Interkulturelle Gesprächsführung: Menschen begegnen einander, nicht Kulturen
Von Edwin Hoffman
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Über dieses E-Book
Wir alle kommen mit der Superdiversität der Gesellschaft in Kontakt, die zeigt, wie geschichtet, kontextabhängig und veränderlich sich Menschen sozial organisieren und identifizieren. Kulturelle Identität ist schon lange nicht mehr nur mit der nationalen Herkunft identisch, Autochthone und Migranten aus zahlreichen Herkunftsländern haben jeweils ihre eigene Vielfalt an Bevölkerungsgruppen und sozialen Kategorien. Was bedeutet diese Superdiversität für die professionelle Kommunikation? Edwin Hoffman bietet in diesem essential mit vielen Beispielen einen innovativen Ansatz, der auf zwischenmenschlicher Kommunikation und nicht auf der Begegnung von Kulturen basiert. Das TOPOI-Modell enthält Handlungsstrategien zur Reflexion und Überbrückung von Kommunikationsunterschieden.
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Buchvorschau
Interkulturelle Gesprächsführung - Edwin Hoffman
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
E. HoffmanInterkulturelle Gesprächsführungessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-30587-1_1
1. Einleitung
Edwin Hoffman¹
(1)
Velden am Wörthersee, Österreich
Edwin Hoffman
Email: e.hoffman@gmx.at
Jeder Praktiker¹ im sozialen Bereich hat mit der Superdiversität der Gesellschaft zu tun. Superdiversität zeigt, wie geschichtet, kontextabhängig und veränderlich sich Menschen sozial organisieren und identifizieren (Vertovec 2007). Die Menschen der autochthonen Bevölkerung gemischt mit Migranten aus einer Vielzahl von Herkunftsländern haben alle ihre eigene Vielfalt an sozialen Gruppen. Hinzu kommt die fortschreitende Individualisierung. Die soliden Identitäten der Vergangenheit (Nationalität, Religion, politische Zugehörigkeit, Klasse, Geschlecht), die man von Geburt an für selbstverständlich gehalten hat, sind längst dem Wandel der „flüssigen Identitäten" gewichen. Die Menschen stehen vor der Aufgabe, ihre eigene Identität zu bestimmen (Bauman 2000, S. 31–32).
Was bedeutet diese oben skizzierte Superdiversität für die Kommunikation? Dieses essential bietet mit vielen Beispielen einen innovativen Ansatz interkultureller Kommunikation und das TOPOI-Modell als praktische Hilfestellung. Bei diesem innovativen Zugang steht nicht die Kultur im Vordergrund, sondern die Kommunikation, die kontextgebundene Interaktion zwischen einzigartigen Personen, eingebettet in ihre Lebenswelten: also interkulturelle Kommunikation als interpersonale Kommunikation. Das TOPOI-Modell enthält Handlungsstrategien zur Reflexion und Überbrückung von Kommunikationsunterschieden und kann als Lupe eingesetzt werden, um Gesprächssituationen zu reflektieren und neuralgische Bereiche für das Entstehen von Missverständnissen herauszuarbeiten.
Die Erkenntnisse und praktischen Anweisungen konzentrieren sich vor allem auf die Gesprächsführung mit Menschen unterschiedlicher nationaler, ethnischer und religiöser Herkunft, aber sie lassen sich auf jede Differenzkategorie anwenden. Die nationalen, ethnischen und religiösen Perspektiven wurden gewählt, weil sie in der Praxis die meisten Fragen aufwerfen.
Dieses essential ist wie folgt aufgebaut:
Kap. 2 befasst sich mit dem Kulturalismus und seinen Risiken.
In Kap. 3 werden die Multikollektivität, Multikulturalität und mehrfache Identität jeder Person erläutert als Einführung in eine neue Definition von Kulturalität, Interkulturalität und interkultureller Kommunikation.
Kap. 4 beleuchtet die Zirkularität der Kommunikation und stellt das TOPOI-Modell vor.
Kap. 5 verdeutlicht die Bereiche des TOPOI-Modells: Sprache, Sichtweise, Personen, Organisation und Wollen.
Kap. 6 bietet Handlungsstrategien für die Gesprächsführung, auch mit Menschen mit Migrationshintergrund.
Fußnoten
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Dies impliziert immer beide Formen, schließt also die weibliche und nicht-binäre Form mit ein.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
E. HoffmanInterkulturelle Gesprächsführungessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-30587-1_2
2. Kulturalismus und seine Risiken
Edwin Hoffman¹
(1)
Velden am Wörthersee, Österreich
Edwin Hoffman
Email: e.hoffman@gmx.at
Praktiker bedienen sich oft kulturalistischer Angebote aus Fachliteratur und Workshops, um zu lernen, in der Kommunikation effektiv mit Kulturunterschieden umzugehen.
2.1 Kulturalismus
In einem kulturalistischen Ansatz werden Menschen anderer Herkunft nur als Repräsentanten ihrer nationalen Kultur gesehen und es stehen bei der Lösung von Kommunikationsproblemen ihre national-kulturellen Merkmale im Mittelpunkt, die man eben kennen muss. So kommentiert etwa Hofstede einen Vorfall, als Markus, ein indonesischer Manager, verletzt reagiert, nachdem ihn Frans, sein niederländischer Kollege, im Spaß „ein reizender Dieb nennt: „In Indonesien, wo der Status heilig ist, wird eine Beleidigung immer wörtlich genommen. Frans hätte dies wissen müssen
(Hofstede 1997, S. 297).
Vor der Behandlung der Risiken eines kulturalistischen Ansatzes muss zunächst klar festgestellt werden, dass die Kenntnis kultureller, ethnischer, religiöser, sozialökonomischer und migrantischer Hintergründe zweifellos relevant ist, wenn man mit Menschen verschiedener Nationalitäten arbeitet. Diese Kenntnis hilft, einen Blick für andere Bedeutungssysteme zu bekommen und die eigenen kulturellen Selbstverständlichkeiten zu relativieren und zu hinterfragen. Ethnozentrismus – die oft negative Bewertung anderer Kulturen nach eigenen kulturellen Maßstäben – wird so vermieden.
Riskant ist der kulturalistische Ansatz, wenn Kenntnis der nationalen Kultur als Vorschrift präsentiert oder aufgefasst wird, um mit einer Person kommunizieren zu können, und ihre nationale Herkunft oder Religion als einzige Erklärung für ihr Verhalten dient. Aufgrund der Beharrlichkeit des Kulturalismus im Umgang mit Menschen wird den Risiken besondere Aufmerksamkeit