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SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST: Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung Überarbeitete und erweiterte Ausgabe
SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST: Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung Überarbeitete und erweiterte Ausgabe
SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST: Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung Überarbeitete und erweiterte Ausgabe
eBook443 Seiten6 Stunden

SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST: Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung Überarbeitete und erweiterte Ausgabe

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Über dieses E-Book

Das erste und grundlegende Imago-Buch, erstmals erschienen 1988, entwickelte sich zum Orientierungsplan für unzählige Paare den Weg zur liebevollen Partnerschaft zu finden.Nach 30 Jahren haben Helen und Harville ihr Buch gänzlich neu überarbeitet.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. März 2021
ISBN9783902625823
SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST: Der Wegbegleiter für eine erfüllte Beziehung Überarbeitete und erweiterte Ausgabe

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    Buchvorschau

    SO VIEL LIEBE WIE DU BRAUCHST - Harville Hendrix Ph. D.

    Inhalt

    Vorwort

    Teil I DIE UNBEWUSSTE PARTNERSCHAFT

    1 Zerbrochene Liebe – Liebe auf Dauer

    2 Verwundungen aus der Kindheit

    3 Unsere Imago

    4 Die Phase der romantischen Liebe

    5 Der Machtkampf

    Teil II DIE BEWUSSTE PARTNERSCHAFT

    6 Bewusstwerdung

    7 Sich freiwillig verpflichten

    8 Den Partner neu kennenlernen

    9 Eine Atmosphäre der Wertschätzung schaffen

    10 Unsere persönlichen Wachstumschancen erkennen

    11 Einen heiligen Raum für uns schaffen

    12 Porträt zweier Partnerschaften

    Teil III Übungen

    13 Zehn Schritte zu einer bewussten Partnerschaft

    Übung 1 Ihre Beziehungsvision

    Übung 2 Kindheitswunden

    Übung 3 Erarbeitung Ihrer persönlichen Imago

    Übung 4 Frustrationen aus der Kindheit

    Übung 5 Eltern-Kind-Dialog

    Übung 6 Partner-Profil

    Übung 7 Unerledigtes aus der Kindheit

    Übung 8 Der Imago-Dialog

    Übung 9 Beziehungs-Ausgänge schließen

    Übung 10 Liebevolle Verhaltensweisen

    Übung 11 Die Überraschungsliste

    Übung 12 Die Spaßliste – Aktivitäten, die Spaß und Freude machen

    Übung 13 Positives Überfluten

    Übung 14 Der Dialog „Bitte um Verhaltensänderung"

    Übung 15 Die Wiege

    Übung 16 Verantwortung für meine Negativität übernehmen und sie aus der Welt schaffen

    Übung 17 Null-Negativität und Stärken einer neuen Verbundenheit

    Übung 18 Visualisierung der Liebe

    Professionelle Hilfe

    IGÖ – Imago Gesellschaft Österreich

    Dank und Anerkennung für Jo Robinson

    Danksagungen

    Anmerkungen

    Bibliografie

    Weitere Imago-Bücher

    Ohne Wenn und Aber

    So viel Liebe wie mein Kind braucht

    Liebe annehmen – eine Kunst?

    Liebe einfach ...

    Der Sex meiner Träume

    Treue neu denken

    Verlagsseite

    www.rgverlag.com

    Vorwort

    Willkommen bei dieser gänzlich neu überarbeiteten und aktualisierten Ausgabe von So viel Liebe wie du brauchst. Sie haben dieses Buch gekauft, einen Beitrag zur Veränderung von Partnerschaften überall auf unserer Welt – seit mehr als 30 Jahren das Ziel der Imago-Theorie! Wir freuen uns, dass Sie bereit sind, ein neues Bewusstsein mitzutragen, das Paare in vielen Ländern unserer Erde motiviert, ihre Partnerschaft zu stärken.

    Was Sie unter Umständen noch nicht gehört haben über dieses Buch: Wenige Wochen nach dem Erstdruck im Jahr 1988 stellte Oprah Winfrey So viel Liebe wie du brauchst in ihrer TV-Show vor, was ihr den internationalen Fernsehpreis Emmy einbrachte. Während der nächsten 23 Jahre gestaltete sie mehr als zwölf weitere Abend-Shows zum Thema dieses Buches, wodurch es elfmal in die Bestsellerliste der New York Times aufgenommen wurde. Ungefähr 2500 Therapeuten haben bis dato eine Ausbildung in Imago-Therapie absolviert und begleiten Paare in über 50 Ländern. Die Imago-Paartherapie zählt hinsichtlich ihrer Verbreitung und Bekanntheit zu den führenden Paartherapie-Methoden der Welt.

    Manches davon ist Ihnen vielleicht bereits bekannt. Was an dieser Ausgabe neu ist, erkennen Sie bereits am Buchcover: Diese Neuauflage wurde von zwei Autoren erstellt. Bei allen bisherigen Ausgaben war ich (Harville) als alleiniger Autor angeführt. In der Ausgabe von 2008 wurde Helen, meine Lebens- und Arbeitspartnerin, auf dem Buchcover als Co-Autorin des neuen Vorworts genannt. Damals wurde gesät, was in dieser Neuauflage zu vollem Erblühen gelangt – und mich sehr berührt: Helen wird endlich die volle Anerkennung als Mitbegründerin der Imago-Paartherapie zuteil.

    Möglicherweise stellen Sie sich die Frage, warum dies erst jetzt geschieht. Diese Option stand bereits im Jahr 1988 im Raum, aber ich (Helen) sprach mich damals entschieden dagegen aus. Es war eine Chance für Harville und die Konzepte von Imago, im Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehen und Anerkennung zu erhalten – die er schließlich annahm. Ich empfand es als Ehre, den Werdegang dieses Buches dennoch auf jene Weise zu unterstützen, in der ich es tat. Diese Option stärkte nicht nur Harvilles Präsenz – sie passte insofern für mich, da ich Zeit für mein Familienunternehmen in Dallas und für unsere junge Patchworkfamilie brauchte. Mit der Rolle einer kaum sichtbaren Unterstützerin hinter den Kulissen war ich sehr zufrieden. Harville setzte all seine Begabungen ein, seine wunderbare Vision schriftlich festzuhalten und in die Realität umzusetzen. Ich leistete inhaltliche Beiträge, aber Harville formulierte sie aus – in dieser Hinsicht war er eindeutig als Autor anzusehen. Auch bei unserem zweiten Buch Ohne Wenn und Aber blieb das so. Bei unserem dritten Buch über Elternschaft veränderte ich meine Rolle und wurde zu einer sichtbaren Partnerin.

    Harville respektierte mich voll und ganz als Co-Autorin, und das blieb so für künftige Werke. Wie wir meine Rolle hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Imago-Theorie und meine Beiträge hierzu transparent machen sollten, darüber hatten wir relativ unterschiedliche Vorstellungen.

    Gehen wir ein wenig zurück, um zu sehen, wie alles begann. Im Jahr 1977 lernten wir einander kennen (beide geschieden) und fanden Gefallen an unseren Treffen. Nach einigen Monaten, in denen wir sehr viele gemeinsame Interessen erkannten, fragte ich Harville nach der Zukunft seiner Träume. Da er seinen Lehrauftrag an der Southern Methodist University's Perkins School of Theology beendet und noch keine konkreten Zukunftspläne hatte, ließ er mich an einigen für ihn denkbaren Optionen teilhaben. Eine davon war ein Buch zu schreiben. Ich fragte ihn nach dem Fokus dieses Buches. Harville antwortete: „Was mich sehr beschäftigt, ist die Frage, warum Paare streiten, warum ihr Traum zum Albtraum wird." Ich wollte wissen, welche Antworten er bereits auf diese Fragen gefunden zu haben meinte, und schon entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch, in dessen Verlauf wir jeweils die begonnenen Sätze des anderen vollendeten. Unsere verliebten Treffen gestalteten sich fortan ähnlich – und sechs Jahre nach unserer Hochzeit war das Manuskript für So viel Liebe wie du brauchst fertig. 1988 wurde es erstmals veröffentlicht. Das Thema Partnerschaft blieb für Harville und mich immer das Gesprächsthema Nummer 1, an fast jedem Tag unserer bisher mehr als 40 gemeinsamen Jahre.

    Als wir darüber nachdachten, auf welche Weise wir gemeinsam die Imago-Theorie und -Therapie entwickelt haben, fiel mir (Harville) auf, dass wir uns grundlegend und sehr produktiv ergänzen. Helens rechte Hirnhälfte ist dominant, das bedeutet, sie findet Zugang zu neuen Informationen über ihre Gefühle und ihre Sinne, sie erkennt intuitiv feine Unterschiede und stellt Zusammenhänge her. Bei mir ist die linke Gehirnhälfte dominant, was bedeutet, dass ich Informationen durch Beobachtung und logisches Denken erreiche und aus Teilen ein Ganzes konstruiere. Helen ist die kreative Quelle, ich bin sozusagen der Architekt und Bauunternehmer. In der positiven Spannung, die sich aus unserer Unterschiedlichkeit ergibt, entwickelten sich thematische Inhalte, die sich schließlich in Form von zehn Büchern über Partnerschaft und die Eltern-Kind-Beziehung manifestierten, wuchs eine weltweite Organisation von Imago-Therapeuten, Imago Educators und Facilitators und vieler Menschen, die sich aus tiefer Überzeugung für die Heilung von Partnerschaften und für eine Kultur wertschätzender Verbundenheit in unserer Gesellschaft einsetzen.

    Obwohl wir seit 40 Jahren gemeinsam an der Entwicklung der Imago-Theorie in all ihren Ausprägungen arbeiten, stand mein Name auf unserem ersten Buch und ich wurde als alleiniger Autor angesehen. Während der ersten zehn Jahre nach der Buchveröffentlichung war ich als Imago-Ausbildner und als Leiter vieler Paar-Workshops tätig, und so nahm die Öffentlichkeit mich als Begründer der Imago-Paartherapie wahr. Wenn ein Markenname rasch an Bekanntheit gewinnt, wird er in der öffentlichen Meinung als solide wahrgenommen.

    Helen wurde für ihr Engagement für Frauenrechte in die National Women's Hall of Fame aufgenommen. Ihre Motivation bestand jedoch nicht nur darin, Frauen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Stimme in der Gesellschaft zu unterstützen, sondern ebenso auf dem Weg zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Ich (Harville) war als Paartherapeut in meiner Praxis tätig, Helen hingegen sahen wir beide als „Paartherapeutin für die Gesellschaft insgesamt" an. Zehn Jahre bevor wir einander kennenlernten, hatte Helen bereits ihre Berufung darin erkannt, sich für das Thema Partnerschaft einzusetzen. Nachdem wir ein Paar geworden waren, wurde es gleichsam zu einem Bestandteil von Helens DNA, die Konzepte von Imago mit mir zusammen zu erstellen, weiterzuentwickeln und zu lehren. Wir wollen uns hier nicht allzu sehr in Details verlieren; zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Allgemeinheit mich als Begründer von Imago ansah und Helen als unterstützende Partnerin in meinem Schatten. Einige Jahre später, als unsere Kinder langsam auf eigenen Beinen standen und unsere Ehe eine tiefe Verbundenheit erreicht hatte, begann Helen sich voll und ganz dem zuzuwenden, was sie als ihre wahre Berufung verspürte. Von da an leiteten wir Paar-Workshops gemeinsam, referierten gemeinsam bei nationalen und internationalen Kongressen und verfassten zahlreiche Bücher und Fachartikel über die Imago-Paartherapie.

    Glücklicherweise folgten Ereignisse, die uns zu tiefgreifendem Umdenken veranlassten: Unser persönliches Thema wurde zum Exempel eines historischen und weltweiten Problems, nämlich der historisch untergeordneten Rolle und der unbewussten Vorurteile gegen die Gleichwertigkeit von Frauen. Sowohl Helen als auch ich waren unbewusst zu Komplizen des Fortbestehens dieses Problems geworden.

    Ein Faktor unter mehreren, der uns half, den Schritt zur Bewusstheit zu machen, soll hier beschrieben werden: Ich (Helen) veröffentlichte zusammen mit der Non-Profit-Organisation Feminist Press ein Buch mit dem Titel And the Spirit Moved Them. Es war einer Gruppe von Frauen gewidmet, deren Beiträgen zu den Ursprüngen der Frauenbewegung in den USA keine angemessene Anerkennung zuteilgeworden war. Mein Buch rückte sie an ihren rechtmäßigen Platz in der frühen Geschichte des Feminismus. Ungefähr zur selben Zeit, als jene Frauen aus dem Schatten der Geschichte ins Licht geholt wurden, erschien auch der Film Hidden Figures. Er wertete afroamerikanische Frauen auf, deren Beiträge zum Erfolg des Weltraumprogramms bisher weder vorstellbar noch anerkannt gewesen waren. Zeitgleich fiel unsere Aufmerksamkeit auch auf andere Bücher über Frauen in der Politik und in medizinischen Berufen. Die Zeit, auch andere Frauen aus dem Schatten der Männer herauszuholen, war zweifelsohne gekommen.

    Helens Rolle für Imago war also ein Frauenthema, dadurch auch ein Männerthema und ein Thema der ganzen Menschheit. Langsam wurde mir (Harville) klar, dass wir uns unbewusst an einer kulturellen Dynamik beteiligt hatten, die wir bewusst ablehnten – nämlich die untergeordnete Rolle der Frauen. Dass Helen nur im Schatten stand, was die Anerkennung für ihre Beiträge für Imago betraf, war ein weiteres Beispiel für die historische Benachteiligung von Frauen, die jetzt Schritt für Schritt überwunden wurde. Diese Erkenntnis war (für uns) einerseits schockierend, andererseits befreiend.

    Sobald wir diese Einsicht gewonnen hatten, lösten sich alle Vorbehalte gegen unsere gemeinsame Autorenschaft in Luft auf. Die rechtmäßige und vorbehaltlose Anerkennung zu erhalten, rührte Helen zu Tränen und freute mich von Herzen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der neu überarbeiteten Version dieses Buches anlässlich seines 30-Jahr-Jubiläums und Helens zweifelsohne entscheidende Beiträge zu seiner Entstehung und Veröffentlichung (bereits vor 30 Jahren) waren eine ideale Chance, ihre Leistungen endlich ins rechte Licht zu rücken und gleichzeitig zum Prozess der Gleichberechtigung von Frauen überall auf der Welt beizutragen. Diese vollständig überarbeitete und auf den neuesten Stand gebrachte Ausgabe, bei der wir als Co-Autoren genannt werden, ist nicht nur ein dauerhaft gefragtes Buch, sondern Teil eines weltweiten historischen Prozesses sozialer Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit für Frauen sowie für alle Menschen. Der Inhalt und die Übungen dieses Buches trugen zur Gleichwertigkeit von Frauen in ihrer Partnerschaft bei – und nun auch zur Gleichwertigkeit seiner beiden Autoren. Es ist höchst an der Zeit!

    Aber es gibt noch weitaus mehr Erwähnenswertes! Die Imago-Theorie entwickelt sich weiter. In den Jahren unserer Auseinandersetzungen um berufliche Gleichwertigkeit in unserer Partnerschaft und privat beobachteten wir die Ungleichheit von Paaren als chronisch belastende Dynamik. Da die soziale, wirtschaftliche und politische Gleichwertigkeit der Frauen seit Beginn der Zivilisation nicht gewährleistet war, ist dies nicht weiter verwunderlich.

    Uns wurde nun bewusst, dass Paare doppelt herausgefordert sind. Die erste Herausforderung besteht darin, dass wir aufgrund von Kindheitsverwundungen zu sehr um uns selbst kreisen und die innere Welt anderer nicht wahrnehmen können. Folglich denken wir, wir wären unserem Partner in vielerlei und bedeutender Hinsicht sehr ähnlich. Bewahrheitet sich dies jedoch nicht, bekämpfen wir den Umstand, dass unser Partner oder die Welt anders sind, als wir sie ansehen. Dies führt zu Konflikten und zu Polarisierungen – zwei wesentliche Zutaten für seelisches Elend.

    Die zweite Herausforderung beruht auf der Tatsache, dass Paare in einem kulturellen Wertesystem leben, in dem es sich lohnt zu konkurrieren, der Beste zu sein, um jeden Preis der Gewinner zu sein. Gesellt sich zu diesem Wertesystem noch ein aus negativen Kindheitserfahrungen genährtes Kontrollbedürfnis, wird die Partnerschaft toxisch und bisweilen unerträglich – das erklärt eine Scheidungsrate von 50 Prozent und eine Rate von 75 Prozent von Paaren, die zwar zusammenbleiben, sich aber als unglücklich bezeichnen. Das Thema ist komplex und sehr belastend für Paare, denn das Wertesystem des Konkurrenzdenkens diktiert, wie sie ihre emotionalen Bedürfnisse verstehen und sie zu erfüllen versuchen. Ihre Innenwelt wird von ihrer Außenwelt geprägt.

    Traditionelle Therapieprozesse versuchen, die innere Welt beider Partner zu erforschen, ihre Gefühle, ihre Gedanken und ihre Erinnerungen; mit dem Ziel, das gegenseitige Verstehen der inneren Welt des Partners zu vertiefen. Dem lag die Annahme zugrunde, dass ihre Erkenntnisse ihnen die Freiheit einer gesünderen Verbundenheit und Nähe schenken könnten. Aber das klappte oft nicht. Die Erfolgsrate dieser Methode lag nur bei ungefähr 25 Prozent.

    So verschoben wir (Harville und Helen) den Fokus von Imago vom Erforschen dessen, was innerhalb jedes Partners vor sich geht, auf die Erforschung dessen, was außerhalb des Paares und zwischen den beiden Partnern geschieht – auch dies ist ein wesentlicher Beitrag von Helen, inspiriert von Martin Buber. Wir erkannten, wenn wir Paaren helfen, ihre interaktiven Verhaltensweisen zu verändern – anstatt ihre Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen zu verändern –, fühlen sie sich auf ganz neue Weise verbunden miteinander, haben neue Gedanken und machen neue Erfahrungen, die sie als Erinnerungen abspeichern. Das primäre interaktive Verhalten ist gekennzeichnet davon, wie Paare miteinander reden und nicht worüber sie miteinander reden. Um dieses „Wie zu gestalten, suchten wir nach einer heilsamen Form, die wir nun Imago-Dialog nennen. Unser neuer Fokus trug zur Entstehung des Imago-Dialogprozesses bei, den Helen 1977 am Beginn unserer Partnerschaft initiierte. Wir steckten mitten in einem tiefen Konflikt, als sie laut rief: „Stopp! Lassen wir einen von uns reden und der andere soll zuhören. Das taten wir. Zu unserer Überraschung wurden wir bald ruhiger und konnten miteinander reden, ohne einander anzuschreien. Das war eine der ersten Inspirationen, denen viele weitere folgten, die ich

    (Harville) als Helens Beitrag in den therapeutischen Prozess aufnahm. In diesem Fall wurde ihr Beitrag sogar zum wesentlichsten therapeutischen Werkzeug, das heute von allen Imago-Therapeuten weltweit angewendet wird. Die Interaktion der beiden Partner wurde zum Therapieziel; im Wesentlichen liegt der Fokus auf ihrer Außenwelt anstatt auf ihrer Innenwelt. Es zeigte sich klar, dass die Frage, wie Paare miteinander reden, wichtiger ist, als worüber sie miteinander reden, und auch wichtiger ist, als ihre Kindheitserinnerungen oder ihr Verständnis für die Ursachen ihres Verhaltens.

    Das ist noch nicht alles. Wir erlebten höchst beeindruckende Entwicklungen. Therapie wird einfacher, präziser und effektiver – dennoch nicht simpel. Wenn Partner den Imago-Dialog verwenden, einen strukturierten Prozess von drei Schritten, um miteinander zu reden, so erfahren sie Sicherheit in ihrer Partnerschaft. Sicherheit ist nicht verhandelbar und sie ist das Ergebnis einer Struktur. Diese Sicherheit ermöglicht es Paaren sich voreinander verletzlich zu zeigen, ihre Schutzmuster abzulegen, sich füreinander zu öffnen und in tiefem Sinne präsent füreinander zu sein. Wenn ein Partner wirklich zuhört, während der andere spricht, wenn alle Formen der Negativität in der Bewertung des Gehörten abgelegt werden, so entsteht eine Atmosphäre, in der die Wunden der Kindheit in der aktuellen Liebesbeziehung geheilt werden können. Dafür ist es nicht erforderlich, alle Erinnerungen, Gefühle und Gedanken zu erforschen, wie man in den vergangenen 100 Jahren in der Geschichte der Psychotherapie dachte. Wenn sich im Äußeren etwas ändert, ändert sich nicht nur etwas im Inneren, sondern die Vergangenheit wird in der Gegenwart geheilt. Füreinander wirklich präsent zu sein, ohne einander zu bewerten, erzeugt emotionale Gleichwertigkeit, die dazu beiträgt, die Konkurrenzkultur zu verändern, in der die Partner verwundet wurden. Das Persönliche wird zum Gesellschaftlichen und zum Politischen. Eine Verbindung zwischen alldem entsteht.

    All das half uns schließlich eine Antwort auf die Fragen zu finden, die wir uns zu Beginn unserer Partnerschaft gestellt hatten: „Warum streiten Paare miteinander? Warum fühlt es sich wie ein Albtraum an? Und was kann man dagegen tun? Es stellte sich heraus, dass es nicht kompliziert ist. Wir glauben, dass Paare deshalb miteinander kämpfen, weil sie sich „gegen ihre Unterschiedlichkeit auflehnen. Sie attackieren einander emotional, manchmal auch körperlich, weil sie auf unbewusste Weise miteinander konkurrieren. Das entspringt dem Wertesystem unserer Kultur, das sie um die emotionalen Ressourcen in der Partnerschaft kämpfen lässt. Jeder will der bzw. die sein, der bzw. die „recht" hat. Ihr Kampf wird auch zum Wettkampf um Gleichwertigkeit, und das ist das Problem. Um Gleichwertigkeit zu kämpfen, ist paradox und führt ad absurdum. Dies erzeugt nur Angst, und Angst verstärkt unsere Schutzmuster. Sind Partner angstvoll und im Verteidigungsmodus, ziehen sie sich entweder zurück und sind emotional nicht mehr greifbar – oder sie konkurrieren miteinander, bis die Partnerschaft oder sie selbst zugrunde gehen.

    Wir bestehen also darauf, dass Sicherheit nicht verhandelbar ist. Sicherheit ist der wesentliche erste Schritt zur Struktur des Imago-Dialogs. Der aus drei Schritten bestehende Prozess befähigt Partner, miteinander über alle Themen zu reden, ohne zu polarisieren, und eine tiefe Verbundenheit aufzubauen, ohne ihre Unterschiedlichkeit zu nivellieren. Diese Art miteinander zu reden verbindet die verschiedenen Anteile unseres Gehirns und reduziert die Tendenz für Überreaktionen in Situationen, wo wir getriggert werden. Der zweite Schritt ist das Versprechen, jegliche Negativität zu überwinden, damit umfassende Sicherheit gewährleistet ist. Auch das ist nicht verhandelbar. Der dritte Schritt besteht darin, dass die Partner einander möglichst täglich mit Anerkennung und Wertschätzung „überfluten", um die positive Verbundenheit zu stärken.

    Wenn in einer Partnerschaft Sicherheit gewährleistet ist, verändert sich die innere Welt und die Ängste nehmen ab. Die Schutzmuster werden abgelegt. Die Partner nehmen einander nicht mehr auf negative, sondern auf positive Weise wahr. Es ist wieder viel mehr Freude in ihrem Zwischenraum spürbar. Gemeinsames Spielen und Lachen wird wieder möglich. Das Gefühl einer tiefen Lebendigkeit kommt zurück und wir fühlen uns in einem Universum beheimatet, wo alles miteinander in Verbundenheit ist. So hatten wir uns ganz zu Beginn unseres Lebens gefühlt, als wir dieses vibrierende Universum wahrzunehmen begannen. Alles und jeder pulsierte, wir fühlten tiefe Verbundenheit, Offenheit, Neugier und Freude. So fühlten wir uns, bevor unsere Bezugspersonen gleichsam „das Licht abdrehten" und unser Leben von Grau- und Schwarztönen überschattet wurde. Gewinnen wir das Gefühl von Verbundenheit zurück, wird unser Leben wieder in Farbe erstrahlen. Unseren Partner und die ganze Welt sehen wir in einem wundersamen Licht. Wir kehren dorthin zurück, wo wir zu Beginn unseres Lebens waren – mit pulsierender Lebendigkeit und von tiefer Freude erfüllter Verbundenheit – ein Seins-Zustand, der voraussetzt, in einer Partnerschaft zu leben, deren Zwischenraum sich zutiefst sicher anfühlt, verlässlich und auf Dauer.

    Wir hoffen, Ihnen im weiteren Verlauf dieses Buches wieder zu begegnen und Sie ins „Paradies" begleiten zu dürfen. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Zeit beim Lesen dieses Buches und eine wundervolle Partnerschaft!

    Harville und Helen

    Mai 2018

    Anmerkung der Übersetzerin

    Bis heute existieren für den deutschen Sprachraum keine allgemein gültigen Vereinbarungen hinsichtlich geschlechtergerechter Formulierungen. Es gibt unterschiedlichste Ansätze, damit Frauen, Männer und intergeschlechtliche Personen sich in gleicher Weise angesprochen fühlen und von den Lesenden auch gleichwertig mitgedacht werden, aber keine generelle Lösung.

    Wir teilen dieses Anliegen, haben uns aber im Sinne einer guten Lesbarkeit und um den Seitenumfang des vorliegenden Buches überschaubar zu halten, dafür entschieden, jeweils nur die männlichen Formulierungen zu verwenden. Es liegt uns jedoch sehr am Herzen, an dieser Stelle ausdrücklich zu betonen, dass wir dabei weibliche, männliche und intergeschlechtliche Menschen in gleicher Weise ansprechen.

    Das Wort Partner zählt beispielsweise zu den am häufigsten verwendeten Ausdrücken dieses Buches. Selbstverständlich bezieht es sich stets auf alle Geschlechter. Für viele Passagen hätten wir gern auch die weibliche Form Partnerin verwendet, um eine Ausgewogenheit zu erreichen. Da jene Form wiederum alle nicht-weiblichen Partner ausschließt, könnte das eventuell den Eindruck vermitteln, manche Textpassagen richteten sich nur an Frauen.

    Auch die Bezeichnungen Sender und Empfänger sollten fairerweise ebenso als Senderin und Empfängerin Erwähnung finden – aus den bereits erwähnten Gründen nehmen wir jedoch davon Abstand. Dies gilt in gleicher Weise für die Bezeichnung Imago-Therapeut und andere Berufsbezeichnungen.

    Der Begriff „Verbindliche Partnerschaft" inkludiert nicht nur vor dem Staat und/oder einer Religionsgemeinschaft geschlossene Ehen, sondern ist weiter gefasst und als eine auf Dauer ausgerichtete intime Liebesbeziehung zu verstehen, in der tiefe Heilung im psychologischen Sinn möglich ist, weil die Partner grundsätzlich bereit sind, Probleme und Krisen gemeinsam zu bewältigen, anstatt die Partnerschaft zu beenden.

    Margit Schröer

    Teil I

    DIE UNBEWUSSTE PARTNERSCHAFT

    1

    Zerbrochene Liebe – Liebe auf Dauer

    Im Laufe der mehr als 35 Jahre, in denen wir Menschen dabei unterstützen, die Liebe zu finden, die sie brauchen, haben wir viele Veränderungen hinsichtlich Liebe, Partnerschaft und Ehe miterlebt. Das Alter, in dem Paare heiraten, hat sich dramatisch erhöht. Als wir begannen mit Paaren zu arbeiten, lag das durchschnittliche Heiratsalter (für erste Ehen) von Männern bei 23 und von Frauen bei 21 Jahren. Schon 2017 war es bei Männern auf 30 und bei Frauen auf 27 Jahre gestiegen.¹ Heute beobachtet man bei jungen Leuten zwischen 20 und 30 eher, dass sie in Ausbildung oder auf ihren beruflichen Werdegang konzentriert sind oder die Welt erkunden, als dass sie heiraten und eine Familie gründen. Dies geschieht, wenn überhaupt, erst viele Jahre später. Darüber hinaus betrachten junge Menschen die Institution der Ehe oft skeptisch bis ablehnend, da sie nur selten Vorbilder haben, die sie ermutigen.

    Vor drei Jahrzehnten verbrachten die meisten Paare relativ wenig Zeit miteinander, da sie viel Energie in andere Bereiche als in ihre Partnerschaft investierten. Unsere heutige digitale Welt bewirkt eine weitere Verringerung der gemeinsam verbrachten Zeit. In einer Studie aus dem Jahr 2016 gaben Erwachsene an, durchschnittlich fünf Stunden pro Tag mit ihrem Handy oder Tablet zu verbringen, und zwar zusätzlich zu der Zeit, in der sie TV oder DVDs ansahen und an ihren Laptops oder PCs saßen.² Der Name, den Apple seinen digitalen Geräten gab, erscheint zutreffend: iPhone und iPad stärken das „Ich" anstatt die Partnerschaft, die für unser Leben von größter Wichtigkeit sein könnte.

    Ein weiteres Phänomen des 21. Jahrhunderts ist die steigende Abhängigkeit vom Internet. In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lernten die meisten Paare einander in der Schule, am Arbeitsplatz oder bei gesellschaftlichen Anlässen kennen. Heute finden Millionen von Menschen ihre Partner auf Internet-Dating-Seiten. Ein Computer überprüft akribisch ihre Persönlichkeit und ihre Vorlieben und spuckt eine Liste von Menschen aus, die ihrem Ideal am ehesten entsprechen. Mit etwas Glück können sie einen zu 100 Prozent passenden Partner finden. Nicht mehr himmlisches Schicksal fügt es heute, wenn junge Menschen sich in geeignete Partner verlieben, sondern ein Computer-Algorithmus.

    Weiterhin gültige Wahrheiten

    Trotz aller Veränderungen beim Kennenlernen und Aufbau von Partnerschaften sehen wir vor allem zwei Tatsachen, die weiterhin Gültigkeit haben. Erstens suchen Menschen auch heute meist die dauerhafte Liebe. Wir alle haben Sehnsucht nach dem Gefühl tiefer Verbundenheit und dem Glücksgefühl, das uns überkommt, wenn wir frisch verliebt sind. Erst kürzlich erklärte einer unserer Workshop-Teilnehmer, er habe sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich geliebt und angenommen gefühlt, als er und seine Frau sich ineinander verliebten. Ein wahrer Glücksrausch sei das gewesen. John Keats, ein Dichter des 19. Jahrhunderts, fand romantische Worte dafür: „Mein Glaube ist Liebe, und Du bist seine einzige Lehre. Du hast Dich meiner bemächtigt mit einer Macht, der ich nicht widerstehen kann." Die Verliebtheit spüren. Sich nicht mehr einsam fühlen. Pure Lebendigkeit, Glück und tiefe Verbundenheit pulsieren in unserem Nervensystem. Das Universum fühlt sich nicht mehr fremd an, sondern wie Heimat. Die Kraft und das Wunder des Verliebtseins ziehen uns völlig in ihren Bann.

    Zweitens bricht uns seit Menschengedenken das Herz, wenn die Liebe scheitert – wie schon bei Kleopatra und Marc Anton, die Selbstmord als passende Reaktion auf ihre zerbrochene Liebe ansahen. Ein Klient beschrieb, er konnte weder schlafen noch essen, nachdem ihn seine Freundin verlassen hatte: „Mein Herz schien vor Kummer zu zerspringen. Ich weinte unaufhörlich und wusste weder aus noch ein. Diese traumatische Erfahrung ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Schon vor 3000 Jahren beschrieb ein Arzt im Nahen Osten eine Krankheit, die er „Liebeskummer nannte.³ Patienten, die unter Liebeskummer litten, seien „äußerst niedergeschlagen. Ihr Hals ist wie zugeschnürt, sie wollen weder essen noch trinken und seufzen unaufhörlich, wie schwer doch ihr Herz sei."

    Unsere persönliche Geschichte

    Wir kennen den Schmerz zerbrochener Liebesbeziehungen, denn wir sind in zweiter Ehe verheiratet und mussten beide zuvor eine Scheidung durchstehen. Bei meiner ersten Frau und mir (Harville) begannen die Eheprobleme, als unsere Kinder noch klein waren. Wir gaben uns größte Mühe, unsere Beziehung zu retten. Acht Jahre lang versuchten wir – mit Unterstützung mehrerer Therapeuten – etwas zu finden, das uns helfen könnte. Da jedoch nichts half, reichten wir schließlich die Scheidung ein.

    Als ich beim Scheidungsgericht saß und auf meinen Aufruf wartete, fühlte ich mich als doppelter Versager. Ich hatte als Ehemann versagt und ebenso als Familientherapeut. Am Nachmittag desselben Tages sollte ich eine Vorlesung über Ehe und Familie halten, und tags darauf mehrere Paare therapeutisch begleiten. Trotz meiner Ausbildung als Familientherapeut fühlte ich mich genauso ratlos und niedergeschlagen wie alle anderen, die neben mir auf ihre Scheidung warteten.

    Im Jahr nach meiner Scheidung erwachte ich jeden Morgen mit dem schrecklichen Gefühl, etwas Wesentliches verloren zu haben. Und wenn ich abends zu Bett ging, starrte ich an die Zimmerdecke und versuchte, eine Erklärung für das Scheitern unserer Ehe zu finden. Meine Frau und ich hatten, wie das üblich ist, zehn rationale Gründe für das Scheitern unserer Ehe angegeben. Dieses hatte ich an ihr nicht mögen, jenes hatte sie an mir nicht mögen, unsere Interessen und Ziele waren unterschiedlich gewesen und wir hatten uns auseinanderentwickelt. Hinter all diesen Gründen, so fühlte ich, versteckte sich eine zentrale Enttäuschung, ein tieferer Grund für unser Unglück, der acht Jahre ehrlichen Bemühens zunichte gemacht hatte.

    Mit der Zeit wandelte sich meine tiefe Verzweiflung in den starken Wunsch, aus meinem Dilemma heraus nach einem Sinn in dieser Erfahrung zu suchen. Ich war nicht bereit, die Ruinen meiner Ehe zurückzulassen, ohne daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen. Zwei Jahre später lernte ich Helen kennen.

    Auch ich (Helen) hatte zwei kleine Kinder. Wie Harville, so hatte das Scheitern meiner ersten Ehe auch mich äußerst traurig und nachdenklich gemacht. Mir war klar, dass die Distanz zwischen meinem Ehemann und mir sich vergrößert hatte, und ich gab seinem großen beruflichen Einsatz die Schuld daran. Ich fühlte mich oft einsam und traurig, weil mein erster Mann kaum Zeit für mich fand. Dennoch begann ich darüber nachzudenken, ob es auch andere, tieferliegende Gründe für unsere wachsende Distanz gegeben habe. Warum war es uns nicht möglich gewesen, diese tieferliegenden Themen zu erkennen und unsere Probleme zu lösen?

    Imago-Therapie

    Als wir (Harville und Helen) einander kennenlernten, entdeckten wir unser gemeinsames, intensives Interesse an der Psychologie von Partnerschaften. Harville arbeitete als klinisch-pastoraler Ehe- und Familienberater und Helen absolvierte ein Master-Studium zur Beraterin an der Southern Methodist University. Während der Zeit unserer Verliebtheit und des Kennenlernens verbrachten wir viel Zeit damit, unsere Erkenntnisse aus den Bereichen Philosophie, Religion, Feminismus, Physik … fachübergreifend auszutauschen. Wenn wir ein Date miteinander hatten, tauschten wir auch unsere neuesten Erkenntnisse aus.

    Die Theorie und die Technik der Imago-Therapie, die wir in diesem Buch vorstellen, entwickelten sich aus unserer jahrzehntelangen Zusammenarbeit. Den Feinschliff erhielten sie durch die Feuerprobe unserer eigenen Ehe. Seit mehr als 35 Jahren setzen wir unsere Erkenntnisse dafür ein, Tausende Paare in unserer privaten Praxis zu begleiten sowie in Paar-Workshops für größere Gruppen, die wir gemeinsam leiten.

    Durch unsere Arbeit mit all diesen Paaren haben wir ein tieferes Verständnis dafür entwickelt, wie Partnerschaften funktionieren, warum sie zerbrechen und wie Paare lernen können, eine neue Verbundenheit aufzubauen und die tiefe Freude und die wunderbaren Gefühle wiederzufinden, die sie in der Zeit ihrer ersten Verliebtheit erfahren hatten. Dank dieser Erkenntnisse gelang es uns, die Imago-Therapie immer effektiver werden zu lassen. Heute können wir Paaren wesentlich rascher helfen, die Liebe zu finden, die sie brauchen, als in der Vergangenheit – sogar mit besseren Ergebnissen.

    Kerngedanke

    Einer der Kerngedanken der Imago-Therapie lautet, dass der Grund für die Unzufriedenheit vieler Paare tiefer liegt. Oberflächlich gesehen streiten Partner über Hausarbeit, über Geldthemen, Erziehungsthemen, das nächste Urlaubsziel oder darüber, wer zu viel Zeit mit seinem Mobiltelefon verbringt. Unbewusst aber verbirgt sich in uns allen seit dem Beginn unseres Lebens eine ungeschriebene Agenda: Wir streben danach, die pulsierende Lebendigkeit und die tiefe Verbundenheit zurückzuerlangen, die wir besaßen, als wir geboren wurden. Diese innere Agenda enthält unterschiedliche Details – unser aller Ziel ist jedoch dasselbe: Mit unserem Liebespartner wollen wir dieselben Gefühle erleben, die wir von unseren frühesten Bezugspersonen kennen. Wir wählen einen Partner, der dies möglich macht. „Du, mein Partner, ich erwarte, dass du die unerfüllten emotionalen Bedürfnisse erfüllst, die ich aus meiner Kindheit mitgebracht habe!"

    Die meisten von uns unterschätzen die Kraft unseres Unterbewusstseins. Es gibt eine Analogie, die den großen Einfluss unbewusster Kräfte gut verdeutlichen kann. Tagsüber können wir die Sterne nicht sehen. Wir reden von ihnen, als würden sie abends „aufgehen", obwohl sie die ganze Zeit hindurch da sind. Auch unterschätzen wir meist die Anzahl der Sterne. Wir blicken zum Himmel hinauf, sehen das matte Schimmern einiger Sterne und nehmen an, wir hätten alle gesehen. In ländlichen Gegenden, die nicht durch Straßenbeleuchtung erhellt sind, erkennen wir plötzlich einen Himmel, der mit Sternen geradezu übersät ist, und staunen über diese überwältigende Fülle. Doch nur wenn wir uns ernsthaft mit Astronomie beschäftigen, können wir die ganze Wahrheit herausfinden: Die hunderttausend Sterne, die wir in einer klaren, mondlosen Nacht sehen können, stellen nur einen Bruchteil der Sterne des Universums dar, und viele der Lichtpunkte, die wir für Sterne halten, sind in Wahrheit ganze Galaxien. Ebenso verhält es sich mit dem Unbewussten: Die gut geordneten, logischen Gedanken unseres bewussten Verstandes sind nur ein dünner Schleier über dem Unbewussten, das unser Leben ständig aktiv beeinflusst. Wenn wir uns verlieben, so versuchen unsere unbewussten Anteile, die im ewigen Hier und Jetzt gefangen sind und nur eine schwache Ahnung von der äußeren Welt haben, die Atmosphäre unserer Kindheit neu zu erschaffen. Der Grund dafür, dass unser Unterbewusstsein die Vergangenheit wieder auferstehen lassen möchte, ist nicht einfach eine Gewohnheit oder ein blinder Zwang, sondern das dringende Bedürfnis, die alten Wunden unserer Kindheit zu heilen.

    Diese innere Agenda ist nur wenigen Menschen bewusst, viele hingegen hinterfragen sie: „Was hat meine Kindheit mit dem Alkoholproblem meines Partners zu tun? Ich möchte es im Hier und Jetzt lösen!" Sie wissen nicht, dass ihre innere Distanz ein Grund für das Alkoholproblem ihres Partners sein könnte, und jenes wiederum ihre innere Distanz nährt und echte Verbundenheit erschwert. Sie wissen nicht, dass die Erfahrung des Verlustes der Verbundenheit eine Neuinszenierung ihrer jeweiligen Kindheit darstellt. Während jeder Partner zum Schmerz des anderen beiträgt, erwarten wir auf einer unbewussten Ebene, dass unser Partner intuitiv unsere unerfüllten Bedürfnisse erkennt und sie erfüllt – ohne im Gegenzug etwas zu wollen. Wir haben unseren Partner gewählt, um unsere alten Gefühle neuerlich zu durchleben und um die Trauer und den Schmerz der Vergangenheit heilen zu können.

    Das Wunder Gehirn

    Wie können Sie die Bedürfnisse Ihrer Kindheit befriedigen, wenn sie Ihnen nicht bewusst sind? Einige Fakten über das menschliche Gehirn werden Ihnen helfen, das Potenzial besser zu verstehen, das wir alle haben, um unsere ursprüngliche Lebensfreude wieder spüren zu können.

    Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf die Struktur des menschlichen Gehirns werfen, auf dieses geheimnisvolle und komplexe Organ mit seinen vielen Unterteilungen. Um die Dinge zu vereinfachen, unterteilen wir das menschliche Gehirn in drei konzentrische Schichten.

    Das Stammhirn, der ganz innen gelegene, primitivste Teil des menschlichen Gehirns, ist verantwortlich für die Fortpflanzung, für unsere Selbsterhaltungskräfte und die vitalen Funktionen wie Blutkreislauf, Atmung, Schlaf und für unsere Muskelkontraktionen als Reflex auf äußere Reize. Das Stammhirn befindet sich am unteren Rand des Gehirns und wird auch „Reptilienhirn" genannt, da alle Wirbeltiere von

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