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MISTY DEW 3: Schattentraum
MISTY DEW 3: Schattentraum
MISTY DEW 3: Schattentraum
eBook518 Seiten6 Stunden

MISTY DEW 3: Schattentraum

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Über dieses E-Book

In Cedars geht das Gerücht um, ein Serientäter treibe sein Unwesen. Anlass dazu gibt das spurlose Verschwinden einiger Frauen.
Dennoch lässt sich Irene von Matt überreden, Mr. Lambeck's Arbeitsauftrag anzunehmen, um endlich wieder einmal unter die Leute zu kommen. Wieso auch nicht? immerhin lässt ihr Chef zwei Karten für die "Rocky Horror Show" in Cedars springen. Kurzerhand nimmt Irene daher auch gleich ihre Freundin Melanie mit auf diesen Städtetripp.
Bald schon beginnt für alle Beteiligten eine ganz eigene "Rocky Horror Show". Plötzlich sind nämlich auch Irene und Melanie spurlos verschwunden.
Sofort starten Matt und Julian ihre Suche und finden sich bald inmitten eines mysteriösen Albtraumes wieder.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum16. Aug. 2016
ISBN9783741839313
MISTY DEW 3: Schattentraum
Autor

Agnete C. Greeley

A. C. Greeley lebt und schreibt in Wien. Seit Jahren arbeitet sie teilzeitbeschäftigt in der Altenbetreuung und widmet sich hauptberuflich dem Schreiben. Am liebsten schreibt sie fantastische Romane im Horror & Mystery-Bereich. 2010 erschien ihr Debütroman ‚Nebel der Vergangenheit‘, im Pro Business Verlag unter dem Pseudonym Acey W. Greeley (frisch von der Seele geschrieben). 2013: Mitautorin in der Anthologie: ‚Telefon!‘ im Phantastik-Buch Verlag. 2014 veröffentlichte sie ein Kurzgeschichten – eBook ‚Kleine Schattenwelten‘ über Neobooks 2014 kam ihr erster Roman aus der Misty Dew-Serie: Misty Dew 1 - Schattenfeuer auf den Markt. 2015 folgte Misty Dew 2 - Schattenwinter.

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    Buchvorschau

    MISTY DEW 3 - Agnete C. Greeley

    Misty Dew 3 – Schattentraum

    Zum Buch

    Mehrere Frauen verschwinden in Cedars spurlos. Das schürt die Gerüchteküche und bald spricht jeder von einem Serientäter. Nebenbei herrscht in der Stadt gerade reges Sommertreiben und die Cedars Tribune hat alle Hände voll zu tun.

    Irene lässt sich, nach ihrer langen Pause von Matt überreden, einen Auftrag ihrer Zeitung anzunehmen. Wieso auch nicht? Mr. Lambeck, ihr Chef lässt Hotel und zwei Karten für die ‚Rocky Horror Show‘ springen. Das kommt Irene natürlich sehr gelegen. Kurzerhand nimmt sie ihre Freundin Melanie mit auf diesem Städtetrip.

    Julian hat unterdessen mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach einem Einsatz, bei dem er sich verletzt hat, wird er nämlich in einer Nacht und Nebelaktion mitsamt seinem Trailer auf einen Rastplatz ausgesetzt, wo er etwas später von einem missgelaunten Matt aufgelesen wird. Ehe Julian eine Gelegenheit findet, ihm, oder Irene seine lange Abwesenheit von der Ranch zu erklären, beginnt für alle Beteiligten eine ganz eigene ‚Rocky Horror Show‘.Denn plötzlich verschwinden auch Irene und Melanie. Fieberhaft beginnen die beiden Männer mit ihrer Suche, die sie in die dunklen Abgründe eines Ausgestoßenen führt.

    Zur Autorin:

    Agnete C. Greeley wurde in den Siebzigern in Dänemark geboren.

    Da ihre Eltern, ein österreichischer Vater und eine dänische Mutter beschlossen, ihr Glück in Österreich zu versuchen, musste sie mit nur neun Jahren von ihrem alten Leben Abschied nehmen. Um sich von der schwierigen Situation abzulenken, begann sie damit, Geschichten zu erfinden und aufzuschreiben.

    Sie verfeinerte ihre Kunst des Schreibens in Kursen und beendete 2010 ihren ersten Roman, den sie ausschließlich für ihre Familie und Freunde schrieb.

    Später studierte sie Belletristik an der Hamburger Universität und veröffentlichte weitere Werke. Heute lebt die Autorin in Wien.

    Unter Agnete C. Greeley erschienen:

    Aus der Mistydew Romanreihe:

    Misty Dew 1 - Schattenfeuer

    Misty Dew 2 - Schattenwinter

    Kurzgeschichten:

    Kleine Schattenwelten (eBook)

    Anthologien:

    Bezaubernd bunte Textwelten

    Telefon!

    Unter Acey W. Greeley:

    Roman: Nebel der Vergangenheit


    Agnete C. Greeley

    Misty Dew 3

    Schattentraum


    Impressum:

    Copyright © 2016 A. C. Greeley, Wien,

    http://www.aceyw-greeley.eu/

    Blog: http://www.nebeltau.blogspot.co.at/

    Textmitarbeit von Autorin: Sara Heinzmann

    Teiltexte für Misty Dew 3 - Schattentraum wurden A. C. Greeley von Sara Heinzmann als Informationsquelle zur freien Verfügung gestellt und entsprechend an die Handlung angepasst.

    Sara Heinzmann:

    Blog: http://fadensommer.blogspot.co.at/

    Covergestaltung © Reija T. Korpela

    COPYRIGHT © 2016 A. C. Greeley

    Der Titel ist bei Lektoren.ch unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 MarkenG in allen Schreibweisen und Darstellungsformen geschützt und im Online-Titelschutz-Anzeiger veröffentlicht worden.

    Das Manuskript, einschließlich all seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrovervielfältigungen und die Einspeicherung und/oder die Verarbeitung in elektronische

    Systeme.

    Verlag: epubliGmbH, Berlin, www.epubli.de


    Worte der Autorin zu Mistydew 3 - Schattentraum

    Der Roman Mistydew 3 - Schattentraum ist ein Gemeinschaftswerk. Die Handlung ist in Co-Produktion mit meiner Autorenfreundin Sara Heinzmann entstanden.

    Als die Mistydew-Welt seinerzeit erschaffen wurde, war Sara aktiv bei der Gestaltung dabei. Ihr verdanke ich den Charakter von Melanie und Trey sowie die Ortschaft Pinedale.

    Deswegen beschloss ich vor gut einem Jahr, dieses Projekt auf die Beine zu stellen.

    Es war eine wahre Herausforderung, denn wir mussten den verschiedenen Texten ein eigenes Gesicht geben – die Geschichte zu einer Romanhandlung zusammenschneidern, ohne die Schriftsprache der Autorinnen zu sehr zu entfremden.

    Viele Texte, insbesondere die, wo Melanie auftaucht, entstammen teilweise ihren Ideen und wurden nur von mir passend abgewandelt, um den Roman zu einem geschlossenen Werk zu gestalten. Es war mein Wunsch, ihre Ideen in meine Handlung mit reinzunehmen und sie gab mir freie Hand. Es ist mir eine Ehre gewesen, mit ihren Texten, die ursprünglich aus meinem alten Forum stammten, zu experimentieren und die Handlung passend zu gestalten. Daraus entwickelte sich eine ganz besondere Geschichte, in der das Herzblut und die Leidenschaft zweier Autorinnen zusammenfließt.

    Dadurch ist die Geschichte vielschichtiger, außerdem geht sie durch die Intensität der Handlung in die Tiefe und verleiht der Geschichte eine spezielle Note. Dieser Roman ist zweifellos anders, als die ersten beiden und einzigartig in ihrer Entstehung. Es war ein tolles Projekt und ich bereue keine Sekunde, diesen Schritt gewagt zu haben.

    Agnete C. Greeley

    Misty Dew III – Schattentraum


    Speak to me,

    your inner dreams will lay illusions bare,

    and when the sun will rise again,

    you’ll not awake,

    and I take care.

    Dream for me,

    I’ll watch over y1ou

    until eternal dreams

    at last will take your lights,

    and drift away with you,

    into eternal nights ...

    A. C. Greeley

    Prolog

    Niemand bemerkte die einsame Gestalt, die auf der menschenleeren Anhöhe stand und über die Lichter der Großstadt starrte. Ein weiterer Tag neigte sich dem Ende zu.

    Stimmengewirr aus den belebten Gassen drang zu ihm empor. Er hörte Musik, Leute, die lachten oder sich lautstark unterhielten.

    Mit leiser Wehmut dachte er an seine alte Heimat, wo Legenden noch allgegenwärtig waren, wo Menschen den Geistern und Dämonen gebührenden Respekt zollten. Doch dorthin konnte er nicht mehr zurück.

    Hier war alles anders. Eine Welt voller ungeduldiger, lauter Wesen, die versuchten, Zeit zu gewinnen, die nicht vorhanden war. Ganz anders als zuhause im Paradies.

    Nein, hier gefiel es ihm nicht. Düsternis und Kühle, an die er sich nicht gewöhnen konnte, der Lärm, und die grelle unnatürliche Beleuchtung.

    Es gab so viele andere Plätze im Universum. Wieso nur hatte man ihn hierher geschickt? Selbst die großen Höhlen in den Bergen jenseits des großen Wassers wären besser gewesen, als dieser trostlose Ort hier.

    In dieser Gegend war es ständig feucht und viel zu kalt. Es stank nach den lauten Fahrmaschinen, die sich ohne Kamele oder Dromedare fortbewegten. Hartes, kaltes Metall, das mit einer einzigen Person alleine auskam.

    Mütter, wie Töchter, Väter und Söhne, alle liefen herum, hatten Pläne, mussten so viel erledigen. Keine Beschaulichkeit, keine Ruhe, nur Rastlosigkeit, wohin er auch blickte.

    Verbannt aus den wunderbaren Weiten seiner Welt, trieb er durch Zeiten und Länder, die er nicht mehr verstand– nicht verstehen konnte.

    Sehnsüchtig dachte er an seinen geliebten heißen Wüstenwind aus der Heimat. An die sich meilenweit erstreckenden Sanddünen von Merzouga und die schier unermesslichen Zedernwälder mit den grünen Tälern des erhabenen Atlas. Er sah die, mit Gold und Edelsteinen geschmückten Hallen seines Palastes vor sich. Tief im wilden Land zwischen der Wüste und den Bergen verborgen, am Rande alter Lehmdörfer, die sich an das Bergland schmiegten.

    Prächtig schimmernde Smaragde und blutrot leuchtende Rubine schmückten die hohen Wände. Seidige Teppiche bedeckten marmorne Böden.

    Im Geiste sah er seine Töchter vor sich, wie sie anmutig tanzten und fröhlich die Hallen bevölkerten – wie sie Feinde in ihre Fallen lockten und sie in ihren Bann zogen. Seine prächtigen Töchter, die ihm alle Ehre gemacht hatten, bis zu jenem unglückseligen Tag. Bis in alle Ewigkeit würden sie singen und tanzen, doch er würde sie niemals wieder sehen.

    Er dachte an all die schönen Frauen in ihren anschmiegsamen, bunten Gewändern, die ihm stets mit Freude zu Willen gewesen waren. Alle waren so glücklich gewesen. Er war glücklich gewesen, mit ihr, deren Haare wie feingesponnenes Gold über zierliche Schultern fielen. Warm und zärtlich.

    Von Liebe durchflutet und ohne Argwohn, war sie ihm in den Palast gefolgt. Entgegen alle Warnungen hatte er sich ihrer angenommen. Bis zu jenem unglückseligen Tag ...

    Schmerzerfüllt dachte er an ihr Ende. Blutig, unwürdig ...

    Den schwachen Erdlingen Energien zusätzlich zu entziehen, verstieß gegen die Gesetze. Er haftete für die Taten seiner Kinder, also musste er nach der schändlichen Tat seiner jüngsten Tochter seinem Reich den Rücken kehren. Der große Meister hatte ihm verboten, jemals wieder zurückzukommen. Er hatte einen Fehler begangen. Er hatte sich den Geboten des großen Marid nicht, wie vorgegeben, unterworfen und war durch seinen Ungehorsam in die Verbannung geschickt worden.

    Solange er nicht wiederkehrte, würden seine Töchter jedoch leben, und sein Werk fortsetzen. Sie waren stark. Stärker als er. Sie konnten bestimmen, ob Menschen sie sehen durften. Wenn sie wollten, reichten ihre Berührungen aus, um Männer in ihren Bann zu ziehen. Auch waren all seine Töchter mit großer Schönheit gesegnet und würden allesamt bald heiraten. Sie würden prächtige Söhne gebären, die an seiner Stelle über das Reich herrschten. Doch es würde ihm verwehrt bleiben, diesen Triumph mitzuerleben. Stattdessen befand er sich hier, in einem undankbaren Land, voller Hektik und Unruhen. Die Menschen, allesamt blass und unscheinbar, konnten keinem seiner Artgenossen das Wasser reichen.

    Bis auf die Eine – diejenige, die für ewig in seinem Herzen verbleiben würde.

    Ein Stück Seele – verloren in der Unendlichkeit des Seins. Nur der Schmerz, der würde ewig währen.

    Sie hatte mit Liebe überzeugt, niemals hätte er ihr ein Haar gekrümmt, obgleich sie eine Menschenfrau war. Im Gegensatz zu den Erdlingen dieser Zeit. Schwache, undankbare Wesen, voller Argwohn und Scheinheiligkeit. Ganz anders als sie und bei weitem anders als sein Volk jenseits des großen Wassers.

    Altbekannte Bilder glitten in seine Erinnerung.

    Die engen Gassen seines Dorfes, die vielen Stände im Suq, mit all den begehrenswerten Waren und den warmen, lebendigen Menschen.

    Wenn er wollte, konnte er alles vor sich sehen, als ob er noch dort wäre. Fast vermeinte er, die Gewürze auf seiner Zunge zu schmecken, die vielen aromatischen Düfte wahrzunehmen. Kardamom, Safran, warmer Zimt, Muskat und Gewürznelken. Duftende Öle in anmutigen Behältnissen, geflochtene Körbe voller saftiger Datteln und Erdnüsse. Bunt geschmückte Esel und Dromedare, geführt von ihren prächtig gekleideten Besitzern. Auch konnte er, wenn er sich konzentrierte, Geräusche seiner Heimat wahrnehmen.

    Stimmengewirr, Kinderlachen, schwatzende, fröhlich feilschende Frauen und Männer, die ihren Tag am Markt begannen.

    Schwermütig sah er zum kühlen Nachthimmel empor. Selbst die Sterne, die dort oben leuchteten, erinnerten ihn an seine geliebte Heimat. Heimweh durchflutete jede Faser seines Körpers.

    Erst als kühler Wind sein Gesicht streifte, wurde er unsanft aus seinen Erinnerungen gerissen.

    Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen, als er sich erneut in dieser fremden, ungastlichen Welt wiederfand.

    Die Menschen hatten sich in den vielen Jahren seines Daseins nicht wesentlich geändert, auch wenn sie das dachten. Nur mehr wenige hatten tatsächlich den Willen zu träumen, oder nahmen sich Zeit, für andere da zu sein. Macht und Gewalt herrschten überall. Hier konnte er die Kälte spüren, die diese Menschen ausstrahlten, konnte die Angst und die Wut riechen, die dominierte. Alle wirkten unstet, als hätten sie kein bestimmtes Ziel.

    Er fühlte die fremden Gedanken, las die unerfüllten Wünsche der resignierenden Männer und Frauen, die längst schon aufgehört hatten, zu hoffen – oder sogar zu leben. Ein Suhlen in Selbstmitleid und Faulheit.

    Ihre Träume jedoch brannten sich in seine Seele, wie glutheiß sprühende Funken. Diesen unwirklichen Schmerz hieß er willkommen, gab sich ihm hin, verband es ihn doch mit seinem Wesen.

    Ein hohles Lachen scholl zu ihm empor und riss ihn aus seiner Gedankenwelt. Der leichte Wind riss es mit sich fort und zurück blieb die Leere einer Sommernacht. Bald ...

    Bald schon würde er sich unter all diese Menschen mischen, ihren Duft in sich aufnehmen und seine Wahl treffen.

    Er mochte sie eigentlich nicht – hielt sich lieber von ihnen fern, doch er brauchte sie, und einige brauchten ihn. Deswegen musste er noch eine Weile warten. Erwachsene Erdenwesen konnten ihn nicht wahrnehmen, da sie nicht aufmerksam durch das Leben schritten, wie die Kleinsten ihrer Art.

    Kinder gingen noch mit offenen Augen durch die Welt. Sie scheuten nicht davor zurück, alles zu entdecken. Oft sah er sie, wie sie ihn musterten. Nicht ängstlich, oder voller Hass, eher neugierig und mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann erzählten sie etwas ihren Müttern, oder den Vätern, die einen ratlosen Blick auf ihn warfen, ohne ihn zu sehen. Kinder bewegten sich nicht verborgen durch das Leben, wie die Großen. Dadurch entdeckten sie oft Dinge, die Erwachsene anhand ihres beschränkten Horizontes nicht mehr wahrnahmen. Nur sie hatte ihn gesehen, seine Anwesenheit gespürt. Sie hatte seine Nähe gesucht, bis er sie erhörte.

    Der schicksalhafte Tag, als seine Letztgeborene diese fruchtbare, aus Liebe entstandene Koalition schlagartig zerstörte, ließ nicht lange auf sich warten.

    Trauer durchflutete sein Herz erneut. Es war ihm verboten gewesen, eine Menschenfrau aufzunehmen, doch er hatte sich über dieses Verbot hinweggesetzt, zu stolz, um die Gefahren dahinter zu erkennen – und damit die Frau ungewollt zum Tode verurteilt. Ohne es zu bemerken, geriet sie in die Falle. Er hätte es ahnen müssen, doch bis die Erkenntnis kam, war es zu spät gewesen. Die unermessliche Gier Seinesgleichen nach menschlicher Energie gestattete es ihnen nicht, dauerhaft unter Erdlingen zu verweilen.

    Und nun irrte er inmitten dieser Wesen herum, die ihn schwächten, ihn zwangen, sein Leben zu erhalten. Welch eine Strafe! Er konnte ohne sie nicht existieren und es gab keinen anderen Ausweg.

    Er würde warten, bis die Nacht hereinbrach. Da begann seine Zeit, die bis in den frühen Morgenstunden hinein andauerte. Dann waren die meisten Kinder nicht mehr auf den Straßen oder in den Gebäuden unterwegs.

    Er verließ die Anhöhe und begab sich langsam hinab in die Straßen dieser Stadt im Tal der Nebel.

    Er verharrte zwischen den Gassen und betrachtete das Bauwerk, in dessen Kellerräumlichkeiten er sich tagsüber verkroch. Es war nicht riesig, wie sein Palast, aber weitläufig genug, um unentdeckt zu bleiben.

    Vor dem hellerleuchteten Gebäude aus den Zwanzigern herrschte reges Treiben.

    Die Menschen liebten es, hierher zu kommen. Sie sahen die Pracht des alten Hauses, genossen es, sich darin und rundherum aufzuhalten, doch sie wussten nichts von den feuchten Tiefen seines, unter der Erde liegenden dunklen Reiches. Längst schon hatten sie vergessen, wie es früher hier gewesen war. Keiner konnte sich vorstellen, dass dort unten jemand wohnen konnte. Wieso auch? Die Erwachsenen hatten keine Zeit mehr, um zu sehen, was außerhalb ihrer Welt existierte. Ein flüchtiger Blick nur, eine mitleidige Geste oder ein hastiges Vorübereilen. Schon war der Augenblick der Wahrnehmung vorbei, einzig und allein der alte, verwahrloste Mann im Keller hatte ihn gesehen. Doch dessen Worte waren wirr, sein Aussehen lumpig und seine Gestiken unkoordiniert. Eine verirrte Seele in den Fängen der Reichen und Mächtigen. Er war keine Gefahr für ihn.

    Müde zog er sich in die Schatten der hohen Häuser zurück.

    Ein paar Menschen eilten vorbei, eine Frau, einsam und tief in Gedanken versunken, bog versonnen in ein kleines Gässchen ein.

    Ihr Haar wie gesponnenes Gold. Er erzitterte bei ihrem Anblick. Sog ihren Duft tief in sich ein.

    Ihr Duft, so zart, Maiglöckchen gleich, mit dem Bouquet einer Zitrusfrucht. Ja, sie roch richtig ... Sein Herz schmerzte. Erinnerungen an die Andere gerieten erneut an die Oberfläche.

    Er schwelgte in den Duft der Fremden, ertastete sorgfältig ihr Wesen. Er konnte einen Blick in ihre Gedanken werfen, spürte ihre Wünsche. Sie war eine von denen, die nach Erfüllung unerwiderter Träume lechzten, ohne sie erzwingen zu wollen. Ahnungslos eilte sie dahin, auf dem Weg zu einem Termin, einem Treffen, oder etwas anderes, dass ihre Zeit stahl.

    Ungesehen von dem Rest der Welt folgte er ihr, denn sie brauchte ihn, brauchte Träume.

    Die mickrige Menschheit wusste es nicht, nahm das Leben zu wichtig, doch Leben war nicht mehr als ein Staubkorn im Universum. Träume jedoch könnten sich anfühlen, als ob sie niemals endeten.

    Langsam schlich er ihr in der Dunkelheit nach.

    Er konnte ihr helfen, denn er konnte Träume schenken. Und sie würde ihm helfen, am Leben zu bleiben, wie die anderen.

    1. Kapitel

    Casper – Wyoming

    Der Privatdetektiv Will Sawyer bremste vor einem schönen, alten Haus.

    »Das ist die Adresse, Jul.«

    Julian Weston betrachtete das Gebäude missmutig. Es war zwar alt, doch sah auch ausgesprochen teuer aus.

    »Stinkt förmlich nach Geld«, murmelte er. Will nickte.

    »Oh ja, der Superstar hat es vor einem Jahr gekauft. Hoffen wir, dass unsere Verschwundene wirklich hier ist.« Wills grimmigem Tonfall war zu entnehmen, dass ihm der Besitzer des Hauses aufs Äußerste missfiel.

    Seit einer Woche durchkämmten sie Wyoming nach der sechzehnjährigen Lorrie Fellner, die von zuhause ausgerissen war, um ihrer Lieblingsband ‚Hell Of Panic‘ zu folgen. Die Eltern des Mädchens, angesehene Bürger aus Casper, hatten Will Sawyer beauftragt, sie zu suchen, nachdem sie einen Brief gefunden hatten, indem ihre Tochter ihnen mitteilte, dass der Leadsänger Collin, sie geschwängert hatte.

    Dennoch war es nur der Aufmerksamkeit einer Kellnerin zu verdanken, dass sie Lorrie endlich aufspüren konnten. Sie hatte dem Mädchen am Vortag ein Taxi gerufen und der Taxifahrer, ein netter Inder, erinnerte sich an die Adresse, die das Mädchen angegeben hatte.

    Und nun waren sie in Newcastle vor dem Haus, in dem der Rocksänger sich aufhielt, wenn er nicht gerade auf Tour war.

    »Wieso sucht sich so einer nicht einfach eines von diesen dürren Models?«

    Julian war sauer. Die Eltern schienen nicht genügend Zeit für ihre Tochter zu haben und der Leadsänger war entfleucht, nachdem er Lorrie verführt und geschwängert hatte. Das verzweifelte Mädchen hatte scheinbar keinen anderen Ausweg gesehen, als abzuhauen, um diesem arroganten Mistkerl zu folgen.

    »Und wieso zum Teufel redet von diesen Herrschaften keiner miteinander?«, knurrte Julian.

    Will zog eine Augenbraue hoch.

    »Hm, tja, das frag ich mich schon seit vergangenem Herbst«, brummelte er.

    Julian tat, als hätte er nicht verstanden, worauf Will anspielte. Er wusste genau, dass es um seinen überstürzten Aufbruch im Vorjahr ging, als er sein neues Zuhause, die Eagleside Ranch im Mistydew County verlassen hatte, um, wie er sagte, mit Will über den Tod seiner Eltern und Schwester zu sprechen. Er war seitdem nicht wieder zu seinen Freunden Irene und Matt zurückgekehrt, obwohl er oft daran dachte. Doch noch konnte er sich nicht dazu überwinden. Er hatte Will verschwiegen, dass er und Irene sich näher gekommen waren, als beabsichtigt. Nun wusste er nicht, was er tun sollte. Um diesem Gespräch erneut auszuweichen, zeigte er auf das Haus.

    »Schau mal da!«

    Die Veranda war, bis auf eine Hollywoodschaukel leer und die Haustür stand einen Spalt offen, dennoch stand damit noch nicht fest, ob sich jemand im Haus befand.

    »Da oben brennt Licht«, raunte Julian, während er auf ein offenes Fenster im Obergeschoss zeigte. Nun erkannte auch Will das diffuse Schimmern einer Lampe.

    »Gut, lass uns nachsehen, ob sie hier ist«, der ältere Mann stieß die Autotür auf und stieg aus. Julian tat es ihm gleich und betrat noch vor Will die Veranda. Trotz der offenen Eingangstür klopfte er. Der Druck seiner Hand ließ die Tür noch ein bisschen aufgleiten.

    »Hallo! Jemand zuhause?« Julian trat vorsichtig über die Schwelle.

    Keine Antwort. Er rief nochmal, diesmal etwas lauter. Erneut meldete sich niemand.

    »Hm, das gefällt mir nicht.« Er sah sich in der schattigen Diele um. Ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn.

    Will, der ihm gefolgt war, nickte unbehaglich.

    »Komisch ist es schon.« Er lauschte in den Raum. Das Haus schien ausgestorben.

    »Hallo?« Keine Geräusche drangen aus dem Inneren zu ihnen. Sie hörten nur die Vögel im Garten und entfernte Verkehrsgeräusche vom Highway.

    Kein Radio, kein Fernsehen oder Klappern von Geschirr. Nichts wies auf die Anwesenheit einer anderen Person hin.

    Will kratzte sich den Kopf.

    »Irgendwie unheimlich. Ich meine, vielleicht ist der Arsch nicht da, aber sie muss irgendwo hier sein.« Stirnrunzelnd musterte er die Treppe, die in das obere Stockwerk führte. Seit ein paar Tagen litt Will an seinen altbekannten Rückenschmerzen. Stufensteigen fand er deswegen nicht besonders verlockend.

    »Okay, ich seh mich hier unten um und du gehst nach oben«, entschied er grimmig.

    Julian verkniff sich eine seiner üblichen Bemerkungen über Wills Alter und nickte stattdessen.

    »Gut, ruf einfach, wenn du etwas entdeckst.« Nach einem prüfenden Blick zum Obergeschoss stieg er rasch die Treppe hinauf.

    Oben begrüßte ihn erstmal diffuses Grau.

    Aus einer halboffenen Tür am Ende des Ganges fiel ein zarter Lichtschimmer hinaus auf den Holzboden.

    Nun vernahm Julian einen schwach surrenden Ton, wie ein leises Brausen, doch er konnte nicht erkennen, woher es kam oder was es war. Mehrere Türen führten hinaus auf die Galerie, wo er sich befand, doch die Zimmer dahinter interessierten ihn nicht. Schritt für Schritt näherte er sich dem Zimmer, woraus das Licht sickerte. Das könnte durchaus ihre Unterkunft sein. Falls nicht, hielt sich jemand anderer hier oben auf, der ihnen womöglich auch Auskunft geben könnte. Genaueres wusste Julian nicht, aber immerhin bot das Haus genügend Räume für Gäste.

    »HALLO? LORRIE?« Da er wieder keine Antwort erhielt, betrat er einfach den Raum und sah sich darin um.

    Das Fenster stand sperrangelweitoffen und die abgekühlte Abendluft des frühsommerlichen Tages drang ungestört ins Zimmer. Es roch nach frisch gemähtem Rasen und feuchter Erde. Ein warmer Tag lag hinter ihnen, doch der Hochsommer ließ noch auf sich warten. Neben dem Bett stand eine bunte Reisetasche, aus der Kleidungsstücke quollen. Die Decke auf dem Bett war unachtsam zurückgeschlagen und das Kissen lag schief. Das helle Leintuch war zerknittert, als ob jemand gerade erst darin gelegen hatte.

    Er entdeckte eine Musikzeitschrift und ein aufgeschlagenes Modemagazin. Eine brünette Frau in einem luftigen Sommerkleid lächelte ihn fröhlich aus dem Bild entgegen.

    Er ging langsam durch den Raum und horchte. Noch immer konnte er das Brausen wahrnehmen. Es schien lauter zu werden, oder war das nur Einbildung? Nein, es klang wie – er ging zurück zur Tür und spähte auf die Galerie. Dann erkannte er endlich, woher das Geräusch kam!

    Ein kleines Rinnsal Wasser sickerte unter einer geschlossenen Tür hervor und hinterließ einen glänzenden Teich auf dem Parkettboden.

    Und jetzt hörte er auch das Geräusch. Es war fließendes Wasser! Rauschend wie ein Wasserfall zerstörte es die Stille von zuvor und Julian sprintete los.

    Er riss an der Klinke, doch die Tür war versperrt, also warf er sich dagegen.

    »WILL!« Er schrie so laut, er konnte, und warf sich abermals gegen die Tür, doch sie gab nicht nach.

    Ruhig, du musst ruhig bleiben.

    Wie aus weiter Ferne hörte er schwere Schritte die Stufen hochpoltern, doch darauf achtete Julian nicht. Er ging ein paar Schritte rückwärts um den nötigen Schwung zu bekommen.

    Genau dort, wo der Widerstand der Tür am geringsten war, trat er zu. Zwei Tritte, drei– beim vierten Tritt krachte das Holz und die Tür schwang auf.

    Das Bad war von Wasser und Blut überschwemmt.

    Will schrie etwas, doch Julian achtete nicht auf ihn. Er rutschte auf dem nassen Boden aus, knallte auf die Fliesen und spürte den scharfen Schmerz, der durch seinen Ellenbogen in die Schulter jagte. Keine Zeit, dachte Julian.

    Er hatte nicht genügend Zeit.

    Sofort rappelte er sich wieder hoch. Der Schmerz war vorhanden, doch er fühlte sich nicht an, als wäre es sein eigener. Seine helle Jeans färbte sich dunkel unter dem Blut, und das Wasser strömte weiter über den Wannenrand.

    Darin saß Lorrie. Ob die Augen geschlossen waren, oder offen, konnte Julian nicht erkennen, doch er sah ihr weißes Gesicht und ihren Hals aus dem roten Meer ragen. Wie auf blankem Eis glitt er zu ihr, bückte sich und zog die schlaffe Gestalt aus der Wanne. Sie war schwer, schwerer als man denken würde, doch Julian ließ sie nicht los. Er spürte helfende Hände, die sich neben ihm unter den leblosen Körper der Frau schoben, und machte automatisch Platz.

    Auf den dumpfen Schmerz in seinem Arm nahm er keine Rücksicht, sondern hob mit Wills Hilfe das Mädchen aus der Badewanne.

    Später ...

    Im Motelzimmer sah er noch immer den überfluteten Boden vor sich.

    Das weiße Gesicht des Mädchens– der nackte Körper, leblos und kalt, während er nach seinem Handy suchte. Er hatte es nicht gefunden, aber Will hatte seines hervorgeholt und den Notruf gewählt. Im Flur hatte Julian automatisch mit seinem Gürtel und einem Handtuch ihre Handgelenke umwickelt. Sie hatte sich nicht gerührt, nicht aus eigener Kraft. Er hatte sie mit Mund-zu-Mund-Beatmung ins Leben zurückgerufen – nach anderen Wunden gesucht – alles getan, was er konnte, bis er endlich die Sirenen der Ambulanz durch das offene Fenster hörte.

    Jetzt saß er wie betäubt auf seinem Bett im Motel, den verletzten Arm eingebunden und in einer Schlinge.

    »Hier, trink das.« Will hielt ihm einen Plastikbecher mit Whisky hin. Julian nahm ihn anstandslos und trank einen großen Schluck. Er spürte, wie sich die Wärme des Alkohols in seinem Körper ausbreitete, zuerst in seinem Kopf, dann im Magen und auch in seinem schmerzenden Arm. Er trank weiter.

    »Du hättest im Krankenhaus bleiben sollen. Dein Arm sollte nochmal kontrolliert werden«, murmelte Will. Normalerweise gab er nicht so viel auf Krankenhäuser und deren Ärzte, doch Julians Arm war ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Und das ist nicht alles, dachte er besorgt.

    »Ich war zu langsam, Will.«

    Der ältere Mann schüttelte den Kopf.

    »Nein, wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre sie tot. Du hast ihr das Leben gerettet.« Er fuhr sich durch das stellenweise ergraute Haar. Das heutige Erlebnis hatte beide mitgenommen.

    Julian reagierte nicht auf die Worte seines väterlichen Freundes. Noch war er zu sehr von dem Erlebten betäubt. Will wusste ja nicht, dass Julian nicht alleine von diesem einen Mädchen sprach. Er konnte nicht wissen, dass er von all den Menschen sprach, denen er hatte helfen wollen, die dennoch gestorben waren.

    »Komm, du musst schlafen.« Der ältere Mann klang sanfter als sonst.

    Julian ließ sich von ihm hochhelfen, ehe er auf sein Bett sank, und dank Schmerz – und Beruhigungsmittel rasch einschlief.

    Seufzend zog Will die dünne Decke über ihn. Danach ließ er sich schwerfällig auf einen Sessel nieder. Er sorgte sich um den jüngeren Mann. Nach so vielen Monaten sollte Julian nicht mehr hier in Wyoming herumhängen, sondern wieder auf der Eagleside Ranch in Montana sein, und Irene, sowie Matt in den Wahnsinn treiben. Will verstand nicht, was ihn noch in Wyoming festhielt.

    Nachdem Julian im Herbst bei ihm aufgetaucht war, hatte sich vieles geändert.

    Zum ersten Mal seit langer Zeit hatten sie geredet. Ein Wunder, da beide kein glückliches Händchen für tiefschürfende Gespräche hatten, doch es war ihnen gelungen, eine Gesprächsbasis zu finden, mit der beide zurechtkamen.

    Vor Jahren waren Julians Mutter und seine Schwester von einem angeblichen Grizzly getötet worden, doch die Erinnerungen, die Julian sich im Laufe seiner Jahre als Schutzschild angedichtet hatte, waren falsch. Es war nicht so, dass er nicht wusste, was tatsächlich passiert war. Seine Familie hatte sich mit Dingen herumgeschlagen, die normale Familien nicht ansatzweise verstanden, dennoch hatte er mit der Grizzlygeschichte den wahren Sachverhalt betäubt, wie Will es nannte.

    Der Schleier hatte sich gelüftet, als Julian im Mistydew County in Montana auf dasselbe Monster traf, das seinerzeit seine Mutter und Schwester erwischt hatte. Der Schock hatte ihn aus der Bahn geworfen. Es war ihnen gelungen, das Wesen zu besiegen, doch diesmal war es für die Eagleside-Crew sehr knapp geworden und ein Mensch hatte sogar sein Leben dabei verloren.

    Danach wurde Julian bewusst, dass Will über all die Jahre nicht einmal versucht hatte, ihm die Wahrheit näher zu bringen, und das, obwohl Will der beste Freund von Julians verstorbenen Vater Liam gewesen war.

    Es hatte dem alten Mann viel Geduld und Mut gekostet, Julian, seinem Adoptivsohn, nach all den Jahren die ungeschminkte Wahrheit zu erzählen. Nach seiner anfänglichen Wut verstand Julian, warum Will seinerzeit so gehandelt hatte und sie schlossen abermals Frieden. Danach war der jüngere Mann bei ihm geblieben, um ihm bei seinen Fällen zu helfen, wie er meinte.

    Er sprach nicht viel über die Eagleside Ranch, doch Will wusste, dass Julian zu Weihnachten mit Matt, dem jungen Vorarbeiter telefoniert hatte. Scheinbar vermied er es aber, mit Irene zu sprechen. Bisher hatte Will sich nicht eingemischt. Stattdessen hoffte er, Julian würde von alleine zur Ranch zurückkehren. Denn auch wenn es dem Jungen noch nicht bewusst war, er gehörte dort hin. Seine Verletzung würde ihn sowieso eine Zeitlang zur Ruhe verdammen, da war das Mistydew County genau das Richtige. Will musste ihn nur dazu bringen, zurückzukehren. Die Frage lautete nur, wie?

    2. Kapitel

    Eagleside Ranch

    Der Regen plätscherte gegen die Scheiben des Arbeitszimmers und Irene legte müde ihren Bericht zur Seite.

    Eigentlich sollte sie das Wichtigste für das große Ranchertreffen in der Stadt fertig haben, doch sie schweifte viel lieber ab, als sich auf langweilige Rancherproblematiken zu konzentrieren, außerdem war sie müde.

    In der vergangenen Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan. Die Albträume waren zurückgekehrt, diesmal in veränderter Form. Sie rannte vor einem Wesen davon, das sie durch eine Wüstenlandschaft jagte. Ehe er sie erreichte, war sie aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen. Wieso sie ausgerechnet in einer Wüste herumrannte, konnte sie nicht verstehen, denn der Wendigo hatte sie durch das kalte Mistydew Gebirge gejagt, dennoch kam ihr die Handlung vertraut vor. Irgendwann gegen fünf Uhr früh war sie in ihr Arbeitszimmer gegangen, um an dem Bericht zu arbeiten.

    Ihr Job als freie Journalistin bei der großen Zeitung Cedars Tribune, gefiel ihr normalerweise, doch im Augenblick wollte sie sich lieber vergraben und sich von der übrigen Welt zurückziehen. Die Arbeit auf der Ranch hätte ausgereicht, um zu überleben. Auch hatte ihr verstorbener Onkel Ethan ihr genug vererbt, damit sie auch in schweren Zeiten über die Runden kam.

    Ihr Job war es in erster Linie, traumatisierten Pferden zu helfen. Sie war eine Pferdeflüsterin, zumindest nannten die Pferdebesitzer der Gegend sie so. Egal wie problematisch ein Pferd war, sie hatte noch keines im Stich gelassen, auch wenn sie sich mehrmals dadurch in Gefahr begeben hatte.

    Zurzeit war es ruhig auf Eagleside. Im Augenblick gab es keine großen Problemfälle, dennoch gab es genug zu tun. Sie hatten ein paar Felder, die sie selbst bestellten. Mais, Karotten, Kartoffel, allgemeines Gemüse, wie Salat, Kohl oder Kohlrüben, dass man selbst gut gebrauchen konnte, und die Wiesen, die sie für das Heu der Pferde brauchten. Dadurch gab es Arbeit in Hülle und Fülle, aber mit Hilfe der beiden Cowboys und Farmhelfer Ben Clay und Nick Wilder, gelang es ihr meistens, mit allem fertig zu werden.

    Im Zimmer war es kühl, fast schon kalt, fand Irene.

    Ob es an der inneren Kälte lag, die sie seit jenem schrecklichen Erlebnis im Herbst begleitete? Sorgfältig zog sie ihre Strickjacke enger um den Körper. Vermutlich hatte sie deswegen von der Wüste geträumt, um dieser Kälte zu entgehen.

    Mr. Lambeck, ihr Big Boss von der Cedars Tribune hatte ihr in den Mails garantiert alle Infos geschickt, doch sie fühlte sich noch nicht bereit, ihren Bericht abzugeben, zumindest redete sie sich das ein.

    Eigentlich wollte sie gar nicht nach Cedars. Die große Stadt erschien ihr nach dem schrecklichen Erlebnis im Herbst, fremd und unendlich weit weg. In Wahrheit hatte sie nur Angst davor, sich gehen zu lassen und ein wenig Abstand von der Einsamkeit der Ranch zu bekommen.

    Eine Menge Gedanken störten ihre Konzentration, dabei hatte sie bereits alle wichtigen Fakten für den bevorstehenden Vortragstag beisammen. Es gab bereits eine komplette Liste der einflussreichsten Rancher aus dem Mistydew County. Außerdem hatte sie sich ein paar Randnotizen gemacht, die sie im Bericht mit einfließen lassen konnte.

    Irene war geübt darin, alte Infos mit neuen Geschehnissen zu einem nigelnagelneuen Artikel zusammenzufassen, sollte es notwendig sein. Außerdem verfügte sie über persönliche und berufliche Informationen zu allen bekannten Ranchern des Mistydew County. Bei einigen war sie beliebt, bei anderen verhasst, doch niemand zweifelte ihre Integrität an. Das machte sie bei ihrem Boss Mr. Lambeck unersetzbar, doch sie war nicht besonders erfreut über diese Tage, an denen sie sich in Schale werfen, und schon am Vormittag Smalltalk führen musste. Scheinheiligkeiten, langweiliges Blabla, dumme, manchmal auch geschmacklose Scherze, scheinbare Nettigkeiten, die bei genauerem Betrachten eher das Gegenteil waren. Ja, Irene wusste, wie es lief, sie wusste, wie es funktionierte, aber sie konnte es nicht ausstehen und im Augenblick waren ihre Gedanken nicht so kontrolliert, wie üblich. Sie würde in der Stadt höllisch achtgeben müssen, um nicht in diverse Gesprächsfallen zu stolpern. Ihr einziger Lichtblick war Peter Lewis, der Vortragende. Er war unter Paint-Züchtern sehr bekannt und geschätzt. Irene hatte schon zwei seiner Seminare besucht.

    Ohne den Bericht erneut in die Hände zu nehmen, schlenderte sie zum Fenster und starrte hinaus.

    Der Platz vor der Hausweide lag verlassen da. Der Regen hatte inzwischen die Erde aufgeweicht und das im Frühling neu gewachsene Gras flach auf den Boden gedrückt. Sie konnte vor ihrem geistigen Auge nach wie vor den alten, rotangestrichenen Trailer von Julian sehen. Julian, der hier ein neues Zuhause gefunden hatte und trotzdem wieder gegangen war.

    Nach dem Schrecken war alles noch verworren. Zuviel Grausames war passiert und hatte tiefe Wunden bei allen hinterlassen.

    Eine indianische Legende hatte Menschen entführt, und sie in einer Mine als Nahrung gehortet. Irene war in die Fänge dieses Wesens geraten, doch Askuwheteau, ein bekannter Indianer aus dem Indianerrat des County hatte sich geopfert, um sie zu retten. Sowohl er wie auch Julian waren durch das Böse mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert worden.

    Die Polizei, die Ranger, alle waren auf den Plan getreten, um die Sache zu klären. Danach hatte Irene für die Cedars Tribune einen Bericht über einen Killergrizzly verfasst, der dank eines bekannten, mutigen Indianers aus Stormy Mills zur Strecke gebracht wurde. Es war der schwerste Bericht ihres Lebens gewesen, doch besser sie machte es, als irgendjemand anders, der keine Ahnung davon hatte.

    Ein paar Tage füllte das Thema sämtliche örtliche Zeitungen, bis erneut der Alltag ins Land einkehrte.

    Als Matt aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war und der Trubel sich legte, hatte Julian sich verabschiedet, um, wie er meinte, einiges mit seinem alten Freund Will zu klären, der in Wyoming eine Detektei betrieb.

    Ob ihm das inzwischen gelungen war? Hatte er alles verarbeitet? Konnte er ruhig schlafen, ohne von Albträumen geplagt zu werden, so wie sie?

    »Wohl eher nicht«, sprach Irene zu sich selbst. Er war auch nur ein Mensch und sie hatte gespürt, wie tief das Erlebte an ihm nagte. Verständlich, wenn man bedachte, dass er seine Mutter und seine Schwester an einem Monster verloren hatte.

    Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr Abschied war nicht gut verlaufen. Zu verworren, zu viele nicht geklärte Einzelheiten und jetzt war es zu spät. Sie blinzelte die Tränen weg. Eigentlich wollte sie nicht ständig an ihn denken, doch er fehlte ihr.

    Als der Sommer mit all seiner bunten Vielfältigkeit den Winter ausradiert, und ein Paradies im Mistydew County gezaubert hatte, schien die Welt wieder in Ordnung.

    Zumindest für die Meisten aus der Gegend. Aber Julian war fort und Askuwheteau würde niemals wiederkommen.

    Das letzte Jahr hatte ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt und es schien noch lange nicht vorüber. Ständig hatte sie das Gefühl, dass das Böse, in welcher Gestalt auch immer, zurückkehren würde.

    Askuwheteaus Haus stand leer und verlassen da. Die Parkranger hatten es zwar als ein weiteres Schutzhaus in den Bergen in ihre Obsorge genommen, doch sie brachten es nicht übers Herz, etwas daran zu verändern.

    Gleich einem inneren Zwang zog es Irene immer wieder dort hin. Der Platz hatte etwas Tröstliches, so als ob der Indianer noch immer vor Ort war, auch wenn sie ihn nicht sehen konnte. Natürlich war es Schwachsinn, so zu denken, aber sie wollte sich nicht von diesem Gefühl distanzieren.

    Unwillig wischte sie sich

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