Telemedizin: Grundlagen und praktische Anwendung in stationären und ambulanten Einrichtungen
Von Rolf Rossaint
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Über dieses E-Book
Das vorliegende Buch gibt einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand und die Entwicklungen im Bereich der Telemedizin in Deutschland. Das Herausgeberteam aus einem der führenden Telemedizinzentren Deutschlands und ein interdisziplinäres Autorenteam liefern wesentliche Grundlagen sowie zahlreiche Anwendungsbeispiele aus dem stationären und ambulanten Bereich. Zudem werden Chancen und Risiken der Telemedizin erörtert, so dass der Leser gut für die Zukunft in Klinik oder Praxis gerüstet ist. Ein Grundlagen- und Nachschlagewerk für alle Ärzte, die sich für digitale Zukunft im Gesundheitswesen wappnen und ihre Patienten optimal versorgen möchten.
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Buchvorschau
Telemedizin - Gernot Marx
Book cover of Telemedizin
Hrsg.
Gernot Marx, Rolf Rossaint und Nikolaus Marx
Telemedizin
Grundlagen und praktische Anwendung in stationären und ambulanten Einrichtungen
1. Aufl. 2021
../images/417475_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngLogo of the publisher
Hrsg.
Gernot Marx
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Rolf Rossaint
RWTH Aachen, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Nikolaus Marx
Medizinische Klinik I, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ISBN 978-3-662-60610-0e-ISBN 978-3-662-60611-7
https://doi.org/10.1007/978-3-662-60611-7
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Umschlaggestaltung: deblik Berlin
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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort
Welcome to the future!
Telemedizin ermöglicht eine Patientenversorgung unabhängig von Raum und Zeit unter Zuhilfenahme moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.
Telemedizin stellt Expertenwissen zeitnah und bedarfsgerecht zur Verfügung.
Telemedizin ermöglicht sektorenübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit durch strukturierte Vernetzung der Behandler.
Die Geschwindigkeit und Dynamik der Entwicklung von Telemedizin, fortschreitendender Digitalisierung und Anwendung von künstlicher Intelligenz eröffnen neue Horizonte für Ärzte und Patienten. Ärzte und Patienten können vom individualisierten und schnellen Zugang zu medizinischen Therapien und Produkten sowie von frühzeitiger Intervention und Nutzung optimaler diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten profitieren.
Dieses Potential zu nutzen, ist wichtig, um auch zukünftig eine bestmögliche Gesundheitsversorgung der Bürger mit hoher Qualität und Zugänglichkeit in jeder Region sicherzustellen. Im Jahr 2030 werden in Deutschland voraussichtlich über 100.000 Ärzte fehlen. Schon jetzt weist Deutschland EU-weit die älteste und weltweit nach Japan die zweitälteste Bevölkerung auf. Vor diesem Hintergrund muss die Versorgungsstruktur durch forcierte Digitalisierung flexibler und leistungsfähiger werden. Die Frage ist nicht ob, sondern wie tiefgreifend der digitale Wandel unser Gesundheitswesen verändern kann, um auch in Zukunft eine flächendeckende, hohe Behandlungsqualität zum Wohl der Patienten zu erreichen. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, die vorhandenen dezentralen Strukturen sektorenübergreifend digital zu vernetzen. Hier stellt Telemedizin die erforderliche Plattform bereit.
Für den digitalen Bereich weisen Lehrbücher eine gewisse Problematik auf. Auf der einen Seite bietet ein Standardlehrbuch eine substantielle und umfassende Grundlage zur Fort- und Weiterbildung und dient als Nachschlagewerk für den klinisch Tätigen. Auf der anderen Seite erstreckt sich die Erstellung eines solchen Standardlehrbuches über einen längeren Zeitraum, so dass die Gefahr besteht, dass beim Erscheinen einige Inhalte bereits nicht mehr aktuell sind. Dies ist beim Thema Telemedizin und Digitalisierung besonders deutlich und bitten diesen Umstand bei der Lektüre des Buches zu beachten, zumal die Erstellung der Kapitel bereits im Jahre 2019 erfolgt ist. Dennoch erschien es uns als Herausgeber wichtig, einmal eine Basis und einen Überblick zusammenzutragen, damit neugierige oder interessierte Kolleginnen und Kollegen Anregungen bekommen und von Experten Informationen zum Thema fokussiert zusammengetragen und interpretiert erhalten. Dies erlaubt dem Leser, sich selbst einen Überblick in das faszinierende Segment zukunftsweisender Medizin zu verschaffen.
Der Springer-Verlag ist mit uns gemeinsam dieses Wagnis eingegangen. Wir danken allen Mitarbeitern des Verlages sowie allen Autoren für ihren engagierten Einsatz bei der Erstellung dieses innovativen Buches.
Wir wünschen Ihnen, dass Ihnen das neue Standardwerk zur Telemedizin ein wertvoller Ratgeber ist.
Viel Freude beim Lesen und Erfolg bei Ihrer Arbeit
Gernot Marx
Rolf Rossaint
Nikolaus Marx
Aachen
im Oktober 2020
Inhaltsverzeichnis
I Definitionen und Grundlagen
1 Telekooperation – Telemonitoring – Teletherapie: Begriffserklärungen 3
Rainer Beckers und Gernot Marx
2 Rechtliche Aspekte der Telemedizin 9
Karsten Fehn
3 Qualitätssicherung in der Telemedizin 53
Rainer Beckers und Lisa Stellmacher
4 Datenschutz in der Telemedizin 73
Thomas Jäschke
5 Fernbehandlung 79
Franz Bartmann
II Modelle und Konzepte in der Akutmedizin und stationären Versorgung
6 Telemedizin in der Intensivmedizin 89
Gernot Marx
7 Telemedizin in der Anästhesiologie 105
Michael Czaplik, Rolf Rossaint und Andreas Follmann
8 Telemedizin in der Schmerztherapie 113
Carla Nau
9 Telemedizin in der Kardiologie 123
Friedrich Köhler, Sandra Prescher, Sebastian Spethmann und Kerstin Köhler
10 Telemedizin in der Notfallmedizin 137
Andreas Follmann, Marc Felzen, Rolf Rossaint und Michael Czaplik
11 Telemedizin in der Palliativmedizin 149
Roman Rolke
12 Telemedizin in der Radiologie 159
Maximilian de Bucourt
13 Telemedizin in der Neurologie 171
Carsten M. Klingner, Albrecht Günther und O. W. Witte
14 Telemedizin in der Traumatologie 187
Philipp Lichte, Felix Bläsius und Frank Hildebrand
15 Telemedizin in der Psychiatrie 193
Neeltje van den Berg, Hans-Jörgen Grabe, Ulrike Stentzel und Wolfgang Hoffmann
16 Telemedizin in der Hämatologie und Onkologie 203
Steffen Koschmieder und Tim H. Brümmendorf
III Sektorenübergreifende Themen
17 Arzneimitteltherapiesicherheit 211
Albrecht Eisert, Julia Amkreutz und Claudia Langebrake
18 Arzt-Patienten-Portale 221
Sven Meister, Salima Houta, Stefan Becker, Lothar Schöpe und Rainer Surges
19 THALEA 229
Gernot Marx
IV Modelle und Konzepte in der Rehabilitation
20 Telemedizinische Rehabilitationsplanung: Das Aachener Modell 235
Philipp Lichte, Felix Bläsius, Frank Hildebrand und Hans-Christoph Pape
21 Telemedizinische postoperative Versorgung herzchirurgischer Patienten 241
Rachad Zayat, Jan Wilhelm Spillner und Rüdiger Autschbach
V Modelle und Konzepte in der ambulanten Versorgung
22 Telemedizin bei außerklinischer Beatmung, in der Schlafmedizin und bei Sauerstofflangzeittherapie 253
Christian Cornelissen
23 Telepflege – Telemedizin in der Pflege 259
Rainer Beckers und Veronika Strotbaum
24 Telemedizinische Betreuungsmodelle bei Diabetes mellitus 275
Stephan Martin
25 Telemedizin bei Herzinsuffizienz 283
Christiane E. Angermann
26 Telemedizin bei Hypertonie 301
Martin Middeke
27 Online-Arztvisite 311
Michael Czaplik
28 Telemedizin im Offshore Bereich 315
Daniel Overheu, Rüdiger Franz und Andreas Weyland
VI Blick in die EU- und Nachbarländer
29 Teleneuromonitoring bei Aortenchirurgie – Ein europäisches Netzwerk 327
Werner H. Mess
30 Ausgewählte Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Fernbehandlung in der EU 337
Erik Hahn
VIIInteroperabilität
31 Digitale Agenda 353
Klaus Juffernbruch
32 Telematikinfrastruktur 361
Markus Leyck Dieken
33 Interoperabilitätsverzeichnis vesta 375
Andreas Grode und Sophia Lückhof
34 Interoperabilität – IT-Standards für telemedizinische Netze 389
Sylvia Thun
35 Die elektronische Fallakte 401
Sven Meister und Salima Houta
36 App-gestütztes multidimensionales Selbstmanagement 411
Peter Haas, Bernd Leicher und Tim Terlohr
37 Big Data und künstliche Intelligenz in der Medizin 423
Pejman Farhadi, Konstantin Sharafutdinov, Jayesh Sudhir Bhat und Andreas Schuppert
38 Der vernetzte Operationssaal 437
Verena Voigt, Rolf Rossaint und Michael Czaplik
VIII Perspektiven
39 Mobile Interaktion 445
Klaus Juffernbruch
40 Ambient Assisted Living 451
Martina Ziefle
41 Robotische Unterstützung in Therapie und Pflege 467
Catherine Disselhorst-Klug
42 Dauerhafte Implementierung von Projekten 477
Carolin Nätzer, Saskia Deffge, Günter van Aalst und Veronika Strotbaum
43 Telemedizin – Bewertung des Nutzens 483
Daniel Gensorowsky, Michael Dörries und Wolfgang Greiner
Erratum zu: Telemedizin in der Radiologie E1
Maximilian de Bucourt
Serviceteil
Stichwortverzeichnis 499
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Über die Herausgeber
../images/417475_1_De_BookFrontmatter_Figb_HTML.jpgUniv.-Prof. Dr. med. Gernot Marx, FRCA
Akademischer Werdegang
Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bis 1994
2000 Habilitation
2000–2004 Senior Lecturer in Anaesthesia & Intensive Care, University of Liverpool, UK
2004 Vorzeitige Verleihung der Würde „Außerplanmäßiger Professor" an der MHH
2004–2008 C3-Professur auf Lebenszeit für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
seit 2008 Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen
2013 Fellow des Royal College of Anaesthetists by election
2016 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin
../images/417475_1_De_BookFrontmatter_Figc_HTML.jpgProfessor Dr. med. Rolf Rossaint
Direktor der Klinik für Anästhesiologie der RWTH Aachen
Studium der Humanmedizin bis 1983 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
1983–1988 wiss. Mitarbeiter am Zentrum für Anästhesiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
1987 Anerkennung als Arzt für Anästhesiologie
1988–1997 Leitender Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Rudolf Virchow der Freien Universität Berlin
1990 European Diploma on Intensive Care Medicine
1993 Habilitation
1993 „E.-K. Frey Preis", u. a.
seit 1997 Direktor der Klinik für Anästhesiologie an der RWTH Aachen
seit 2010 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
../images/417475_1_De_BookFrontmatter_Figd_HTML.jpgUniv.-Prof. Dr. med Nikolaus Marx
Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und lnternistische lntensivmedizin der RWTH Aachen
Studium der Humanmedizin bis 1994 in Mainz, Gent und Düsseldorf
1994–1997
Arzt im Praktikum und Assistenzarzt 1. Medizinische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München; Klinikum rechts der lsar;
1997–1999
Wissenschaftliche Tätigkeit am Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School, (Boston, MA, USA)
1999–2003
Assistenzarzt; Klinik für lnnere Medizin II; Universitatsklinikum Ulm
2002
Hapilitation
2002
Facharzt für lnnere Medizin
2003
Erwerb der Teilgebietsbezeichnung Kardiologie
2003–2008
Qberarzt der Klinik für lnnere Medizin II; Universitätsklinikum Ulm
2005
Weiterbildung Spezielle lnternistische lntensivmedizin
2005
Ernennung zum außerplanmaßigen Professor
2008–2009
Ltd. Oberarzt der Klinik für lnnere Medizin II; Universitätsklinikum Ulm
seit 11′2009
Direktor der Medizinischen Klinik I – Kardiologie, und Angiologie an der RWTH Aachen
Stipendien/Preise/Keynote Lectures:
2004
Morgagni Young Investigator Award
2004
Merckle-Forschungspreis
2010
Paui-Morawitz-Preis der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
Autorenverzeichnis
Julia Amkreutz
Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Christiane E. Angermann
Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
Rüdiger Autschbach
Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Franz Bartmann
Ärztekammer Schleswig-Holstein, Bad Segeberg, Deutschland
Stefan Becker
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Dortmund, Deutschland
Rainer Beckers
Zentrum für Telematik und Telemedizin, Bochum, Deutschland
Jayesh Sudhir Bhat
Institute for Computational Biomedicine II, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Felix Bläsius
Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Tim H. Brümmendorf
Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation, Medizinsche Fakultät, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
Christian Cornelissen
Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Michael Czaplik
Klinik für Anästhesiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Maximilian de Bucourt
Klinik für Radiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
Saskia Deffge
Innovationszentrum Digitale Medizin, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Catherine Disselhorst-Klug
Lehr- und Forschungsgebiet Rehabilitations- & Präventions Technik; Institut für Angewandte Medizintechnik, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Michael Dörries
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
Albrecht Eisert
Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Pejman Farhadi
Institute for Computational Biomedicine II, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Karsten Fehn
FEHN Legal, Köln, Deutschland
Marc Felzen
Klinik für Anästhesiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Andreas Follmann
Klinik für Anästhesiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Rüdiger Franz
Klinikum Oldenburg, Universitätsklinik für Anästhesiologie/Intensiv-/Notfallmedizin/Schmerztherapie, Oldenburg, Deutschland
Daniel Gensorowsky
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
Hans-Jörgen Grabe
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
Wolfgang Greiner
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
Andreas Grode
Strategie und Europa, Gematik GmbH, Berlin, Deutschland
Albrecht Günther
Hans-Berger Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
Peter Haas
Medizinische Informatik, Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
Erik Hahn
Institut für Gesundheit, Altern und Technik, Hochschule Zittau/Görlitz, Zittau, Deutschland
Frank Hildebrand
Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Wolfgang Hoffmann
Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
Salima Houta
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Dortmund, Deutschland
Thomas Jäschke
Datatree AG, Düsseldorf, Deutschland
Klaus Juffernbruch
FOM Hochschule für Ökonomie & Management gGmbH, Neuss, Deutschland
Carsten M. Klingner
Hans-Berger Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
Friedrich Köhler
Arbeitsbereich kardiovaskuläre Telemedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
Kerstin Köhler
Arbeitsbereich kardiovaskuläre Telemedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
Steffen Koschmieder
Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation, Medizinsche Fakultät, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
Claudia Langebrake
UKE Hamburg, Hamburg, Deutschland
Bernd Leicher
Medizinische Informatik, Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
Markus Leyck Dieken
gematik GmbH, Berlin, Deutschland
Philipp Lichte
Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Sophia Lückhof
Strategie und Europa, Gematik GmbH, Berlin, Deutschland
Stephan Martin
Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum, Düsseldorf, Deutschland
Gernot Marx
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Sven Meister
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Dortmund, Deutschland
Werner H. Mess
Department of Clinical Neurophysiology, Maastricht University Medical Center, Maastricht, Niederlande
Martin Middeke
Hypertoniezentrum München HZM, Excellence Center of the European Society of Hypertension, München, Deutschland
Carla Nau
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Hostein, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
Carolin Nätzer
Innovationszentrum Digitale Medizin, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Daniel Overheu
Klinikum Oldenburg, Universitätsklinik für Anästhesiologie/Intensiv-/Notfallmedizin/Schmerztherapie, Oldenburg, Deutschland
Hans-Christoph Pape
Klinik für Traumatologie, USZ Universitäts Spital Zürich, Zürich, Schweiz
Sandra Prescher
Arbeitsbereich kardiovaskuläre Telemedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
Roman Rolke
Klinik für Palliativmedizin, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Rolf Rossaint
RWTH Aachen, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Lothar Schöpe
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Dortmund, Deutschland
Andreas Schuppert
Institute for Computational Biomedicine II, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Konstantin Sharafutdinov
Institute for Computational Biomedicine II, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Sebastian Spethmann
Kardiologie, Angiologie, Nephrologie, Medizinische Hochschule Brandenburg – Campus Ruppiner Kliniken, Neuruppin, Deutschland
Jan Wilhelm Spillner
Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Lisa Stellmacher
Zentrum für Telematik und Telemedizin, Bochum, Deutschland
Ulrike Stentzel
Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
Veronika Strotbaum
Zentrum für Telematik und Telemedizin, Bochum, Deutschland
Rainer Surges
Klinik für Epileptologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
Tim Terlohr
Medizinische Informatik, Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
Sylvia Thun
Competence Center eHealth, Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland
Günter van Aalst
Innovationszentrum Digitale Medizin, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Neeltje van den Berg
Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
Verena Voigt
Klinik für Anästhesiologie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Andreas Weyland
Klinikum Oldenburg, Universitätsklinik für Anästhesiologie/Intensiv-/Notfallmedizin/Schmerztherapie, Oldenburg, Deutschland
O. W. Witte
Hans-Berger Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
Rachad Zayat
Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Martina Ziefle
Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Teil IDefinitionen und Grundlagen
Inhaltsverzeichnis
1 Telekooperation – Telemonitoring – Teletherapie: Begriffserklärungen 3
Rainer Beckers und Gernot Marx
2 Rechtliche Aspekte der Telemedizin 9
Karsten Fehn
3 Qualitätssicherung in der Telemedizin 53
Rainer Beckers und Lisa Stellmacher
4 Datenschutz in der Telemedizin 73
Thomas Jäschke
5 Fernbehandlung 79
Franz Bartmann
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021
G. Marx et al. (Hrsg.)Telemedizinhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60611-7_1
1. Telekooperation – Telemonitoring – Teletherapie: Begriffserklärungen
Rainer Beckers¹ und Gernot Marx²
(1)
Zentrum für Telematik und Telemedizin, Bochum, Deutschland
(2)
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
Rainer Beckers (Korrespondenzautor)
Email: r.beckers@ztg-nrw.de
Gernot Marx
Email: gmarx@ukaachen.de
1.1 Telekooperation: digitale Zusammenarbeit
1.2 Teletherapie: mobil behandeln
1.3 Telemonitoring: objektivierte, datengestützte Nachsorge
1.4 Telemedizin hat Versorgungsbezug
Zum tragenden Organisationsprinzip der Medizin gehört seit jeher, dass Diagnostik und Therapie nur in einem von Arzt und Patient gemeinsam geteilten Ort stattfinden können. Gute Gründe dafür sind die notwendige Vorhaltung der Apparate, die Rolle der körperlichen Untersuchung und das Arzt-Patienten-Verhältnis, welches gewissermaßen taktil initialisiert wird (Iida J, Nishigori H (2016) Physical Examination and the Physician-patient Relationship: A Literature Review.¹,²,³
Durch die Digitalisierung wird aber insbesondere die Diagnostik mobil und der Gang in die Arztpraxis tendenziell entbehrlich. Komplexe Diagnostik hat, wie das Beispiel der Smart Watches zeigt, inzwischen sogar in den Alltag Einzug gehalten. Weltweit wird an sog. elektronischer Haut geforscht, deren Trägermaterial mit umfangreicher Sensorik ausgestattet werden kann.⁴ Hinzu kommen mobile „Selbstbedienungspraxen" für das Land, in denen der Arzt nur noch per Videochat hinzugeschaltet wird. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, über die Internetmedizin jederzeit an weltweit verteilte ärztliche Spitzenexpertise zu gelangen.
Wir befinden uns also de facto in einem Wandel, zwischen dem Extrem eines vollständig digitalen und quasi allwissenden Gegenübers der Internetmedizin und dem Bild des jederzeit verfügbaren, empathischen ärztlichen Zuhörers. Das eine Extrem ist vermutlich nicht wünschenswert, das andere Extrem vermutlich aber nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dessen ungeachtet zeigen die Forschungsergebnisse zur Telemedizin, dass die großen Potenziale für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung in der digitalen Kooperation liegen, sich also genau zwischen den eben grob skizzierten Extremen befinden.⁵ Mit Telekooperation kann man nicht nur auf der Intensivstation Leben retten. Mit Teletherapie können Therapien patientenorientierter gestaltet werden, unabhängig von Wohnort und Mobilität. Mit Telemonitoring kann man kooperativ mit allen Heilberuflern chronisch Kranke begleiten. Es ist also für die systematische Diskussion über die sinnvollen Ansätze äußerst hilfreich, auch begrifflich diese Stellgrößen der Digitalisierung auf den Punkt zu bringen.
Wie der Name schon sagt, impliziert der Begriff der „Tele-Medizin" als wortwörtlicher „Fern-Behandlung", dass durch neue Technologien eine adäquate Alternative zum Präsenzprinzip bereitsteht. Kennzeichnend für alle telemedizinischen Anwendungen ist dementsprechend, dass durch die Übertragung von Daten jedweder Art eine Medizin möglich wird, bei der Arzt und Patient räumlich voneinander getrennt sind. Man kann so gesehen, die gesamte gesundheitspolitische Diskussion und Forschung über und zur Telemedizin auf die Frage kondensieren, inwieweit diese räumliche Trennung riskant, akzeptabel oder sogar sinnvoll und nutzbringend ist (s. oben). Dabei kann es nicht verwundern, dass in diesem fachlichen Diskurs mit Begrifflichkeiten auch inhaltliche Positionen transportiert werden.
So ist Telemedizin aus Sicht der Bundesärztekammer eine ausschließlich ärztliche Angelegenheit:
Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.
Für die WHO ist Telemedizin hingegen eine mittels Informations- und Kommunikationstechnologien gestützte Versorgungsform, bei der alle Berufsgruppen beteiligt sind.
The delivery of health care services, where distance is a critical factor, by all health care professionals using information and communication technologies for the exchange of valid information for diagnosis, treatment and prevention of disease and injuries, research and evaluation, and for the continuing education of health care providers, all in the interests of advancing the health of individuals and their communities.⁶
Außerdem erstreckt sich die Telemedizin dieser Definition zufolge auch auf Prävention, Forschung und Ausbildung. Andererseits intendiert die Definition der WHO, dass Telemedizin nur dann praktiziert wird, wenn die gegebene Distanz zwischen Arzt und Patient einen kritischen Faktor für die Leistungserbringung darstellt. Telemedizin wäre in diesem Sinne nur eine Art Lückenbüßer für die Fälle, in denen die Präsenzmedizin nicht oder nicht ausreichend vorgehalten werden kann (Tab. 1.1).
Tab. 1.1
Vergleich der Definition zur Telemedizin von Bundesärztekammer (BÄK) und World Health Organization (WHO)
Fasst man die neuralgischen Punkte beider Definitionen zusammen, dann erscheint Telemedizin als eine durch Informations- und Kommunikationstechnologien soweit gestützte Versorgung, dass das Präsenzprinzip für die Leistungserbringung entbehrlich wird und die Versorgung ortsunabhängig gestaltet werden kann. Auch wenn man im Sinne der WHO argumentieren könnte, dass Forschung und Lehre elementarer Teil der institutionalisierten Medizin darstellen, gelten für diese doch ganz andere Rahmenbedingungen. Rein begrifflich wird bei der Telemedizin ohnehin ausschließlich die Versorgung adressiert, wenn man unter Medizin die eigentliche Heilkunst versteht. So gesehen, ist es pragmatisch betrachtet, naheliegender die medizinische Lehre eher als ein spezielles Anwendungsgebiet von eLearning zu fassen. Analog kann für die medizinische Forschung argumentiert werden. Digital gestützte Forschungsmethodik (Datenerhebung, Big Data, usw.) ist ein bedeutendes Querschnittsthema aller Disziplinen. Es wäre dementsprechend sehr anspruchsvoll, der Telemedizin eine darüberhinausgehende ureigene Forschungsmethodik zuzusprechen.⁷
Technologische, konzeptionelle und vornehmlich gesundheitsökonomisch relevante regulatorische Herausforderungen haben dazu geführt, dass sich die Entwicklung der Telemedizin im Großen und Ganzen in drei Anwendungsbereiche zusammenfassen lässt⁸: In Anlehnung an internationale Definitionen und unter Berücksichtigung der gewachsenen Strukturen im deutschen Gesundheitswesen haben sich
die Telekooperation,
die Teletherapie sowie
das Telemonitoring
herauskristallisiert.⁹
1.1 Telekooperation: digitale Zusammenarbeit
Telekooperation beschreibt primär die ortsunabhängige Zusammenarbeit zwischen den Professionen, insbesondere natürlich innerhalb der Ärzteschaft. Als Schlüsseltechnologie fungiert die audiovisuelle Kommunikation mit Videokonferenztechnik. Ergänzend zur audiovisuellen Datenübertragung werden auch Patientendaten z. B. aus einer gemeinsam genutzten elektronischen Patientenakte/Fallakte oder über standardbasierte Verfahren wie DICOM-E-Mail ausgetauscht. Das Konsil wird so zum Telekonsil.
Regulatorisch war auch die Telekooperation (allerdings bedeutsamer für Telemonitoring und Teletherapie) zunächst noch durch das sog. Fernbehandlungsverbot geprägt, welches haftungsrechtliche Konsequenzen für die Gewährleistung des Facharztstandards hatte. Nach Änderung des betreffenden § 7 in der Musterberufsordnung-Ärzte infolge eines Beschlusses des Deutschen Ärztetages von 2018 hat sich dies geändert. Die Telekooperation zeichnet sich jetzt dadurch aus, dass es gewissermaßen der alleinigen Organisationsfreiheit der Ärzte unterliegt, welche technische Form der Zusammenarbeit sie bevorzugen.
Ernsthafte Herausforderungen entstehen für telekooperative Szenarien erst dann, wenn durch die Digitalisierung die Telekooperation derart skaliert wird, dass sie für telekonsiliarische Dienste eigenständige personelle Ressourcen erfordert. Dafür gibt es kaum vergütungsrechtlich eingespielte Lösungen. Die Weiterentwicklung der Telekooperation in diese Richtung ist allerdings absehbar. Die Teleintensivmedizin ist dafür ein Beispiel, welches nebenbei bemerkt auch zeigt, dass die einzelnen Anwendungsbereiche der Telemedizin miteinander verschmelzen können. In der Teleintensivmedizin begleitet ein per Videokonferenztechnik hinzugeschalteter, erfahrener Intensivmediziner eines Zentrums jede Visite auf einer intensivmedizinischen Abteilung eines peripheren Krankenhauses.¹⁰ Da in diesem Fall der Telemediziner u. a. durch unmittelbare Anschauung des Patienten an der Behandlung direkt partizipiert, könnte man auch von teletherapeutischen Elementen in diesem Anwendungsbereich sprechen. Außerdem könnten in weiteren Ausbaustufen auch die Vitaldaten des Intensivmonitorings an das Zentrum übertragen werden, wodurch eine Parallele zum Telemonitoring entsteht. Ein ähnlicher Grenzfall ist der sog. Telenotarzt, der eigentlich den Rettungssanitätern und auch dem fahrenden Notarzt vor Ort telekonsiliarisch zur Seite steht. Andererseits kann er aber auch gestützt auf vorliegende Daten quasi direkt in das Behandlungsgeschehen eingreifen.
1.2 Teletherapie: mobil behandeln
Teletherapie ist dadurch gekennzeichnet, dass das therapeutische Geschehen von der physischen Anwesenheit des Arztes bzw. Therapeuten vor Ort entkoppelt wird. Das Präsenzprinzip wird vornehmlich durch Videokonferenztechnik ersetzt. Ein naheliegendes Beispiel ist die Durchführung psychotherapeutischer Gespräche mit einem Klienten über die Videokonferenztechnik, bzw. Videochat (Web-RTC). Andere Anwendungen finden sich u. a. in der Teleneurologie (Medikationsstellung bei Parkinsonpatienten), Telelogopädie (Sprachübung nach Schlaganfall, Stotterertherapie) und Telephysiotherapie. Die Teletherapie benötigt neben der Videokonferenztechnik meistens zusätzlich ein Endgerät auf Seiten des Patienten (PC oder ein Smartphone) mit speziell entwickelter Software (Apps), mit denen der Patient in seinem Umfeld spezifische Übungen durchführt oder diese zumindest dokumentiert.
Das digitale Setting ist allerdings in den Vergütungskatalogen und Regulierungen des SGB V und anderer Sozialgesetzbücher nur sehr begrenzt vorgesehen.¹¹ Dies ändert sich erst schrittweise (s. Videosprechstunde). Da die neue Form der Leistungserbringung theoretisch das zugrundeliegende medizinische Modell tangieren könnte, beanspruchen die Vertragspartner der Selbstverwaltung für jedes teletherapeutische Verfahren einen mehrjährigen, aufwendigen Prüfungsprozess zu Wirksamkeit und Nutzen, um eine Vergütung festlegen zu können.¹²
1.3 Telemonitoring: objektivierte, datengestützte Nachsorge
Telemonitoring ermöglicht im Unterschied zu Teletherapie und Telekooperation eine Versorgungsform, die in der analogen Medizin bisher praktisch nicht umsetzbar war. Telemonitoring adressiert insbesondere die Begleitung chronisch kranker Patienten durch die kontinuierliche Beobachtung von Vitalwerten und anderen relevanten Parametern, und zwar im privaten Lebensbereich außerhalb einer versorgenden Einrichtung. Klassisch ist an dieser Stelle schon die Telekardiologie als Vorreiter zu nennen, die in vielen Studien untersucht hat, wie z. B. durch Gewichtsmonitoring und Blutdruckkontrolle Verschlechterungstendenzen bei herzinsuffizienten Patienten frühzeitiger detektiert werden können. Telemonitoring nutzt v. a. das Smartphone als zentrale Technologie. Durch immer mehr im Smartphone verbaute Sensorik oder daran gekoppelte mobile Messgeräte können die relevanten Parameter erfasst werden, elegant dokumentiert und über Internet oder Mobilfunk direkt an Ärzte übertragen werden. Medizingeräte selbst, von der intelligenten Waage bis zu Blutzuckermessgeräten oder Herzschrittmachern, werden zunehmend kleiner, digitaler und mit funkbasierter Übertragungstechnologie ausgestattet. Telemonitoring ist damit ein wohl nicht zu unterschätzender Beitrag für die Auflösung eines klassischen Versorgungsdilemmas, welches in Verbindung mit einer Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen seit der Industrialisierung zu einem dramatischen Wandel des Krankheitspanoramas geführt hat. Je erfolgreicher die Konzentration der Medizin auf die akutmedizinische Intervention ist, desto mehr chronisch Kranke gibt es. Das Gesundheitswesen vollzieht dadurch einen Aufgabenwandel von Cure zu Care und zukünftig von Digital Cure zu Digital Care.¹³ Mit dem Telemonitoring steht nun erstmals in der Geschichte der Medizin ein Instrument zur Verfügung, chronisch Kranke auf der Grundlage objektiver Daten kontinuierlich zu begleiten. Allerdings kann diese neue Form der Betreuung chronisch Kranker nur sehr begrenzt von den etablierten Organisationsformen im Gesundheitswesen geleistet werden. Arztpraxen und Krankenhäuser verfügen nicht über die Ressourcen und Organisationsstrukturen, die Daten aus dem Telemonitoring kontinuierlich auszuwerten und ad hoc in 24/7-Bereitschaft mit einer „beliebigen" Anzahl Patienten im Bedarfsfall Kontakt aufzunehmen. Ganz zu schweigen von Coachingansätzen, die mit dem Telemonitoring häufig verbunden sind. Deshalb hat sich in diesem Zusammenhang mit den telemedizinischen Zentren ein neuer Organisationstyp im Gesundheitswesen entwickelt. Telemonitoring benötigt vor diesem Hintergrund adäquate Plattformtechnologien, die eine jederzeitig niedrigschwellige Partizipation und Einbindung der Ärzte und Therapeuten erlaubt. Das zentrale Thema der Internetökonomie, die Skalierung, ist auch hier eine entscheidende Herausforderung wenn es gelingen soll Telemonitoring flächendeckend zu verbreiten.
Das Telemonitoring hat sich im Übrigen mit denselben regulatorischen Hürden auseinanderzusetzen, die schon für die Teletherapie beschrieben wurden. Überdies benötigt es, wie erwähnt, den Aufbau neuer Organisations- und Versorgungsstrukturen.
1.4 Telemedizin hat Versorgungsbezug
Die hier formulierte pragmatische Begriffsanalyse der Telemedizin und ihrer Anwendungsbereiche sollte v. a. herausstellen, dass sich die Telemedizin durch einen sehr unmittelbaren Bezug zur Versorgung der Patienten auszeichnet. Dadurch unterscheidet sich Telemedizin von den eher infrastrukturell geprägten Themen der Telematik im Gesundheitswesen. Deren Begriffsverständnis wird wiederum in Deutschland immer noch stark mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur assoziiert.
Die bis dato geplanten Anwendungen der Telematikinfrastruktur zeichnen sich dadurch aus, dass sie primär administrativ-dokumentarischen Charakter haben, der gleichwohl für die Versorgung Bedeutung haben kann, aber dabei zunächst nicht im Mittelpunkt steht. Damit soll keineswegs die Bedeutung elektronischer Rezepte, Patientenakten und Notfalldatensätze durch definitorische Akte unzulässig minimiert werden. Die Medizin der Zukunft wird diese digitale Kommunikation aber einfach voraussetzen, um entlang der Begrifflichkeiten Telekooperation, Teletherapie und Telemonitoring eine immer intelligentere Versorgung für die Patienten gestalten zu können.
Fußnoten
1
Iida J, Nishigori H (2016) Physical Examination and the Physician-patient Relationship: A Literature Review. https://www.mededpublish.org/manuscripts/59 12.10.2016.
2
Kelly M et al. (2015) Losing touch? Refining the role of physical examination in family medicine. Can Fam Physician 61(12):1041-3, e532–e534.
3
Value of Physical Exam Is Far More Than Meets the Eye. https://www.aafp.org/news/practice-professional-issues/20190805physexamstudy.html. (letzter Abruf 14.10.2019).
4
Siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Electronic_skin#References (letzter Abruf 14.10.2019).
5
Siehe Positionspapier der DGAI und DGTelemed.
6
WHO (1998) A health telematics policy in support of WHO’s Health-For-All strategy for global health development: report of the WHO group consultation on health telematics, 11.–16. December 1997, Geneva, World Health Organization.
7
Dennoch analog zur WHO: J Craig R, V Patterson (2006) Introduction to the practice of telemedicine. In R Wootton, J Craig, V Patterson, (Hrsg.) Introduction to Telemedicine, Second Edition, CRC Press. Dort auch nachvollziehbare Abgrenzung der Telemedizin zu Telecare und Health-Telematics.
8
Auch zur Bedeutung der Rahmenbedingungen: Marx G, Beckers R (2015) Telemedizin in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 58:1053–1055.
9
Dazu auch: Sood S et al. (2007) What is telemedicine? A collection of 104 peer-reviewed perspectives and theoretical underpinnings. Telemedicine and e-Health 13(5). hrsg. v. Liebert MA, Inc.
10
Marx G, Dusch M, Czaplik M, Balzer F, Brokmann JC, Deisz R et al. (2019) Telemedizin für die vier Säulen der Anästhesiologie. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DG Telemed). Anästh Intensivmed 60:191–207. https://doi.org/10.19224/ai2019.191.
11
Im EBM, dem Vergütungskatalog für die ambulante Versorgung, gilt in Verbindung mit dem Bundesmantelvertrag der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Wenn man diesen z. B. mit der festgeschriebenen Bedeutung der ärztlichen körperlichen Untersuchung verknüpft, muss man daraus folgern, dass wesentliche Leistungen nur dann dem Facharztstandard entsprechend erbracht werden können, wenn das Präsenzprinzip gewahrt bleibt. Ähnliches gilt für den Vergütungskatalog stationärer Leistungen, z. B. für den Begriff der Visite.
12
Siehe hierzu Beckers R, Strotbaum V (2015) Vom Projekt zur Regelversorgung. Die richtige Bewertung des Nutzens der Telemedizin hat eine Schlüsselrolle. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 58(10):1062–1067.
13
Siehe hierzu: Colgrove J (2002) The McKeown Thesis: A Historical Controversy and Its Enduring Influence. Am J Public Health 92(5):725–729.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021
G. Marx et al. (Hrsg.)Telemedizinhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60611-7_2
2. Rechtliche Aspekte der Telemedizin
Karsten Fehn¹
(1)
FEHN Legal, Köln, Deutschland
Karsten Fehn
Email: k.fehn@fehn-legal.de
2.1 Einleitung
2.2 Definition der Telemedizin
2.3 Rechtsquellen zur Telemedizin
2.3.1 Regelungen des SGB V und der StrlSchV
2.3.2 Regelungen des TSVG und DVG
2.3.3 Neufassung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte und Konsequenzen für Fernbehandlung, Aufklärung und Dokumentation
2.3.4 Gegenstand einer Fernbehandlung
2.4 Schweigepflicht und Datenschutz
2.4.1 Strafrechtlicher Schutz der Schweigepflicht gemäß § 203 Abs. 1 StGB
2.4.2 Datenschutzrechtliche Vorgaben gemäß DS-GVO, BDSG und Landes-DSG
2.5 Behandlungsfehler und Telemedizin
2.5.1 Allgemeines
2.5.2 Einfacher Behandlungsfehler und maßgeblicher Standard
2.5.3 Sorgfaltspflichtverletzung
2.5.4 Grober Behandlungsfehler
2.5.5 Arten von Behandlungsfehlern
2.5.6 Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für einen Gesundheitsschaden
2.6 Zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen
2.6.1 Vertragliche Schadensersatzansprüche
2.6.2 Deliktische Anspruchsgrundlagen
2.7 Strafrechtliche Verantwortlichkeit
2.8 Zusammenfassung
Literatur
Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Medizinrecht, Rechtsanwalt beim Internationalen Strafgerichtshof, Den Haag, zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV e. V.), zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV e. V.), ordentlicher Professor für Strafrecht und öffentliches Recht am Institut für Gefahrenabwehr und Rettungsingenieurwesen der Technischen Hochschule Köln, Lehrbeauftragter für Medizinrecht an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke; Kaiser-Wilhelm-Ring 14–16, 50672 Köln, k.fehn@fehn-legal.de; www.fehn-legal.de. Dieses Kapitel berücksichtigt grundsätzlich den Rechtsstand bis zum .01.07.2019. Zur Aktualisierung wurden indes im Rahmen der letzten Redigierung des Artikels am 21.07.2020 noch Änderungen der Gesetzes- und Verordnungslage eingearbeitet. Änderungen, insbesondere Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie blieben dabei jedoch aufgrund ihres vorübergehenden Charakters unberücksichtigt.
2.1 Einleitung
Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung eröffnen schon seit einigen Jahren auch in der Medizin neue Möglichkeiten der Patientenbetreuung. So wird beispielsweise in der Schweiz bereits seit dem Jahr 2000 mit Medgate Tele Clinic das größte telemedizinische Zentrum Europas betrieben.¹ Auch in Russland werden seit einigen Jahren umfassende telemedizinische Dienstleistungen angeboten.² Zwar sind weder die Schweiz, noch Russland infrastrukturell mit Deutschland vergleichbar und potenziell ist es in Deutschland für einen Patienten einfacher, in kurzer Zeit einen Arzt³ persönlich zu konsultieren. Es kann aber nicht bestritten werden, dass telemedizinische Leistungen auch in Deutschland, z. B. in ländlichen Gebieten oder grundsätzlich in der Form des Telemonitorings, von Nutzen sind (etwa in der Diabetologie, Kardiologie, Dermatologie, Radiologie, Pathologie). Da es sich hierbei um eine noch relativ neue und bis vor kurzem in Deutschland nur eingeschränkt zulässige Form ärztlicher Patientenbetreuung handelt, soll an dieser Stelle – in gebotener Kürze – auf die rechtlichen Aspekte der Zulässigkeit der Telemedizin sowie der möglichen haftungsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen im Falle eines telemedizinischen Behandlungsfehlers eingegangen werden.
2.2 Definition der Telemedizin
Das deutsche Recht gibt keine Definition des Begriffs „Telemedizin" vor. Lediglich § 9 Satz 1 HWG⁴ enthält eine Beschreibung des Begriffs der „Fernbehandlung", der mit der Telemedizin zumindest verwandt ist. Hiernach ist eine Fernbehandlung die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht. Der Begriff der Telemedizin geht indes weiter. Sie wird neben dem Telekonsil und dem Telemonitoring indes gemeinhin als dritte Säule der Gesundheitstelematik verstanden. Aus rechtlicher Sicht ist daher auf die allgemein gebräuchlichen Begriffsverständnisse der Telemedizin zurückzugreifen, die im Kern identisch sind.
Der Deutsche Bundestag beschreibt die Telemedizin zunächst als
„ein Hilfsmittel zur Überwindung größerer Entfernungen bei medizinischen Sachverhalten. Darunter wird die Bereitstellung bzw. Anwendung von medizinischen Dienstleistungen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien für den Fall verstanden, dass Patienten und Angehörige eines Gesundheitsberufes (etwa Ärzte) bzw. diese untereinander nicht am selben Ort sind. Es erfolgt die Übertragung medizinischer Daten und Informationen für die Prävention, Diagnose, Behandlung und Weiterbetreuung von Patienten in Form von Text, Ton oder Bild oder in anderer Form. Ziel der Telemedizin ist insbesondere eine Verbesserung der Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz der medizinischen Versorgung."⁵
Der WHO folgend dient die Telemedizin
„innerhalb der Gesundheitstelematik dazu, Dienstleistungen der Patientenversorgung zu erbringen, bei denen die räumliche Entfernung einen kritischen Faktor darstellt. Darunter sind auch die Bereiche der Diagnose, der Behandlung und der Prävention von Krankheiten und Verletzungen mitzufassen sowie die Bereiche der Forschung, der Evaluation und der Fortbildung in medizinischen Berufen, all dies im Interesse der Gesundheitsförderung von Individuen und ihrer Gemeinschaften."⁶
Nach der Bundesärztekammer ist Telemedizin ein
„Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt."⁷
Die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin versteht unter Telemedizin
„die Erbringung konkreter medizinischer Dienstleistungen in Überwindung räumlicher Entfernungen durch Zuhilfenahme moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Telemedizin ist ein Teilgebiet der Telematik. Der mittlerweile etablierte Begriff Telemedizin fällt unter den weiten Oberbegriff E-Health, der noch nicht endgültig definiert wurde. Man fasst heute viele Aktivitäten wie den Einsatz elektronischer Medien im Gesundheitswesen allgemein (Stichwort: elektronische Gesundheitskarte, elektronische Patientenakte, elektronische Fallakte, elektronischer Arztbrief oder eRezept u. a.), Telemedizin, Telematik u. a. unter diesem Begriff zusammen. So wird beispielsweise Telematik im Gesundheitswesen als ein Sammelbegriff für gesundheitsbezogene Aktivitäten, Dienste und Systeme definiert, die über räumliche Entfernung mit Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie ausgeführt werden."⁸
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verwendet schließlich eine ähnliche Definition: Hiernach wird unter Telemedizin im weitesten Sinne
„die Überwindung zeitlicher und/oder räumlicher Distanzen im Rahmen von medizinischen Sachverhalten verstanden."⁹
Die Überwachung von Patienten mit einem Defibrillator oder CRT-System wurde 2016 als erste telemedizinische Leistung in den EBM aufgenommen und kann seither abgerechnet werden.
Zusammenfassend liegt also ein telemedizinisches Handeln vor, wenn folgende Kriterien – die allen vorgenannten Definitionen gemein sind – vorliegen:¹⁰
Erbringung medizinischer Leistungen zugunsten von Patienten,
über räumliche Entfernung und/oder zeitlichen Versatz,
durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie.
2.3 Rechtsquellen zur Telemedizin
Die primären Rechtsquellen telemedizinischer – oder allgemeiner: gesundheitstelematischer – Leistungen betreffend sind überschaubar und befassen sich vornehmlich nicht mit der eigentlichen Telemedizin, also der Ferndiagnostik und Ferntherapie.
2.3.1 Regelungen des SGB V und der StrlSchV
Zu nennen ist hier zuvorderst das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze,¹¹ mit welchem u. a. Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte (§§ 15 Abs. 2, 265 Abs. 4 Satz 2, 291 SGB V) einschließlich der elektronischen Patientenakte (§ 291 Abs. 5c SGB V) und des Zugriffs im Notfall (§ 295 Abs. 5 Satz 3 und 4 SGB V), zum Medikationsplan (§ 31a SGB V), zur Sicherheit der Telematikinfrastruktur (§ 291b Abs. 1 SGB V), zur Schlichtungsstelle der Gesellschaft für Telematik (§ 291c SGB V), zur Übermittlung elektronischer Briefe in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 291f SGB V) und zur Vereinbarung über technische Verfahren zur konsiliarischen Befundbeurteilung und zur Videosprechstunde (§ 291g SGB V) eingeführt wurden. Insbesondere die letztgenannten Vorschriften sind für die eigentliche Telemedizin von Bedeutung. Hiernach war bis zum 30.09.2016 (§ 291g Abs. 4 SGB V) von der KBV mit dem Spitzenverband der Krankenkassen im Benehmen mit der Gesellschaft für Telematik eine Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur telemedizinischen Erbringung der konsiliarischen Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen in der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere betreffend die Einzelheiten hinsichtlich der Qualität und der Sicherheit und die Anforderungen an die technische Umsetzung zu treffen (§ 291g Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese Vereinbarung wurde getroffen und trat mit Wirkung vom 01.10.2016 in Kraft.¹² Sie regelt in Bezug auf gesetzlich krankenversicherte Patienten die Anforderungen an die Teilnehmer zur Durchführung der Videosprechstunde, an den Vertragsarzt und an den Videodienstanbieter.
Weiterhin enthält die seit dem 31.12.2018 geltende StrlSchV¹³ in § 123 Regelungen zur Durchführung der Teleradiologie (hierzu Abschn. „Teleradiologie").
2.3.2 Regelungen des TSVG und DVG
Im Zusammenhang mit telemedizinischen Anwendungen verdienen ferner das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) nebst der zugehörigen Digitalen Gesundheitsanwednungen-Verordnung (DiGAV)¹⁴ nebst der zugehörigen¹⁵ kurze Erwähnung.
TSVG
Das TSVG ist ein Artikelgesetz, das im Wesentlichen am 11.05.2019 in Kraft trat.¹⁶ In Bezug auf telematische Anwendungen ist v. a. die mit § 291a Abs. 5c S. 3 SGB V geschaffene Verpflichtung der Krankenkassen hervorzuheben, den Patienten bis spätestens zum 01.01.2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung zu stellen. Die ePA ist Bestandteil der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und beinhaltet Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über die Versicherten sowie durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten (§ 291b Abs. 3 Nr. 4 SGB V). Die ePA muss von der Gesellschaft für Telematik (Gematik) zugelassen werden (§ 291b Abs. 1a S. 1 SGB V). Neben der ePA enthält die eGK u. a. Notfalldaten, ferner den elektronischen Arztbrief sowie den Medikationsplan (§ 291a Abs. 3 Nr. 1 bis 3 SGB V). Die Patienten haben ein Recht auf Einsichtnahme in die meisten der auf der eGK gespeicherten Daten (§ 291a Abs. 4 S. 2, Abs. 5 SGB V).
Hinsichtlich telemedizinischer bzw. telematischer Anwendungen erlaubt das TSVG darüber hinaus den Krankenkassen in strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke digitale Anwendungen wie z. B. Apps zu nutzen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollen ab 01.01.2021 von den behandelnden Ärzten an die Krankenkassen nur noch digital übermittelt werden (elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eAU) (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 SGB V n. F., Art. 2 Nr. 3, Art. 17 Abs. 5 TSVG). Hieran knüpft das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz¹⁷. Durch dieses wird § 109 SGB IV dahingehend geändert, dass Arbeitgeber ab dem 01.01.2021 die eAU ihrerseits elektronisch bei den Krankenkassen abrufen können (Art. 11 Nr. 3, 15 Abs. 3 Drittes Bürokratieentlastungsgesetz).
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme, die der Bundesrat auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses gemäß Art. 76 Abs. 2 GG gegenüber dem Bundestag zum damaligen Entwurf des TSVG abgegeben hat:¹⁸
„Um dauerhaft einen Nutzen aus den Angeboten der Fernbehandlung für die Versicherten zu erzielen, bedarf es zusätzlich der Möglichkeit der digitalen Rezeptvergabe auch ohne Arztbesuch. Aber auch unabhängig von den Entwicklungen auf dem Gebiet der fernmedizinischen Behandlungsangebote ist es vor dem Hintergrund der Digitalisierung im Gesundheitswesen an der Zeit, die notwendigen Grundlagen für die digitale Rezeptvergabe zu schaffen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zeitnah eine gesetzliche Regelung zur digitalen Rezeptvorgabe auf den Weg zu bringen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Mehrere Länder haben die Berufsordnungen bereits gelockert, so dass nun modellhaft Projekte mit telemedizinischer Fernbehandlung, insbesondere ohne vorherigen Kontakt von Patientin und Patient mit Ärztin oder Arzt, möglich sowie echte Fernbehandlungen zulässig sind.
Die Modelle der echten Fernbehandlung, von denen derzeit zum Beispiel in Baden-Württemberg bereits sechs Projekte realisiert werden, versprechen dauerhaft nur einen Nutzen für die Versicherten, wenn es zugleich möglich ist, ein Rezept auf elektronischem Weg zu erhalten. Ein erstes Modellprojekt soll bereits im Jahr 2019 realisiert werden. Damit die Entwicklung weiter vorangetrieben werden kann ist es notwendig, die gesetzlichen Grundlagen für die digitale Rezeptvorgabe so bald wie möglich zu schaffen.
Unabhängig hiervon ist die Einführung der digitalen Rezeptvergabe im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens geboten. Im europäischen Vergleich hat Deutschland bei der Einführung des eRezepts beziehungsweise der eVerordnung noch erheblichen Nachholbedarf. Laut „Euro Health Consumer Index 2017 (EHCI) haben bereits 17 Staaten ein elektronisches Rezept erfolgreich eingeführt. So nutzen beispielsweise 92 Prozent der Versicherten in Slowenien die Möglichkeit des elektronischen Rezepts.
Diesen Empfehlungen ist der Gesetzgeber seinerzeit mit dem TSVG noch nicht so weitgehend gefolgt. Allerdings knüpft der aktuelle Entwurf des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG) hieran an.
DVG
Das am 19.12.2019in Kraft getretene DVG – das in seiner Entwurfsfassung zunächst noch als sog. E-Health-Gesetz, Teil II, bezeichnet wurde¹⁹ – führt zur Ablösung der eGK durch die ePA mit Wirkung spätestens zum 01.01.2021 (§§ 291a Abs. 5c S. 4, Abs. 5c S. 4 Nr. 4 SGB V n. F.). Außerdem greift nunmehr eine Sanktion in Form der Honorarkürzung für Vertragsärzte um ein Prozent, wenn der inzwischen verpflichtende Abgleich der auf der eGK (bzw. später der ePA) gespeicherten Daten nicht bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal mit den Versichertenstammdaten aufgrund fehlender Anbindung an die Telematikinfrastruktur vorgenommen werden kann (§ 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V). Das erforderliche Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) umfasst dabei zwei Schritte: die Online-Prüfung und die Aktualisierung.
Die Patienten haben jetzt auch ein Recht auf Einsichtnahme in die in der ePA gespeicherten Angaben über ihre pflegerische Versorgung (§ 108 Abs. 1 SGB XI n. F.) und nicht mehr nur in die gemäß § 291a Abs. 1a, 2 und 3 SGB V zu speichernden Daten, wie z. B der elektronische Medikationsplan und das Notfalldatenmanagement (NFDM) (§ 291a Abs. 5 SGB V).
Darüber hinaus wird durch das DVG ein Leistungsanspruch der Versicherten auf digitale Gesundheitsanwendungen (Apps) geschaffen und ein Verfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte etabliert, mit dem über die Leistungserbringung in der Regelversorgung entschieden wird. Konkret haben Versicherte gemäß § 33a Abs. 1 SGB V n. F. Anspruch auf die Versorgung mit Medizinprodukten niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen (digitale Gesundheitsanwendungen). Die digitalen Gesundheitsanwendungen sind verordnungsfähig, wenn sie vom BfArM in ein Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen werden (§ 139e SGB V n. F.).
Betreffend die Verordnungsfähigkeit muss der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in die Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V zur Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege und Soziotherapie sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Abs. 9 AMG nunmehr die notwendigen Regelungen bei einer elektronischen Verordnung von Heilmitteln aufzunehmen (§ 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 7 SGB V n. F.).
Eine wesentliche telemedizinische Neuerung und erhebliche Erleichterung für die Patienten bringt § 291a Abs. 5d S. 1 SGB V mit sich. Hiernach hat die Gesellschaft für Telematik bis zum 30.06.2020 die Maßnahmen durchzuführen, die erforderlich sind, damit ärztliche Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel in elektronischer Form übermittelt werden können (eRezept). Dabei hat die Gematik zu berücksichtigen, dass die elektronische Verordnung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln schrittweise auf sonstige ärztliche Verordnungen, Verordnungen von Betäubungsmitteln und Verordnungen ohne direkten Kontakt zwischen Arzt oder Zahnarzt und Versicherten ausgedehnt werden sollen. Deshalb hat die Gematik auch die Maßnahmen durchzuführen, die erforderlich sind, damit ärztliche Verordnungen für Betäubungsmittel in elektronischer Form übermittelt werden können (§ 291 Abs. 5d S. 2 SGB V n. F.). Die Vorgaben der BtMVV bleiben indes zu beachten (§ 291a Abs. 5d S. 4 SGB V n. F.).
Telekonsilien werden durch das DVG in größerem Umfang ermöglicht und sollen extrabudgetär vergütet (§ 87 Abs. 2a S. 13 bis 15 SGB V n. F.). Hierzu soll eine Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen erfolgen. Der Gesetzentwurf spricht davon, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragsärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistung abgerechnet werden können sollen, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden.
Des Weiteren wird durch das DVG mit § 75b SGB V n. F. eine Verpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen geschaffen, bis zum 31.03.2020 in einer Richtlinie die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung festzulegen. Diese Anforderungen müssen geeignet sein, abgestuft im Verhältnis zum Gefährdungspotenzial, Störungen der informationstechnischen Systeme, Komponenten oder Prozesse der vertragsärztlichen Leistungserbringer in Bezug auf Verfügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit zu vermeiden. Ferner müssen diese Anforderungen dem Stand der Technik entsprechen und jährlich an den Stand der Technik und an das Gefährdungspotenzial angepasst werden.
Schließlich werden Apotheken und Krankenhäusern Fristen zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur gesetzt. Weitere Leistungserbringer erhalten die Möglichkeit, sich freiwillig anzuschließen (Hebammen und Entbindungspfleger, Physiotherapeuten sowie Pflegeeinrichtungen).
2.3.3 Neufassung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte und Konsequenzen für Fernbehandlung, Aufklärung und Dokumentation
Die bis zur aktuellen Änderung der § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte geltende Fassung verbot eine ausschließliche Fernbehandlung und verlangte stets einen vorausgehenden unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt. Als zulässig wurden lediglich allgemeine Erörterungen oder Beratungen in Bezug auf die Behebung nur von Befindlichkeitsstörungen oder von allgemeinen Fragen eines ansonsten gesunden Patienten zu Krankheiten angesehen, die üblicherweise durch Selbstmedikation behandelt werden, wie z. B. eine komplikationslose Erkältung.²⁰ Damit war der praktischen Nutzen telemedizinischer Behandlungen für Patienten nahe null. Dies ändert hat sich nun mit der Neufassung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte.
Inhalt der Neuregelung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte und Übernahme in die Berufsordnungen der Landesärztekammern
Bereits die bis zum 121. Deutschen Ärztetag im Mai 2018 geltende Fassung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte erlaubte grundsätzlich eine ärztliche Behandlung unter Anwendung von Print- und Kommunikationsmedien. Für die Anwendung telemedizinischer Verfahren war zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelte. Damit bestand zwar kein generelles Fernbehandlungsverbot,²¹ eine ausschließliche Fernbehandlung ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt (Hahn spricht von einem „analogen" Kontakt²²) war jedoch berufsrechtlich ausgeschlossen; die entsprechende Vorlage der MBO-Ärzte war in die Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen worden. Nachdem bereits einige Landesärztekammern die Vorschrift zwischenzeitlich liberalisiert hatten,²³ beschloss der 121. Deutsche Ärztetag eine Änderung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte wie folgt:²⁴
„Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird."
Diese Regelung wurde inzwischen von allen Landesärztekammern in ihren jeweiligen Berufsordnungen umgesetzt. Insofern kann beispielhaft verwiesen werden auf die aktuellen Fassungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern Bremen,²⁵ Niedersachsen²⁶ und Rheinland-Pfalz²⁷ sowie in leicht geänderter, aber inhaltlich gleichbedeutender Form in Schleswig-Holstein²⁸ und Sachsen²⁹ umgesetzt.³⁰ Zuletzt änderten im April 2019 die Landesärztekammern Hamburg und Saarland ihre Berufsordnungen entsprechend.³¹ Durch diese Änderung soll den Patienten mit der Fort- und Weiterentwicklung telemedizinischer, digitaler, diagnostischer und anderer vergleichbarer Möglichkeiten eine dem anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entsprechende Versorgung angeboten werden.³² Damit wendet sich das ärztliche Berufsrecht richtigerweise hinsichtlich der Wahl telemedizinischer Behandlungen mehr in Richtung der Therapiefreiheit des Arztes als Grundfeste der ärztlichen Berufsausübung³³ einerseits und der Patientenautonomie als den ärztlichen Handlungsrahmen bestimmendes Element andererseits zu. Ärzten und Patienten ist insoweit durchaus zuzutrauen, selbst zu entscheiden, ob eine Fernbehandlung unter Einsatz von Telekommunikationsmedien gewünscht und im Einzelfall für die Behandlung geeignet ist.³⁴
Begriff der Kommunikationsmedien
Unter dem Begriff der Kommunikationsmedien sind – in Anlehnung an die Definition in § 312c Abs. 2 BGB – alle Kommunikationsmittel zu verstehen, die zur ärztlichen Beratung und Behandlung eingesetzt werden können, ohne dass Arzt und Patient gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie z. B. Telefonanrufe, E-Mails, Videotelefonie, über den Mobilfunkdienst versandte Nachrichten, Briefe sowie Rundfunk und Telemedien zu fassen.³⁵
Fernbehandlung als Ausnahme
Da die Regelung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte nunmehr in Deutschland flächendeckend in die Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen wurde , ist das kategorische Verbot einer ausschließlichen Fernbehandlung aufgehoben (§ 7 Abs. 4 Satz 1 MBO-Ärzte). Allerdings hat die ärztliche Beratung und Behandlung grundsätzlich weiterhin im persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient, d. h. unter physischer Präsenz des Arztes, zu erfolgen. Weil dies dem Wortlaut der Vorschrift („im Einzelfall) folgend den Regelfall des Arzt-Patienten-Verhältnisses und damit der Erfüllung des Behandlungsvertrags im Sinne des § 630a BGB darstellt, handelt es sich hierbei weiterhin um den „Goldstandard
³⁶ ärztlichen Handelns. Die berufsrechtlichen Regelungen des § 7 MBO-Ärzte bzw. die entsprechenden Vorschriften in den Berufsordnungen der Landesärztekammern setzen insofern als geltendes Recht einen maßgeblichen medizinischen Standard, weil hierdurch einer defizitären ärztlichen Behandlung vorgebeugt werden soll.³⁷ Allerdings ist angesichts der rasanten technischen und medizinischen Entwicklung und der begleitenden gesetzgeberischen Maßnahmen (TSVG, Drittes BürokratieentlastungsG, DVG) nach hiesiger Einschätzung in Zukunft eine weitere Verbreitung und Liberalisierung der Telemedizin zu erwarten.
Voraussetzungen einer Fernbehandlung: ärztliche Vertretbarkeit und Sorgfalt
Allerdings wird nunmehr auch eine vollständige Fernbehandlung mit telemedizinischen Mitteln ermöglicht (§ 7 Abs. 4 Satz 2 MBO Ärzte). Soweit dies an die Voraussetzungen geknüpft ist, dass diese ärztlich vertretbar und die ärztliche Sorgfalt gewahrt ist, handelt es sich um die Normierung von Selbstverständlichkeiten, da jede ärztliche Maßnahme – unabhängig davon, ob sie im physischen oder telemedizinischen Arzt-Patienten-Kontakt stattfindet – vertretbar und sorgfältig sein muss. Anderenfalls wäre der dem Patienten geschuldete, einschlägige Facharztstandard nicht gewahrt.³⁸ Die besondere Erwähnung dieser Kriterien soll offenkundig unterstreichen, dass die telemedizinische Versorgung eine Abweichung vom Regelfall des physischen Arzt-Patienten-Kontakts darstellt und daher einer besonderen Sorgfaltsanforderung unterliegt. Der Arzt muss daher besonders kritisch prüfen, ob der konkrete Behandlungsfall für die Anwendung einer vom Goldstandard abweichenden Methode geeignet ist. Auch dies ist im Arztrecht aber bereits aus solchen Fällen bekannt, in denen der Arzt bei der Therapie vom Goldstandard abweichen und etwa eine Außenseitermethode³⁹ oder einen Off-Label-Use⁴⁰ anwenden will. Ob man jedoch angesichts der heutigen Verbreitung von digitalen Kommunikationsmitteln tatsächlich einen anscheinend von der Bundesärztekammer gewollten Vergleich zur Außenseitermethode bzw. zum Off-Label-Use ziehen kann, ist – jedenfalls nach hier vertretener Ansicht – zweifelhaft.
Unzweifelhaft ist hingegen, dass der Arzt bei einer reinen Fernbehandlung feststellen muss, ob der über die verwendeten Kommunikationsmittel mögliche Erkenntnisgewinn ausreichend ist, um eine fachgerechte Diagnose zu stellen und um eine fachgerechte Therapie einzuleiten.⁴¹ Hat er hieran Zweifel, ist dem Patient ein „analoger" Arztbesuch anzuraten und die weitere Fernbehandlung abzulehnen.
Aufklärung
Darüber hinaus verlangt § 7 Abs. 4 Satz 2 MBO-Ärzte eine Aufklärung des Patienten über die Besonderheiten einer ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien. Diese Aufklärung zielt auf die ärztliche Aufklärung gemäß § 630e BGB ab und muss dem Patienten verdeutlichen, dass und ggf. welche Einschränkungen im Rahmen der Ferndiagnostik und der Fernbehandlung seines konkreten Krankheits- oder Verletzungsbildes bestehen und welche gesundheitlichen Risiken daraus ggf. resultieren.⁴² Darüber hinaus wird der Patient auch darüber aufzuklären sein, in welchen Fällen (z. B. Nebenwirkungen, Komplikationen) er umgehend physisch einen Arzt in niedergelassener Praxis oder im Krankenhaus konsultieren sollte. Nur so wird eine wirksame Einwilligung des Patienten im Sinne des § 630d BGB zu erreichen sein, welche die getroffenen ärztlichen Maßnahmen rechtfertigt.⁴³
In diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage aufzuwerfen, inwieweit überhaupt eine Aufklärung außerhalb eines persönlichen Gesprächs zwischen Arzt und Patient wirksam ist.⁴⁴ So entschied der BGH, dass eine fernmündliche Aufklärung nur in einfach gelagerten Fällen grundsätzlich möglich sein soll. Handelt es sich dagegen um komplizierte Eingriffe mit erheblichen Risiken, sei eine solche Aufklärung regelmäßig unzureichend.⁴⁵ Konkret entschieden hatte der BGH dies in Bezug auf eine telefonische anästhesiologische Aufklärung des Vaters eines drei Wochen alten Kindes, bei dem eine Leistenhernienoperation anstand und bei der es dann zu einem schweren atemwegsbezogenen Zwischenfall kam.
Einer fernmündlichen Aufklärung mittels Telefonie oder Videotelefonie kann zunächst nicht entgegengehalten werden, dass diese nicht „mündlich" gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB erfolge, denn ein Aufklärungsgespräch kann auch mit Hilfe von Kommunikationsmedien geführt werden. Dies gilt hingegen eindeutig nicht für eine Aufklärung per E-Mail, da hierbei kein mündliches Gespräch geführt wird.
Nicht zu bestreiten ist weiterhin, dass auch in einer Fernaufklärung die Möglichkeit auf Seiten des Arztes besteht, auf individuelle Belange des Patienten einzugehen und eventuelle Fragen zu beantworten. Auch kann sich der Aufklärungspflichtige in einem solchen Aufklärungsgespräch ebenso wie in einem Aufklärungsgespräch, das bei persönlicher Anwesenheit von Arzt und Patient geführt wird, davon überzeugen, dass der Patient die entsprechenden Hinweise und Informationen verstanden hat.⁴⁶ Kommen dem Arzt während der Fernaufklärung Zweifel daran, dass der Patient die Aufklärung versteht, z. B. weil er ihr intellektuell nicht folgen kann, er schwerhörig oder die Kommunikationsverbindung schlecht ist, muss er auf einer Aufklärung im Rahmen eines Gesprächs vor Ort bestehen. Hier kann er dann zum besseren Verständnis beispielsweise Erklärungen anhand eines Modells vornehmen o. Ä.
Insgesamt scheint die vom BGH postulierte Beschränkung der Zulässigkeit einer fernmündlichen Aufklärung auf einfach gelagerte Fälle nicht konsequent, zumal schon die Frage, welcher Fall „einfach gelagert" ist, schwierig und kaum rechtssicher zu beantworten ist. Dies zeigt schon der Ausgangsfall selbst, in dem es um eine vermeintlich einfache Routinenarkose ging, bei der es aber zu einem schweren Zwischenfall kam. Unabhängig davon kann sich der Arzt in komplizierteren Fällen mit erheblichen Risiken gleichermaßen vom Verständnis des Patienten betreffend die Risiken und die Tragweite des Eingriffes überzeugen und auf dessen individuelle Belange eingehen. Entscheidend dürfte also vielmehr sein, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gewahrt bleibt. Dann spricht – die Einwilligung des Patienten vorausgesetzt – auch bei komplizierteren Fällen nichts gegen eine Fernaufklärung.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die zitierte Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2010 stammt und damit vor Verabschiedung der Neufassung des § 7 Abs. 4 MBO-Ärzte und deren Übernahme in die Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern getroffen wurde. Außerdem geht es bei einer reinen – hier diskutierten – Fernbehandlung nicht um die Aufklärung eines im Anschluss an die Fernaufklärung im physischen Arzt-Patienten-Kontakt durchzuführenden, ggf. schwerwiegenden Eingriff, wie etwa einer Operation o. Ä. Vielmehr können im Rahmen der Fernbehandlung naturgemäß keine invasiv-medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden. Es werden daher im Zweifel stets die vom BGH zugrunde gelegten Routinemaßnahmen in Rede stehen, die sich auf die Beratung betreffend die Verhaltensweise des Patienten (z. B. Bettruhe wahren, einen Arzt persönlich aufzusuchen) oder eine Medikation bzw. deren Anpassung beziehen. Soll die Aufklärung aus der Ferne hingegen tatsächlich der Herbeiführung einer wirksamen Einwilligung des Patienten in einer später physisch durch den Arzt durchzuführenden invasiv-medizinischen Maßnahme dienen, ist mit Blick auf die (noch) aktuelle Rechtsprechung stets ein Aufklärungsgespräch bei gleichzeitiger physischer Anwesenheit von Arzt und Patient vorzugswürdig.⁴⁷ Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Arztes jedenfalls dann gemessen an einem Telefonat deutlich gesteigert sind, wenn die Aufklärung im Rahmen einer Online-Videosprechstunde oder jedenfalls unter Nutzung des hierfür gemäß § 3 Anlage 31b BMV-Ä erforderlichen technischen Systems erfolgt (hierzu Abschn. „Online-Videosprechstunde").
2.3.4 Gegenstand einer Fernbehandlung
Näher zu betrachten ist nunmehr, welche Maßnahmen im Rahmen einer Fernbehandlung durch den Arzt aus rechtlicher Sicht getroffen werden dürfen.
Allgemeines
Vor diesem Hintergrund scheinen v. a. hausärztliche Behandlungen, aber auch Routinekontrollen in den Bereichen der Diabetologie, der Dermatologie und der Kardiologie für reine Fernbehandlungen geeignet. Beispielsweise in der Dermatologie finden sich bereits diverse Anwendungen für mobile Endgeräte auf dem Markt. Im hausärztlichen Bereich erscheinen die Diagnose und Therapie z. B. von einfachen Infektionserkrankungen für die Fernbehandlung geeignet. Weiterhin kommt in der Pathologie eine Fernbefundung von Proben in Betracht.⁴⁸ Zum Indikationskatalog des EBM für Videosprechstunden zugunsten gesetzlich krankenversicherter Patienten s. unten Abschn. „Online-Videosprechstunde".
Ausstellen einer (e)AU im Rahmen einer Online-Videosprechstunde
Inzwischen ist auch das Ausstellen einer AU-Bescheinigung im Rahmen einer Online-Videosprechstunde möglich.⁴⁹ Dem trat zwar der Deutsche Ärztetag entgegentreten,⁵⁰ eine rechtliche Basis hierfür gab es aber mit Blick auf den geänderten Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 2 MBO-Ärzte bzw. der entsprechenden neuen Fassungen der vergleichbaren Vorschriften in den Berufsordnungen der Landesärztekammern nicht. Dementsprechend beschloss der G-BA am 16.07.2020⁵¹ eine dahingehnde Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 2 AU-Richtlinie⁵² Nunmehr kann die Arbeitsunfähigkeit eines Patienten per Video festgestellt werden, wenn es sich um eine Erst-AU-Bescheinigung handelt. Diese darf für einen Zeitraum von maximal sieben Tagen ausgestellt werden. Für eine Folge-AU-Bescheinigung muss der Patient jedoch persönlich in der Praxis erscheinen. Wollte der Gesetzgeber dies verhindern, wäre ein Verbot des Ausstellens einer AU-Bescheinigung im Rahmen einer Online-Videosprechstunde gesondert gesetzlich zu regeln. Dies wäre jedoch wenig sinnvoll, denn durch die Schaffung dieser Möglichkeit würden dem entsprechend erkrankten Patienten der mitunter beschwerliche Gang zum Arzt, häufig lange Wartezeiten sowie das Risiko einer weitergehenden Infektion seiner eigenen Person und anderer Patienten im Wartezimmer erspart. Für die Zulässigkeit des Ausstellens einer (e)AU im Rahmen einer Online-Videosprechstunde sprechen im Übrigen auch zumindest indiziell § 295 Abs. 1 Nr. 1 SGB V