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Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)
Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)
Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)
eBook478 Seiten4 Stunden

Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)

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Über dieses E-Book

Ex-Hauptkommissar Robert Schibulsky wird während seines Weihnachtsurlaubs gebeten, Nachforschungen zum Selbstmord des beliebten Kaplans der katholischen Gemeinde in Oberstdorf anzustellen. Schnell wird klar, dass die zuständigen Kommissare aus Kempten sehr oberflächlich zu Werke gegangen sind.
Eine Investorengruppe, bestehend aus einem Pharmakonzern und einem Internethandel, treibt im Untergrund Pläne zu einem neuen Erlebnispark voran. Dem entgegen steht der kaum bekannte, aber mächtige Verein der RECHTLER, dem das angestrebte Bauland gehört.
Kurz vor dem Jahreswechsel findet im Ort eine Charity statt, bei der während einer Geocaching-Suche hohe Preise ausgelobt sind. Hierbei können alte Rechnungen beglichen werden.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum16. Sept. 2016
ISBN9783741850356
Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)

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    Buchvorschau

    Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG) - Dieter Krampe

    Tödliche  Weihnacht  in  Oberstdorf

    ( 2013 )

    GEOCACHING

    in

    47.407562  /10.277967

    Oberstdorf

    Gedächtnisprotokoll

    des pensionierten Hauptkommissars

    Robert Schibulsky

    -  Teil 1  -

    Neufassung

    Autor:  Dieter Krampe

    ©  Juli 2016

    img1.jpg

    gewidmet:

    Kommissar Kluftinger

    (Klüpfel/Kobr)

    Impressum

    Copyright: © 2014 Dieter Krampe

    Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Vorwort:    Krankenhaus Bielefeld          19.01.2014, abends

    Ich muss noch einige Tage hier im Evangelischen Krankenhaus in Bielefeld bleiben. Das Rumliegen ist zum Kotzen langweilig. Aber warum musste ich mich auch dem Entführer in den Weg stellen?

    Vor zwei Wochen bin ich mit meinem Sohn, der einen schweren Skiunfall hatte, per Liegetransport aus der Klinik Oberstdorf hierhin in meinen Heimatort Bielefeld verlegt worden. Die Schmerzen, die ich durch mehrere Lungen- und Rippenquetschungen bei einem Zusammenstoß mit einem flüchtenden Motorradfahrer erlitten haben, schmerzen kaum noch. Aber der vermaledeite Oberschenkelhalsbruch am rechten Bein verheilt nur sehr langsam. Schuld ist bestimmt mein Diabetes mellitus. Zum Glück kann ich schon hier einige REHA-Übungen machen, so dass ich hoffe, bald wieder voll auf dem Damm zu sein.

    Während meines diesjährigen Aufenthalts in Oberstdorf ist einiges Ungewöhnliches geschehen, das ich noch weiter verarbeiten muss. Um mein Weltbild wieder neu justieren zu können, schreibe ich diese Zeilen auf, vielleicht kannst du mir bei der Einordnung helfen. Denn ich weiß es besser als diese hochnäsigen, oberflächlichen Kommissare aus Kempten. Aber ich bin auf ewig dankbar, dass alles sich so geklärt hat.

    PS:

    Mein alter Freund Toni Endras, den ich seit einer REHA in Oberstdorf vor über fünf Jahren kenne, hat mir eine ganze Reihe seiner Heimatzeitungen, der Allgäuer Rundschau, zugeschickt. Er schrieb:

    „Damit du auf dem Laufenden bleibst. Im Übrigen, auch die besten Grüße und ein dickes Dankeschön von meinem Sohn Peter, er ist gerade zum Polizeihauptmeister (PHM) mit Besoldungsstufe A 9 befördert worden.

    Mit großem Interesse habe ich diese drei Artikel gelesen:

    04.01.2014: Entführer der Witwe zu Hohenstein von Scharfschützen getötet.

    06.01.2014: KHK Riethmüller klärt die drei Oberstdorf-Morde auf. Es gab nur einen Täter.

    16.01.2014: Brandstiftung beim Hotel „Dolde"?

    Zum letzten Bericht hat Toni eine keine Notiz geheftet.

    „Ich könnte mir vorstellen, dass die Ursache nicht ein Heizofen war. Ich habe gehört, dass der Jungbauer des Kutschbetriebs und Ponyhofes Dominik Steingasser sehr sauer darüber sein soll, dass sein Vater Xaver beim neuen Kulturprojekt ungerechterweise verunglimpft worden sein soll.

    Kapitel 1   -   Café  Gundlach            19.12., nachmittags

    Sonne, keine Wolke, 12 Uhr Mittag, das Thermometer zeigt 31°C. Wenn die Bergwelt um den Marktflecken nicht von glitzernder Schneepracht bedeckt wäre, könnte man sich in den Tropen wähnen.

    Der pensionierte Hauptkommissar Robert Schibulsky hat es sich nach dem Frühstück auf dem Balkon seiner Ferienwohnung im MONTANA Haus an der Trettachstraße gemütlich gemacht und die warmen Sonnenstrahlen genossen. Weihnachten muss er immer in den Bergen sein, das bedeutete seit fünfzehn Jahren:  Oberstdorf – ich komme.

    Oberstdorf, das ist der südlichste Ort Deutschlands, dem im Jahre 1495 Kaiser Maximilian auf Wunsch des Fürstbischofs Friedrich von Augsburg die Marktrechte verlieh.

    Vom nahen Kirchturm der Katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist schlägt es drei. Die Sonne geht so langsam hinter dem Söllereck im Südwesten unter. Sprungartig meldet sich der Winter zurück, die Kälte brennt sofort auf Roberts Haut, und er verzieht sich nach drinnen.

    Schibulsky war fast vierzig Jahre bei der Kripo in Bielefeld und hatte mehrere Abteilungen durchlaufen. Zuletzt war er bei der Mordkommission und brachte viele Täter vor den Kadi. 87% Erfolgsquote, ein Mann mit Spürnase eben.

    Seinen Diabetes mellitus hatte er fahrlässig unterschätzt. Das kostete ihn vor fünf Jahren drei Zehen seines rechten Fußes. Seither bekam er nur noch ein paar neue Schuhe pro Jahr, allerdings konnte er diese stolz „orthopädisch" nennen. Solche Überheblichkeit kostet dann schon mal schlappe 1800 €.

    Nach mehreren Operationen und einem Jahr Pause stieg Schibulsky als Schwerbehinderter mit 70% wieder bei der Kripo Bielefeld ein. Seine Kollegen waren nett und hatten ihn noch nicht vergessen. Sie machten sich auch große Sorgen, dass er überbelastet werden könnte. So blieb für ihn plötzlich nur noch Schriftkram und Aktenarbeit.

    Ein Klumpfuß ist sprichwörtlich wirklich ein Klotz am Bein. Und mit dem fühlte er sich sehr bald als besserer Hausmeister. Noch wurde er auf der Dienststelle geduldet. Doch so konnte es nicht weiter gehen. Und er ergriff vor gut drei Jahren die nächste und gleichzeitig letzte Möglichkeit, der Arbeitswelt frühzeitig „ade" zu sagen. Schwerbehinderte bis Geburtsjahr 1951 konnten noch mit 63 Jahren in Rente. Folglich reichte er den Antrag auf Pensionierung zum 60. Geburtstag ein und nahm somit eine Kürzung seines Ruhegehalts von 10,8% in Kauf. Sein Engagement wurde ihm daraufhin per Urkunde bestätigt. Am letzten Arbeitstag gab es noch den obligatorischen Strauß Blumen. Seine Bürotür zierte aber schon ein neuer Name: PHK Rigobert Zurgeißel.

    Aus den Augen, aus dem Sinn.

    In den letzten zwei Jahren war Schibulsky sehr oft auf Reisen, vornehmlich Kreuzfahrten. Mallorca wurde seine zweite Heimat. Mal reiste er mit, mal ohne Kerstin. „Ich fahre, solange ich das mit meinem Fuß noch kann!"

    Kerstin ist erst 58 und seit fast vierzig Jahren seine Frau. Zwar plagen sie zuletzt immer häufiger Schmerzen hier und Schmerzen da. Während ihrer letzten Island-Kreuzfahrt mit der AIDA dachte sie sogar laut darüber nach, ob und wie sie vielleicht auch vorzeitig in Rente gehen könnte. Sie geht aber noch zu sehr in ihrem Beruf als Erzieherin in einem Kinderheim auf. Zudem ist sie auch abends meist unterwegs: Frauenturnen, Osteoporose-Gruppen bei der VHS und was man noch so seinem Mann angeben kann. Ruhestand kommt für sie noch nicht in Frage.

    Vor zwei Jahren hat Kerstin eine Wohnung im MONTANA Haus gegenüber der Klinik Oberstdorf gekauft. Nach dem Oberstdorfer Modell teilen sich dort elf verschiedene Besitzer eine Wohnung. Als eine betagte Dame aus Köln ihren Anteil vom 15. Dezember bis zum 15. Januar verkaufen wollte, schlug Kerstin zu. Neben der Wohnung im 2. Stock kann sie jetzt auch ein Schwimmbecken, eine Sauna, einen Fitnessraum und eine Kneippanlage im Keller des Hauses nutzen.

    Robert wollte in diesem Jahr die gesamte Belegungszeit ausnutzen. Daher reiste er gestern schon vor Weihnachten mit dem Zug an. Über zehn Stunden ging es quer durch Deutschland. 

    Nach dem Sonnenbad hat er sich nun telefonisch mit seinem alten Freund verabredet. Toni Endras war bis vor fünf Jahren der Dorfpolizist  hier in Oberstdorf gewesen. Der 70-jährige wohnt seit seiner Geburt im Ortsteil Reute an der Bundesstraße B19 zum Kleinwalsertal.

    Die beiden hatten sich während Roberts REHA-Zeit kennengelernt. Seitdem treffen sie sich regelmäßig im Café Gundlach in der Metzgerstraße oder zu Wanderungen in einem der Täler.

    Als Robert im Café eintrifft, diskutiert Toni schon angeregt mit dem Konditormeister Josef Gundlach, der den 1957 gegründeten Betrieb nun in dritter Generation übernommen hat. Zur Erinnerung  ziert den Gastbereich im 1. Stock das riesige Schwarz-Weiß-Foto des Heimatortes aus genau diesem Gründungsjahr.

    „Ich sag dir, mit dem Selbstmord vom Kaplan stimmt was nicht", ereifert sich der Toni.

    „Mach´ mal halb lang, Toni. Du siehst doch schon wieder Gespenster." Der Konditor drückt seine Hände beruhigend auf Tonis Schulter. Der nimmt in diesem Augenblick Robert wahr und wendet sich rasch dem erwarteten Freund zu. Die beiden ausrangierten Gesetzeshüter umarmen sich herzlich.

    „Na, Toni, wie geht´s dir? Gut schaust du aus." Der Alte muss sich eine winzige Träne verkneifen.

    „Schön, Robert, dich zu sehen. Toni betrachtet Robert anerkennend und mit einem breiten Grinsen. „Wie immer: typisch Urlauber, braun gebrannt und ganz entspannt. Dich haben sie auch zu früh aus dem Dienst gelassen. Toni zeigt deutlich seine Missachtung, schüttelt aber, um nicht missverstanden zu werden, lächelnd den Kopf.

    Die beiden lassen den Konditor unbeachtet links stehen und gehen zu ihrem Stammtisch.

    „Du sagtest am Telefon, dass du allein gekommen bist. Was ist denn mit der Kerstin?"

    „Alles in Ordnung. Zuerst wollte sie ja auch gleich am 15. Dezember mitfahren. Aber dann hat sie ihr Heimleiter doch wie immer so lange bequatscht, dass sie jetzt doch wieder die Weihnachtsfeier und die Messe für die Heimkinder gestaltet. Sie kommt am 1. Weihnachtstag mit unserem Twingo nach."

    „Ach, habt ihr jetzt auch einen Hund? Du wolltest doch nie einen."

    „Wie kommst du denn darauf?"

    „Na, Twingo ist doch bestimmt ein Hundename, bestimmt so ein putziges Schoßhündchen, oder? So wie unser Bingo."

    „Scherzbold, das ist doch unser Wagen. Echte französische Wertarbeit, mit Schiebedach."

    „Und deshalb bist du gestern mit der Bahn gekommen?"

    „Genau, alte Spürnase. Nachdem klar war, dass Kerstin nicht vor Heiligabend fährt, habe ich mir im Internet schnell noch ein Sparticket für 29 Euro besorgen können. Und so bin ich schon hier und bleibe fast vier Wochen."

    Die beiden tauschen danach ihre Krankheitsgeschichten aus und genießen ihre Marzipantorte. Als Diabetiker hat Robert schon in weiser Voraussicht ein paar Einheiten Insulin mehr gespritzt.

    Jetzt kreist ihm aber immer wieder das Gespräch im Kopf herum, das sein Freund mit dem Cafébesitzer bei seiner Ankunft geführt hatte. Bei seinem zweiten Bissen platzt es deshalb aus ihm heraus, nicht ohne einen Teil der Torte dabei auf das Tischtuch zu spucken:

    „Geh´, Toni, hast du vorhin …. „Entschuldigung!" Er wischt den Kuchenspritzer mit der rechten Hand vom Tisch und schaut seinen Freund mit verkniffenen Augen an.

    „Dafür ist der Kuchen aber zu teuer, um ihn auszuspeien", freut sich Toni.

     „Hast du vorhin über den jungen Kaplan hier aus Oberstdorf gesprochen, der bei Pfarrer Altmayer angefangen hat, als ich vor fünf Jahren hier zur REHA war?"

    „Über genau den?"

    „Wie hieß der gleich noch mal."

    „Teuffel, Marc Teuffel, der war gerade mal 30 Jahre."

    „Und der soll Selbstmord begangen haben?"

    „Pst, Robert, leise, leise. Toni schaut sich dabei vorsichtig im Raum um, ob einer der Gäste etwas mitbekommen hat. Er flüstert weiter: „Hier im Dorf weiß eigentlich noch keiner, woran der Teuffel gestorben ist.

    Robert nickt verständnisvoll und flüstert zurück: „Ich erinnere mich, dass er aus Weißrussland stammte, oder irre ich mich?"

    „Der Altmayer will die Geschichte möglichst unter der Decke halten. Und der Kommissar aus Kempten geht genauso wie mein Sohn Peter von Selbstmord aus."

    „Ja, aber der Kaplan war doch ein äußerst lebenslustiger Mensch mit offen zur Schau gestellter Lebensfreude."

    „Siehst du, Robert, dasselbe sag´ ich ja auch. Zumal ich ihn noch kurz vor seinem Tod gesehen habe. Teuffel hielt vor zwei Wochen die Messe in der Kapelle St. Maria Loretto. Ich war dabei. Mit strahlenden Augen hatte der Kaplan in seiner kurzen Predigt die Besucher zu mehr Toleranz gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern aufgerufen. Und zwei Stunden später war er dann tot. – Am nächsten Morgen wurde er natürlich im Pfarrhaus vermisst, und gegen Mittag haben sie den toten Kaplan hinter der Krippenwand in der kleinen Appachkapelle gefunden. Mit einem Pistolenschuss in den Mund saß er wohl auf einem Stuhl neben dem Holzkreuz, mit der Pistole in der rechten und einem Abschiedsbrief in der linken Hand."

    Robert wundert sich: „Verdorri nochmal, Toni, woher weißt du das denn alles? Warst du etwa dabei?"

    „Von meinem Sohn halt, mein Peter ist doch Polizeiobermeister hier im Ort."

    Robert denkt an seine positiven Begegnungen mit dem Kirchenmann und schüttelt den Kopf. Er sieht den Kaplan leiblich vor sich stehen, wie er gerade die Kinder und Jugendlichen der Gemeinde begeistert und aktiviert hat. Sie kamen zu seinen Jugendtreffs, insbesondere zum kostenlosen Internet-Café, das der Kaplan schon sofort nach seinem Amtsantritt in der Pfarrei eingerichtet und mit den Jugendlichen selbst aufgebaut hatte. Marc Teuffel machte allen Blödsinn mit den Kindern mit, spielte sogar Fußball mit ihnen oder ging mit zum Jogging.

    „Aber du hast Zweifel, dass es sich um Selbstmord handelt?" Robert studiert dabei den Gesichtsausdruck seines Freundes.

    „Ich bin mir sicher, dass da was nicht stimmt. Das sagt mir mein Gefühl, und das hat mich ein Leben lang nur ganz selten betrogen." Toni erhebt zaghaft die rechte Hand mit drei gestreckten Fingern, wie zu einem Schwur, und schaut seinem Freund ebenso tief in die Augen.

    Robert merkt sofort, dass er sein Versprechen, das er seiner Frau Kerstin gegeben hatte, auch bei diesem Urlaub nicht einhalten wird.  So verspricht er Toni Endras, sich einmal die Lorettokapellen näher anzuschauen.

    Kapitel 2  -  Bielefeld            19.12., abends

    Sebastian hat den ganzen Nachmittag Mathematik gebüffelt. Der 19-Jährige geht seit drei Jahren in die Oberstufe des Max-Planck-Gymnasiums in Bielefeld; seine Fachoberschulreife mit Qualifikation hat er zuvor wie seine ältere Schwester Britta in der Hauptschule gemacht. Morgen steht noch die dritte Arbeit der Abiturklasse an. Analysis – wann soll man das denn mal gebrauchen können?  

    „Ätzend!, denkt Sebastian, „dasselbe wie in jedem Jahr, immer kurz vor den Ferien. Eine Arbeit folgt der anderen. Wahrscheinlich haben die Pauker sonst über Weihnachten nicht genug Beschäftigung.

    Jetzt sitzt er vor seinem Laptop und chattet mit anderen Kids aus seiner Klasse. „Haste schon gehört?", lautet jeder vierte Eintrag, und dann wird auf Teufel komm raus mit neuen Wortschatzerweiterungen des Internets herumgeworfen: like oder lol!

     „Ätzend, denkt Sebastian wieder, „wie die alten Schwimmerinnen, die früh morgens in breiter Front ihre Bahn im Hallenbad ziehen. Da geht’s dann auch immer: „Habense schon gehört?

    Im Wohnzimmer im Parterre rumort sein Stiefvater herum. Frederik. Der ist gerade aus der Firma nach Hause gekommen. MERCEDES UNGERN  – Autos mit dem Stern – na das ist ja ein Super-Slogan, steht sogar auf dem Firmenlogo. Bei diesem Gedanken muss Sebastian stets zwangsläufig kopfschüttelnd lachen. Peinlich, peinlich.

    Frederik ist jetzt 40 Jahre alt, schaut sogar noch jünger aus. Er hat ursprünglich Studienrat werden wollen, hat aber nach seinem ersten Praktikum schnell erkannt, dass er mit Schülern überhaupt nicht klar kommt. Er hat schnell die Reißleine gezogen und eine Lehre bei Mercedes als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Dann gewann er das Herz der sechs Jahre älteren Tochter seines Chefs, die von ihrem ersten Mann mit zwei Kindern sitzen gelassen worden war.

    Als Frederik bei der ihm angetragenen Hochzeit allerdings auch den Nachnamen seiner Braut annehmen sollte, streikte er und sagte stets: „Ungern würde ich Ungern heißen, mir reicht da schon der Firmenname."

    „Du, Basti, bist du mit den Schularbeiten fertig? Und hast du deinen Koffer schon gepackt?", schreit Frederik plötzlich in die Stille. Sebastian hört es, aber kann sich noch nicht zu einer Antwort durchringen.

    „Hörst du, Basti?"

    Mühsam bewegt Sebastian seinen Kopf weg vom Bildschirm hin zur halb geöffneten Tür. „Klaro, wir schreiben morgen früh noch ´ne Mathe-Klausur. Deswegen haben wir nur wenig für Latein und Englisch aufgekriegt."

    „Du meinst aufbekommen!"

    Sebastian mault leise: „Klaro, aufbekommen. Vatterns Pädagogik-Studium kommt wieder durch!, aber laut erwidert er: „Du hast Recht; es muss aufbekommen heißen! Ich schreibe es zehnmal, mit Unterschrift der Eltern, einverstanden?

    „Würdest du bitte für uns mal im Internet nachschauen, welche  Veranstaltungen unser Urlaubsort für die Weihnachtszeit zu bieten hat?"

    „Geht klar, Chef! Wo hält Opa sich jetzt noch mal auf?"

    „Ach Basti, das weißt du doch. Über Weihnachten sind wir alle doch immer in Oberstdorf im Allgäu. Und am Samstagmorgen fahren wir los. Also, pack deine Sachen bald!"

    „Klaro, tote Hose in Oberstdorf! Hoffentlich bringen die grauen Panther wenigstens scharfe Mädels mit," lächelt Sebastian. Nachdem er sich bei seinen Chat-Partnern verabschiedet hat, geht er auf die Seite „www.oberstdorf.de". Er kopiert alles, was er für seine alten Herrschaften für interessant hält.

    Plötzlich entdeckt er auf der Homepage, was ihn die nächsten Tage nicht mehr loslässt. Ein Plakat mit einer Einladung der örtlichen Geocaching-Gruppe zu einer Jubiläums-Charity:

    GEOCACHING-Charity

    in

    OBERSTDORF

    Jubiläumsrallye der „ALLGÄU-PIRATEN"

    zum fünfjährigen Bestehen

    am Montag, 30.12.2013

    EINLADUNG

    an alle Geocaching-Clubs Deutschlands,

    besonders auch an die Feriengäste in Oberstdorf

    Teilnahme: 250.- €/Person

    Hauptpreis:  DREI PFUND GOLD

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    Zusätzlich:    3.000 €

    Beginn:  17:17 Uhr             Ende: 20:59 Uhr

    Jeder Teilnehmer erhält zu diesem Zeitpunkt eine Email mit den GPS-    Koordinaten und den Aufgaben an der 1. Station.

       Anmeldung:  a)  bis zum 23.12.2013:

    per Einzahlung auf das Konto:

       „ALLGÄU-PIRATEN"

       Konto:   999 875 222 0

       BLZ:      733 500 00

       Sparkasse Allgäu

    Stichwort:   GPS mit „Name und „Email-Adresse

         b) bis zum 28.12.2013

    per Barzahlung im Oberstdorf Haus

       Let`s find the cache …..

    Sebastian druckt seine Recherchen aus und springt die Treppe hinunter. Seine Mutter Vera ist inzwischen auch aus der Firma zurück und betrachtet sich kritisch im Flurspiegel.

    „Schlank? – Ja. Jung? – Nein. Begehrenswert?" Zum Glück begrüßt sie ihr Sohn, bevor sie die Antwort formulieren kann.

    „Hallo, Muttern. Er küsst sie auf ihre rechte Wange. „Ich habe euch ein paar Veranstaltungen in Oberstdorf und Umgebung herausgesucht.

    Vera sieht abgespannt und wirklich urlaubsreif aus. „Schön, schön, Basti. Habt ihr was zu essen gemacht?"

    „Es müsste noch Pizza im Gefrierschrank sein."

    Frederik erscheint in der Wohnzimmertür. „Ach lasst mal die blöde Pizza. Ich habe uns einen Tisch bei Mövenpick reservieren lassen."

    Vera nickt teilnahmslos: „Schön, schön. Aber ich brauche erst mal ein heißes Bad." Sie dreht sich zur Treppe und will nach oben gehen.

    „Ach, habt ihr schon Weihnachtsgeschenke für Britta und mich?", fragt der Pennäler spitzbübisch.

    Frederik blickt fragend zu Vera hinüber: „Haben wir?"

    Sie zieht die Augenbrauen hoch. „Natürlich haben wir! Warum fragst du?"

    Sebastian druckst herum und flüstert fast: „Auf der Oberstdorf-Seite im Internet kündigen die ein Gewinnspiel für Schatzsucher zu Wohltätigkeitszwecken an. Die Teilnahme kostet allerdings 250 €."

    Vera  steigt die Treppe hinauf. „Und du meinst, ich soll dir die Teilnahme finanzieren, richtig, Basti?"

    „Ätzend, dass ich so ´ne schlaue Mutter habe. Und Britta will doch bestimmt auch mitmachen."

     „Aber nur gegen Spendenquittung, mein Sohn. Leg mir die Anmeldung für euch auf meinen Schreibtisch."

    Kapitel 3  -  Loretto                     20.12., morgens

    Die Sonne lacht weiterhin von einem fast makellos blauen Himmel. In der Nacht war die Temperatur auf - 5° C herunter gegangen. Raureif hat sich wieder auf die Dächer und Gärten der Nachbarschaft gelegt.

    Kurz vor zehn Uhr verlässt Robert Schibulsky seine Wohnung in der Nähe des Oberstdorfer Bahnhofs. Nach wenigen Minuten erreicht er gerade noch den Bus nach Birgsau. Dicht gedrängt quetschen sich schon jetzt die Skifahrer mit ihren Brettern und Stöcken in den Bus, der sie zur Fellhornbahn bringt. Nicht einmal zehn Minuten später steht der Hauptkommissar AD vor den drei Lorettokapellen im Süden des Marktortes. Diese bilden laut Broschüre der Kirchengemeinde „ein einzigartiges Ensemble der süddeutschen Sakralarchitektur". Rechts, das bedeutet im Süden, befindet sich die jüngste und größte der drei Kapellen: die Josefskapelle, die 1671 errichtet wurde.

    Robert öffnet die unverschlossene Holztür. Doch nach drei Schritten versperrt ein Eisengitter seinen Weg in die rechteckige Kapelle. Sein Blick schweift kurz von rechts nach links. Er erkennt den wertvollen Palmesel aus dem Jahr 1729, der erst seit gut hundert Jahren aus der Pfarrkirche im Ort hierher gebracht und aufbewahrt wird, und den Hochaltar an der gegenüberliegenden Nische mit der Abbildung der Heiligen Familie, bei der neben der Jungfrau Maria der heilige Josef ins Zentrum rückt. Über dem Bild erinnert Robert eine Inschrift an den eigentlichen Grund seines morgendlichen Ausflugs: „MORTEM MORIENDO DESTRUXIT – „Durch seinen Tod hat er den Tod vernichtet.

    Robert  verlässt die Kapelle und biegt nach rechts zur mittleren Kapelle, die diesem Ort den Namen gegeben hat: Maria Loretto. Die Flur, auf der die Gotteshäuser gebaut wurden, soll der Überlieferung nach einer vornehmen Dame namens Loretha gehört haben.

    „Hier bist du richtig!", denkt sich Robert. Eine weiße Tafel vor dem Eingang bestätigt ihn.  Sie verkündet allen Interessierten, dass in dieser Marienkapelle samstags um 9:00 Uhr und dienstags um 19:00 Uhr die Messe gelesen wird. Erwartungsfroh betritt er durch eine niedrige Seitentür einen Vorraum, von dem man eine stets geschlossene Tür zum Inneren der mittleren Kapelle aufdrücken kann.

    Der Innenraum der 1657 errichteten Kapelle ist sonnendurchflutet durch die großen Fenster, deren Eisengitter ihre Schatten auf den Mittelgang werfen. Die Form eines regelmäßigen Achtecks ist gut zu erkennen. Rechts und links des Ganges stehen je acht Reihen Holzbänke; die insgesamt zirka hundert Gläubigen Platz bieten. Am Ende des Mittelganges versperrt ein massives und reich geschmiedetes Eisengitter den Zugang zum Altarraum. In der Mitte befindet sich eine Tür, die jetzt mit einem dicken Schloss gesichert, aber während einer Messe sicherlich geöffnet wird. Dahinter erstrahlt der prachtvolle Rokokohochaltar von 1741. Zentral ist das altehrwürdige Gnadenbild eingefügt, die bekleidete Madonnenfigur, die ursprünglich um 1500 entstand und auf dem Altar der benachbarten älteren Appachkapelle stand.

    Schibulsky schaut sich anschließend intensiv im Zuhörerbereich um. Da die Kapelle seit dem Tod des Kaplans nicht mehr gereinigt worden zu sein scheint, hofft er, vielleicht noch etwas Verdächtiges zu finden. Trotz Einsatz von Taschenlampe und Handfeger, den der Kommissar im Vorraum gefunden hat, stellt sich als einzige Ausbeute einige unter die Bänke geklebte Kaugummis, eine wohl aus Versehen herausgerissene Ecke einer Gebetbuchseite 126/127 und ein grüner Schraubverschluss einer kleinen Flasche ein, die er in der rechten vorderen Ecke fand, über der auf einem Gemälde die seit 1665 stattfindende Wallfahrt aus dem Tiroler Lechtal dargestellt ist.

    Der Kommissar füllt alle Fundstücke in kleine Plastiktüten, die er stets dabei hat, eine seiner Marotten, die er aus seiner aktiven Zeit wie eingebrannt übernommen hat, und steckt sie in seine Jackentasche.

    Er schaut grimmig und schüttelt ungläubig den Kopf. Wenn sein alter Freund Endras mit seinem Mordverdacht Recht habe sollte, hätte er sich doch zum Beispiel Schleifspuren oder andere Indizien gewünscht. Fehlanzeige.

    Enttäuscht verlässt Robert die Marienkapelle und stapft durch den Restschnee hinüber zur allein stehenden Appachkapelle, in der der tote Kaplan gefunden worden war. Der Name leitet sich vom Wort „Abbach" ab. Der mittlere der drei Quellflüsse der Iller, also die Stillach, war im Mittelalter oft verheerend über ihr Flussbett getreten und hatte die Felder des Oberstdorfer Ösch und die Ernten zerstört. Da gelobten die Oberstdorfer eine Kapelle zu errichten, wenn der Fluss einen anderen Ablauf nehmen würde. Dies trat tatsächlich nach einem Bittgang mit Kreuz und Fahne ein.

    img3.jpg

    Die Appachkapelle ist viel, viel kleiner als die beiden anderen. Sie wurde nachweislich bereits im Jahr 1493 geweiht. Ihr Grundriss ist ein unregelmäßiges Achteck mit Wandmalereien an drei ihrer Innenwände, die allerdings nach einigen Übertünchungen nur schwer erkennbar sind.

    Zu Roberts Erstaunen ist die Eingangstür hier offen. Er betritt den nur ca. 6 m großen Raum, der in der Mitte durch drei Krippenbilder von ca. 1,50 m Höhe geteilt ist, die aus der Zeit um 1725 stammen und auf ganzer Breite den Durchgang zur barocken Holzskulptur eines Auferstehungschristus versperrt.

    img4.jpg

    Direkt hinter den  Stellwänden ragen drei Tannenbäume bis fast unter die Holzdecke. Robert versucht die Holzwände des Krippenbildes von der Mauer zu bewegen. Am rechten Bild, auf dem einer der drei heiligen Könige das neu geborene Jesuskind in Händen hält, hat er Erfolg. Diese Tafel lässt sich in die Mitte des Raumes drehen. Hinter der Wand hat ein einfacher Stuhl kaum Platz neben den

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