Smiley. Herzchen. Hashtag.: Zwischenmenschliche Kommunikation im Zeitalter von Facebook, WhatsApp, Instagram @ Co.
Von Uta Buttkewitz
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Buchvorschau
Smiley. Herzchen. Hashtag. - Uta Buttkewitz
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
U. ButtkewitzSmiley. Herzchen. Hashtag.Über/Strom: Wegweiser durchs digitale Zeitalterhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-28438-1_1
1. Einleitung
Uta Buttkewitz¹
(1)
Universität Rostock, Rostock, Deutschland
Uta Buttkewitz
Email: uta.buttkewitz@uni-rostock.de
Kennen Sie diese Situation: Sie erhalten eine Nachricht via WhatsApp, haben aber keine Zeit oder keine Lust zu antworten und versuchen nun, die richtige Strategie für sich zu finden, was Sie tun sollten. Sie können die Nachricht erst einmal nur in der WhatsApp-Vorschau lesen ohne sie als „gelesen" zu markieren, um nicht sofort antworten zu müssen und gleichzeitig nicht unhöflich zu wirken. Alternativ können Sie die Nachricht zwar als gelesen markieren, so dass die grauen Häkchen blau eingefärbt werden, aber erst einmal nicht antworten oder nur eine schnelle, eher allgemein gehaltene Antwort mit größerem Interpretationsspielraum geben. Bei WhatsApp können Sie auch einstellen, dass Ihre Chatpartner∗innen nicht sehen können, ob und wann eine Nachricht gelesen wurde. Auch der Online-Status kann verborgen werden. Die meisten Nutzer∗innen haben die Einstellungen jedoch nicht in dieser Weise verändert. Groß ist der Unterschied ohnehin nicht, denn auch mit verborgenem Online-Status riskiert man, unhöflich zu wirken, wenn man längere Zeit nicht antwortet. Das Problem im Unterschied zur Face-to-face-Kommunikation ist: Sie haben kaum eine Chance, authentisch und ehrlich zu antworten und das hat mehrere Gründe.
Schriftliche Kommunikation birgt immer die Gefahr eines Missverständnisses. Besonders wenn sie – wie bei WhatsApp und ähnlichen Messengern – wie mündliche Kommunikation aussieht und sich an mündlichen Gesprächen orientiert. Die Verkürzung der Nachricht führt häufig dazu, dass viele Dinge, die in einem Brief, einer E-Mail oder bei einem Telefongespräch zur Sprache gekommen wären, gar nicht erwähnt werden. Somit fehlen Hintergrundinformationen und die Möglichkeit, simultan gezielt nachzufragen. In einem typischen WhatsApp-Chat (siehe Abb. 1.1) werden zum Beispiel Verabredungen getroffen. Der kurze Informationsaustausch wird mit Emojis unterstützt, durch die beide Personen sich gegenseitig ihre Vorfreude auf das bevorstehende Treffen zeigen. Die ausgetauschten positiven Smileys bewirken, dass Person B keine Probleme damit hat, als Person A ankündigt, dass sie sich etwas verspäten wird. Person B fragt nicht nach, warum sich Person A verspätet – eine Frage, die sicher bei einem Telefonat diskutiert worden wäre. Eine Verabredung per Messenger führt jedoch insgesamt zu einer größeren Unverbindlichkeit, da man immer noch in letzter Minute eine Verspätung ankündigen kann, ohne den Grund angeben zu müssen. Person B nimmt diese negative Information erst einmal so hin, da sie zwar nachfragen könnte, aber eventuell keine Antwort erhielte und auch schon ahnt, dass keine größere Problematik dahinter steckt. Die Verspätung wird einfach akzeptiert und es gibt keinen sprachlichen Aushandlungsprozess, das heißt keine kurze Verständigung zum Grund der Verspätung.
../images/487554_1_De_1_Chapter/487554_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
WhatsApp-Chat
Es geht in diesem Buch nicht darum, eine Form der Kommunikation positiver als eine andere zu bewerten, sondern in erster Linie möchte ich den Wandel der Kommunikation im digitalen Zeitalter beschreiben und zeigen, dass sich dieser Wandel nicht isoliert vollzieht, sondern dass sich dadurch die Beziehungen zu unseren Mitmenschen verändern und auch die Entwicklung anderer gesellschaftlicher Bereiche davon nicht unberührt bleibt.
Ein Kernproblem bei der digitalen Kommunikation ist es, dass man interessanterweise (wie zum Beispiel bei WhatsApp und ähnlichen Messengern) in erster Linie positiv miteinander kommuniziert, indem zum Beispiel einfach ein passender Smiley in die Nachricht eingebettet wird – ein möglicher Konflikt bleibt auf diese Art und Weise unausgesprochen beziehungsweise wird gar nicht aufgedeckt und angesprochen. Durch die Verwendung von Emojis versuchen wir, mögliche Konflikte und schwierige Situationen schon im Vorfeld zu vermeiden. Die Smileys stehen für einen längeren sprachlichen Aushandlungsprozess, der in der mündlichen Kommunikation stattfinden würde, aber nicht in einem Chat, in dem nur Kurznachrichten ausgetauscht werden. Mit einem Smiley beruhigen wir also schon im Vorfeld einen kommunikativen Austausch, der Konfliktpotential in sich birgt. Wir könnten unsere Chatpartner∗innen auch fragen, warum es später wird, tun es aber in der Regel nicht, weil es zu aufwändig wäre und Unpünktlichkeit im digitalen Zeitalter eher akzeptiert wird.
In erster Linie geht es bei WhatsApp um eine gegenseitige Bestätigung unserer sozialen Beziehung zueinander, zum Beispiel der Freundschaft. Wir zeigen: Mit unserer „Beziehung" ist alles in Ordnung. Während beim Telefonieren an der Tonlage der Stimme zu erkennen ist, ob meine Gesprächspartner∗innen angespannt, genervt, traurig oder fröhlich sind, ist bei einer WhatsApp-Nachricht sehr viel Sensibilität notwendig, um herauszufinden, wie es meinen Chatpartner∗innen gerade geht. Durch die Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp haben sich bestimmte alltagssprachliche Formen und Ausdrücke so sehr gefestigt und standardisiert, dass kaum mehr persönliche Noten übrig bleiben (Abb. 1.2).
../images/487554_1_De_1_Chapter/487554_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
WhatsApp-Chat
Die folgende Übersicht zeigt, welche Ausdrücke im Chatbeispiel (Abb. 1.2) verwendet werden und welche Funktion sie besitzen:
Wenn Sie sich den Chatverlauf Ihrer wichtigen Kontakte anschauen, werden Sie feststellen, dass sie sich nur marginal voneinander unterscheiden, unabhängig davon, wie eng die Beziehung zu der jeweiligen Person ist. Es werden nur minimale Satzvariationen benutzt, um Grüße aus dem Urlaub zu schicken, Verabredungen zu treffen, nach dem Wohlbefinden zu fragen, Neuigkeiten auszutauschen, kurze Nachfragen zu stellen oder Links weiterzuleiten. Sehr oft werden mittlerweile Grußformeln und Anreden weggelassen – unabhängig davon, in welchem Verhältnis man zu den jeweiligen Chatpartner∗innen steht. Bei befreundeten Chatpartner∗innen wird zur Verabschiedung beziehungsweise Beendigung eines Chats ein Smiley gesetzt. Wenn dieser fehlt, ist man eventuell schon irritiert und fragt sich, ob alles in Ordnung ist. Ebenso werden oft Sätze einfach zu einer Wortgruppe reduziert. Längere Diskussionen finden zwar in manchen Situationen auch statt, werden aber relativ schnell abgebrochen, weil WhatsApp schlicht und einfach nicht das geeignete Medium dafür ist.
Es stellt sich nun die Frage, ob solche kleineren Diskussionen ohne Messenger gar nicht stattfinden würden und dieses Mehr an Kommunikation somit ein Vorteil der schnellen Kommunikationsform ist. Oder hätte man früher eher zum Telefon gegriffen und hätte die Kommunikation dadurch eine höhere inhaltliche Qualität gewonnen? Mit inhaltlicher Qualität meine ich ein ausführliches Gespräch mit einer größeren sprachlichen Variation und ein Mehr an ausgetauschten Informationen, wodurch automatisch mehr gegenseitiges Verständnis und Nähe zwischen den Gesprächspartner∗innen entsteht. Dies ist bei Messenger-Kommunikation nur sehr eingeschränkt möglich. Da beim Austausch von Kurznachrichten außerdem häufig Anreden weggelassen werden, weiß man zumindest in Gruppen-Chats in vielen Fällen nicht, ob eine bestimmte Nachricht nur an einen persönlich gerichtet wurde, an mehrere verschiedene Personen oder eventuell versehentlich an die∗den falsche∗n Empfänger∗in geschickt wurde. Das führt zu einer zusätzlichen Verunsicherung bei der Beantwortung der Nachricht. Und schließlich stellt sich in diesem Fall auch die Frage nach dem Sinn oder Zweck so einer Nachricht. Sie fungiert dann nur als reines Beziehungsmanagement.
Das führt zur ersten Hauptthese in diesem Buch – wie es auch Marshall McLuhan, einer der bedeutendsten Medientheoretiker, formuliert hat (McLuhan 1995, S. 23)
Bei der Nutzung der sozialen Medien steht die Nachricht selbst im Vordergrund und nicht ihr Inhalt – „Das Medium ist die Botschaft".
Häufig warten die Gesprächspartner∗innen bei WhatsApp gar nicht ab, bis die∗der andere die jeweilige Nachricht zu Ende formuliert und versendet hat, wodurch Fragen mitunter unbeantwortet bleiben. Bei einem Gespräch würde das bedeuten, seinem Gegenüber einfach ins Wort zu fallen – ein Akt der Unhöflichkeit, der bei WhatsApp erstaunlicherweise geduldet wird. Technische Maßnahmen, wie die Anzeige, dass ein∗e Partner∗in gerade etwas schreibt, helfen nur bedingt, die dadurch entstehende Unsicherheit zu mindern.
Ein Großteil der Kommunikation findet nur noch um ihrer selbst willen statt.
Dieses ist die zweite These des Buches und ein Novum, das es früher nicht gab. Wozu werden Statusmeldungen verschickt und das Profilbild bei WhatsApp, Facebook und Instagram regelmäßig verändert? Nicht der zwischenmenschliche Austausch steht im Vordergrund, sondern die eigene Darstellung zeigt, dass es bei