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Reich ins Heim: arm ins Grab
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eBook278 Seiten3 Stunden

Reich ins Heim: arm ins Grab

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Über dieses E-Book

Wohl jeder von uns träumt davon, nach einem erfüllten und arbeitsreichen Leben einen würdevollen Lebensabend zu genießen, ohne dabei seiner Familie zur Last zu fallen oder allein und hilflos dem baldigen Tod entgegenzuleben. Nicht immer geht dieser Traum in Erfüllung!
Dieser Krimi entführt sie in ein kleines, idyllisch am Rande der österreichischen Stadt Graz gelegenes Seniorenheim. Bei der kriminalistischen Klärung des gewaltsamen Todes der Bewohnerin Erna Eibel dringen Oberinspektor Pilz, genannt Schwammerl, und sein Assistent Mirko Vasic ein in eine Welt von skrupelloser Geschäftemacherei unter dem Deckmantel der Nächstenliebe, Abrechnungsbetrug, Ausbeutung von Personal und Pflegemissständen. Auf der anderen Seite lernen sie Menschen kennen, die trotz aller Hindernisse versuchen, den alten Leuten ein Leben in Würde und Respekt zu bieten.
Sie lernen die Heimleiterin kennen, finden heraus, dass sie, getrieben von dem wirtschaftlichen Druck der privaten Betreibergesellschaft, bei der Abrechnung der Bewohner nicht immer korrekt vorgeht und deshalb von einer der ihr Anvertrauten erpresst wird. Ebenso stellen sie verblüfft fest, dass selbst bei hochbetagten Menschen Motive wie Untreue und Eifersucht möglich sind, die dann durchaus auch in einem Verbrechen enden können. Außerdem gibt noch der negative Einfluss von privaten Problemen des Personals das eine oder andere Motiv für einen Mord her.
Mit Beharrlichkeit und Bauernschläue gelingt es ihnen, gegen alle Widerstände von Beteiligten und Vorgesetzten, die Tat aufzuklären und dem Recht zu seinem Erfolg zu verhelfen. Dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer dasselbe sind, wird ihnen am Ende der Ermittlungen schmerzlich bewusst.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Nov. 2013
ISBN9783847637431
Reich ins Heim: arm ins Grab

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    Buchvorschau

    Reich ins Heim - Hans Pürstner

    1.Kapitel

    Graz Hauptbahnhof, alles aussteigen, bitte! Sie haben Anschluss an den Personenzug nach Fehring, Abfahrt um 18:32 auf Bahnsteig 1 B. Hinweis an die Besucher der Grazer Herbstmesse 1971: Benutzen Sie bitte die Einschubwagen der Straßenbahn vor der Bahnhofshalle!

    Krächzend klang die Stimme aus den alten Lautsprechern des Bahnsteiges, nachdem die Lokomotive des Oostende Express mit lautem Quietschen der Bremsen gestoppt hatte.

    Endlich da, murmelte Albert Worthington leise vor sich hin. Dankbar über die Chance, sich endlich wieder etwas bewegen zu können, streckte er sich nach der Gepäckablage und hob seinen neuen Samsonite Koffer herunter.

    Gerade rechtzeitig fiel ihm noch ein, der älteren Dame auf dem Nebensitz galant seine Hilfe anzubieten. Also wuchtete er erst mal die große Reisetasche, einen kleinen Lederkoffer, ein prall gefülltes Einkaufsnetz, sowie noch einen riesigen Schirm von der Ablage, nicht ohne zu erwähnen, dass er ihr die Sachen selbstverständlich bis auf den Bahnsteig bringen werde.

    Hoffentlich lehnt sie mein Angebot ab, dachte er im Stillen, Ich weiß wirklich nicht, wofür eine alte Dame so viele Sachen mit sich herum schleppt. Na ja, letztendlich findet sich immer ein gutmütiger Kavalier der alten Schule wie ich, der sich dann damit abplagt.

    Unnötig zu erwähnen, dass sich seine Hoffnung nicht erfüllte. Nachdem er schweißgebadet die Gepäckstücke der Dame bis auf den Bahnsteig hinausgereicht hatte, musste er sich beeilen, auch seine eigenen Koffer zu holen, bevor der Oostende Express aufs Abstellgleis verschoben wurde.

    Da stand er nun etwas ratlos an den Gleisen, es war derselbe Bahnsteig, von dem er seinerzeit im Mai 1950 in den Armee Zug Richtung Heimat gestiegen war. Auf den ersten Blick hatte sich kaum etwas verändert, auch wenn er beim Blick auf den Ausgang das neue Bahnhofsgebäude entdeckte, an derselben Stelle wo damals nur eine Bombenruine geblieben war.

    Die alte Dame aus dem Zug winkte ihm noch mal freundlich zu, bevor sie mit einem älteren Herrn zum Ausgang ging.

    Das wird wohl ihr Bruder sein, von dem sie während der Fahrt dauernd erzählt hatte. Nun kann sich der eben mit den schweren Sachen abschleppen, schoss es Albert durch den Kopf, ehe auch er zur Unterführung ging, die den Bahnsteig mit der Haupthalle verband.

    Während der langen Reise, von Bournemouth, dem zwar mondänen, aber langsam aus der Mode kommenden Badeort an der Südküste Englands, über London nach Dover, mit der Fähre über den Kanal nach Oostende und von dort in einem Kurswagen bis Graz hatte er Zeit genug gehabt, sich an das Jahr 1947 zu erinnern. Er war damals froh gewesen, dass sein ehemaliger Bataillonskommandant ihm die Möglichkeit gegeben hatte, in der Stadtkommandantur von Graz, dessen Leiter dieser geworden war, als Verbindungsoffizier zu arbeiten.

    Worthingtons Großtante lebte in Hamburg, war mit dem inzwischen verstorbenen Bruder seines Vaters verheiratet und bei einigen Besuchen gegenseitig hatte er ganz passabel Deutsch gelernt. Eine Sprache, die ihm im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute offensichtlich zu liegen schien.

    Das war der Grund gewesen, warum man ihm die Aufgabe zugetragen hatte, die Wünsche und Anweisungen der Besatzungsmacht an die jeweiligen Stellen in der Stadtverwaltung weiterzugeben.

    Diese Tätigkeit war eine gute Gelegenheit gewesen, viele Leute kennen zu lernen, ganz besonders gerne erinnerte er sich an Ingrid, seine ganz spezielle Soldatenliebe.

    Bei ihr hatte er zur Untermiete gewohnt, bis sich daraus eine heftige Beziehung entwickelte, die danach aber etwas abrupt zu Ende gegangen war.

    All dies ging ihm durch den Kopf, während er auf den Bahnhofsvorplatz trat und sich nach einem Taxi umsah.

    Die sind ja alle schwarz, genau wie in London,

    sinnierte er vor sich hin.

    Nur handelte es sich überwiegend um Modelle von Mercedes, die zwar moderner als die typischen Londoner Taxis, aber wohl gewiss nicht so praktisch sein würden.

    Als er zuletzt hier gewesen war, wurde das Transportproblem noch fast ausschließlich von britischen Militärfahrzeugen gelöst, während die Einwohner der Stadt zu Fuß oder per Fahrrad unterwegs waren. Und jetzt war da die Straßenbahn, moderne Triebwagen, nicht mehr diese klapprigen Waggons, die den Krieg überlebt hatten und so aussahen, als wären sie in ihrer Anfangszeit noch von zwei Pferden gezogen worden.

    Worthington verspürte große Lust, statt in ein Taxi in die Trambahn zu steigen, aber da er nicht wusste, wie er ins Parkhotel kommen sollte, in dem er sich ein Zimmer hatte reservieren lassen, stieg er doch lieber in eine der bereitstehenden Droschken. Er nannte dem Fahrer das Ziel Parkhotel, lehnte sich entspannt zurück und schaute durch das Fenster nach draußen, begierig darauf, irgendetwas zu entdecken, was den Hort seiner Erinnerungen noch nicht verlassen hatte. Sooft er ein neues Gebäude erspähte, beugte er sich nach vorne, um den Fahrer danach zu fragen.

    Natürlich probierte er sogleich seine alten Deutschkenntnisse aus, schon um dem Fahrer zu zeigen, dass er sich hier auskannte. Denn die alte Dame im Zug hatte ihm erzählt, dass englisch sprechende Touristen automatisch als Amerikaner und damit als Millionäre eingestuft würden, die es auszunehmen galt.

    Na, Mister, kumman´s aus England oder Amerika? antwortete der Taxifahrer nichtsdestotrotz, Worthingtons Akzent ließ sich eben doch nicht so ganz verbergen.

    Leise seufzend stillte er dessen Wissensdurst, worauf der Taxifahrer meinte:

    Eure Fußballer gefallen mir, besonders der Georgie Best von Manchester United, mei, wenn wir nur auch solche Burschen hätten!

    Etwas verschämt gestand er ihm, dass er von Fußball nicht allzu viel Ahnung hatte und seine Lieblingssportart Kricket wäre, was wiederum bei dem Fahrer nur ein mitleidiges Kopfschütteln auslöste.

    Bald hatten sie auch das Parkhotel erreicht und nachdem Worthington das Taxi bezahlt hatte, schnappte er sich den Koffer und ging an die Rezeption, während der Taxifahrer, enttäuscht über das ungewohnt magere Trinkgeld missbilligend den Kopf schüttelnd davonfuhr.

    2.Kapitel

    Der erste Tag in Graz begann mit einem ausgiebigen Frühstück in dem kleinen gemütlichen Speisesaal des Hotels. Eine junge Serviererin führte ihn freundlich lächelnd an seinen Tisch, an dem noch ein älteres Ehepaar aus Wien saß.

    Nachdem Worthington sich vorgestellt hatte, begann der Mann sofort, die kümmerlichen Reste seiner Schulenglischkenntnisse hervorzukramen und verwickelte ihn in ein Gespräch. Die Schulzeit des Herrn lag aber offensichtlich schon einige Zeit zurück, demnach war die Unterhaltung naturgemäß etwas anstrengend.

    Doch gutmütig wie er nun mal war wollte er den alten Herrschaften nicht die Freude verderben und so beantwortete er geduldig alle Fragen. Auch wenn er sich stark zusammenreißen musste, um nicht in Gelächter auszubrechen, wenn sein Gegenüber einen Satz wieder mal allzu wörtlich übersetzt hatte.

    Schließlich wurde ihm die Sache zu bunt und er antwortete auf Deutsch.

    Nun erkannte Herr Sedlacek, so hieß der Herr aus Wien, dass Worthington´s Deutsch doch bei weitem besser als sein eigenes Englisch war und schwieg betreten.

    Um die Konversation wieder in Gang zu bringen, fing Worthington an, über das österreichische Frühstück zu schwärmen

    „Schon seit Tagen habe ich mich darauf gefreut, mal wieder eine Semmel und ein Kipferl zu essen, erzählte er frohgemut, „bestrichen mit Butter und dieser herrlichen Marillenmarmelade

    Doch die Sedlaceks schauten beleidigt weg und kauten verdrossen an ihren Semmeln herum.

    Was soll´s, dachte er, so kann ich wenigstens ungestört zu Ende essen und die Schlagzeilen der Morgenzeitung zu entziffern versuchen.

    Bald darauf verließ er frisch gestärkt den Frühstückssaal und machte sich daran, nach draußen zu gehen. Kurz vor der Drehtür fiel ihm ein, dass er ja gar nicht wusste, wie er zu seiner Verabredung kommen konnte. So ging er zurück in die kleine Hotelhalle und erkundigte sich an der Rezeption, wie er am besten zur Grazer Messe kommen würde.

    Da fahren Sie am besten mit der Straßenbahn hin, die Haltestelle ist ja eh gleich gegenüber vom Hotel, gab der Portier freundlich zur Antwort.

    Endlich bot sich die Gelegenheit, mal die Trambahn benutzen zu können, so ging er schnurstracks zur Haltestelle und saß schon einige Minuten später im Waggon auf dem Weg zur Messe.

    Geduldig, wie Engländer das nun mal gewohnt sind reihte er sich in die Schlange vor dem Kartenhäuschen ein. Ich versteh nicht, dass bei diesem Besucherandrang nicht mehr Kassen geöffnet werden, dachte er und während er so quälend langsam dem Schalter näher rückte, verstärkte sich alsbald das unbestimmte Gefühl, dass er von irgendjemand beobachtet wurde.

    Verstohlen drehte er sich um und musterte die hinter ihm stehenden Menschen. Aber da standen nur ein paar Bauern, unschwer zu erkennen an ihrem Steireranzug mit grünem Kragen, einer trug sogar einen Hut mit Gamsbart, was ihm doch einigermaßen kurios auszusehen schien. Na ja, andererseits, was würde der Mann wohl über unsere Männer in Schottenröcken denken? , sinnierte er und schaute wieder sehnsüchtig auf seinen Vordermann, der nun endlich an der Reihe war.

    Als er dann selbst zur Kasse kam, zeigte er die Einladung seines Geschäftsfreundes vor und bekam eine ermäßigte Eintrittskarte ausgehändigt. „Zwanzig Schilling, bitte, forderte ihn der Kartenverkäufer auf, „und hier müssen sie noch dieses Formular ausfüllen Die hinter ihm stehenden guckten böse ob der unnötigen Verlängerung ihrer Wartezeit, auch sein schüchterner Einwand, ob das wirklich notwendig sei nützte nichts. „Urdnung muass sein!" war der unmissverständliche Kommentar des Ticketverkäufers.

    Nachdem zu guter Letzt auch noch die Kartenkontrolle am Eingang passiert war, suchte er erst mal nach einer Übersichtstafel um ohne Verzögerung die Halle zu erreichen, die ihn speziell interessierte. Nach einigen Minuten Herumirren hatte er auch den Stand der Motorradfirma KRU gefunden, und fragte nach Herrn Heller, mit dem er verabredet war. Freudestrahlend kam dieser auf ihn zu und begrüßte ihn so herzlich, als ob sie sich schon ewig kennen würden.

    Während er sich von Herrn Heller den Messestand zeigen ließ, war da schon wieder dieses komische Gefühl, beobachtet zu werden. Er blickte vorsichtig aus den Augenwinkeln heraus nach hinten, jetzt fiel ihm doch ein schon etwas älterer Herr auf, der vor ihm in der Schlange beim Eingang gestanden hatte und ihm auch schon in der Straßenbahn etwas merkwürdig vorgekommen war. Der Mann hatte jedes Mal auffällig den Blick abgewandt, sobald ihn Worthington direkt ansah.

    Er ließ sich nichts anmerken, unterhielt sich weiter mit Herrn Heller, der ein ganz ausgezeichnetes Englisch sprach. Auf Worthington´s Kompliment diesbezüglich schwächte dieser bescheiden, aber doch geschmeichelt ab und erzählte, dass er sich schon mehrmals beruflich in England aufgehalten hätte und die Sprache einfach lieben würde.

    Dabei erinnerte sich Worthington an die Zeit als Verbindungsoffizier in Graz, wo es ihn besonders beeindruckt hatte, dass die Engländer, obgleich gerade kurz zuvor noch Kriegsgegner, eigentlich überraschend beliebt bei den Österreichern waren.

    Ob es nur daran lag, dass alle froh waren, nicht die Russen statt der Briten als Besatzer zu haben oder ob es andere Gründe dafür gab, er wusste es nicht. Überhaupt schien es, als ob sowieso alle Grazer auf einmal Freunde der Besatzungsmacht und entschiedene Gegner des Nationalsozialismus gewesen wären.

    Dabei war ihm gesagt worden, dass Graz im Krieg die so genannte Stadt der Volkserhebung genannt wurde, die als erste unter allgemeinem Jubel zu Hitlerdeutschland übergelaufen war.

    Interessiert schlenderte er weiter über den Messestand und fachsimpelte mit seinem Gastgeber. Sein mysteriöser Verfolger schien sich unterdessen aus dem Staub gemacht zu haben und bald dachte er nicht einmal mehr an ihn.

    Beim Abschied bat ihn Herr Heller, doch am Abend sein Gast zu sein. „Meine Frau würde sich freuen, ihnen ein typisch steirisches Menü zu servieren!"

    Als er das hörte kam ihm die Erinnerung an die ausgezeichnete Hausmannskost von Ingrid hoch. War es damals wegen der Lebensmittelrationierung doch nicht einfach gewesen, ein schmackhaftes Essen auf den Tisch zu stellen, so hatte sie sich immer wieder alle Mühe gegeben, ihn kulinarisch zu verwöhnen.

    Selbstverständlich nahm er die Einladung gerne an.

    Gleich nach der Rückkehr ins Hotel rief er seine Frau Ann in Bournemouth an, um ihr von seinem ersten Tag auf der Geschäftsreise zu berichten und vergaß auch nicht, das leckere Frühstücksgebäck zu erwähnen, was diese mit einem hörbaren Schmollen zur Kenntnis nahm.

    Ich dachte immer, du liebst meinen Toast mit der selbst gemachten Orangenmarmelade? fragte sie leicht geknickt.

    Natürlich, Liebes, beruhigte er sie schnell, „aber diese kleine Abwechslung hat mir dennoch gut getan"

    Nachdem er noch Grüße an die Kinder bestellt hatte, legte er auf und erst danach fiel ihm ein, dass er ganz vergessen hatte, seiner Frau etwas von dem geheimnisvollen Verfolger zu erzählen.

    Na ja, vielleicht ist es auch besser so, dachte er im Stillen, so hätte sie sich bloß wieder Sorgen gemacht, und das wahrscheinlich völlig unbegründet. Trotzdem ging ihm der Fremde nicht aus dem Kopf.

    3.Kapitel

    Der Abend verlief überaus harmonisch. Frau Heller zog alle Register ihrer Kochkunst, um ihrem ausländischen Gast die Vorzüge österreichischen Essens nahe zu bringen,

    „Ihr Engländer werdet ohnehin nicht gerade kulinarisch verwöhnt!", konnte sie sich einen kleinen Seitenhieb auf ihren Gast nicht verkneifen.

    Es gab zur Einstimmung eine kräftige Rindsuppe mit Grießnockerl, diese herrlich lockeren und flaumigen Klößchen hatte er auch schon in seiner ersten Zeit in Graz gerne gegessen.

    „Die mache ich immer noch nach dem Rezept meiner Mutter, berichtete sie stolz. Man muss genau ein Eischwer Grieß auf ein Ei nehmen, dann werden sie richtig locker!"

    Danach gab es ein wunderbar knusprig paniertes Backhendl mit Vogerlsalat, kleine grüne Sträußchen von Feldsalat mit gekochten Kartoffelscheiben, alles mit Obstessig und Kürbiskernöl angemacht.

    Was war doch so ein Backhendl früher für ein Festessen, seufzte Frau Heller etwas wehmütig, „heute ist es überhaupt nichts Besonderes mehr, Hühnerfleisch zu essen"

    Dazu tranken sie Schilcher, einen trockenen Rose´ Wein. Eine Sorte, die nur in der Steiermark angebaut wird.

    Als Nachspeise hatte sie Ribiselkuchen gebacken, eine dicke Schicht Meringuemasse auf einem dünnen Mürbteigboden und als krönenden Abschluss obendrauf frische rote Johannisbeeren, das Ganze im Ofen kurz überbacken.

    Nach dem Essen gab es als Abschluss noch ein paar Obstler.

    „So ein Schnapserl ist einfach das Allerbeste zur Verdauung! bemerkte Herr Heller mit leicht entschuldigendem Blick zu seiner Frau. Worthington musste ihm wohl oder übel Recht geben, obwohl er sich anfangs geschüttelt hatte. Dieser Zwetschgengeist zeigte tatsächlich eine aufräumende Wirkung auf seinen Magen.

    Satt und zufrieden trat er schließlich per Taxi den Rückweg in sein Hotel an.

    Am nächsten Morgen, als er gerade in den Frühstücksraum gehen wollte, reichte ihm der Hotelportier einen Zettel, auf dem nur die kurze Nachricht stand:

    Heute um 17 Uhr, Schlossbergbahn, Bergstation

    Noch ganz in Gedanken, wer ihn wohl auf diese ungewöhnliche Weise treffen wollte, ging er an seinen Frühstückstisch. Selbst der hervorragende Tee konnte ihn nicht aufmuntern. Zuerst der geheimnisvolle Verfolger auf der Messe, jetzt diese rätselhafte Verabredung, er konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.

    Während sich Worthington nach dem Verlassen des Frühstücksraums beim Portier nach dem Weg zur Talstation der Schlossbergbahn erkundigte, fragte er diesen gleich noch, von wem denn die Nachricht abgegeben worden wäre.

    Leider brachte ihn die Antwort auch nicht weiter. Da der Zettel bei dessen Schichtbeginn schon im Fach gelegen hatte, musste wohl der Nachtportier ihn angenommen haben. Herr Waller kommt aber erst übermorgen wieder zur Nachtschicht, meinte der Portier bedauernd.

    Am Vormittag machte er dann noch einen kleinen Stadtbummel, war überrascht, wie viele neue Geschäfte und Lokale es in Graz inzwischen gab und freute sich, dass die Stadt sich trotzdem noch ihren alten Charme bewahrt zu haben schien.

    Er stattete dem einzigen Kaufhaus von Graz, Kastner &Öhler, einen Besuch ab, um in der Kinderabteilung etwas Hübsches zu finden, anschließend kaufte er auch noch ein Souvenir für seine Frau.

    Da bis zum vereinbarten Zeitpunkt der mysteriösen Verabredung noch etwa zwei Stunden Zeit waren, beschloss er, diese zu nutzen, um sich auf dem Schlossberg schon etwas umzusehen.

    Der Schlossberg von Graz lag genau im Herzen der Stadt. Obwohl der Begriff Berg wohl etwas übertrieben für diesen kleinen Hügel ist, dachte er sich im Stillen, aber für einen Flachlandtiroler wie ihn wirkte er doch ganz schön groß.

    Er löste eine Fahrkarte und stieg in den Waggon, der abfahrbereit wartete. Leicht ruckelnd setzte sich die Bahn in Bewegung, und der Schaffner, der eben noch die Fahrscheine in dem kleinen Glaskasten verkauft hatte, war nun der Zugführer.

    „Der muss wohl einen ziemlich gemütlichen Job haben, der gute Mann! rief Worthington einem neben ihm stehenden Fahrgast spöttisch zu. „Die Bahn fährt doch bestimmt vollautomatisch!.

    Mit in der Kabine war auch eine japanische Familie, und ihr fröhliches Schnattern und begeistertes Fotografieren lenkten ihn wenigstens ein bisschen ab. So vergaß er für eine Weile fast, darüber zu grübeln, was bei dieser seltsamen Verabredung wohl herauskommen würde.

    Genau in der Mitte der steilen Fahrstrecke begegneten sie dem bergabfahrenden Zug, die beiden Zugführer winkten sich gelangweilt zu und nach wenigen Metern sahen sie schon die Bergstation näher kommen.

    Oben angekommen, stieg zuerst der Zugführer aus, öffnete die Türen und half den Fahrgästen aus der Bahn auszusteigen. Danach setzte er sich in eine kleine mit Glasfenster abgetrennte Kabine und verkaufte wieder Fahrscheine, diesmal für die Fahrt nach unten.

    Worthington lenkte seine Schritte erst mal auf den Uhrturm zu, das auffällige Wahrzeichen von Graz.

    Neben dem nur wenige Meter entfernten Glockenturm, der Liesl, soll er das einzige noch erhaltene Bauwerk aus der großen Befestigungsanlage sein, las er auf einer an der Mauer angebrachten Kupfertafel, ein Hindernis, das selbst für die Truppen der Franzosen seinerzeit unbezwingbar gewesen sein sollte und deren Zerstörung eine der Bedingungen Napoleons für einen Friedensvertrag gewesen wäre.

    Der Turm war in der Stadt kilometerweit sichtbar und hatte Worthington schon seinerzeit als willkommene Orientierungshilfe gedient, auch wenn er seiner ursprünglichen Aufgabe, der Anzeige der Uhrzeit etwas weniger zu gebrauchen gewesen war. Zum einen bestand das Zifferblatt nur aus römischen Zahlen, und außerdem gab es noch eine für eine Uhr ziemlich ungewöhnliche Besonderheit.

    Worthington hatte sich während seiner Stationierungszeit oft gewundert, warum bei dieser weithin sichtbaren Uhr der Minutenzeiger klein und dafür der Stundenzeiger groß war. Ein freundlicher älterer Herr erklärte es ihm damals geduldig, und wies ihn auf das große Gewicht der massiven Zeiger hin und dass der schwere Stundenzeiger schließlich weniger Umdrehungen als der Minutenzeiger mitmachen musste, was das immer noch vorhandene Originaluhrwerk leichter verkraften konnte.

    Mittlerweile war es kurz vor fünf Uhr, deshalb ging Worthington langsam wieder zurück zur Bergstation der Bahn, dem vereinbarten Treffpunkt.

    Das Plateau auf dem Schlossberg war zu einem kleinen Park ausgebaut, nicht nur Touristen, sondern offenbar auch viele Einheimische nutzen den Ort für kleine Spaziergänge. Anstatt mit der Zahnradbahn konnte man auch auf mehreren Wegen zu Fuß nach oben gelangen, der steilste Weg führt über den Felsenstieg, über den Dächern der historischen Altstadt.

    An der Station angekommen, sah er schon

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