Regionale Konflikte im Südchinesischen Meer: Ein Überblick
Von Julius Michel
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Regionale Konflikte im Südchinesischen Meer - Julius Michel
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
J. MichelRegionale Konflikte im Südchinesischen Meeressentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27977-6_1
1. Abriss der Territorialkonflikte
Julius Michel¹
(1)
Roth, Deutschland
Julius Michel
Email: juliusmartinmichel@yahoo.com
In der dialektischen Philosophie nach Hegel lässt sich im je besonderen Einzelnen, durch die Spuren der Vermittlungen, das Allgemeine dechiffrieren. Auf den ersten Blick geht es bei den Konflikten im Südchinesischen Meer nur um ein paar aus dem Meer herausragende Felsen, ein paar Riffe und Fische: die Paracel- und Spratly-Inselgruppen. Bei näherer Betrachtung jedoch, erkennt man die globale Dimension des Wettstreits zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten von Amerika, sowie die Interessen der kleineren Staaten der Region – wie Vietnam, Malaysia, Brunei, Indonesien, die Philippinen und Taiwan –, welche zusehends unter das Rad der Geschichte geraten. Die Großmachtkonkurrenz wird längst nicht mehr bloß wirtschaftlich, mit dem Handelskrieg und der Belt and Road Initiative, ausgetragen. Sie entwickelt sich zu einer neuen Form des Kalten Krieges, mit dem Südchinesischen Meer als heißem Austragungsort. Im gesamten Raum des Chinesischen Meeres liegen reiche und historisch von allen Staaten genutzte Fischgründe. Zudem werden immense Vorkommen an Öl, Erdgas und Erzen vermutet. Durch den Archipel verläuft ein signifikanter Teil des Welthandels. Auch sind die maritimen Routen elementar wichtig für die Energieversorgung der asiatischen Staaten. Darüber hinaus geht es um Fragen der Sicherheitspolitik, der nationalen Souveränität nach internationalem Recht, dessen Geltung für die Zukunft sowie um die freie Navigation auf den Weltmeeren und in der Luft. Gleichzeitig, nebst dieser für die globalisierte Welt normalen Vermittlung von regionalen Konflikten und dem internationalen Handel, sind die asiatischen Anrainerstaaten Teil einer geostrategischen Containment-Strategie seitens der USA gegen das aufstrebende China. China versucht sich aus dieser Umklammerung zu lösen, indem die Volksrepublik den relativ alten Plan¹ der 9-, bzw. 10-Dash-Line² (vgl. Abb. 1.1) – bisher ohne exakte Koordinaten – 2009 international veröffentlichte, also einen Anspruch auf nahezu das gesamte Südchinesische Meer (85,7 %, vgl. Vitug 2018) proklamiert und hierüber die ASEAN Staaten – mittels wirtschaftlicher Verflechtungen – spaltet und imperial in eine Situation der Abhängigkeit treibt. Gleichzeitig beanspruchen auch andere Staaten, wie Vietnam, große Teile der See, welche über ihre – nach internationalen Recht festgelegten – ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) hinausragen. Infolgedessen ergeben sich auch unter den südostasiatischen Staaten überschneidende Gebietsansprüche, welche mit jahrhundertealten Karten historisch untermauert werden. Dies macht die Situation extrem komplex, gerade da die Dispute in der Nachkriegs- und Nachkolonialzeit nicht mit Fingerspitzengefühl gelöst wurden und das Seerechtsübereinkommen noch nicht existierte. Nach der Kapitulation Japans schickte die Republik China im November 1946 Marineschiffe in dieses terra nullius, um die Kontrolle über die Atolle zu erlangen. Als der Friedensvertrag mit Japan auf der Konferenz von San Francisco am 7. September 1951 unterzeichnet wurde, erklärten sowohl China als auch Vietnam ihr scheinbares Anrecht auf die Felsen. Später beanspruchte auch die philippinische Regierung einige Formationen des Archipels. Die Souveränitätsrechte wurden von den Siegermächten vertraglich nicht festgelegt. Die ganze Region wurde in den letzten Jahrzehnten stark militarisiert. Alle Anrainerstaaten, bis auf Brunei und Indonesien, bauten militärische Stützpunkte auf Riffe, Sandbänke und Felsen. China ließ seit 2014 auf solchen Formationen künstliche Inseln mittels zehn Millionen Kubikmeter Zement und vom Meeresboden aufgesogenen Materials auf einer Gesamtfläche von zwölf Quadratkilometern aufschütten, zerstörte somit jene anfälligen maritimen Ökosysteme, und baute Flugzeuglandebahnen, Spionageanlagen, Häfen und Raketenstützpunkte. Zehn künstliche Inseln – teils mit Häfen und Landebahnen – wurden auch von Vietnam konstruiert. Zwar in flächenmäßig um die Hälfte kleinerem Maßstab, jedoch von der internationalen Öffentlichkeit kaum beachtet. Zudem baute Malaysia in den 1980er Jahren auf dem Swallow Riff eine Landebahn. Wie sich jene künstlichen Inseln der natürlichen Erosion entziehen werdem wird unterdessen kaum diskutiert. Taiwans Haltung ist ambivalent. Die Republik schließt sich der ein Land, zwei Systeme Politik an und folgt den immensen Souveränitätsansprüchen des Festlandes, besitzt jedoch eigene Stützpunkte in den umstrittenen Gebieten. So hat die Republik selbst Dispute mit der Volksrepublik über – unter anderem – die Pratas-Inseln und fürchtet eine Annexion. Gleichzeitig unterstützen sie sich gegenseitig, wie die gemeinsame Erneuerung der Hafenanlage auf Itu Aba (Spratly-Inseln) im Februar 2015 zeigte (vgl. Paul 2016a, S. 13).
../images/489317_1_De_1_Chapter/489317_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Chinas 9-Dash-Line.
(Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Welle)
Im Zuge dieser Konflikte kam es in den letzten