungstechniken; darüber hinaus spielte auch der Übergang auf wärmetechnisch optimierte Fertigungsverfahren sowie der verstärkte Einsatz von Steuerungs- und Regelungstechniken sowie eines gezielten Energiemanagements bei der Begrenzung des Verbrauchs an fossilen Endenergien eine wichtige Rolle.

    Strom hatte im Jahr 2017 einen Anteil von rund 32 % am gesamten Endenergieverbrauch der Industrie in der Bundesrepublik Deutschland; im Mittel entfielen etwa zwei Drittel der Energiekosten der Betriebe auf den Bezug oder auf die Eigenerzeugung von Strom. In den vergangenen 67 Jahren hat sich die Nachfrage der Industriebetriebe nach der „Modernisierungsenergie Strom" mehr als verzehnfacht; es ist zu erwarten, dass sich diese Tendenz fortsetzen wird. Fossile Energieträger hatten 2017 einen Anteil von etwa 62 % am gesamten Endenergieverbrauch der Industrie in der Bundesrepublik Deutschland; hierauf entfiel weniger als ein Drittel der Energiekosten der Industrie; mehr als zwei Drittel entfielen auf die elektrische Energie. Gründe für die steigende Nachfrage der Industrie nach Strom sind dessen gute anwendungstechnische Eigenschaften, seine besondere Eignung für technisch höherwertige Fertigungstechniken und die wachsende Industrieproduktion.

    In modernen industriellen Unternehmen spielt die elektrische Energie als eine universell nutzbare Endenergie offenbar eine besondere Rolle: Sie wird über Elektromotoren für mechanische Antriebe (z. B. für Pumpen, Gebläse, Verdichter, mechanische Fördereinrichtungen, für Stell- und Positionieraufgaben, für Pressen, für Bearbeitungsvorgänge wie Drehen, Fräsen, Bohren, Honen, Läppen, Schneiden usw.), für wärmetechnische Prozesse (z. B. für Schmelzverfahren in der Metallurgie, für induktives Härten, für Trocknungsprozesse, für die Beheizung und Warmwasserversorgung von Betriebsgebäuden), für galvanische Verfahren, für Kühlzwecke, für Beleuchtungsaufgaben, für Steuerungs- und Regelungsverfahren sowie für die Informationsverarbeitung benötigt. Die elektrische Energie führt am Ort ihres Einsatzes praktisch zu keinen Emissionen; dagegen werden bei der Gewinnung von Energieträgern und deren Einsatz zur Stromerzeugung in Kraftwerken bzw. in Heizkraftwerken Umweltauswirkungen ausgelöst.

    Fossile Endenergien wie Mineralölprodukte (überwiegend leichtes und schweres Heizöl), Gase (vor allem Erdgas, zum Teil auch Flüssiggas, Stadtgas, Kokereigas und Abfallgase wie Gichtgas, Deponiegas, Klärgas), Stein- und Braunkohle (Kraftwerkskohle, Koks, Briketts usw.) sowie Restholz werden zum größten Teil als Brennstoffe zur Wärmeerzeugung eingesetzt. Ein kleinerer Teil wird als Rohstoff für die chemische und pharmazeutische Industrie verwendet. In vergleichsweise begrenztem Umfang werden daneben auch Kraftstoffe für innerbetriebliche Transportaufgaben genutzt; dagegen werden diejenigen – in wesentlich größerem Umfang eingesetzten – Kraftstoffe und anderen Energieträger, die den außerbetrieblichen Transportaufgaben der Industrie zuzuordnen sind, im Verbrauchssektor Verkehr bilanziert. In den vergangenen Jahren hat der Einsatz erneuerbarer Energien in wachsendem Ausmaß zur Wärmeerzeugung beitragen können; allerdings wird davon noch eher zögernd Gebrauch gemacht.

    Beim wichtigsten Einsatzbereich von fossilen Energieträgern und ergänzend von erneuerbaren Energien in der Industrie – der Wärmeerzeugung – ergibt sich ein breites Anwendungsfeld: Industrielle Prozesswärme wird beispielsweise in der eisenschaffenden Industrie (Kohle zur Wärmeerzeugung und zur Eisenerzreduktion), in der Stahlindustrie, der Nichteisenmetallindustrie sowie z. B. in der Glasindustrie (Erhitzungs- und Schmelzvorgänge), in der chemischen und pharmazeutischen Industrie (Ermöglichung von Reaktionsvorgängen; Stofftrennungsverfahren, wie z. B. Destillation und Rektifikation) sowie in vielen Industriezweigen für Verfahren der Wärmebehandlung und der Trocknung (z. B. Sintervorgänge bei der Herstellung von Baustoffen und Werkstoffen wie Ziegeln oder keramischen Bauteilen; Wärmebehandlung von metallischen Werkstücken, wie z. B. Spannungsfreiglühen geschweißter Bauteile, Erweichung von Kunststoffen, Verflüssigung von Fetten, Trocknung von Holz, Lebensmitteln und anderen Gütern) sowie für Verfahren der Reinigung, der Pasteurisierung und der Sterilisation (z. B. in der Lebensmittelindustrie) benötigt. Daneben werden für die Beheizung und die Warmwasserversorgung von Betriebseinrichtungen fossile Energieträger und ergänzend erneuerbare Energien eingesetzt; ein weiteres Einsatzfeld fossiler Energien ist die energiesparende gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme in industriellen Heizkraftwerken (größere Industrieheizkraftwerke; kleinere industrielle Blockheizkraftwerke).

    Die Umweltauswirkungen beim industriellen und gewerblichen Einsatz von fossilen Endenergieträgern sind jeweils unterschiedlich. Im Allgemeinen ist der Einsatz von Festbrennstoffen mit wesentlich höheren Emissionen verbunden als der Einsatz von flüssigen und insbesondere von gasförmigen Brennstoffen; dabei spielt beispielsweise auch der Gehalt an umweltrelevanten Begleitstoffen (etwa Schwefel) in den jeweiligen Brennstoffen eine wichtige Rolle. Die rechtlichen Regelungen zur Begrenzung von Emissionen und Immissionen richten sich unter anderem nach der Größe der Feuerungsanlagen sowie nach der Art der eingesetzten Brennstoffe.

    Die Fernwärme bzw. Nahwärme hat als Endenergieträger für die betriebliche Energieversorgung ebenfalls eine – mengenmäßig allerdings begrenzte – Bedeutung. Sie wird hauptsächlich für die Bereitstellung von Prozesswärme mittlerer Temperaturen (im Allgemeinen etwa 100–250 °C, in Ausnahmefällen bis zu 500 °C) oder niedrigerer Temperaturen (in der Regel bis 100 °C) eingesetzt; Prozesse, die höhere Temperaturen benötigen, können hiermit zumeist nicht versorgt werden. Daneben dient Fernwärme bzw. Nahwärme auch zur Beheizung und zur Warmwasserversorgung von Betriebseinrichtungen. Fernwärme hat vor allem für die Wärmeversorgung von Unternehmen der chemischen Industrie, der mineralölverarbeitenden Industrie, der Papier- und Zellstoffindustrie, der Lebensmittelindustrie (z. B. Brauereien, milchverarbeitende Betriebe), der pharmazeutischen Industrie, teilweise auch der kunststoffverarbeitenden Industrie (z. B. Reifenwerke) sowie der Fahrzeugindustrie Bedeutung, wobei diese entweder in großen industriellen Heizkraftwerken oder kleineren Blockheizkraftwerken von den Betrieben im Rahmen der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme und zusätzlich in eigenen Spitzenheizwerken bereitgestellt oder aus den Fernwärme- bzw. Nahwärmenetzen von öffentlichen Versorgungsunternehmen bezogen wird. Am Ort der Nutzung hat Fernwärme bzw. Nahwärme praktisch keine Umweltauswirkungen; andererseits sind die Emissionen der Erzeugungsanlagen von Fernwärme bzw. Nahwärme (Heizkraftwerke, Heizwerke) zu berücksichtigen. Im Energieflussbild der Abb. 3.2 sowie in den Diagrammen 3.5 und 3.6 wird aus Gründen der statistischen Erfassung als Fernwärme nur die aus öffentlichen Netzen gelieferte Fernwärme bilanziert; nicht erfasst ist also die Fernwärme, die innerhalb des Werksgeländes von Industriebetrieben erzeugt und auch dort verbraucht wird.

    3.4 Übersicht über die Struktur des Endenergieverbrauchs nach Anwendungsbereichen

    In Abb. 3.8 und in Tab. 3.1 wird ein Überblick über den Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen gegeben. Dabei wird zwischen den Endenergien Mineralöle, Gase, Strom, Kohle, Fernwärme, erneuerbare Energien und sonstige Energien unterschieden; zusätzlich wird zwischen den vier Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Haushalte und Verkehr differenziert.

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    Abb. 3.8

    Einsatz von Endenergieträgern für die Anwendungszwecke Prozesswärme, Raumwärme, mechanische Energie, Kälte sowie Informations- und Kommunikationstechnik einschließlich Beleuchtung in den verschiedenen Endenergieverbrauchssektoren der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2016

    Tab. 3.1

    Einsatz von Endenergieträgern für die Anwendungszwecke Raumwärme, Warmwasser, sonstige Prozesswärme, Klimakälte, sonstige Prozesskälte, mechanische Energie, Informations- und Kommunikationstechnik und Beleuchtung, gegliedert nach Endenergieträgern, in den verschiedenen Endenergieverbrauchssektoren der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2016

    Der weitaus wichtigste Anwendungsbereich war im Jahr 2016 die Wärmeerzeugung für Raumwärme, Warmwasser und sonstige Prozesswärme, die zusammengenommen auf einen Anteil von 54,0 % – also mehr als der Hälfte – am gesamten Endenergieverbrauch kamen. Neben den Wärmeanwendungen war der Bereich der mechanischen Energie von Belang, für deren Bereitstellung 38,5 % der Endenergien erforderlich waren. Auf die übrigen Anwendungskategorien Beleuchtung, Informations- und Kommunikationstechnik, sonstige Prozesskälte und Klimakälte entfielen 3,0 %, 2,3 %, 1,8 % und 0,4 % der Endenergien.

    Bei der Anwendung von Strom hatten die mechanische Energie mit einem Anteil von rund 40,3 %, die sonstige Prozesswärme mit einem Anteil von 16,5 % und die Beleuchtung mit einem Anteil von 14,2 % die größte Bedeutung. Betrachtet man die Energieträgerstruktur nach Anwendungsbereichen, so ist erkennbar, dass zur Deckung des Wärmebedarfs vornehmlich Gase, mit Abstand gefolgt von Kohlen (insbesondere in der eisenschaffenden Industrie), herangezogen werden, während für Kälteprozesse, für die mechanische Energie, für die Informations- und Kommunikationstechnik und die Beleuchtung praktisch nur Strom in Betracht kam.

    In der Industrie hatten gemäß Tab. 3.1 und Abb. 3.9 (vgl. [5]) die beiden Anwendungsbereiche sonstige Prozesswärme und mechanische Energie eine herausragende Bedeutung: 2016 benötigten sie 66,4 % und 23,0 % der Endenergien. Der Anwendungsbereich Raumwärme erforderte 6,1 %, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Beleuchtung jeweils 1,2 % und die Anwendungsbereiche Klimakälte, sonstige Prozesskälte sowie Warmwasser jeweils 0,7 % der Endenergien.

    Gemäß Tab. 3.1 und Abb. 3.10 (vgl. [5]) benötigte im Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen im Jahr 2016 der Anwendungsbereich Raumwärme mit 48,7 % fast die Hälfte der gesamten Endenergien. Die Anwendungsbereiche mechanische Energie erforderten 16,8 %, die Beleuchtung 13,1 %, die sonstige Prozesswärme 6,9 %, die Informations- und Kommunikationstechnik 5,7 %, die Bereitstellung von Warmwasser 4,6 %, die sonstige Prozesskälte 3,2 % und die Klimakälte 1,0 % der Endenergien.

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    Abb. 3.9

    Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen in der Industrie im Jahr 2016 (vgl. [5])

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    Abb. 3.10

    Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen im Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen im Jahr 2016 (vgl. [5])

    Im Hinblick auf die Bedeutung der Prozesswärme (Warmwasser und sonstige Prozesswärme) für viele industrielle und gewerbliche Verfahrens- und Fertigungsprozesse soll im Folgenden vertiefend auf eine Reihe von Zusammenhängen eingegangen werden.

    3.5 Verschiedene thermodynamische Wertigkeiten von Nutzenergien

    Die jeweils benötigten Nutzenergien weisen verschiedene thermodynamische Qualitäten auf, die sich sinnvoll durch den Begriff der Exergie (auch als technische Arbeitsfähigkeit bezeichnet) charakterisieren lassen. Diejenigen Energieformen, die sich im reversiblen Grenzfall vollständig in jede beliebige andere Energieform umwandeln lassen, bestehen aus reiner Exergie; sie sind hochwertige Energieformen. Im Gegensatz dazu lassen sich thermodynamisch geringerwertige Energieformen nur noch teilweise in hochwertige Energieformen umwandeln; selbst im reversiblen Grenzfall muss nach der Energieumwandlung ein Teil der Energie als exergetisch wertlose Abwärme an die Umgebung abgegeben werden.

    Anschaulich wird dieser Sachverhalt beispielsweise bei der Bereitstellung von mechanischer Energie im Verbrauchssektor Verkehr: Hochwertige Kraftstoffe, deren chemische Energie praktisch vollständig aus Exergie besteht, werden in den Verbrennungsmotoren der Fahrzeuge in – exergetisch schon teilweise entwertete – Wärme umgewandelt, die mithilfe eines thermodynamischen Kreisprozesses teilweise in hochwertige mechanische Energie für den Fahrzeugantrieb und teilweise in wertlose Abwärme übergeführt wird; im Mittel können dabei zurzeit knapp 30 % in Nutzenergie, mehr als 70 % müssen in Verlustenergie übergeführt werden.

    Grundsätzlich ähnliche Vorgänge laufen in Wärmekraftwerken ab (im Energieflussbild nach Abb. 3.2 im Bereich „Umwandlung unter „Kraftwerke dargestellt): Auch hier wird ganz überwiegend die chemische Energie bzw. die Kernbindungsenergie von Energieträgern, die praktisch vollständig aus Exergie bestehen, in – exergetisch schon teilweise entwertete – Wärme umgewandelt; auch hier wird die Wärme mithilfe eines Kreisprozesses teilweise in hochwertige mechanische (und im Anschluss in hochwertige elektrische) Energie übergeführt, wobei ein Teil als wertlose Abwärme anfällt. Da bei stationär arbeitenden Großkraftwerken wesentlich mehr Möglichkeiten zur Prozessverbesserung genutzt werden können als bei ortsunabhängig arbeitenden, kleinen Verbrennungsmotoren, können dabei mit der bestehenden Struktur der Wärmekraftwerke zurzeit im Mittel mehr als 41 % in Strom umgewandelt werden. Wird Strom – beispielsweise im Verbrauchssektor Industrie – in hochwertige mechanische Energie umgewandelt, so ist die dabei in Kauf zu nehmende Verlustenergie in der Regel wesentlich geringer als die dezentrale Umwandlung von fossilen Energieträgern über einen Wärmekraftprozess in mechanische Energie am Verbrauchsort. Diese Feststellung gilt allerdings nicht für die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme am Verbrauchsort (etwa in industriellen Heizkraftwerken oder in Blockheizkraftwerken), die energetisch besonders vorteilhaft ist.

    Betrachtet man die Anwendungsbereiche Prozesswärme und Raumwärme unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen thermodynamischen Wertigkeit, so gilt – vereinfacht formuliert – das folgende Prinzip: Wärme ist exergetisch umso wertvoller, je höher die Temperatur T der Wärme über der Umgebungstemperatur Tu liegt; dabei stellen T und Tu absolute Temperaturen (gemessen in der Einheit Kelvin [K]) dar. Die Exergie EQ der Wärme Q lässt sich, wenn sie auf gleichbleibender Temperatur T verfügbar ist, in der folgenden Weise berechnen:

    $$ {E}_Q=Q\cdotp \left(T-{T}_u\right)/T $$

    Wärme, die bei einer Temperatur von beispielsweise 2500 °C (T = 2773,15 K) verfügbar ist (Höchsttemperaturwärme), ist sehr hochwertige Wärme; sie besteht zu rund 90 % aus Exergie, lässt sich also im reversiblen Grenzfall zu etwa 90 % in hochwertige mechanische Arbeit umwandeln (Umgebungstemperatur 15 °C (Tu = 288,15 K)). Wärme von 50 °C (T = 323,15 K, Niedertemperaturwärme), wie sie z. B. für die Raumheizung benötigt wird, ist dagegen niederwertig; sie besteht nur zu rund 10 % aus Exergie. Daraus folgt, dass es in aller Regel eine technisch anspruchsvollere Aufgabe ist, Hochtemperaturwärme zu erzeugen, als lediglich Wärme zur Raumheizung bereitzustellen. Raumwärme lässt sich etwa auch mithilfe exergetisch geringwertiger Wärme aus Koppelungsprozessen abdecken. Wärme von Umgebungstemperatur enthält keine Exergie; sie ist wertlos und deshalb technisch nicht ohne Weiteres nutzbar. Die Abwärme technischer Prozesse endet als Wärme von Umgebungstemperatur; es bedarf also keiner technischen Anstrengung, sie zu erzeugen.

    Das Energieflussbild nach Abb. 3.2 gibt zwar mit der Unterteilung in Raumwärme, Warmwasser und sonstige Prozesswärme eine erste qualitative Vororientierung, doch enthält es keine weiterführenden Informationen über die verschiedenen Temperaturniveaus, auf denen die technisch besonders interessierende Prozesswärme benötigt wird. Ausführungen hierzu enthält Abschn. 3.6.

    3.6 Einsatzbereiche von Prozesswärme

    Im Folgenden wird ausführlich auf den Anwendungszweck Prozesswärme eingegangen, in dem die Bereiche Warmwasser und sonstige Prozesswärme zusammengefasst sind. Dieser Anwendungszweck von Endenergien hatte 2016 mit 86,5 Mio. t SKE einen Anteil von 26,1 % am gesamten Endenergieverbrauch und damit einen ähnlich hohen energetischen Stellenwert wie die Raumwärme, deren Anteil 27,9 % betrug. Die Industrie hatte 2016 einen Anteil von 72,4 % am Endenergieverbrauch für Prozesswärme, der Verbrauchssektor Haushalt wies 20,5 % und der Sektor Kleinverbraucher 7,1 % des Endenergieverbrauches für Prozesswärme auf; der Sektor Verkehr benötigte keine Prozesswärme.

    Aus der Fülle der technischen Vorgänge in diesen Verbrauchssektoren, bei denen Endenergieträger in Prozesswärme übergeführt werden, sollen einige als Beispiele genannt werden (vgl. [6–13]):

    Erhitzen von Stoffen oder Stoffgemischen,

    Erschmelzen von Stoffen oder Stoffgemischen,

    Sieden von Stoffen oder Stoffgemischen,

    Kühlen mithilfe von Wärme über Absorptionskälteverfahren,

    Härten, Vergüten oder Spannungsarmglühen von Werkstücken,

    galvanisches Veredeln bei Temperaturen oberhalb der Umgebungstemperatur,

    Sinterprozesse bei der Herstellung bautechnischer und keramischer Werkstoffe,

    thermische Spaltverfahren (Pyrolyse von Stoffen bzw. Stoffgemischen),

    Trocknen von Stoffen bzw. Stoffgemischen mithilfe von Wärme,

    thermisches Trennen von Stoffen bzw. Stoffgemischen mithilfe von Wärme,

    Sterilisieren, Dünsten, Kochen, Garen, Backen bzw. Braten von Lebensmitteln,

    Warmwasserbereitung für Reinigungszwecke,

    endotherme chemische Reaktionen bei höheren Temperaturen,

    Elektrolyse bei höheren Temperaturen (zum Beispiel Schmelzflusselektrolyse).

    Der Energiebedarf für Elektrolysevorgänge wird teilweise als zur Prozesswärmebereitstellung erforderlich betrachtet; tatsächlich wird dabei jedoch auch elektrische Energie zu einem erheblichen Teil in chemische Energie umgewandelt.

    Im Hinblick auf die energetische Qualität – also die Exergie – der erforderlichen Prozesswärme ist die Höhe der Temperatur ausschlaggebend, bei der die jeweiligen technischen Prozesse ablaufen. Einen Überblick über den Endenergiebedarf der Industrie für Prozesswärme in Deutschland innerhalb verschiedener Temperaturbereiche gibt Abb. 3.11 [6]. Es wird sichtbar, dass im Sinne einer ersten Unterteilung vier größere Temperaturbereiche den Schwerpunkt bilden: der Bereich bis zu etwa 100 °C (Niedertemperaturbereich), der Bereich oberhalb von etwa 100–500 °C (Mitteltemperaturbereich), der Bereich von oberhalb etwa 500–1000 °C (Hochtemperaturbereich) und der Bereich oberhalb von etwa 1000 °C (Höchsttemperaturbereich).

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    Abb. 3.11

    Endenergiebedarf der Industriebranchen in Deutschland für Raumwärme, Warmwasser und sonstige Prozesswärme innerhalb verschiedener Temperaturbereiche im Jahr 2016 [6]

    In den Hoch- und Höchsttemperaturbereichen wird exergetisch hochwertige Prozesswärme in der Regel ausschließlich durch Umwandlung hochwertiger anderer exergiereicher Energieträger – beispielsweise fossiler Energieträger oder Strom – bereitgestellt. Dagegen eignet sich als Prozesswärme im Nieder- und Mitteltemperaturbereich auch exergetisch geringerwertige Prozesswärme, die energiesparend im Rahmen der gemeinsamen Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) erzeugt werden kann; im Niedertemperaturbereich kann exergetisch geringerwertige Prozesswärme auch über Wärmepumpen energieeffizient bereitgestellt werden. Abb. 3.11 [6] verdeutlicht, dass entgegen oft geäußerter Auffassungen der größte Teil des Bedarfs an industrieller Prozesswärme nicht aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung oder mithilfe von Wärmepumpen gedeckt werden kann, da im Allgemeinen Wärme aus Dampfheizkraftwerken im Höchstfall bei etwa 300–350 °C, aus Gasturbinen bei maximal etwa 500 °C ausgekoppelt wird und die Obergrenze von Prozesswärme aus Industriewärmepumpen zurzeit bei etwa 100–120 °C liegt. Der Abb. 3.11 [6] ist nicht entnehmbar, dass bei zahlreichen industriellen Prozessen in großem Umfang Wärmerückgewinnungstechniken eingesetzt werden, durch die sich der Endenergiebedarf der Industrie auf den in Abb. 3.11 [6] dargestellten Umfang begrenzen lässt.

    Hoch- und Höchsttemperaturprozesswärme wird vor allem in

    der eisenschaffenden Industrie (Roheisenerzeugung) und der Stahlindustrie,

    der Nichteisenmetallindustrie einschließlich der Aluminiumindustrie,

    der Industrie der Steine und Erden,

    der Glas- und Keramikindustrie sowie

    weiteren Industriezweigen

    benötigt. Niedertemperaturprozesswärme ist insbesondere in

    der Grundstoffchemie und der sonstigen chemischen Industrie,

    der Papierindustrie,

    der Maschinenbau- und Fahrzeugindustrie sowie in

    weiteren Industriezweigen (etwa in der

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