Facharztwissen Viszeralchirurgie
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Über dieses E-Book
Auch die 2. Auflage des erfolgreichen Buches fasst das Faktenwissen der Viszeralchirurgie in komprimierter, stichwortartiger Form zusammen. Zur Vorbereitung der Facharztprüfung ist es ebenso geeignet wie zum raschen Nachschlagen im klinischen Alltag.
Alle Beiträge wurden von renommierten Experten geschrieben. Im Mittelpunkt stehen detaillierte Empfehlungen zum diagnostischen Vorgehen, zur Indikationsstellung und zur Therapiedurchführung; auch die Schritte des operativen Vorgehens sind für die wichtigsten Eingriffe dargestellt. Kurzübersichten erleichtern das gezielte Einprägen der wichtigsten Fakten.
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Buchvorschau
Facharztwissen Viszeralchirurgie - Franck Billmann
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021
F. Billmann, T. Keck (Hrsg.)Facharztwissen Viszeralchirurgiehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61520-1_1
1. Ösophagus, Magen und Duodenum
Torben Glatz¹ und Jens Höppner²
(1)
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirugie, Marien Hospital Herne, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Herne, Deutschland
(2)
Klinik für Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, Deutschland
Torben Glatz (Korrespondenzautor)
Email: torben.glatz@elisabethgruppe.de
Jens Höppner
Email: jens.hoeppner@uksh.de
1.1 Anatomie und Physiologie
1.1.1 Ösophagus
1.1.2 Magen
1.1.3 Duodenum
1.2 Leitsymptome und Diagnostik
1.2.1 Leitsymptome
1.2.2 Diagnostische Möglichkeiten
1.2.3 Therapeutische Prinzipien
1.3 Benigne Erkrankungen des Ösophagus
1.3.1 Divertikelerkrankungen des Ösophagus
1.3.2 Achalasie
1.3.3 Ösophagusperforation
1.3.4 Hiatushernien
1.3.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)
1.3.6 Leitlinien
1.4 Maligne Erkrankungen des Ösophagus
1.4.1 Übersicht
1.4.2 Ösophaguskarzinom (inkl. AEG)
1.5 Benigne Erkrankungen des Magens
1.5.1 Gastroduodenale Ulkuskrankheit
1.5.2 Leitlinien
1.6 Maligne Erkrankungen des Magens
1.6.1 Magenkarzinom
1.6.2 Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
1.6.3 Leitlinien
1.7 Erkrankungen des Duodenums
1.7.1 Divertikelerkrankung des Duodenums
1.7.2 Duodenalkarzinom
1.7.3 Leitlinien
Literatur
1.1 Anatomie und Physiologie
1.1.1 Ösophagus
Zervikaler, thorakaler und abdomineller Ösophagus (Gesamtlänge ca. 25–28 cm)
Physiologische Ösophagusengen am oberen Ösophagussphinkter, Trachealbifurkation und unteren Ösophagussphinkter
Übergang vom Hypopharynx mit quergestreifter, willkürlich innervierter Muskulatur zur Speiseröhre mit glatter Muskulatur
Histologisch mit Plattenepithel ausgekleidet
Transportfunktion für Nahrungsbrei und Speichel
1.1.2 Magen
Kardia, Fundus, Korpus und Antrum bilden den Magen (◘ Abb. 1.1)
Schließmuskel am Magenausgang (Pylorus)
Histologisch mit Zylinderepithel ausgekleidet
Blutversorgung über Arkade aus Aa. gastricae sinistra et dextra (kleine Kurvatur), Arkade aus Aa. gastroomentalis sinistra et dextra (große Kurvatur) sowie Aa. gastricae breves
Reservoirfunktion für Nahrungsbrei
Produktion von Pepsin und Salzsäure zur Verdauung
Produktion von Intrinsic-Faktor (Vitamin-B12-Resorption im terminalen Ileum)
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig1_HTML.jpgAbb. 1.1
Einteilung des Magens nach äußerer Form. (Mod. nach von Lanz und Wachsmuth 2004)
1.1.3 Duodenum
Bulbus duodeni, Pars descendens, Pars horizontalis, Pars ascendens (Pars I–IV duodeni)
Gemeinsame Mündung von Gallen- und Pankreasgang an der Papilla Vateri im Pars descendens, z. T. akzessorischer Pankreasgang mit separater Mündung ins Duodenum (Papilla duodeni minor)
Histologisch mit Zylinderepithel ausgekleidet
Blutversorgung über A. gastroduodenalis sowie Äste der A. mesenterica superior (A. pancreatoduodenalis sup. und inf., Rio-Branko Arkade zur A. gastroduodenalis)
Mischung von Speisebrei und Gallen- sowie Pankreassekret
1.2 Leitsymptome und Diagnostik
1.2.1 Leitsymptome
Unterschiedlich für Ösophagus und Magen/Duodenum
Ösophagus
Schluckstörungen/Dysphagie
Regurgitation von Speisen
Schmerzen retrosternal
Gewichtsverlust
Magen
Schmerzen im Oberbauch
Erbrechen von Mageninhalt
Gewichtsverlust
OGI-Blutung
Bluterbrechen/Teerstuhl/Anämie
1.2.2 Diagnostische Möglichkeiten
Endoskopie
Ösophagogastroduodenoskopie
Endosonografie zur Staging-Untersuchung bei Neoplasien
Manometrie zur Diagnostik der Druckverhältnisse der Speiseröhrenmuskulatur
24 h-pH-Metrie, Impedanzmessung zur Diagnostik bei gastroösophagealer Refluxerkrankung
Radiologie/Nuklearmedizin
Kontrastmittelösophagogramm
Computertomografie Thorax/Abdomen
MRT und PET-CT bei Spezialindikationen
Magenentleerungsszintigrafie
1.2.3 Therapeutische Prinzipien
Konservativ
Endoskopisch
Chirurgisch
1.3 Benigne Erkrankungen des Ösophagus
In Kürze
Divertikelerkrankungen:
Zenker-Divertikel
Traktionsdivertikel
Epiphrenisches Divertikel
Achalasie:
Endoskopische und chirurgische Therapie
Gastroösophageale Refluxerkrankung/Hiatushernien
Axiale Hiatushernie
Paraösophageale Hiatushernie
Gastroösophageale Refluxerkrankung – Diagnostik
Gastroösophageale Refluxerkrankung – Medikamentöse und chirurgische Therapie
Mischung von Speisebrei und Gallen- sowie Pankreassekret
Ösophagusperforationen
1.3.1 Divertikelerkrankungen des Ösophagus
Ätiologie
Pulsionsdivertikel
Pseudodivertikel (Divertikelsack besteht nur aus Mukosa und Submukosa)
Entstehen durch ein Missverhältnis zwischen erhöhtem intraluminalem Druck und einer anatomischen Muskellücke und treten bevorzugt an bestimmten Prädilektionsstellen oberhalb der Ösophagussphinkter auf
Pulsionsdivertikel oberer Ösophagussphinkter = Zenker-Divertikel oder Killian-Jamieson-Divertikel
Pulsionsdivertikel unterer Ösophagussphinkter = Epiphrenisches Divertikel
Traktionsdivertikel
Traktionsdivertikel schließen alle Wandschichten des Ösophagus mit ein
Entstehen durch Zug an der Speiseröhre von außen, z. B. durch Residuen embryonaler Gewebeverbindungen zwischen Trachea und Speiseröhre oder auch im Rahmen von entzündlichen Prozessen im Mediastinum
Befinden sich meistens im mittleren Ösophagus
Insgesamt sehr selten
Formen
Zenker-Divertikel (Hypopharynx)
Häufigstes Ösophagusdivertikel (Inzidenz 2:100.000/Jahr)
Manifestationsalter 70–80 Jahre
Vorwiegend Männer betroffen
Lokalisation: Killian-Dreieck (zwischen M. cricopharyngeus und M. constrictor pharyngis inferior)
Erhöhter Tonus des M. cricopharyngeus und eine gestörte Relaxation des oberen Ösophagussphinkters
Killian-Jamison-Divertikel
Pulsionsdivertikel
Ursprung unmittelbar unterhalb des oberen Sphinkters
Lokalisation nach venterolateral unter dem M. cricropharyngeus oder
Lokalisation nach dorsal durch das Laimer-Dreieck
Zumeist kleine und asymptomatische Divertikel
Epiphrenisches Divertikel
Pulsionsdivertikel
Lokalisiert bis zu 10 cm oberhalb der Z-Linie
Deutlich seltener als Zenker-Divertikel
Entstehung durch erhöhten intraluminalen Druck
Meist mit Achalasie oder diffusem Ösophagusspasmus assoziiert
Symptome
Dysphagie
Regurgitation von unverdauter Speise
Foetor ex ore
Chronischer Husten und Aspiration von Nahrungsresten
Rezidivierende Pneumonien
Kloßgefühl im Halsbereich
Zervikale Borborygmi (pathognomonisch bei Zenker-Divertikel)
Retrosternaler Schmerz und Sodbrennen (epiphrenische Divertikel)
Therapie
Zenker-Diverikel
Kollare Divertikelabtragung und Myotomie des M. cricopharyngeus
Kollare Divertikulopexie und Myotomie des M. cricopharyngeus
Endoskopisch interventionelle transorale Schwellenspaltung (Stapler, Laser, Nadelmesser)
Epiphrenisches Divertikel
Cave
Behandlung der zugrunde liegenden Ösophagusmotilitätsstörung erforderlich.
Laparoskopische Divertikulotomie und Myotomie des unteren Ösophagussphinkters (+/− Fundoplikatio)
Transthorakale Divertikulotomie und Myotomie des unteren Ösophagussphinkters
1.3.2 Achalasie
Inzidenz = 1/100.000 Einwohner/Jahr
Ätiologie
Pathogenese
Degeneration des Plexus myentericus
Mangelnde Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters
Formen
Primäre Achalasie
Ursache der Erkrankung unklar
Sekundäre Achalasie
Chagas-Krankheit
Magenkarzinom
Ösophaguskarzinom
Symptome
Dysphagie
Regurgitation von Speisen
Retrosternale Schmerzen
Aspiration
Komplikationen
Aspirationspneumonie
Ösophaguskarzinom (Erhöhte Inzidenz bei Achalasie)
Stadieneinteilung
Stadium I: Hypermotile Form
Stadium II: Hypomotile Form
Stadium III: Amotile Form
Diagnostik
Ösophagogastroduodenoskopie
Ausschluss Malignom und benigne Stenose
Manometrie
Druckmessung im Ösophagus über Sonde
Langsamer Rückzug der Sonde während des Schluckaktes und digitale Aufzeichnung und Auswertung der Peristaltik
Höchste Sensitivität zur Diagnose der Achalasie
Befund: Kombination aus Hypermotilität/Hypomotilität/Aperistaltik und fehlender Relaxation des unter Ösophagussphinkters
Röntgen-Breischluck/Computertomografie
Klassische „Sektglasform" des Ösophagus mit prästenotischer Dilatation
Therapie
Medikamentös
Prinzip
Medikamentöse Erschlaffung der glatten Muskelfasern des unteren Ösophagussphinkters
Präparate
Kalziumkanalblocker (z. B. Nifedipin)
Lang wirksame Nitrate
Phosphodiesterase-5-Hemmer (Sildenafil)
Medikamentöse Therapie
Beste Ergebnisse mit Nifedipin (10–30 mg) sublingual ca. 30 min vor der Mahlzeit (führt zu einer ca. 60 min anhaltenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters)
Insgesamt meist keine zufrieden stellende Wirkung der medikamentösen Therapie bei Beschwerdepersistenz und Nebenwirkungen der Präparate (Kopfschmerzen, Hypotension etc.)
Endoskopisch
Pneumatische Dilatation
Dilatation mit speziellem Ballon unter Durchleuchtung oder unter endoskopischer Führung
Sprengung der Muskelfasern des unteren Ösophagussphinkters
Häufig mehrfache Anwendung notwendig, damit aber langfristige Beschwerdefreiheit bei bis zu 50–80 % der Patienten möglich
Risiko der Ösophagusperforation durch die Dilatation
Endoskopische Injektion von Botulinumtoxin
Risikoarmes Verfahren
Hohe initiale Ansprechrate (>75 %)
Häufig frühzeitig Rezidive (50 %)
Perorale endoskopische Myotomie (POEM)
Endoskopische Alternative zur chirurgischen Myotomie
Vorgehen:
Endoskopische Inzision der Mukosa, dann submuköses Tunneln und langstreckige Myotomie mittels Diathermie
Im kurzfristigen Follow-up Ergebnisse bisher vergleichbar mit dem chirurgischen Vorgehen
Zentrumsbasierte Expertise
Chirurgisch
Chirurgische Therapieoptionen
Myotomie des unteren Ösophagussphinkters via Laparoskopie, Laparotomie oder Thorakotomie möglich (Vaezi et al. 2013)
Therapiestandard heute: Laparoskopische Heller-Myotomie + Fundoplikatio
Als Ultima Ratio in Stadium III: Ösophagusresektion mit Magenhochzug
Ergebnisse nach Myotomie
Teilweise oder komplette Linderung der Symptome bei 90 % der Patienten
30 % der Patienten entwickeln Refluxsymptome postoperativ, daher ist eine zusätzliche Fundoplikatio sinnvoll
Operatives Vorgehen
Laparoskopische Heller-Myotomie
Rückenlagerung mit abgespreizten Beinen (französische Lagerung)
Einbringen des Kameratrokars, Aufbau des Pneumoperitoneums; Operation ggf. robotisch-assisitiert
Exposition des Hiatus oesophagei mittels Leberretraktor und Aufsetzen des Patienten
Ventrale Mobilisierung des Ösophagus bis ins untere Mediastinum
Identifikation und Schonung des N. vagus
Langstreckiges Durchtrennen der Muskelfasern des unteren Ösophagussphinkters einschließlich Kardia unter Schonung des Mukosaschlauches
Deckung des Defekts mit anteriorer Fundoplikatio (► Abschn. 1.3.5)
1.3.3 Ösophagusperforation
In Kürze
Verschiede Ätiologien (maligne, spontan, iatrogen)
Lebensbedrohliche Erkrankung
Therapie heute meist endoskopisch (Stent oder ENDOVAC)
Chirurgische Therapie (Übernähung + ggf. Fundoplikatio oder Muskellappen) als effektive Therapieoption
Ätiologie
Iatrogen:
Als Folge endoskopischer Eingriffe (ÖGD, ERCP, Endosonografie)
Im Rahmen thoraxchirurgischer Operationen
Magensondenanlage
Maligne:
Tumorperforation bei Ösophaguskarzinom
Spontan:
Boerhaave-Syndrom
Häufig als Folge plötzlichen Erbrechens
Ösophagusruptur im unteren/mittleren Drittel
Symptome
Akuter Thoraxschmerz:
Differenzialdiagnose:
Myokardinfarkt
Lungenembolie
Aortendissektion
Häufig Fehldiagnosen
Hämatemesis
Dyspnoe
Fieber/Schüttelfrost
Komplikationen:
Mediastinitis
Pleuraerguss/-empyem
Pneumothorax
Septischer Schock
Diagnostik
Endoskopie
Lokalisation der Perforation
Darstellung Größe der Perforation
Computertomografie des Thorax
Orale und intravenöse Kontrastierung
Bestätigung transmurale Perforation
Erfassung Pleuraempyem/Mediastinalabszess
Therapie
In Kürze
Verschluss der Perforation
Endoluminale Vakuum-Schwamm-Therapie
Drainage der kontaminierten Höhle(n) ggf. VATS-Ausräumung
Evakuation möglicher ausgetretener Speisereste
Chirurgisch
Übernähung der Ösophagusperforation
Zusätzliche Deckung mittels Fundoplikatio oder gestieltem Muskellappen
Einlage von Mediastinaldrainagen
Einlage von Thoraxdrainage(n)
Videoassistierte Thorakoskopie (VATS) bei Pleuraempyem
Ultima Ratio: Ösophagusresektion mit Magenhochzug oder kollare Ausleitung
Endoskopisch
In der Regel Mittel der Wahl
Weniger invasiv und vergleichbar effektiv
Endoskopische Einlage eines teilbeschichteten Metallstents – nur mit guter Drainage der dahinterliegenden Höhle
Endoskopische Vakuumtherapie-
Over-the-scope-Clip (OTSC) nur bei kleinen frischen Perforationen
Konservativ
Indiziert nur bei palliativer Situation oder sehr alter Perforation ohne begleitender Sepsis
Transkutane oder endoluminale Drainage der kontaminierten Höhle
Prognosefaktoren
Verzögerte Therapie (>48 h) ungünstig
Septischer Schock zum Zeitpunkt der Therapie
Spontane Ösophagusperforation (Boerhaave-Syndrom; Connelly et al. 2013)
Größe und Lokalisation der Perforation nicht prognostisch relevant
1.3.4 Hiatushernien
Ätiologie
Meist erworben
Risikofaktoren:
Übergewicht
Schwangerschaft
Bindegewebsalterung
Formen (◘ Abb. 1.2)
Kardiofundale Fehlanlage
Leichteste Form
Häufig Zufallsbefund
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig2_HTML.jpgAbb. 1.2
Formen der Hiatushernie. (Aus von Lanz und Wachsmuth 2004)
Axiale Gleithernie
90 % aller Hernien
Kardia des Magens intrathorakal
Paraösophageale Hernie
Unterer Ösophagussphinkter in loco typico
Magen partiell oder komplett intrathorakal (bis hin zum Upside-Down-Stomach)
Gemischte Formen
Selten auch zusätzliche Hernierung von Omentum, Dünn- oder Dickdarm
Symptome
Axiale Hernien
Häufig asymptomatisch (90 %)
Aber Prädisposition für gastroösophagealen Reflux bei insuffizientem Schluss des unteren Ösophagusspinkters
Paraösophageale Hernien
Initial ebenfalls häufig beschwerdefrei
ggf. postprandial unspezifische abdominale oder thorakale Beschwerden
Komplikationen:
Passagestörung
Inkarzeration
Ulkus
Chronische Anämie
Atemnot
Therapie
Symptomatische Therapie
Protonenpumpeninhibitoren
s. Therapie der Refluxerkrankung (► Abschn. 1.3.5)
Operative Therapie
Strategie: Reposition der Hernie, vordere und/oder hintere Hiatoplastik, Fundoplikatio oder Gastropexie
Indikation:
Bei axialer Hernie nur bei symptomatischem Reflux (GERD, 24 h pH-Metrie, Volumenreflux, Metaplasie)
Absolute elektive OP-Indikation bei paraösophagealer Hernie
Notfallindikation bei inkarzerierten Hernien (i. d. R paraösophageal, insgesamt sehr selten)
Ergänzung der Hiatoplastik durch Verstärkung mittels nichtresorbierbarem oder bioresorbierbaren Netz möglich, Nutzen nicht erwiesen. Gefahr der Arrosion oder schwerer Komplikationen.
1.3.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)
In Kürze
GERD subsumiert verschiedene Krankheitsentitäten
Prävalenz bei 15 % der Bevölkerung in Deutschland
Multifaktorielle Pathophysiologie
Therapie zunächst konservativ mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Laparoskopische Fundoplikatio als effektive Therapieoption bei Versagen der medikamentösen Therapie oder Patientenwunsch
Definition
„GERD = „gastroesophageal reflux disease
Der Begriff subsumiert folgende Entitäten:
Erosive Refluxösophagitis verschiedener Schweregrade (ERD)
Nichterosive Refluxkrankheit (NERD)
Hypersensitiver Ösophagus
Extraösophageale Manifestationen
Komplikationen der GERD
Funktionelle Refluxbeschwerden
Ätiologie
Auftreten
Prävalenz bei ca. 15 % mit steigender Inzidenz
ca. 50 % der Patienten mit GERD haben keine endoskopisch abgrenzbaren Läsionen (NERD)
ca. 5 % der GERD-Patienten entwickeln einen Barrett-Ösophagus = intestinale Metaplasie des Epithels in der (distalen) Speiseröhre
Entstehung und Risikofaktoren
Entstehung durch:
Unklare Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters (primäre GERD)
Als sekundäre GERD im Rahmen anderer Erkrankungen oder als Behandlungsfolge (Ösophaguskarzinom, Z. n. Heller-Myotomie)
Prädisponierende Faktoren (durch Störung der Funktion des unteren Ösophagussphinkters):
Schwangerschaft
Adipositas
Hiatushernie
Späte, reichhaltige Mahlzeiten
Prädisponierende Faktoren (durch Begünstigung eines aggressiven Refluats):
Überproduktion von Magensäure z. B. bei Helicobacter pylori
Alkalischer Reflux (z. B. Gallereflux nach Gastrektomie)
Alkohol, Kaffee, Nikotin, verschiedene Medikamente wirken sowohl auf den unteren Ösophagussphinkter als auch auf das Milieu des Refluats
Häufig verstärkte Symptome postprandial, durch Bücken oder Pressen
Symptome
Leitsymptom = Sodbrennen
Andere Symptome:
Diffuse epigastrische Schmerzen
Retrosternales Druckgefühl
Luft aufstoßen
Volumenreflux mit Regurgitation von Nahrungsresten
Dysphagie
Reizhusten, Heiserkeit
Diagnostik
Ösophagogastroduodenoskopie
Detektion von erosiven Läsionen
Klassifikation nach der Los-Angeles-Klassifikation (◘ Tab. 1.1)
Häufig keine Korrelation zwischen Beschwerdeintensität und Endoskopiebefund
Ausschluss von Komplikation:
Narbige Stenose
Barrett-Ösophagus
Dysplasie
Ulkus
Ösophaguskarzinom
Tab. 1.1
Los-Angeles-Klassifikation der gastroösophagealen Refluxerkrankung
24 h-pH-Metrie/Impedanzmessung
Quantifizierung des gastroösophagealen Refluxes über Sonde
Zuvor Absetzen von PPI
Höchste Sensitivität und Spezifität zur Detektion von GERD
Bei der pH-Metrie wird nur saurer Reflux detektiert, bei der Impedanzmessung jeglicher Reflux.
Manometrie
Zum Ausschluss von Motilitätsstörungen v. a. vor chirurgischer Refluxtherapie (Fundoplicatio, magnetische Sphincteraugmentation) relevant
Hypomotilität des distalen Ösophagus oft bei lang bestehender GERD
Details ► Abschn. 1.3.2
Therapie
Konservativ
Änderungen im „Life-Style": Gewichtsabnahme, Verzicht auf Noxen, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, auslösende Medikamente absetzen
Medikamentös: Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Ziel: Symptomkontrolle und Abheilung vorhandener Erosionen
Bei Therapieversagen der PPI in jedem Fall ausführliche Diagnostik mit Endoskopie und pH-Metrie/Impedanzmessung
Therapie auch bei asymptomatischer erosiver Refluxösophagitis indiziert
Operativ
Indikation:
Langfristiger Therapiebedarf
Unzureichende Symptomkontrolle durch PPI
Volumenreflux
Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie
Patientenwunsch
Präoperativ immer komplette Diagnostik
Operation der Wahl = laparoskopische Fundoplikatio:
360° nach Nissen, 270° posterior nach Toupet
Immer mit Hiatoplastik (ggf. Reposition einer Hiatushernie)
Ergebnisse:
Bei guter Indikationsstellung Erfolgsrate ca. 85 %
Geringere Erfolgsrate bei Re-Operation (Re-Fundoplikatio)
Auch nach operativer Versorgung sind endoskopische Kontrollen bei bereits vorhandenem Barrett-Ösophagus empfohlen.
Operatives Vorgehen
Laparoskopische Fundoplikatio 360° nach Nissen
Rückenlagerung mit abgespreizten Beinen (französische Lagerung)
Einbringen des Kameratrokars, Aufbau des Pneumoperitoneums; Operation ggf. robotisch-assistiert
Exposition des Hiatus oesophagei mittels Leberretraktor und Aufsetzen des Patienten
Darstellen der Zwerchfellschenkel
Mobilisierung des Ösophagus bis ins untere Mediastinum
Identifikation des N. vagus
Mobilisation des oralen Magenfundus
Kalibrierung des Ösophagus mit großlumiger Magensonde
Hintere Hiatoplastik mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial
Retroösophagealer Durchzug der Fundusmanschette von links nach rechts
Naht der Manschettenschenkel klassischerweise anterior mit 3 nichtresorbierbaren Nähten
Fixierung der Manschette am Ösophagus, um Teleskopphänomen zu vermeiden
1.3.6 Leitlinien
AWMF-Leitlinienregister: Gastroösophageale Refluxkrankheit (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, AWMF), 2014, AWMF Registrierungsnummer: 021/013 – gültig bis 31.05.2019 zur Zeit in Überarbeitung (7/2020)
1.4 Maligne Erkrankungen des Ösophagus
1.4.1 Übersicht
Ösophaguskarzinom
Plattenepithelkarzinom
Adenokarziom
Adenosquamöse Karzinome, undifferenzierte Karzinome
Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs (AEG)
AEG 1, AEG 2 und AEG 3 mit Ösophagusinfiltration werden nach UICC TNM 8. Version (2017) als Ösophaguskarzinom klassifiziert. Einordnung AEG 1–3 nach Epizentrum des Tumors, nicht nach dem oberen Rand.
1.4.2 Ösophaguskarzinom (inkl. AEG)
In Kürze
Plattenepithel- und Adenokarzinom mit unterschiedlicher Ätiologie und Tumorbiologie
Leitsymptome: Dysphagie, Gewichtsverlust, Hämatemesis
Prätherapeutisches Staging: TNM mit ÖGD/Endosonografie/CT
Neoadjuvante Therapie ab T3 oder alle T mit N+: Neoadjuvante Radiochemotherapie (Adenokarzinom und Plattenepithelkarzinom) oder perioperative Chemotherapie bei Adenokarzinom
Operativer Standard: Thorakoabdominelle Ösophagusresektion mit 2-Feld-Lymphadenektomie und Rekonstruktion mittels Magenhochzug
Hohe Rate postoperativer Komplikationen nach Ösophagusresektion
Minimalinvasive laparoskopische und roboter-assistierte Verfahren mit potenziellen Vorteilen in Bezug auf die postoperative Morbidität
Minimal-invasiver abdomineller Teil (Hybrid OP) mit evidenzgesicherten (Ib) Vorteilen
Bei funktioneller oder onkologischer Inoperabilität definitive Radiochemotherapie oder systemische Chemotherapie, ggf. palliative Einlage von Ösophagusstents
Definition
Alle epithelialen Malignome zwischen oberem und unterem Ösophagussphinkter
Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs mit Infiltration des Ösophagus werden als Ösophaguskarzinom definiert (UICC TNM 8)
Formen
Adenokarzinom
95 % im distalen Ösophagus
Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs (AEG)
Definition: Alle Adenokarzinome mit Tumorzentrum 5 cm oral bis 5 cm aboral des gastroösophagealen Übergangs. Definition nach Epizentrum des Tumors, nicht Oberrand (UICC 8. Version)
Einteilung nach Siewert:
AEG 1: Tumorzentrum 1–5 cm oral des gastroösophagealen Übergangs
AEG 2: Tumorzentrum 1 cm oral bis 2 cm aboral des gastroösophagealen Übergangs
AEG 3: Tumorzentrum 2–5 cm aboral des gastroösophagealen Übergangs
Plattenepithelkarzinom
Kann in der gesamten Speiseröhre auftreten
Adenosquamöse Karzinome, undifferenzierte Karzinome
Vergleichsweise seltene Entitäten
Epidemiologie und Ätiologie
Vorkommen
ca. 6000 Neuerkrankungen in Deutschland/Jahr
Deutlich steigende Inzidenz des Adenokarzinoms in Europa und USA
80 % Männer, 20 % Frauen
Risikofaktoren
Plattenepithelkarzinom
Nikotinabusus
Alkoholabusus
Achalasie
Z. n. Radiatio im Kopf-Hals-Bereich
Adenokarzinom
Gastroösophageale Refluxerkrankung
Barrett-Ösophagus
Nikotinabusus
Achalasie
Tumorausbreitung
Kontinuierlich
Intramural
Direkte Organinfiltration (Perikard, Pleura, Aorta)
Lymphogen
Lymphknotenstationen zervikal, mediastinal und abdominell
Hämatogen
Hepatisch via Pfortader
Pulmonal, ossär oder zerebral via V. cava oder Leber
Klassifikation
UICC/AJCC-TNM 8-Klassifikation (2017)
T (Tumor)
TX Tumor kann nicht beurteilt werden
T0 Kein Primärtumor nachweisbar
Tis Hochgradige Dysplasien (maligne Zellen oberhalb der Basalmembran)
T1a Infiltration der Lamina propria und muscularis mucosa
T1b Infiltration der Tela submucosa (weitere Subkategorien)
T2 Infiltration der Tunica muscularis
T3 Infiltration der Adventitia
T4a Infiltration von Pleura, Perikard, Peritoneum, V. azyogs oder Zwerchfell
T4b Infiltration anderer Organe, wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea
N (Lymphknoten)
NX Regionale Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 Keine Metastasen in den Lymphknoten
N1 Metastasen in 1–2 regionären Lymphknoten
N2 Metastasen in 3–6 regionären Lymphknoten
N3 Metastasen in 7 oder mehr regionären Lymphknoten
M (Metastasen)
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastase(n)
UICC-Stadien nach der TNM-Klassifikation 8. Version (2017)
Symptome
Gewichtsverlust
Retrosternale Schmerzen
Bluterbrechen/Teerstuhl/Anämie
Diagnostik
Ösophagogastroduodenoskopie
Biopsieentnahme
Sicherung der Tumordiagnose
Lokalisationsdiagnostik des Tumors
Endosonografie
Infiltrationstiefe
Beurteilung von T- und N-Stadium
Thorax-CT, Abdomen-CT
Beurteilung des Primärtumors und des Lymphknotenbefalls
Fernmetastasen
Bronchoskopie
Bei Plattenepithelkarzinom zum Ausschluss Zweitkarzinom
Bei enger Lagebeziehung des Tumors zu den zentralen Atemwege (Trachealinfiltration, Bronchusinfiltration)
Panendoskopie
Bei Plattenepithelkarzinom zum Ausschluss Zweitkarzinom im HNO-Bereich
PET-CT, MRT-Abdomen
Nicht erforderlich für Primärdiagnostik
Nur zum Ausschluss von Metastasen in seltenen und speziellen Indikationen
Hilfreich in der Rezidivdiagnostik
Therapie
Indikationsstellung
Therapeutisches Vorgehen nach Leitlinie (AWMF 021/023OL: 12/2018) in Abhängigkeit vom präoperativen Staging (◘ Abb. 1.3 und 1.4)
Operative Therapie in spezialisierten Zentren mit hohen Fallzahlen
Bei Frühstadien (T1a) endoskopische Lokaltherapie erwägen
Bei geplantem Zwei-Höhlen-Eingriff allgemeine Operabilität, insbesondere kardiale und pulmonale Komorbidität berücksichtigen
Bei Inoperabilität, schwerer Komorbidität oder Patientenwunsch definitive Radiochemotherapie
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig3_HTML.pngAbb. 1.3
Therapiealgorithmus bei funktionell operablen und onkologisch resektablen Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus (aus Leitilinienprogramm Onkologie 2018; mit freundlicher Genehmigung)
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig4_HTML.pngAbb. 1.4
Therapiealgorithmus bei funktionell operablen und onkologisch resektablen Adenokarzinomen des Ösophagus und des gastroösophagealen Übergangs (aus Leitilinienprogramm Onkologie 2018; mit freundlicher Genehmigung)
Multimodale Therapie
Prinzipien
Verbesserte lokale und systemische Tumorkontrolle
Indikation in der Regel ab Tumorstadium T3 und/oder positivem Lymphknotenstatus
Down-Staging primär inoperabler Tumoren
Erhöhte R0-Resektionsraten
Verringerte Rezidivrate
Verlängertes Gesamtüberleben
Nach neoadjuvanter Therapie Re-Staging mittels Endoskopie und CT
Operation in der Regel im Abstand von 4–6 Wochen nach neoadjuvanter Therapie
Neoadjuvante Radiochemotherapie
Bei Plattenepithel- und Adenokarzinom
36–54 Gy Strahlendosis mit begleitender Chemotherapie
Aktuell verschiedene Protokolle (z. B. CROSS-Protokoll: 41,4 Gy aufgeteilt auf 23 Einzeldosen à 1,8 Gy plus Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitacel)
Perioperative Chemotherapie
Alternative zur Bestrahlung beim Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs
Protokoll analog der multimodalen Therapie beim Magenkarzinom (► Abschn. 1.6)
Vorteile gegenüber neoadjuvanter Radiochemotherapie möglicherweise durch verbesserte systemische Tumorkontrolle und verringerte perioperative Morbidität
Additive/Palliative Therapie
Prinzipien
Endoskopische Stent-Einlage
Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie oder Katheterjejunostomie zur Ernährung
Palliative Radiochemotherapie
Palliative Chemotherapie
Strategie
Bei lokal inoperablem Tumor oder funktionell inoperablem Patienten definitive Radiochemotherapie (Langzeitüberleben >10–35 % im Stadium II/III)
Bei R1/R2-Resektion und fehlender Möglichkeit zur chirurgischen Nachresektion postoperative Radiochemotherapie
Bei Rezidiv/Tumorpersistenz nach definitiver Radiochemotherapie ggf. Salvage-Ösophagusresektion (Cave: Erhöhte postoperative Morbidität)
Beim metastasierten Adenokarzinom palliative Chemotherapie
Beim metastasierten Plattenepithelkarzinom palliative Chemotherapie
Bei ausgeprägter Dysphagie und Gewichtsverlust endoskopische Implantation eines selbstexpandierenden Metallstents empfohlen, auch vor neoadjuvanter Therapie möglich
Operative Therapieprinzipien
Lokale endoskopisch-interventionelle Verfahren
Indikation:
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms (<2 cm, Lymphgefäßinvasion L0, Veneninvasion V0, keine Ulzerationen, Grading G1/G2) im Barrett-Ösophagus
Bei Lymph- oder Blutgefäßinfiltration, schlechtem Differenzierungsgrad (≥G3), Submukosainfiltration oder Tumorrest am basalen Resektionsrand Indikation zur Ösophagusresektion
Nachteile:
Keine sichere Einschätzung des Lympknotenstatus
Bei ausgedehnten Resektionen in Piece-meal-Technik kein sicherer R-Status
Hohes Stenoserisiko nach (zirkulärer) Resektion ausgedehnter Befunde
Prinzip und endoskopisches Vorgehen:
Endoskopische Resektion je nach Ausdehnung und Lokalisation des Tumors
Bei Barrett-Mukosa zusätzliche Thermoablation des kompletten Areals
Endoskopische Mukosaresektion (EMR) in Saug- und Schneidetechnik mittels Ligaturset bzw. in Kappentechnik
Endoskopische Submukosadissektion (ESD)
Ösophagusresektion
Prinzipien der Resektion:
Bei AEG 3 transhiatal erweiterte Gastrektomie (► Abschn. 1.6)
Bei AEG 2 alternativ:
Transhiatal erweiterte Gastrektomie oder
Ösophagusresektion
Bei Tumoren mit Übergriff auf den Magen: Ösophagogastrektomie
Bei AEG 1 immer abdominothorakale Ösophagusresektion
Standardeingriff = Ivor-Lewis-Ösophagusresektion (s. „Operatives Vorgehen"):
Mobilisierung und Resektion der Speiseröhre über rechtsseitige Thorakotomie oder Thorakopskopie und minimalinvasives Vorgehen mit mediastinaler En-bloc-Lymphadenektomie
Absetzen der Speiseröhre auf Höhe des Azygosbogens oder in der oberen Thoraxapertur
Lymphadenektomie im abdominellen Kompartiment und Schlauchmagenbildung über Oberbauchlaparotomie
Alternativ thorakaler und abdomineller Teil jeweils minimalinvasiv möglich
Hybridverfahren laparoskopisch/thorakotomisch oder laparotomisch/thorakoskopisch verbreitet
Vollständig lapasoskopisch und thorakoskopisch (ggf. in robotisch-assistierter Technik)
Potenzielle Reduktion pulmonaler Komplikation
Geringerer Blutverlust, schnellere Rekonvaleszenz
Bei Plattenepithelkarzinomen Resektion des Ösophagus bis in die obere Thoraxapertur mit ggf. zervikaler Lymphadenektomie
Einzeitige Resektion-Rekonstruktion als Regeleingriff
Zweizeitige Resektion-Rekonstruktion mit temporärer kollarer Ausleitung des Ösophagus und Magenblindverschluss sowie Rekonstruktion im Intervall bei septischem Patienten nach (Tumor-)Perforation
Prinzipien der Rekonstruktion:
Rekonstruktion der Wahl mittels Magenhochzug und intrathorakaler Anastomose
Alternativ zervikale Anastomose über separaten linkskollaren Zugang
Rekonstruktion mit Koloninterponat bei Tumorinfiltration des Magens
Rekonstruktion im hinteren Mediastinum, alternativ retrosternal
Postoperative Komplikationen:
Hohe Rate perioperativer Komplikationen (Morbidität bis zu 70 %)
Pulmonale Komplikationen (Pneumonien, Pleuraergüsse, Pneumothorax)
Anastomoseninsuffizienz (Therapie mittels Stent-Einlage oder ENDOVAC, chirurgische Revision mit Diskontinutätsresektion und kollarer Schleimfistel als Ultima Ratio)
Chylusfistel bei Verletzung des Ductus thoracicus
Magenentleerungsstörung
Wundinfekte, Nachblutungen etc.
Kardiale Komplikationen (hohe Rate an Herzrhythmusstörungen, Perikarderguss)
Perioperatives Management:
Präoperative Atemtherapie, Sport- und Ernährungsprogramm
Behandlung der Patienten in spezialisierten Zentren
Optimiertes anästhesiologisches und intensivmedizinisches Management
Periduralkatheter zur postoperativen Analgesie
Postoperative Ernährung über Katheterjejunostomie, alternativ parenteral
Aspirationsprophylaxe, ggf. regelmäßige postoperative Bronchoskopien
Operatives Vorgehen
Ivor-Lewis-Ösophagusresektion
Präoperativ Koloskopie falls Koloninterponat notwendig!
Anästhesiologische Vorbereitung: PDK, ZVK, kontinuierliche arterielle Blutdruckmessung, Doppellumentubus
Lagerung des Patienten in Schraubenlagerung, rechtsthorakal angehoben
Alternativ: Intraoperative Umlagerung Linksseitenlage Rückenlage
Rechtsseitige Thorakotomie
Durchtrennen der V. azygos
Mobilisation des Ösophagus unter Mitnahme des periösophagealen Lymph- und Fettgewebes und der peribronchialen Lymphknoten. Cave: Ductus thoracicus!
Oberbauchmedianlaparotomie
Mobilisation des Magens unter Schonung der gastroepiploischen Arkade
Durchtrennen der A. gastrica sinistra und Aa. gastricae breves
Abdominelle Lymphadenektomie (A. hepatica, Truncus coeliacus, A. lienalis)
Resektion der Speiseröhre unter Mitnahme des proximalen Magens
Herstellen eines Magenschlauchs mittels Klammernahtgerät
Transhiataler Durchzug des Magens ins hintere Mediastinum
Herstellen einer End-zu-Seit-Anastomose mittels Zirkular-Stapler
Einlage von Thoraxdrainagen
Alternativ minimalinvasives Vorgehen möglich
Prognose
Prognosefaktoren
Postoperative Stadieneinteilung (UICC)
Lymphknoten-Ratio (Quotient aus befallenen und entnommenen Lymphknoten)
Lymphgefäß-/Veneninvasion
Ansprechen auf neoadjuvante Therapie (klinische und histopathologische Regression)
R-Status (Residualstatus)
Nachsorge
Ziele
Symptomorientierte Nachsorge
Funktionsstörungen entdecken als Folge eines Rezidivs oder als benigne Komplikationen der Behandlung
Ernährungsmedizinische Nachbetreuung, ggf. zusätzliche Ernährung
Frühzeitige Detektion potenziell heilbarer Lokalrezidive
Durchführung
Nach erfolgreicher endoskopischer Therapie einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines Frühkarzinoms regelmäßige Kontroll-Endoskopien (nach 3 Monaten, dann für 2 Jahre halbjährlich und danach jährlich)
Nach Ösophagusresektion kein vorgegebenes Schema, z. B. im halbjährlichen Abstand Anamnese, körperliche Untersuchung und Computertomografie Abdomen/Thorax
1.5 Benigne Erkrankungen des Magens
1.5.1 Gastroduodenale Ulkuskrankheit
In Kürze
Meist auf dem Boden einer Helicobacter-pylori-positiven Gastritis
Unspezifische Symptome oder Oberbauchschmerzen
Komplikationen: Blutung, Penetration, Perforation, narbige Stenose, maligne Entartung
Differenzialdiagnose zum Ulkus: Magenkarzinom
Konservative Therapie der Ursachen + Protonenpumpeninhibitoren
Endoskopische Therapieoptionen bei Komplikationen: Unterspritzen oder Clipping von Blutungen, Bougierung von Stenosen
Chirurgische Interventionen bei komplizierter Ulkuserkrankung:
Umstechung von endoskopisch nichtstillbaren Blutungen
Exzision und Übernähen bei Perforation
Distale Magenresektion (Billroth II) bei Perforation oder narbiger Stenose
Ätiologie
Auftreten
Inzidenz ca. 200/100.000
Verhältnis Männer : Frauen = 3 : 1
Lokalisation meist an der kleinen Kurvatur, Antrum und im Bulbus duodeni
Risikofaktoren
Chronische Gastritis bei Infektion mit Helicobacter pylori
Genetische Prädisposition (Blutgruppe 0, HLA B-5)
Einnahme von NSAR (ASS, Diclofenac, Ibuprofen), erhöhtes Risiko v. a. in Kombination mit Glukokortikosteroiden
Rauchen
Zollinger-Ellison-Syndrom (Gastrinom)
Hyperkalzämie, meist bei Nebenschilddrüsenadenom
Auftreten auch unabhängig von Risikofaktoren als akutes Stressulkus (nach Polytrauma, längerem Intensivaufenthalt, großen Operationen etc.)
Symptome
Epigastrische Schmerzen
Bei Ulcus duodeni klassisch Nüchternschmerz
Bei Ulcus ventriculi postprandialer Schmerz
Obere gastrointestinale Blutung
Perforation mit rasch einsetzender (chemischer) Peritonitis. Cave: Verschleierte Symptomatik bei gedeckter Perforation
Diagnostik
Endoskopie
Diagnosesicherung und Biopsieentnahme zum Malignomausschluss
Bei konservativer Therapie immer Re-Endoskopie um Abheilung des Ulkus zu dokumentieren (DD Karzinom!)
Radiologie
Computertomografie mit oralem Kontrastmittel nur zum Ausschluss einer Penetration oder Perforation indiziert
Weiterführende Diagnostik
Diagnostik auf Helicobacter pylori mittels Atemtest oder histologischer Untersuchung
Bestimmung von Gastrin, Kalzium und Parathormon zum Ausschluss einer hormonellen Ursache
Komplikationen
Blutung
Perforation/Penetration
Narbige Magenausgangsstenose
Maligne Entartung
Therapie
Konservativ
Bei Helicobacter-positiver Gastritis: Eradikation mit Pantozol und Clarithromycin plus Amoxicillin (französische Triple-Therapie) oder Metronidazol (italienische Triple-Therapie) für 7 Tage (
Meiden von Noxen (NSAR, Rauchen, Kaffee, Alkohol, Stress)
Protonenpumpeninhibitoren
Interventionelle Therapie
Bei Ulkusblutung Mittel der Wahl: Blutungskontrolle durch Unterspritzen mit Adrenalin/Histoacryl oder Clipping (Gefäßstumpf)
Bei endoskopisch nicht kontrollierbarer Ulkusblutung oder hohem Risiko der Rezidivblutung nach primär erfolgreicher endoskopischer Blutstillung: Interventionelle Angiografie mit endovasaler Blutstillung (Coiling A. gastroduodenalis)
Bei narbiger Stenose endoskopische Bougierung möglich
Operative Therapie
Bei Gastrinom oder Nebenschilddrüsenadenom kausale chirurgische Therapie (► Kap. 9 und 6)
Chirurgische Therapie der Ulkuskomplikationen:
Bei Ulkusperforation: Wenn möglich Exzision und Übernähung des Ulkus, sonst distale Magenresektion analog zu Billroth II
Bei schwierigem Duodenalsstumpfverschluss: Techniken nach Nissen-Bsteh, Pauchet, Bancroft oder Duodenojejunostomie
Bei Magenausgangsstenose ebenfalls distale Magenresektion oder Gastroenterostomie, wenn Tumorverdacht sicher ausgeschlossen
Die früher häufig prophylaktisch eingesetzte 2/3-Magenresektion (Billroth I mit Gastroduodenostomie oder Bilroth II mit Gastrojejunostomie) und die Vagotomieverfahren zur Therapie der Ulkuserkrankung sind bei effektiven konservativen Therapieoptionen – PPI, HP (Helicobacter pylori)-Eradikation – heute obsolet
Bei Ulkusblutung im Bulbus duodeni extra- und intraluminale Umstechung der A. gastroduodenalis
Operatives Vorgehen
Distale Magenresektion analog zu Billroth II
Anästhesiologische Vorbereitung: PDK (Periduralkatheter), ZVK, kontinuierliche arterielle Blutdruckmessung
Rückenlagerung
Oberbauchmedianlaparotomie, alternativ Oberbauchquerlaparotomie
Distale magennahe Mobilisierung der großen und kleinen Kurvatur
Resektion von ca. 2/3 des distalen Magens durch Durchtrennen des postpylorischen Duodenums
Blindverschluss des Duodenalstumpfes mit Klammernahtgerät ggf. übernähen
Rekonstruktion mittels Dünndarmschlinge in Y-Roux-Technik oder klassisch als Omega-Rekonstruktion (± Braun-Fußpunktanastomose)
1.5.2 Leitlinien
AWMF-Leitlinienregister: Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs und Stoffwechselkrankheiten, AWMF), 2014, AWMF Registrierungsnummer: 021/001, ► http://www.awmf.org/leitlinien.html
1.6 Maligne Erkrankungen des Magens
1.6.1 Magenkarzinom
In Kürze
Häufiger Tumor weltweit, sinkende Inzidenz in Deutschland
Intestinale oder diffuse histologische Differenzierung nach Lauren
Frühe lymphogene, hämatogene und peritoneale Aussaat
Bei Diagnosestellung oft fortgeschrittenes Tumorstadium
Ab T3 oder N+: Multimodales Therapiekonzept aus perioperativer Chemotherapie und Resektion
Therapiestandard: Totale Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie
Bei distalen Tumoren: Subtotale Gastrektomie möglich
Definition
Alle Tumoren des Magenantrums, Korpus und der Kardia mit Abstand >5 cm von der Z-Linie
AEG 3-Tumoren ohne Ösophagusinfiltration (UICC TNM 7, 2010)
Tumoren des gastroösophagealen Übergangs mit Ösophagusinfiltration werden als Ösophaguskarzinome klassifiziert (UICC TNM 7, 2010)
Formen
Nach Histologie (Lauren-Klassifikation)
Intestinaler Typ
Diffuser Typ (Siegelringzellen)
Nach Lokalisation
Antrum
Korpus/Fundus
Subkardial (AEG 3)
Epidemiologie und Ätiologie
Vorkommen
ca. 15.000 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr
Vorwiegend Männer (Verhältnis Männer : Frauen = 3 : 2)
Altersgipfel jenseits des 65. Lebensjahres
Inzidenz schwankt regional erheblich (erhöhte Inzidenz v. a. im asiatischen Raum, aber auch Südamerika, Süd- und Osteuropa)
In Deutschland sinkende Inzidenz des Magenkarzinoms, allerdings steigende Inzidenz der gastroösophagealen Übergangstumoren
Risikofaktoren
Helicobacter pylori
Alter
Niedriger sozioökonomischer Status
Nikotin- und Alkoholabusus
Familiäre Belastung
Vorangegangene Magenoperationen
Perniziöse Anämie
Ernährungs- und Umweltfaktoren
Tumorausbreitung
Kontinuierlich
Intramural
Direkte Organinfiltration (Milz, Pankreas, Kolon, Duodenum)
Lymphogen (◘ Abb. 1.5)
Frühe lymphogene Metastasierung
Lymphknotenkompartimente D1–D4
Hämatogen
Hepatisch via Pfortader
Pulmonal, ossär, zerebral
Peritonealkarzinose
Häufig frühzeitige peritoneale Aussaat
Abtropfmetastase Ovar: „Krukenberg-Tumor"
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig5_HTML.jpgAbb. 1.5
Regionäre und übergeordnete Lymphknoten des Magens. Lymphknotenkompartiment D1: 1–6, Lymphknotenkompartiment D2: 7–11, Lymphknotenkompartiment D3: 12–14, Lymphknotenkompartiment D4: 15–16. (Nach Siewert et al. 2010)
Klassifikation
TNM 7-Klassifikation (2010)
T (Tumor)
T0 Kein Primärtumor nachweisbar
Tis Carcioma in situ
T1a Infiltration der Lamina propria oder Muscularis mucosae
T1b Infiltration der Tunica submucosa
T2 Infiltration der Muscularis propria
T3 Infiltration der Subserosa
T4a Penetration des viszeralen Peritoneums ohne Infiltration von Nachbarorganen
T4b Penetration des viszeralen Peritoneums mit Infiltration von Nachbarorganen (Pankreas, Milz, Leber)
N (Node)
N0 Keine Metastasen in den Lymphknoten
N1 Metastasen in 1–2 regionären Lymphknoten
N2 Metastasen in 3–6 regionären Lymphknoten
N3a Metastasen in 7–15 regionären Lymphknoten
N3b Metastasen in 16 oder mehr regionären Lymphknoten
M (Metastasis)
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastase(n)
UICC-Stadien nach der TNM-Klassifikation
Symptome
Häufig unspezifisch
Inappetenz/Gewichtsverlust
Unspezifische Oberbauchschmerzen
Rezidivierendes Erbrechen
Hämatemesis/Teerstuhl/Anämie
Diagnostik
Ösophagogastroduodenoskopie
Biopsieentnahme
Sicherung der Tumordiagnose
Lokalisationsdiagnostik des Tumors
Infiltrationstiefe
Beurteilung von T- und N-Stadium
Thorax-CT, Abdomen-CT
Beurteilung des Primärtumors und des Lymphknotenbefalls
Fernmetastasen
Diagnostische Laparoskopie
Staging Peritonealkarzinose
ggf. bioptische Sicherung
Laparoskopie ist ein wichtiger diagnostischer Schritt vor der präoperativen Therapie
PET-CT, MRT-Abdomen, Knochenszintigrafie
Nicht erforderlich für Primärdiagnostik
Nur zum Ausschluss von Metastasen in seltenen und speziellen Indikationen
Hilfreich in der Rezidivdiagnostik
Therapie
Indikationsstellung
Therapeutisches Vorgehen nach Leitlinie in Abhängigkeit vom präoperativen Staging (◘ Tab. 1.2 und ◘ Abb. 1.6)
Bei T1a-Stadium endoskopische Mukosaresektion erwägen
Kurative Therapie bei lokalisierten und lokal fortgeschrittenen Tumoren
Bei Inoperabilität, schwerer Komorbidität oder Patientenwunsch palliative Chemotherapie
Palliative Gastrektomie bei limitierter Metastasierung beim jungen und/oder gering komorbiden Patienten
Palliative Gastrektomie bei Tumorblutung und Tumorperforation
Tab. 1.2
Therapiestrategie beim Magenkarzinom in Abhängigkeit vom präoperativen Staging; T1 und T2 siehe Abb. 1.6
HIPEC hypertherme intraperitoneale Chemoperfusion
../images/329689_2_De_1_Chapter/329689_2_De_1_Fig6_HTML.pngAbb. 1.6
Leitlinienkriterien und erweiterte Kriterien für Magenfrühkarzinome (aus Leitlinienprogramm Onkologie 2019; mit freundlicher Genehmigung)
Multimodale Therapie
Prinzipien
Verbesserte lokale und systemische Tumorkontrolle
Prognoseverbesserung bei lokal fortgeschrittenen Tumoren
Indikation in der Regel ab Tumorstadium T3 und/oder positivem Lymphknotenstatus
Down-Staging inoperabler Tumoren
Erhöhte R0-Resektionsraten
Verringerte Rezidivrate
Verlängertes Gesamtüberleben
Nach neoadjuvanter Therapie Re-Staging (Endoskopie, Computertomografie)
Operation im Abstand von 4–6 Wochen nach neoadjuvanter Therapie
Perioperative Chemotherapie
Kombination aus prä- und postoperativer Chemotherapie
Verschiedene platinbasierte Chemotherapieprotokolle:
ECF (Epirubicin, Cisplatin und 5-Fluorouracil)
ECX (Epirubicin, Cisplatin, Capecitabin)
EOX (Epirubicin, Oxaliplatin, Capecitabin)
FLOT (Docetaxel, Folsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin)