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Hüfte
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Über dieses E-Book

Die Buchreihe „Meistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie“ erlaubt es dem operativ tätigen Orthopäden und Unfallchirurgen, den Autoren - alle sind Meister ihres Faches - beim Operieren direkt über die Schulter zu schauen. Beschrieben werden häufige, aber erfahrungsgemäß schwierige Probleme und Techniken so, dass der erfahrene, aber im jeweiligen Gebiet nicht hochspezialisierte Operateur den behandelten Eingriff mit höherer Sicherheit auszuführen vermag. Alle Beschreibungen lassen sich direkt in die Praxis umsetzen: die Operationsverfahren werden step-by-step dargestellt und mit zahlreichen Fotos und brillanten Grafiken visualisiert.

Initiiert und begleitet wird die Reihe durch Prof. Dr. med. D. Kohn und Prof. Dr. med. T. Pohlemann. Herausgeber des vorliegenden 4. Bandes Hüfte sind Prof. Dr. med. Klaus-Peter Günther und Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Schaser.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum5. Juli 2021
ISBN9783662620854
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    Buchvorschau

    Hüfte - Klaus-Peter Günther

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    K.-P. Günther, K.-D. Schaser (Hrsg.)HüfteMeistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgiehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62085-4_1

    1. Periazetabuläre Beckenosteotomie

    Lorenz Büchler¹   und Klaus A. Siebenrock²  

    (1)

    Klinik für Orthopädie und Traumatologie, Kantonsspital Aarau, Schweiz

    (2)

    Universitätsklinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Bern, Schweiz

    Lorenz Büchler (Korrespondenzautor)

    Email: lorenz.buechler@ksa.ch

    Klaus A. Siebenrock

    Email: klaus.siebenrock@insel.ch

    1.1 Prinzip

    1.2 Indikationen/Kontraindikationen

    1.3 Präoperative Planung

    1.4 Operative Technik

    1.4.1 Lagerung

    1.4.2 Hautinzision und Darstellung der tiefen Muskelschichten

    1.4.3 Inkomplette Osteotomie des Ischiums (1. Osteotomie)

    1.4.4 Osteotomie des oberen Schambeinastes (2. Osteotomie)

    1.4.5 Supra- und retroazetabuläre Osteotomien (3. und 4. Osteotomie)

    1.4.6 Mobilisation des azetabulären Fragmentes

    1.4.7 Reorientierung, Kontrolle der Korrektur und Fixation des Fragments

    1.4.8 Offset-Verbesserung am Schenkelhals und Wundverschluss

    1.5 Postoperatives Management

    1.6 Ergebnisse

    1.7 Komplikationen

    1.8 Fallbeispiel

    Literatur

    1.1 Prinzip

    Die normale Anatomie der Hüfte ermöglicht ein ausreichendes Bewegungsausmaß bei gleichzeitig großer inhärenter Stabilität des Gelenkes. Fehlformen der Hüftgelenkpfanne führen zu einer ungünstigen Belastung des Gelenkknorpels und können zu einer Gelenkinstabilität oder einem femoroazetabulären Impingement (FAI) führen und sind ein Risikofaktor für eine Arthrosebildung (Harris 1986; Ipach et al. 2012; Tönnis und Heinecke 1999). Falls sich eine pathologische Anatomie des Azetabulums nicht durch eine Trimmung des Pfannenrandes normalisieren lässt, besteht die ursächliche Behandlung in einer reorientierenden Osteotomie der Hüftgelenkpfanne. Ziel der chirurgischen Intervention ist es, die fehlerhafte Überdachung und/oder Version der Pfanne durch eine Reorientierung des Azetabulums zu korrigieren, um dadurch das Gelenk zu stabilisieren, die biomechanische Belastung der Hüfte zu normalisieren sowie die Entwicklung bzw. das Fortschreiten einer Arthrose zu verhindern (Ganz et al. 1988). Die Technik der periazetabulären Osteotomie (PAO) nach Ganz (Ganz et al. 1988) ermöglicht die vollständige Lösung der Hüftgelenkpfanne aus dem Becken bei erhaltener Blutversorgung des Fragmentes. Das große Korrekturpotenzial erlaubt eine präzise Korrektur der Pfannenversion. Durch den Erhalt des hinteren Pfeilers bleibt die Stabilität des Beckenringes erhalten und die Form des kleinen Beckens bleibt unverändert.

    1.2 Indikationen/Kontraindikationen

    Zu der primären Indikation der PAO zählt die symptomatische residuelle Hüftdysplasie nach Verschluss der Wachstumsfugen (Leunig et al. 2001). Die mangelhafte Überdachung des Femurkopfes, häufig kombiniert mit einer Fehlorientierung des Azetabulums und einem steilen Pfannendachwinkel, führt zu einer Instabilität der Hüfte mit Überlastung des Pfannenrandes. Dies führt je nach Schweregrad zu einer rasch progredienten Schädigung des azetabulären Knorpels und des Labrums („acetabular rim syndrome"; Cooperman et al. 1983; Harris 1986; Pauwels 1976). Um die Stabilität des Gelenkes zu verbessern, kommt es häufig kompensatorisch zu einer Hypertrophie des Labrums, der Kapsel und des M. iliocapsularis. Im Verlauf der Erkrankung treten typischerweise Leistenschmerzen auf. Gelegentlich werden als Zeichen der muskulären Überlastung auch Schmerzen im Bereich des Trochanter major und der Abduktoren beobachtet. 40–50 % der Patienten mit unbehandelter Dysplasie ohne Subluxation der Hüfte leiden im Alter von 50 Jahren an einer fortgeschrittenen Hüftgelenkarthrose und bei der Hälfte kommt es mit 60 Jahren zur Implantation einer Totalendoprothese. Besteht hingegen eine Subluxation der Hüfte, entwickelt sich ohne Therapie in beinahe 100 % aller Fälle eine terminale Arthrose (Harris 1986). Weitere Indikationen der PAO sind die generelle azetabuläre Retroversion (Siebenrock et al. 2014; Zurmühle et al. 2017), Pfannenfehlpositionen nach Voroperationen sowie in ausgewählten Fällen eine Hüftprotrusion (Leunig et al. 2009). Die Behandlung von komplexen Fehlformen (Morbus Perthes, hohe Subluxationen) erfordert je nach Ausgangspathologie ggf. zusätzliche proximale femorale Umstellungsosteotomien oder Kopfreduktionsplastiken (Ganz et al. 2010; Siebenrock et al. 2015).

    Allgemeine Voraussetzung für einen hüfterhaltenden Eingriff ist ein erhaltener Gelenkknorpel. Arthrose ab Grad 2 nach Tönnis, Alter über 40 Jahren sowie Adipositas sind Risikofaktoren für ein schlechtes Ergebnis (Lerch et al. 2017).

    1.3 Präoperative Planung

    Die a.-p.-Beckenübersichtsaufnahme im Liegen stellt die wichtigste diagnostische Aufnahme dar. Um standardisierte, mit der Literatur vergleichbare Werte zu bestimmen, ist darauf zu achten, dass sich der Zentralstrahl mittig zwischen der Verbindungslinie der rechten und der linken Spina iliaca anterior superior (SIAS) sowie der Symphyse befindet und das Becken nicht rotiert ist. Folgende Parameter müssen bestimmt werden: Die laterale Überdachung (lateraler Zentrum-Erker-Winkel nach Wiberg, LCE), der Pfannendachwinkel (Tönnis-Winkel oderazetabulärer Index, AI), die Zentrierung der Hüfte (Shenton Line), die Version des Azetabulums sowie bei azetabulärer Retroversion der Retroversionsindex. Zudem sollte der Grad der Arthrose (Tönnis-Grad) bestimmt werden.

    Weitere konventionelle Aufnahmen sind eine axiale Aufnahme (Lauenstein- oder Cross-Table-Aufnahme) zur Beurteilung der ventralen Schenkelhalskontur und möglicher Dezentrierungen des Femurkopfes sowie eine liegende a.-p.-Beckenübersichtsaufnahme in 20°- bis 30°-Abduktion zur Simulation der Gelenkkongruenz nach der Korrektur.

    Zur Diagnostik von Knorpel- und Labrumschäden, der Darstellung einer möglichen Cam-Deformität sowie zur Bestimmung der femoralen Torsion dient eine Arthro-MRT mit radiären Rekonstruktionen um die Schenkelhalsachse mit Einschluss der Knie. Bei komplexeren Fehlstellungen kann zudem eine Computertomografie mit animierter 3D-Rekonstruktion oder 3D-Prints in der Operationsplanung und -durchführung hilfreich sein.

    1.4 Operative Technik

    Grundsätzlich wird der Eingriff entsprechend der ursprünglichen Beschreibung von Ganz durchgeführt (Ganz et al. 1988). Je nach Zentrum haben sich geringfügige Änderungen der Technik entwickelt. Die hier beschriebene Technik entspricht dem zurzeit gängigen Vorgehen am Inselspital Bern. Zur sicheren Durchführung der Operation werden einige spezielle Instrumente gebraucht. Diese können als komplette Siebe erworben werden.

    1.4.1 Lagerung

    Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgendurchlässigen Tisch positioniert. Zur vollständigen Muskelrelaxation ist eine Vollnarkose empfehlenswert. Perioperative Antibiotikaprophylaxe sowie ein Cell-Saver werden verwendet. Auf der zu operierenden Seite wird das Bein frei beweglich abgedeckt mit freiem Zugang zum Hemipelvis bis zum Rippenbogen. Die Verwendung eines Bildwandlers zur Beurteilung der korrekten Lage der Schnittebenen kann hilfreich sein. Zur Beurteilung der Pfannenkorrektur besteht idealerweise die Möglichkeit zur intraoperativen Durchführung einer a.-p.-Beckenübersichtsaufnahme mittels eines mobilen Röntgengerätes mit einer Röntgenplatte, welche unter den Patienten geschoben werden kann. Wird die Stellungskontrolle mit einem Bildwandler durchgeführt, ist zu beachten, dass die Pfanne dadurch im Vergleich zu einem a.-p.-Bild in verstärkter Anteversion dargestellt wird (Büchler et al. 2016).

    1.4.2 Hautinzision und Darstellung der tiefen Muskelschichten

    Der Eingriff erfolgt durch einen modifizierten Smith-Petersen-Zugang (Smith-Petersen 1949). Die Inzision beginnt 5–7 cm proximal der Spina iliaca anterior superior (SIAS), leicht lateral der Crista iliaca folgend. Distal der SIAS wird die Schnittführung rund 10 cm in Richtung lateraler Femurkondylus fortgeführt. Kosmetisch günstiger kann der Schnitt auch nach medial geschwungen der Leistenfalte folgen (Abb. 1.1).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Modifizierte, nach medial geschwungene Hautinzision zur Durchführung der periazetabulären Osteotomie (PAO)

    Bei gestrecktem Bein in leichter Abduktion wird anschließend die Faszie des M. tensor fasciae latae rund 10 cm longitudinal gespalten. Zum Schutz des N. cutaneus femoris lateralis sollte vermieden werden, die Faszie des M. sartorius zu eröffnen. Der Nerv verläuft typischerweise direkt unterhalb des Leistenbandes medial der SIAS, um weiter distal an variabler Stelle durch die Faszie des M. sartorius ins subkutane Fettgewebe einzutreten und Äste nach medial und lateral abzugeben. Der Tensor wird danach stumpf nach lateral mobilisiert, um das Intervall zwischen Sartorius und Tensor zu eröffnen. Der aufsteigende Ast der A. circumflexa femoris lateralis wird geschont.

    Anschließend wird die tiefe Muskelfaszie längs eröffnet und der M. iliocapsularis sowie das Caput reflexum des M. rectus femoris dargestellt.

    Proximal wird die Abdominalmuskulatur leicht lateral der Spina iliaca abgelöst. Der M. iliacus wird subperiostal mit einem gebeugten Raspulatorium abgehoben und mit einem stumpfen Hohmann-Retraktor nach medial gehalten, um die Beckenschaufel und die Linea terminalis darzustellen.

    Um die weitere Präparation zu vereinfachen, werden die Hüftbeuger durch Lagerung des Beines in einem Kniehalter in rund 40° Hüftbeugung entspannt.

    Durch ein streng subperiostal scharfes Ablösen des Leistenbandes sowie des Ursprunges des M. sartorius von der SIAS werden die Zugänge nun verbunden. Alternativ kann die SIAS osteotomiert und nach medial mobilisiert werden. Nach Mobilisation des M. iliopsoas vom oberen Schambeinast wird dieser durch einen in der Eminentia iliopubica gesetzten spitzen Hohmann-Retraktor nach medial gehalten. Nun wird das Intervall zwischen M. iliocapsularis und M. rectus femoris definiert und der Iliokapsularis von der Kapsel und der Spina iliaca anterior inferior abgelöst. Zur Darstellung der anteroinferioren Hüftgelenkkapsel wird der M. iliocapsularis und M. iliopsoas nach medial und der M. rectus femoris nach lateral weggehalten. Fakultativ kann die direkte Sehne des Rektus und Iliocapsularis von der Spina abgelöst und beide Muskeln nach medial mobilisiert werden (Abb. 1.2).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Darstellung der Innenseite des Iliums sowie der Hüftgelenkkapsel

    1.4.3 Inkomplette Osteotomie des Ischiums (1. Osteotomie)

    Die Osteotomie ist technisch anspruchsvoll, da die Lage des Meißels nicht visuell kontrolliert werden kann und der N. ischiadicus in unmittelbarer Nähe der Osteotomie verläuft. Zum Erhalt der Stabilität des hinteren Pfeilers ist es wichtig, dass das Ischium nur partiell durchtrennt wird und der Schnitt nicht in das Foramen ischiadicum minus ausläuft. Zum Schutz des N. ischiadicus wird die Hüftbeugung reduziert und das Bein abduziert.

    Die Hüftgelenkkapsel wird mit einer gebogenen Schere medial umfahren und der infraartikuläre Raum durch Spreizen der Schere stumpf eröffnet und das Ischium im Bereich der inferioren Hüftgelenkkapsel palpiert. Medial wird der Rand des Foramen obturatorium identifiziert. Lateral verhindern die Sehnen der Hamstrings eine zu laterale Manipulation und schützen dadurch den N. ischiadicus (Abb. 1.3).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Palpation der infraazetabulären Notch mit der Schere

    Der 30° gebogene Spezialmeißel mit 15 mm Klinge wird mithilfe eines Elevatoriums in den infraartikulären Raum direkt distal der Hüftgelenkkapsel eingeführt. Die Klinge sollte dabei senkrecht auf den Knochen treffen. Um die Form des Azetabulums zu umfahren und eine vollständige Osteotomie des hinteren Pfeilers zu vermeiden, wird der Meißel unter gradueller Absenkung eingeschlagen. Medial wird der Knochen vollständig bis zur quadrilateralen Fläche durchtrennt. Zum Schutz des N. ischiadicus wird die laterale Osteotomie nur bis in eine Tiefe von 3–4 cm durchgeführt. Die verbliebene Kortikalis wird später durch die Mobilisation des Fragmentes gebrochen.

    Bei korrekter Durchführung der Osteotomie ist die A. obturatoria sowie die A. circumflexa femoris medialis nicht gefährdet (Abb. 1.4a und b).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    a Durchführung der infraazetabulären Osteotomie (Os ischii) mit dem gebogenen Spezialmeißel. b Der N. ischiadicus verläuft in unmittelbarer Nähe lateral der Osteotomie

    Falls erwünscht kann die korrekte Lage des Meißels und die Tiefe der Osteotomie mit dem Bildwandler kontrolliert werden. Zum Erkennen einer möglichen mechanischen Reizung des unmittelbar lateral der Osteotomie verlaufenden N. ischiadicus sollte ein Assistent die Hand auf den Fuß legen. Zudem wird die Hüfte gestreckt und das Bein leicht abduziert.

    Falls der hintere Pfeiler akzidentiell vollständig durchtrennt wird, ist die Stabilität des Beckenrings vermindert und der Patient sollte entsprechend vorsichtig mobilisiert werden.

    1.4.4 Osteotomie des oberen Schambeinastes (2. Osteotomie)

    Der obere Schambeinast wird medial der Eminentia iliopubica osteotomiert. Das Periost wird stumpf von der Linea terminalis in Richtung oberer Schambeinast abgelöst und ein scharfer Hohmann rund 3 cm medial der Eminentia gesetzt, um das inguinale Gefäß-Nerven-Bündel und die Corona mortis nach medial wegzuhalten. Zum Schutz der A. und des N. obturatorius werden zwei stumpfe Hohmänner ventral und dorsal um den oberen Schambeinast in das Foramen obturatorium gelegt. Die Osteotomie wird zuerst mit einem schmalen Meißel eingekerbt und danach mit einem breiteren, geraden Meißel in 45° nach medial gerichteter Stellung vervollständigt (Abb. 1.5a und b).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig5_HTML.png

    Abb. 1.5

    a Darstellung der Osteotomie des oberen Schambeinastes mit einem geraden Meißel. b Das inguinale Gefäß-Nerven-Bündel wird mit einem Hohmann-Retraktor nach medial weggehalten

    1.4.5 Supra- und retroazetabuläre Osteotomien (3. und 4. Osteotomie)

    Zur besseren Darstellung der quadrilateralen Fläche wird ein stumpfer Hohmann-Retraktor unter den M. obturator internus auf die Spina ischiadica gelegt. Lateral werden die Muskeln im Bereich der Osteotomie stumpf abgelöst und zusammen mit dem N. ischiadicus mit einem stumpfen Hohmann-Retraktor nach lateral weggehalten.

    Die supraazetabuläre Osteotomie beginnt direkt distal der SIAS in horizontaler Richtung bis 1–2 cm lateral der Linea terminalis und wird mit einer oszillierenden Säge durchgeführt. Danach wird sie in einem Winkel von 110–120° nach distal in Richtung Spina ischiadica in 2 cm Distanz zum Foramen ischiadicum majus fortgeführt. Der Eckpunkt kann mit dem Bildwandler kontrolliert und durch eine Kerbe im Knochen markiert werden. Ab dem Eckpunkt wird die retroazetabuläre Osteotomie zuerst mit einem geraden Meißel und danach mit dem gebogenen Spezialmeißel durchgeführt. Idealerweise ergibt sich dadurch eine Verbindung mit der infraazetabulären Osteotomie des Ischiums. Korrekt durchgeführt sichert diese Schnittführung die Blutversorgung des azetabulären Fragments durch den R. supraacetabularis der A. glutea superior (Beck et al. 2003) und verhindert eine intraartikuläre Osteotomie beziehungsweise die vollständige Durchtrennung des hinteren Pfeilers (Abb. 1.6a und b).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig6_HTML.png

    Abb. 1.6

    a Darstellung des Iliums zur Durchführung der supra- und retroazetabulären Schnitte. b Die supraazetabuläre Osteotomie wird mit der oszillierenden Säge in horizontaler Richtung bis rund 1 cm lateral des Pelvic Brim durchgeführt. Die retroazetabuläre Osteotomie wird mit dem Meißel in Richtung Spina ischiadica durchgeführt

    1.4.6 Mobilisation des azetabulären Fragmentes

    Zur Mobilisation des azetabulären Fragmentes wird eine 4,5-mm-Schanz-Schraube am kranialen Ende des Fragmentes eingedreht. Mithilfe eines Laminaspreizers sowie der Schanz-Schraube wird das Fragment mobilisiert und verbliebene ossäre Verbindungen im Bereich der Spina ischiadica in kontrollierter Form gebrochen. Das azetabuläre Fragment muss sich völlig frei mobilisieren lassen, um eine korrekte Reorientierung zu erreichen. Falls dies nicht gelingt, wird der gebogene Meißel erneut in die retroazetabuläre Osteotomie eingefügt, um verbliebene Anteile der lateralen Kortikalis zu durchtrennen (Abb. 1.7).

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig7_HTML.jpg

    Abb. 1.7

    Mobilisation des Fragmentes mithilfe einer Schanzschraube sowie eines Lamina-Spreizers

    1.4.7 Reorientierung, Kontrolle der Korrektur und Fixation des Fragments

    Die anzustrebende Korrektur ist abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation der ungenügenden Überdachung bzw. der Fehlstellung der Pfanne. Bei der häufigen anterolateralen Dysplasie besteht die Korrektur in einer anterolateralen Schwenkung des Fragments. Da das Rotationszentrum beim dysplastischen Hüftgelenk tendenziell lateralisiert ist, muss das Fragment entsprechend medialisiert werden. Bei der generellen azetabulären Retroversion besteht die hauptsächliche Korrektur in 10–20° Innenrotation und etwas Extension des Fragmentes. Gelegentlich sperrt die Osteotomie des Pubis die Rotation und der obere Schambeinast muss leicht gekürzt werden. Zudem ist es gelegentlich nötig, einen kranialen Keil aus dem azetabulären Fragment zu entfernen, um eine exzessive laterale Überdachung zu vermeiden.

    Das Fragment wird provisorisch mit zwei 2,5-mm-Gewinde-Kirschner-Drähten stabilisiert und die Korrektur anhand einer a.-p.-Röntgenuntersuchung des Beckens beurteilt.

    Sämtliche relevanten radiologischen Parameter des Azetabulums müssen ausgemessen werden. Die Inklination der gewichtstragenden Zone des Azetabulums (azetabulärer Index oder Tönnis-Winkel) sollte nach Korrektur etwa 0° betragen bei normalisiertem LCE. Die Kontur der Vorder- und Hinterwand sollte sich am lateralen Punkt treffen (Millis et al. 2012). Eine Überkorrektur mit zu starker lateraler Überdachung oder einer azetabulären Retroversion sollte vermieden werden, da dies zu einem femoroazetabulären Impingement vom Pincer-Typ führen kann. Falls nötig, wird die Lage des Fragments korrigiert und es wird ein erneutes Röntgenbild durchgeführt. Bei zufriedenstellender Lage wird das Fragment mit 3 Kortikalisschrauben definitiv fixiert.

    1.4.8 Offset-Verbesserung am Schenkelhals und Wundverschluss

    Nach der korrekten Reorientierung des Fragments wird die Rotationsbeweglichkeit der Hüfte in 90°-Flexion getestet. Zeigt sich dabei eine Innenrotation von weniger als 30° bzw. besteht im präoperativen Bild eine ausgeprägte Cam-Deformität, wird die Gelenkkapsel T-förmig eröffnet (Abb. 1.8a) und der Schenkelhals mit 2 stumpfen Hohmann-Retraktoren umfahren. Mit einem erneuten Impingement-Test lässt sich die impingierende Stelle visuell leicht identifizieren. Der Offset am Schenkelhals kann nun in mit der Kugelfräse normalisiert werden (Abb. 1.8b). Nach der abschließenden Testung einer Impingement-freien Beweglichkeit wird die Hüftgelenkkapsel locker verschlossen (Abb. 1.8b). Anschließend wird der Ursprung des M. rectus femoris, falls nötig, transossär refixiert. Anschließend wird der Ursprung des M. sartorius sowie das Leistenband transossär mit einem nichtresorbierbaren Faden refixiert.

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig8_HTML.png

    Abb. 1.8

    a Eröffnung des Gelenkes über T-förmigen Kapselschnitt. b Abgeschlossene Offset-Korrektur am Schenkelhals

    1.5 Postoperatives Management

    Zur Verhinderung von Adhäsionen (speziell nach Kapsulotomie/Offset-Verbesserung) wird das operierte Bein ab dem ersten postoperativen Tag auf einer passiven Bewegungsschiene mobilisiert. Nach Entfernung der Drainagen wird der Patient an 2 Unterarmstöcken mobilisiert. Die Belastung der operierten Hüfte wird während 8 Wochen auf 5–10 kg beschränkt, zudem sollte zur Schonung des M. sartorius sowie M. rectus femoris eine aktive Flexion des gestreckten Beins während 6 Wochen vermieden werden. Zeigt das Röntgenbild nach 8 Wochen eine Konsolidierung der Osteotomien, kann die Belastung unter physiotherapeutischer Anleitung graduell gesteigert werden.

    1.6 Ergebnisse

    Von verschiedenen Zentren wurden mehrere mittel- bis langfristige Verlaufsstudien nach PAO mit mehrheitlich vergleichbaren Resultaten veröffentlicht (Dahl et al. 2014; Grammatopoulos et al. 2016; Hartig-Andreasen et al. 2012; Lerch et al. 2017; Wells et al. 2017).

    In der bisher längsten Verlaufsstudie (Lerch et al. 2017) wird der Verlauf der ersten 63 Patienten (75 Hüften) mit residueller Hüftgelenkdysplasie untersucht, welche von 1984–1987 mit einer PAO versorgt worden waren. Nach 30 Jahren war die kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit (keine Hüftprothese, kein radiologisches Fortschreiten der Arthrose, guter klinischer Score (Merle d’Aubigné >14) der Hüften 29 %. Bei 42 Hüften (56 %) kam es zur Implantation einer Hüftprothese.

    Folgende Faktoren führten zu einem signifikant schlechteren Resultat: Alter zum Zeitpunkt der Operation >40 Jahre; präoperativ schlechter funktioneller Score; Hinken und positiver Impingement-Test; Hüftgelenkarthrose ab Grad 2 nach Tönnis; eine postoperative mangelhafte laterale Überdachung oder azetabuläre Retroversion (Grammatopoulos et al. 2016; Lerch et al. 2017; Matheney et al. 2009).

    1.7 Komplikationen

    Die PAO ist ein technisch anspruchsvoller Eingriff mit einer flachen Lernkurve. Die meisten Komplikationen treten in den 20–50 ersten Operationen auf (Hussell et al. 1999). In einem systematischen Review von Studien mit mindestens 2 Jahren Verlauf zeigte sich eine Komplikationsrate von 6–37 % (Clohisy et al. 2009). Schwere Komplikationen waren: Transiente Läsionen des N. ischiadicus oder N. femoralis (0,6 %, 1 %); intraartikuläre Osteotomien oder Frakturen (2.5 %); Osteotomien oder Frakturen des hinteren Pfeilers (1,2 %); Nonunion oder Dislokation des Fragments (2,2 %); tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie. Leichte Komplikationen waren heterotope Ossifikationen im Bereich der Sehne des M. rectus femoris (5,3 %) – diese sollten entfernt werden, falls der Patient symptomatisch ist oder die Hüftflexion stark eingeschränkt wird – und eine Läsion des N. cutaneus femoris lateralis (10–30 %). Selten entstehen dabei behandlungsbedürftige Neurome. Weitere leichte Komplikationen können kosmetisch unbefriedigende Narben distal der SIAS oder Hämatome sein.

    1.8 Fallbeispiel

    24-jährige Patientin mit intermittierenden Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte, vor allem nach sportlichen Betätigungen sowie bei der Arbeit als Serviceangestellte. Klinisch zeigte sich ein positiver Impingement-Test ohne Einschränkung der Hüftgelenkbeweglichkeit. Radiologisch zeigte sich eine Hüftgelenkdysplasie mit einem LCE von 18° und AI von 13°. Die Hüfte war zentriert bei intakter Shenton Line. Die Pfannenversion war normal bei leicht prominenter Spina (Abb. 1.9a). Nach der PAO zeigte sich eine deutlich verbesserte laterale Überdachung mit einem LCE von 30° und AI von 5° bei unveränderter Version der Pfanne. Der klinische und radiologische Verlauf nach 1 Jahr (Abb. 1.9b) und 5 Jahren (Abb. 1.9c) war ausgezeichnet.

    ../images/455906_1_De_1_Chapter/455906_1_De_1_Fig9_HTML.jpg

    Abb. 1.9

    Klinisches Fallbeispiel einer Behandlung einer symptomatischen residuellen Dysplasie der rechten Hüfte einer 24-jährigen Patientin mittels einer periazetabulären Osteotomie (PAO)

    Literatur

    Beck M, Leunig M, Ellis T, Sledge JB, Ganz R (2003) The acetabular blood supply: implications for periacetabular osteotomies. Surg Radiol Anat 25:361–367. https://​dx.​doi.​org/​10.​1007/​s00276-003-0149-3CrossrefPubMed

    Büchler L, Schwab JM, Whitlock PW, Beck M, Tannast M (2016) Intraoperative evaluation of acetabular morphology in hip arthroscopy comparing standard radiography versus fluoroscopy: a cadaver study. Arthroscopy 32:1030–1037. https://​dx.​doi.​org/​10.​1016/​j.​arthro.​2015.​12.​048CrossrefPubMed

    Clohisy JC, Schutz AL, St John L, Schoenecker PL, Wright RW (2009) Periacetabular osteotomy: a systematic literature review. Clin Orthop Relat Res 467:2041–2052. https://​dx.​doi.​org/​10.​1007/​s11999-009-0842-6CrossrefPubMedPubMedCentral

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    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

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    2. Dreifache Beckenosteotomie

    André Zahedi¹  

    (1)

    Klinikzentrum Mitte, Orthopädische Klinik, Dortmund, Deutschland

    André Zahedi

    Email: Andre-Ramin.Zahedi@klinikumdo.de

    2.1 Prinzip

    2.2 Indikationen/Kontraindikationen

    2.3 Präoperative Planung

    2.4 Operative Technik

    2.5 Postoperatives Management

    2.6 Ergebnisse

    2.7 Komplikationen

    2.8 Fallbeispiel

    Literatur

    2.1 Prinzip

    Die Hüftdysplasie zählt zu den häufigsten Ursachen einer vorzeitigen Arthrose des Hüftgelenks. Mit der dreifachen Beckenosteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt (3FBO) steht ein sehr effektives Verfahren zur operativen Behandlung der Hüftdysplasie im Kindes- und Erwachsenenalter zur Verfügung (Tönnis et al. 1981). Unter den vielfältigen Verfahren zur Pfannenkorrektur am Hüftgelenk beachten nur sehr wenige die komplexen Bandverbindungen und die Perfusionssituation am Hüftgelenk (Katthagen et al. 1995). Die komplexe Anatomie am Hüftgelenk erfordert zur Risikominimierung unter der Operation ein standardisiertes und strukturiertes Vorgehen sowie eine klare Übersicht bei den einzelnen OP-Schritten. Präzise und geradlinig durchgeführte Osteotomien sind ein Garant für die freie Schwenkbarkeit der Pfanne. Somit entfaltet die 3FBO ihr volles Potenzial hinsichtlich der Behandlung einer Reihe von Pfannenpathologien. Unabhängig von der geplanten Korrekturrichtung bzw. Schwenkrichtung der Pfanne ist keine Anpassung der einzelnen Osteotomien notwendig. Die sicher nachvollziehbare Technik erlaubt eine sehr präzise Pfanneneinstellung, was dem heutigen Verständnis der Hüftgelenkbiomechanik gerecht wird. Aufgrund des klar strukturierten Vorgehens und der guten Visualisierung über kleine aber direkte Zugangswege ist das Verfahren trotz der Komplexizität, die alle Beckenosteotomien mit sich bringen, gut zu erlernen und sicher durchzuführen.

    2.2 Indikationen/Kontraindikationen

    Zum wesentlichen Anwendungsgebiet der 3FBO gehört die Hüftdysplasie. Neben der klassischen Anwendung beim erwachsenen Hüftgelenk (Abb. 2.1), ist es auch möglich, die 3FBO ohne Modifikation bei Kindern mit einer offenen Y-Fuge einzusetzen. Somit kann auch eine Hüftdysplasie bei der kindlichen Hüfte gut adressiert werden. Hierbei muss jedoch stets abgewogen werden, ob nicht das Korrekturpotenzial einer deutlich einfacheren Azetabuloplastik ausreicht. Somit ist die 3FBO eher Sonderfällen der kindlichen Hüftdysplasie vorbehalten, bei denen eine Verkleinerung des Pfannenradius über eine Azetabuloplastik eher ungünstig wäre.

    ../images/455906_1_De_2_Chapter/455906_1_De_2_Fig1_HTML.jpg

    Abb. 2.1

    22-jährige Patientin mit schwerer Hüftdysplasie links

    Ein weiterer Anwendungsbereich, der sich zunehmend als sehr effektiv erweist, sind schwerwiegende Verlaufsformen des Morbus Perthes (Herring B–C). Hier greift der Vorteil, dass über eine Beckenosteotomie das Containment beim Morbus Perthes verbessert werden kann, ohne den bereits geschädigten Hüftkopf bzw. die bereits geschädigte

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