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Tägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATI
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Tägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATI
eBook294 Seiten3 Stunden

Tägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATI

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Über dieses E-Book

Unser tägliches Brot ist in Verruf geraten. Getreide soll uns fett, dumm und krank machen. Angesichts der Schwemme an Publikationen und Ratschlägen herrschen inzwischen bei Verbrauchern und Patienten ebenso wie bei Ärzten und anderen in Gesundheitsberufen Tätigen allgemeine Orientierungs- und Ratlosigkeit. Der weltweit führende Wissenschaftler und Arzt auf dem Gebiet der Getreideunverträglichkeiten und seine Koautorin schaffen hier Klarheit und geben einen Überblick über die getreidebedingten Erkrankungen: Zöliakie, typische und untypische Getreideallergien sowie ATI-Sensitivität. Sowohl die untypischen Getreideallergien als auch die ATI-Sensitivität werden hier erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Allein von diesen Krankheitsbildern sind 3 bis 10% der Bevölkerung betroffen. Typische Fallbeispiele von Patienten aus der Spezialambulanz des Autors und Hinweise für Verbraucher und Patienten runden das Buch ab. Es richtet sich sowohl an medizinische Experten als auchan Betroffene und interessierte Laien.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum22. März 2018
ISBN9783662560440
Tägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATI

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    Buchvorschau

    Tägliches Brot - Detlef Schuppan

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Detlef Schuppan und Kristin Gisbert-SchuppanTägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATIhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-56044-0_1

    1. Einleitung

    Detlef Schuppan¹  und Kristin Gisbert-Schuppan²

    (1)

    Institut für Translationale Immunologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland

    (2)

    Mainz, Deutschland

    Das Kapitel gibt einen Überblick über die Inhalte der einzelnen Abschnitte des Buchs. Die drei Kernkapitel des Buchs widmen sich den getreidesensitiven Erkrankungsfeldern Zöliakie, ATI-Sensitivität und (typische und atypische) Allergien. Es wird hervorgehoben, dass ATI-Sensitivität und atypische Allergien in diesem Buch erstmals der breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ein vorgeschaltetes Kapitel über die Immunologie des Darms bildet eine Grundlage für das Verständnis der dargestellten Krankheitsbilder. Es wird darauf hingewiesen, dass die drei Getreidesensitivitäten keineswegs allumfassende Diagnosen darstellen, mit denen sich generell darmassoziierte Symptome erklären lassen. Deshalb wird auf ein Kapitel verwiesen, in dem Patienten mit Erkrankungen vorgestellt werden, die zunächst weizenassoziiert zu sein scheinen, es aber nicht sind. Abgerundet wird dieses Kapitel mit einem Hinweis auf den Schlussteil des Buchs, in dem die Spezialsprechstunde des Autors vorgestellt wird.

    Das Buch gliedert sich in drei klinische Hauptkapitel (► Kap. 4, ► Kap. 5, ► Kap. 7) und zwei Grundlagenkapitel (► Kap. 2, ► Kap. 3). Die klinischen Hauptkapitel basieren auf einer klaren Unterscheidung zwischen Zöliakie , Getreideallergie n und dem, was bisher als Gluten- oder Weizensensitivität diskutiert wurde und von vielen bis heute negiert wird, von uns aber, wissenschaftlich am zutreffendsten, als ATI-Sensitivität (ATI = Amylase-Trypsin-Inhibitoren) bezeichnet wird. Alle drei Getreideunverträglichkeiten – Zöliakie, Getreideallergien und ATI-Sensitivität – rufen Entzündungen hervor und müssen daher medizinisch ernst genommen werden. Die sogenannte Weizen- oder Glutenunverträglichkeit bzw. ATI-Sensitivität war bisher ausschließlich eine Ausschlussdiagnose. Sie ist nun aber mit den von uns neu gewonnenen, wissenschaftlich fundierten Kenntnissen und unseren klinischen Erfahrungen erstmals diagnostizierbar. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, dass die ATI-Sensitivität nicht vorherrschend Beschwerden im Darm und Bauchschmerzen verursacht, wie vielfach angenommen, sondern überwiegend außerhalb des Darms zu verschiedensten Beschwerden führen kann, vor allem aber einen bereits vorhandenen Erkrankungszustand verschlechtert. Dass es sich bei der ATI-Sensitivität nicht wieder nur um eine neue Modediagnose handelt – womit sie lediglich in die Fußstapfen von Phantasiediagnosen wie „Weizenwampe (Davis 2013), einen glutenbedingten „Leaky Gut (Fasano 2014) oder „Weizendemenz" (Perlmutter 2014) treten würde – ist anhand der von uns hochrangig publizierten Originalforschungsarbeiten belegt und nachzuprüfen. Die Originalarbeiten finden sich in unseren kommentierten Literaturverzeichnissen am Ende des Buchs. Die ATI-Sensitivität ist eine immunvermittelte Erkrankung, deren Wirkungsweise inzwischen aufgeklärt ist. Es handelt sich um Mechanismen, die in einer bisher so für keine andere Krankheit beschriebenen Wechselwirkung zwischen dem angeborenen und dem adaptiven Immunsystem ablaufen. Die ATI-Sensitivität bildet das Herzstück des vorliegenden Buchs. Trotz ihrer weitreichenden Bedeutung für Patienten wie auch die gesamte Bevölkerung ist sie bisher nur einer kleinen Spitze von Experten bekannt geworden. Entsprechend gibt es weltweit wenig Erfahrung mit den klinischen Auswirkungen. Wir haben erste, aber umfangreiche klinische Erfahrungen mit Patienten in unseren Spezialsprechstunden in Boston und Mainz sammeln können. Die für weitergehende Aussagen notwendigen klinischen Studien wurden von uns initiiert und zum Teil bereits begonnen. Einzelne Patienten und ihre Krankheits- und Behandlungsverläufe stellen wir in jedem der drei großen Kapitel nach der Einführung der Grundlagen exemplarisch vor¹. Ein anschließender medizinischer Kommentar zum Fall vertieft sowohl die im Grundlagenteil erworbenen Kenntnisse der Leserin und des Lesers als auch ihre und seine Einschätzung der klinischen Relevanz.

    Das ATI-Kapitel haben wir bewusst in die Mitte der drei großen Krankheitskapitel gestellt. Vorangestellt haben wir das Kapitel über Zöliakie  – die einzige auch einer inzwischen breiten Öffentlichkeit vom Namen her bekannte getreidebedingte Erkrankung (► Kap. 4). Was sich aber tatsächlich hinter diesem Krankheitsbild verbirgt, ist nicht nur medizinischen Laien, sondern auch Experten oftmals unbekannt. So wird vielfach berichtet, dass ca. 1 % der Bevölkerung betroffen sei: Dass von diesen Personen aber 80–90 % nicht diagnostiziert sind, ist weniger geläufig und wird in der Regel nicht erwähnt. Es handelt sich in Deutschland um mindestens 500.000 Personen, die nicht wissen, dass sie an einer Zöliakie erkrankt sind. Auch die Behandlung der Zöliakie ist weniger eindeutig, als die glutenfreien Produkte nahelegen, denn mit einer glutenfreien Diät allein ist es oftmals nicht getan. Es gibt eine Vielzahl atypischer Fälle, von denen wir ebenfalls einige beschreiben. Die Zöliakie als glutenabhängige Krankheit ist seit mehr als 60 Jahren bekannt. Die Mechanismen, die ihr zugrunde liegen, wurden allerdings erst seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nach und nach aufgeklärt. Sie sind unter anderem in unserem Labor entdeckt worden und werden von uns ausführlich beschrieben.

    Im Anschluss an unser zentrales Kapitel über die ATI-Sensitivität gehen wir auf ein Gebiet ein, das ebenfalls in der Öffentlichkeit mitunter behandelt wird, als sei es wohlbekannt und vertraut und durch entsprechende Maßnahmen leicht zu handhaben, das in Wirklichkeit aber noch sehr unverstanden ist und in seiner Bedeutung für die betroffenen Patienten weithin unterschätzt wird: Es handelt sich um klassische und atypische Allergien auf Getreide (► Kap. 7). Neben den gemeinhin bei klassischen Allergien zu erwartenden Symptomen einer Sofortreaktion – wie Juckreiz, Niesen, tränende Augen – gibt es atypische Allergien mit schwerwiegenden Symptomen, die eine ganz neue Diagnostik erfordern. Beide Gruppen von Allergien schildern wir mit Patientenbeispielen, wobei wir auch auf die Diagnostik durch Antikörper eingehen. Jenseits der drei großen Erkrankungsbilder – Zöliakie, ATI-Sensitivität und Allergien – beschreiben wir in ► Kap. 8 zusätzlich Patienten, bei denen Ernährungsfaktoren keine Rolle spielen, obwohl dies aufgrund des klinischen Bildes zunächst angenommen werden musste. Diese Fälle beleuchten insbesondere, dass ein weiter medizinischer Blick immer notwendig ist, um jedem Einzelfall gerecht werden zu können und Fehldiagnosen zu vermeiden. Auch wenn die von uns vorgestellten drei großen Diagnosegruppen den zentralen Stellenwert der Ernährung für Gesundheit und Krankheit verdeutlichen, so ist die Welt der Medizin letztlich doch immer noch ein Stück komplexer, als man spontan zu denken geneigt ist. Auf der anderen Seite wird die diagnostische Komplexität in der derzeitigen medizinischen Praxis oft unnötigerweise und artifiziell durch die Überbewertung und Überdiagnostizierung von Laktose -, Fruktose - und Histamin-Intoleranz erhöht (► Kap. 6). Diese Nahrungsmittelintoleranz en, durch die sich viele Menschen beeinträchtigt fühlen, verursachen im Gegensatz zu den entzündlichen Nahrungsmittelsensitivitäten keine ernsthaften körperlichen Schäden, sondern allenfalls Unwohlsein mit rasch vorübergehenden Symptomen wie Blähungen und leichteren Bauchschmerzen. Um den Stellenwert dieser Diagnosen besser einordnen zu können, haben wir ihnen einen kleinen Exkurs in ► Kap. 6 gewidmet.

    Den drei großen Krankheitskapiteln vorangestellt sind Grundlagenkapitel, die wir als notwendig erachten, um die klinisch relevanten Ausführungen verstehen zu können. Ein Kapitel über Getreideanbau schärft den Blick für die – in Begriffen der Menschheitsevolution gedacht – kurze Zeitspanne, die der Mensch überhaupt erst mit Getreiden konfrontiert ist, und hilft so zu verstehen, warum wir uns bis heute mit den domestizierten Gräsern schwer tun (► Kap. 2). Der Blick zurück in die Vergangenheit, bevor der Mensch als Ackerbauer und Viehzüchter sesshaft wurde, macht umso deutlicher, mit welcher Art von Nahrungsmitteln wir es heute zu tun haben. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die hier behandelten Getreideunverträglichkeiten wie auch ein Großteil der heutigen Zivilisationserkrankungen in erheblichem Maße auf verfeinerte Nahrungsmittel zurückgehen. Auf welche Weise die Verfeinerung auf den menschlichen Organismus ungünstig einwirkt, wird ebenfalls erläutert. Viele der modernen Erkrankungen sind mit Übergewicht verbunden. Für die Übergewichtsepidemie in den westlichen Ländern gibt es eine Vielzahl von Ursachen. Eine sehr spezifische Ursache, die in dem Geflecht aus Einflussfaktoren zuvor nicht erkannt werden konnte, liegt in den ATI. Ein tieferes Verständnis dieser wie auch anderer Zusammenhänge, die wir in diesem Buch darstellen, lässt sich erst erlangen, wenn die Grundlagen des Darm- Immunsystem s nachvollziehbar werden (► Kap. 3). Denn der Darm spielt eine – wenn nicht: die – zentrale Rolle in der Auseinandersetzung des Körpers mit der Umwelt. Er wird durch die Nahrung dauernd mit körperfremden Stoffen konfrontiert, von denen ein Teil nützlich, insofern Freund ist, ein anderer Teil aber dem Organismus gefährlich werden kann und als Feind erkannt werden muss. Die lebensnotwendige Unterscheidung zwischen Freund und Feind ist die wichtigste Aufgabe des Immunsystems des Darms. Zusätzlich sendet das Darm-Immunsystem Signale an alle Organsysteme außerhalb des Darms und übt damit auch einen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit und solche Erkrankungen aus, die außerhalb des Darms liegen. Gerade die außerhalb des Darms liegenden Erkrankungen werden überwiegend nicht mit dem Darm in Verbindung gebracht, auch wenn sie hier eine Ursache haben. Umgekehrt beeinflussen aber auch andere Erkrankungen und psychische Einwirkungen die Funktion des Darms, indem z. B. die Darmperistaltik/-motilität angeregt oder gehemmt wird. Zuletzt spielen auch die Darmbakterien in ihrer Wechselwirkung mit den Nahrungsmitteln, die sie verstoffwechseln, und den Zellen des Darms eine wichtige Rolle. Dieses Dreieck mit den Eckpunkten Ernährung, Immunsystem und Darmbakterien bildet das Kernstück des Kapitels über das Darm-Immunsystem, denn jeder dieser Eckpunkte kann nur in seinem systematischen Zusammenspiel mit den beiden anderen verstanden werden.

    Den Abschluss des Buchs bildet ein Kapitel, in dem wir das Konzept einer von uns bereits angebotenen Spezialsprechstunde vorstellen (► Kap. 9), in der die hilfesuchenden Patienten nicht nur mit den neuesten wissenschaftlich-klinischen Erkenntnissen diagnostiziert und behandelt werden, sondern die sie auch in der Gesamtheit ihrer Person und ihres Erkrankungsbildes würdigt. Dies schließt gerade bei Autoimmunerkrankungen auch die Diagnostik und Behandlung ganzer Familien mit Kindern jeden Alters ein.

    Fußnoten

    1

    Unsere Fallbeispiele sind so anonymisiert, dass Rückschlüsse auf individuelle Patienten ausgeschlossen sind. Obgleich alle Fallbeispiele ausnahmslos auf eigenen klinischen Erfahrungen beruhen, haben wir die Informationen so verdichtet, dass sie möglichst typische Muster für die einzelnen Diagnosen repräsentieren.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Detlef Schuppan und Kristin Gisbert-SchuppanTägliches Brot: Krank durch Weizen, Gluten und ATIhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-56044-0_2

    2. Weizen, Gluten, ATI: eine Einführung

    Detlef Schuppan¹  und Kristin Gisbert-Schuppan²

    (1)

    Institut für Translationale Immunologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland

    (2)

    Mainz, Deutschland

    2.1 Kurze Geschichte des Weizens

    2.2 Was ist Gluten?

    2.3 Was sind ATI

    Die Geschichte des Weizenanbaus mit einer Verbreitung vom mittleren Osten nach Europa und in die ganze Welt wird dargestellt. Es folgt eine Beschreibung, wie aus den alten die modernen Weizensorten entstanden sind, nämlich durch Züchtung und Kreuzung vom wenig ertragreichen diploiden Wildweizen zum modernen hexaploiden Hochleistungsweizen. Das Weizengenom mit fast 5-mal so vielen Genen wie die menschliche Zelle ist äußerst komplex. Der Aufbau des Weizenkorns, der Gehalt an Kohlenhydraten und eine Vielzahl verschiedener Proteine werden vorgestellt. Die in unserem Zusammenhang wichtigsten Proteine sind Gluten, ATI (Amylase-Trypsin-Inhibitoren) und allergene Proteine. Sie dienen entweder als Speicher oder regulieren die Keimreifung.

    2.1 Kurze Geschichte des Weizens

    Weizen ist weltweit das Grundnahrungsmittel Nummer eins und hat Reis und Mais weit hinter sich gelassen. Gerade Länder, die man spontan nicht mit Weizen in Verbindung bringen würde, wie China und Indien, haben neben der EU die höchste Produktion und den höchsten Konsum weltweit. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, mehr über das Getreide, das auch bei uns das beliebteste Grundnahrungsmittel ist, zu erfahren (◘ Abb. 2.1).

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    Abb. 2.1

    Weltweiter Weizenanbau. Weizen ist zum wichtigsten Grundnahrungsmittel geworden. Hauptproduzenten sind mittlerweile China und die EU, gefolgt von Indien, den USA und Russland. Die Hauptproduzenten sind auch die Hauptkonsumenten (Angaben in Mio. Tonnen; modifiziert nach FAO [Food and Agriculture Organization of the United Nations] Worldstat 2012, ► https://​www.​slideshare.​net/​CIMMYT/​global-wheat-outlook)

    Weizen wurde erstmals systematisch in Mesopotamien, dem heutigen Mittleren Osten, angebaut und damit auch gezüchtet. Zuvor handelte es sich um einen Urweizen, der wild wuchs und sicher auch von Sammlern und Jägern als Nahrungsmittel genutzt wurde, naturgemäß aber in geringen Mengen vorkam. Von Mesopotamien aus breitete sich der Weizenanbau in den nächsten Jahrtausenden nach England und Westeuropa aus, aber auch nach Afrika und Ägypten. In Deutschland wurde Weizen vermutlich erstmalig vor ca. 6.000 Jahren angebaut (◘ Abb. 2.2).

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    Abb. 2.2

    Verbreitung des Weizenanbaus. Die ersten Funde eines systematischen Weizenanbaus stammen aus dem Osten der Türkei, die ältesten Funde aus dem Ort Karacadag in der heutigen südöstlichen Türkei vor nahezu 11.000 Jahren. Kurz darauf wurde Weizen auch im heutigen Irak (Mesopotamien), Syrien und Ägypten angebaut. Es handelte sich dabei zunächst um Einkorn (diploid, einfacher Chromosomensatz), Emmer und Durum (tetraploid, zweifacher Chromosomensatz), frühe Weizensorten mit engerer Verwandtschaft zu Wildweizen. Jedoch fand man modernere Weizensorten (hexaploider Weizen, drei Chromosomensätze), die bereits vor 8.300 Jahren angebaut wurden. Insbesondere in Ägypten wurde die Brotherstellung verfeinert. Der Weizenanbau verbreitete sich in den folgenden Jahrtausenden in Richtung Mitteleuropa und erreichte vor ca. 5.000 Jahren die britischen Inseln. (Modifiziert nach Burroughs 2005)

    Die Urform des Weizens ist das Einkorn (Triticum), ein Wildweizen, der einen diploiden Chromosomensatz aufweist, d. h. die Chromosomen liegen doppelt vor. Durch Zukreuzen von Ziegengras entstand Emmer , ein tetraploider Weizen mit vier Chromosomensätzen. Damit verwandt ist auch der heute noch verwendete Durum - oder Hartweizen , aus dem vor allem Nudeln hergestellt werden. Durch weitere Kreuzung entstand vor ca. 3.000 Jahren der hexaploide Weizen, dessen Frühform der Dinkel ist. Die modernen Brotweizen sind alle Weiterentwicklungen dieses hexaploiden Weizens. Heutzutage gibt es eine große Anzahl hexaploider Weizensorten, je nach Land und Region, die unter anderem durch Züchtung auf Wetterfestigkeit, Genügsamkeit auf kargen Böden und Schädlingsresistenz entstanden sind (◘ Abb. 2.3, ◘ Abb. 2.4).

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    Abb. 2.3

    Entstehung des modernen Weizens durch Kreuzung. Das früheste, auch heute sehr eingeschränkt angebaute Einkorn (Triticum), enthält einen diploiden (doppelten, AA) Chromosomensatz. Durch Einkreuzen wurde dieser verdoppelt (tetraploid, AABB) und schließlich verdreifacht (hexaploid, AABBDD). Emmer und der Pastaweizen (Hartweizen Durum) sind tetraploid, Dinkel und moderner Weizen sind hexaploid (A = Aegilops; modifiziert nach ► http://​www.​spektrum.​de/​lexikon/​biologie/​weizen/​70571)

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    Abb. 2.4

    Gluten- und ATI-haltige Getreide. Von der Urform (diploider Wildweizen) zum modernen (hexaploiden) Weizen und den verwandten Getreiden Roggen und Gerste (ATI Amylase-Trypsin-Inhibitoren, Aeg (Aegilops, Wildgras). modifiziert nach ► http://​www.​spektrum.​de/​lexikon/​biologie/​weizen/​70571)

    Diese Züchtungen haben ebenfalls den Nährstoffgehalt sowie den Gehalt an Gluten beeinflusst. Genmanipulation spielt bei den beschriebenen Veränderungen des Weizens keine Rolle. Mit dem Weizen verwandt sind auch Gerste und Roggen . Dies zu wissen, ist wichtig, weil Zöliakiepatienten diese Getreide wegen ihres Glutengehalts gleichfalls nicht verzehren dürfen. Gerste und Roggen enthalten ebenfalls ATI (Amylase-Trypsin-Inhibitoren), die gleichermaßen wie im Weizen wirksam sind. Unter den bei uns heimischen Getreiden ist einzig der Hafer nicht mit dem Weizen verwandt. Entsprechend enthält er keine ATI und kein Gluten. Dass Zöliakiepatienten dennoch vorsichtig beim Konsum von Hafer sein müssen, hängt damit zusammen, dass er bei der Verarbeitung häufig mit glutenhaltigen Getreiden kontaminiert wird, z. B. wenn er in einer nicht glutenfreien Mühle zu Haferflocken gequetscht wird.

    2.2 Was ist Gluten?

    Die Nährstoffe im Weizenkorn sind vorwiegend dazu bestimmt, die für die Keimung notwendige Energie und die notwendigen Aufbaustoffe bereit zu stellen. Der Energiegewinnung dient hauptsächlich die enthaltene Stärke, die gespeichert und bei Bedarf in den Brennstoff Glukose umgewandelt wird (◘ Abb. 2.5).

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    Abb. 2.5

    Aufbau des Getreidekorns. Die Proteine des Getreidekorns sind für die Zöliakie, ATI-Sensitivität (ATI = Amylase-Trypsin-Inhibitoren) und Weizenallergie verantwortlich. Sie sind in der Aleuronschicht enthalten, ATI auch im Mehlkörper. Der Mehlkörper dient als Energiequelle, die Glutenproteine dienen als Eiweißbausteine bei der Keimung des Weizenkorns. (Modifiziert nach ► http://​www.​umweltbildung.​enu.​at/​getreide-vom-korn-zum-brot)

    Als Bausteinlieferant für das Wachstum des Keimlings dienen die Proteine und hier besonders das Gluten . Für die weizenbedingten Erkrankungen spielen nur die Proteine eine Rolle. Sie machen im Mittel 8–13 % des Trockengewichts des Weizenkorns und -mehls aus. Mit 80–90 % des Gesamtproteins ist das Gluten das vorherrschende Eiweiß. Biochemisch gesehen bildet Gluten eine große Familie kettenförmiger Moleküle mit durchschnittlich 200–600 aneinandergereihten Aminosäurebausteinen. Die Proteine im menschlichen Körper bestehen aus ungefähr 20 verschiedenen Aminosäurebausteinen, beim Gluten überwiegen zwei Aminosäuren, nämlich das Prolin und das Glutamin . Prolin und Glutamin bewirken eine ungewöhnliche Proteinstruktur, die dazu führt, dass die menschlichen Verdauungsenzyme das Protein Gluten nicht vollständig

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