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Die Potsdam-Verschwörung
Die Potsdam-Verschwörung
Die Potsdam-Verschwörung
eBook247 Seiten3 Stunden

Die Potsdam-Verschwörung

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Über dieses E-Book

Mit seinem Freund war Nuguse neunzehneinhalb Stunden in einer Boeing 737-800 der Kenya Airways unterwegs gewesen, um Berlin zu erreichen. Es war Glück, dass beide einen Arbeitsplatz in einer Potsdamer Großdruckerei zugesagt bekamen, ohne zuvor vorstellig geworden zu sein. Das verdankten sie Martin Vogelsang, der im Auftrag der HVA in der Botschaft der DDR in Maputo tätig war und die Spionageabwehr Mosambiks beriet. Während seines Einsatzes, am 19. Oktober 1986, stürzte das mosambikanische Regierungsflugzeug, eine Tupolew Tu-134A-3, auf einem Flug vom Flughafen Mbala in Sambia nach Maputo auf dem Territorium der Republik Südafrika ab. Unter den getöteten Passagieren befand sich der mosambikanische Staatspräsident Samora Machel. Nach dem Mord an Machel lernte Vogelsang den Kriminalbeamten Samuel Berhane kennen. Gemeinsam arbeiteten sie an der Untersuchung des Falles. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft, die dazu führte, dass sein Sohn Nuguse und Alem Manuel Diogonis ihre Arbeit in Deutschland antreten konnten. Doch Diogonis kam nicht, um seine deutsche Sprache zu verbessern und Geld zu verdienen. Die Vergeltung eines Sohnes, der seinen 1986 brutal ermordeten Vater - Auge um Auge, Zahn um Zahn - rächen will, beginnt mit einem Mord, der in einer Katastrophe zu enden droht.
Fiktiv und völlig frei erfunden sind die Handlung und der terroristische Hintergrund dieses Kriminalromans ebenso wie es die handelnden Personen sind, soweit es nicht Persönlichkeiten der Zeitgeschichte sind. Die in den Beziehungen zwischen der DDR und Mosambik vor 1990 auf beiden Seiten geschehenen Verbrechen entsprechen allerdings den Tatsachen bis ins Detail.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Feb. 2020
ISBN9783750279582
Die Potsdam-Verschwörung

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    Buchvorschau

    Die Potsdam-Verschwörung - George Tenner

    Die Potsdam-Verschwörung

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    Anhang

    1. Kapitel

    Druckzentrum Potsdam,

    ein Sonntagnachmittag im Jahr 2010

    Als Susann Dienhart an ihrem Arbeitsplatz in der wichtigsten Druckerei der Landeshauptstadt, in der mehrere bundesweit anerkannte Zeitungen und Publikationen gedruckt wurden, eintraf, stutzte sie. Sie schaute zur Uhr. Kurz nach vier am Nachmittag. Das große Papierlager, das sie auf dem Weg vom Parkplatz durchquerte, war hell erleuchtet.

    Der gelbe Gabelstapler mit der schwarzen Kabine, der ausgerüstet war mit einer überdimensionalen Zange zur Bewältigung der großen, schweren Papierrollen, stand mitten in einer der schmalen Fahrstraßen in der blitzsauberen Halle. Er hatte exakt eine der Rollen in der Zange, die zum Druck der Tageszeitungen vonnöten war.

    Ulrich Werfel, dessen Aufgabe es war, diesen Gabelstapler zu bedienen, war ein Mann von 64 Jahren, der zur Vorbereitung der Arbeitsmaschinen immer zwei Stunden vor den anderen Mitarbeitern der Schicht da war, um, wann immer er konnte, die großen Papierrollen in selbst gewählter Einsamkeit für den jeweiligen Druckauftrag vorzulegen. Anschließend stellte er den Stapler weg und schaltete die Deckenbeleuchtung aus. Das machte er seit vielen Jahren in gewohnter Regelmäßigkeit so zuverlässig, dass die abgestellte Maschine, die Susann Dienhart noch nie so zurückgelassen gesehen hatte, ihr Gefühl des Unbehagens auf den Plan rief. Sie ist schon fast vierzig Jahre im Unternehmen, aber erst seit Kurzem als Schichtleiterin in der Rotation, die einzige Frau in dieser Männerdomäne. Sie würden sich jetzt sputen müssen, denn das Vorlegen der schweren Rollen brauchte Zeit. „Immer passiert bei mir etwas", dachte sie und begann, die Arbeitsschritte, die Werfel zu bewältigen hatte, nachzuvollziehen. Dabei stellte sie fest, dass Werfel an diesem Tag noch keine der Rollen, die für den Nachdruck gebraucht wurden, an die Maschinen bewegt hatte. Was war geschehen? Als sie den Mann nicht fand, blieb sie schließlich vor der Tür des Farbtankraums stehen. Werfel war einer der Männer, der einen Schlüssel zu diesem Raum besaß. Vielleicht, so dachte Dienhart, wäre Werfel beim Weg durch den Rollenkeller schlecht geworden. Instinktiv drückte sie die Klinke herunter. Der Raum war abgeschlossen. Hinter ihr tauchte einer der Mitarbeiter seiner Schicht auf. Manche Drucker haben eine weite Anfahrt zur Arbeit, und sind am Sonntag schon zeitig da, wenn auf den Straßen rund um Berlin nicht viel los ist.

    »Hallo Frau Dienhart«, grüßte Marco Wexler.

    »Hast du Ulrich gesehen?«, fragte Susann Dienhart.

    Wexler schüttelte den Kopf.

    »Schau du in den Herrentoiletten nach, vielleicht ist ihm schlecht geworden«, sagte Susann Dienhart.

    Wexler machte sich sofort auf den Weg, die von den Arbeitern benutzen zwei Toiletten aufzusuchen.

    Susann Dienhart war beunruhigt. Sie würde sich ebenfalls weiter nach Ulrich Werfel umsehen. Vielleicht war er ja hochgegangen in den Kraftfahrerpausenraum. Dort konnte er Kaffee trinken und gleichzeitig rauchen. Abrupt blieb sie stehen, drehte sich um und ging die wenigen Meter zum Zwischentankraum zurück. Sie schloss mit ihrem Universalschlüssel den Raum auf. In dem fensterlosen Raum brannte das Licht. Vor dem geöffneten Tank mit der schwarzen Farbe lag Ulrich Werfel. Mit zwei, drei Riesenschritten war die Schichtleiterin neben dem Mann.

    »Ulrich, was ist los? Geht es dir nicht gut?« Sie beugte sich zu ihm herunter und fühlte an dessen Hals nach dem Puls. Sie konnte keinen Herzschlag feststellen. Jetzt nicht durchdrehen, dachte sie. Über ihr Handy rief sie den Leiter der Abteilung Druck, der keinen Dienst hatte, an. Mit wenigen Sätzen berichtete sie, was sie vorgefunden hatte. Martin Vogelsang kannte seine Kollegin und wusste, dass die keinen Scherz macht.

    »Vor allen Dingen müssen wir jetzt ruhig bleiben und die Produktion nicht gefährden«, sagte er. »Du glaubst wirklich, dass Ulrich tot ist?«

    »Ich habe an seiner Halsschlagader keinen Puls gefühlt.«

    »Wie viele Leute hast du schon da?«

    »Nur Marco Wexler, aber die anderen Kollegen müssen auch gleich kommen, einige habe ich schon auf dem Parkplatz gesehen. Ich kümmere mich gleich darum.«

    »Du organisierst erst einmal, dass die Rollen vorgelegt werden. Vielleicht ist in der Weiterverarbeitung jemand da, der den Stapler fahren kann. Aber unter Aufsicht. Während die Leute arbeiten, rufst du den ärztlichen Notdienst und sagst an der Wache Bescheid.«

    »Der wird den Tod feststellen, nichts weiter«, sagte Susann Dienhart.

    »Bis ein normaler Bereitschaftsarzt kommt und das ebenfalls festgestellt hat, vergeht mindesten eine halbe, dreiviertel Stunde. Wenn er das festgestellt hat, passiert erst einmal gar nichts. Es sei denn, er vermutet eine unnatürliche Todesursache. Hast du irgendwelche Anzeichen dafür gefunden?«

    »Nein. Aber ich habe den Mann nicht bewegt.«

    »Immerhin kann es sich um einen Unfall handeln und die Berufsgenossenschaft ist dann sehr gründlich. Der Notarzt wird schon wissen, was dann zu tun ist. Und halte die Nachricht vor den Jungs zurück, bis die Arbeit in Gang gekommen ist. Sag nur, dass Werfel ausgefallen ist. Ich selbst bin auch in fünfzehn Minuten vor Ort. Dann regle ich das.«

    »In Ordnung.«

    Während Martin Vogelsang sich hastig fertig machte, um schnellstens die Abläufe in der Druckerei zu händeln, verschloss die Schichtleiterin die Tür wieder sorgfältig und ging hinaus, um die notwendigeren Vorkehrungen für den Druck während der Nacht vorzubereiten. Sie traf die Drucker, die in dieser Nacht Dienst hatten, im Aufenthaltsraum an. Auch einige Mitarbeiter aus der Weiterverarbeitung.

    »Habt ihr draußen nichts zu tun?«, fragte Susann Dienhart. »Ulrich geht es nicht so gut. Der ist ausgefallen. Wir müssen uns um das Papier kümmern.« Sie schaute den Mosambikaner Alem Manuel Diogonis an. »Ich habe dich schon Stapler fahren sehen. Kannst du das machen?«

    Diogonis nickte.

    »Du gehst mit ihm raus, Tobias«, sagte die Schichtleiterin, »achte darauf, dass er alle Maschinen ausreichend versorgt, auch für die Vorprodukte morgen früh.«

    Die beiden Männer verließen den Raum. Langsam kam das Tagesgeschäft in Gang, ohne dass Susann Dienhart die Truppe vom Zustand Ulrich Werfels unterrichtet hatte.

    Kurz darauf kam Martin Vogelsang.

    »Hast du den Notarzt schon verständigt?«

    »Ich habe auf Dich gewartet«.

    Vogelsang hatte das erwartet. »Gut, wir werden ihn jetzt zusammen finden.«

    Die beiden gingen zum Farbraum. Seine Kollegin schloss auf. Martin Vogelsang beugte sich hinunter und fühlte an der Halsschlagader. Er schaute Susann Dienhart hart an und schüttelte langsam den Kopf.

    »Ich rufe jetzt den Notarzt«, sagte er, und wählte die 112.

    Sie gingen in die Halle zurück, während Vogelsang vom Handy aus mit der Leitstelle sprach. Als sie die Halle betraten, kam Wexler auf sie zu.

    »Wir können jetzt die Bahnen einziehen, die restlichen Rollen legen wir im Laufe des Abends nach.«

    »Worauf wartest du dann noch?«, erwiderte die Schichtleiterin.

    Kurze Zeit später ertönten die ersten Warnsignale und die großen Druckmaschinen setzten sich in Bewegung.

    2. Kapitel

    Benz, Usedom

    Als Lasse Larsson mit seiner Frau und der kleinen, dreijährigen Tochter Elina von der Fritz-Behn-Straße in Benz in die Wilhelm-Böckler-Straße einbog, stockte ihm der Atem.

    »Ich glaube es nicht«, sagte er, als er die Parksituation sah. Auto an Auto stand dicht an dicht quer vor dem unteren Teil der bekannten Benzer Mühle vorgelagerten Straße. Langsam fuhr er an der Schlange der abgestellten Fahrzeuge vorbei.

    »Schau, da fährt einer raus«, sagte Monika Larsson aufgeregt.

    Wie so oft hatte Larsson wieder einmal Glück, einen der rar gewordenen Parkplätze zu finden.

    »Steigt beide aus, Monika«, sagte er, als er rückwärts so an den Parkplatz gefahren war, dass er die beiden nachfolgenden Fahrzeuge davon abhielt, die Lücke für sich zu nutzen.

    Die Frau stieg aus, nahm das Kind aus dem Sitz und ging mit ihm auf die linke Seite der Fahrbahn, die für die Fußgänger reserviert war.

    Inzwischen fädelte Larsson seinen Wagen so in die Lücke, dass die Fahrer der daneben parkenden Autos ihre Fahrzeuge ohne jede Beschädigung besteigen konnten. Er nahm die Tasche mit den Laufschuhen, verschloss den Wagen. Seine Frau war, mit dem Kind an der Hand, langsam bergan bis zu dem Teil des kürzeren Weges der sich gabelnden Straße gekommen, den nur noch Fußgänger zur imposanten, 1818 erbauten Holländermühle, emporsteigen konnten.

    »Hättest warten können«, sagte er.

    An der Stimme ihres Mannes erkannte sie, dass er die Entscheidung, hier mitzulaufen, bereits bereute. Schließlich hatte er keinerlei Lauftraining. Alles, was er stets trainierte, waren seine Armmuskeln. Nicht selten ärgerte sie sich darüber, dass er dazu sein Bett im gemeinsamen Schlafzimmer nutzte. Dann legte er sich quer zum Bett, legte die Füße auf den Rand, und begann, in dieser Position Liegestütze zu machen.

    »Du weißt, Elina kann noch nicht so schnell laufen.«

    »Ich auch nicht«, maulte Larsson.

    »Dann hättest du vielleicht anstatt des 7,5-Kilometer-Laufs die Walkingstrecke von nur 5,7 Kilometern nehmen müssen. Ich weiß ohnehin nicht, wozu du dir diese Stöcke angeschafft hast, die mich immer nerven, wenn ich den Einkauf im Kofferraum unterbringen muss.«

    Sie erreichten das Plateau, auf dem im Hintergrund die Mühle thronte. So eine Masse Menschen wird hier nicht jeden Tag herumwuseln, dachte Larsson. In der linken Ecke sammelten sich die ersten Läufer. Lange Biertische, wie sie vor Zelten stehen, waren aufgebaut und wurden eifrig umlagert. Aus der rechten Ecke, von einem etwas erhöhten Standort, erhielten die Teilnehmer des Laufes letzte Anweisungen, sich für den Lauf registrieren zu lassen, und sich nunmehr am Sammlungspunkt links neben der Mühle einzufinden.

    »Ich geh‘ dann schnell mal«, sagte Larsson, und war im Nu vor der Registrierungsstelle.

    Zwei Tische weiter saß Marie-Louise Seidl, die Larssons unlängst bei einer Zusammenkunft einiger Freunde kennengelernt hatte. Sie winkte Monika zu und zeigte auf zwei noch leere Plätze.

    »Was macht denn Ihr Mann? Will er mitlaufen?«, fragte sie.

    »Er möchte das«, antwortete Monika Larsson. »Ich bin nur nicht sicher, dass er das wirklich will. Mehr als sieben Kilometer am Stück ist nichts für Leute in seinem Alter, wenn sie nicht trainiert haben.«

    Marie-Louise Seidl lachte auf. »Sie sollten ihn überreden, hierzubleiben. Mein Mann bereitet gerade ein wundervolles Essen zu. Ich würde mich freuen, wenn Sie daran teilnehmen.«

    »Sie kennen doch die Männer. Ich denke nicht, dass wir ihn von der Teilnahme an dem Lauf abhalten können. Er ist überzeugt davon, etwas Gutes zu tun. Schließlich gehen die Einnahmen aus den Startgeldern dem ambulanten Kinderhospizdienst Leuchtturm e. V. zu, dessen ganz großes Ziel es ist, ein stationäres Kinderhospiz in Mecklenburg-Vorpommern aufzubauen. Aber Sie können sich ja denken, dafür sind ganz viele Spenden nötig, da die Krankenkassen nur einen geringen Teil der Kosten tragen.«

    »Die Teilnahme am Lauf ist nicht zwingend nötig, um eine Spende loszuwerden«, insistierte Marie-Louise Seidl.

    Larsson hatte seine Startnennung abgewickelt. Er winkte strahlend zu Monika herüber.

    »Sehen Sie ihn an. Glauben Sie wirklich, er ließe sich von seinem Vorhaben abbringen?«

    »Sie haben recht, aber vielleicht kommt er zu uns, wenn er zurück ist. Sie können dann die Zeit auch gut überbrücken und …«

    Das Klingeln des Smartphones in der Jackentasche Monika Larssons unterbrach ihr Gespräch.

    »Ja, bitte.«

    »Niclas Schorn, guten Tag Frau Larsson. Kann ich bitte Ihren Mann sprechen.«

    Monika Larsson schaute nach ihrem Mann. Gleich würde er kommen, um die Laufschuhe anzuziehen.

    »Wenn Sie einen kleinen Moment warten, Herr …«

    »Schorn.«

    »Herr Schorn.« Sie winkte ihrem Mann zu, und zeigte auf das Smartphone.

    »Wer ist es denn?«, fragte Larsson, als er seine Frau erreicht hatte.

    »Schorn«, sagte sie leise und gab ihm das Smartphone.

    »Hallo Frau Seidl«. Larsson hob die Hand und lächelte Marie-Louise Seidl zu.

    »Niclas, was verschafft mir die Ehre?« Larsson drehte sich ab und ging einige Schritte zur Seite, damit seine Frau nicht hörte, was er sagt.

    »Wenn du mich so direkt fragst, ein Anschlussauftrag.«

    »Im Augenblick ist das ganz schlecht. Ich habe mich gerade für einen Siebeneinhalbkilometerlauf angemeldet und gleich geht es los. Ziehe mir nur noch schnell die Schuhe an. Die Konkurrenz steht schon in den Startlöchern und scharrt mit den Hufen.«

    »Vergiss das, Lasse. Wenn du an einen wirklich guten Auftrag kommen willst, treffen wir uns morgen früh um zehn in Kleinmachnow.«

    »In Kleinmachnow? Was soll ich dort?«

    »Eine kleine Villa anschauen, in der du alleine oder, wenn du es möchtest, mit deiner Familie übergangsmäßig wohnen kannst.«

    »Wo liegt der Haken?«

    »Kein Haken. Du gehst ganz normal in einer Druckerei arbeiten, allerdings im Schichtdienst.«

    »Druckerei. Ich habe keine Ahnung von Druckerei.«

    »Du brauchst keine Ahnung. Vielleicht ein wenig Gabelstapler fahren oder Papier sortieren, Farbe in Tanks einfüllen oder so …«

    »Das letzte Mal, Niclas, gab es auch keinen Haken. Da habe ich nur beinahe mein Leben verloren.«

    »Du übertreibst. Denke an die schöne Wanderung, die wir beide durchs Erzgebirge gemacht haben, an den Luchs und die Wildschweine.«

    »Nein.«

    »Hörtest du später vom Salär, das du ausschlägst, würdest du dich sonst wohin beißen.«

    Nur entfernt klang der Start zu ihm herüber. »Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins … los!«

    »Scheiße!«

    »Was ist scheiße?«

    »Der Lauf ist ohne mich gestartet.«

    »Sieh das einfach mal positiv«, sagte Schorn. »Nun hast du Zeit, mir zuzuhören.«

    Larsson dachte: Er hat recht. Ich kann mir ja wenigsten anhören, worum es da geht.

    »Ich bin hier umringt von den Angehörigen der Läufer und vielen Urlaubern«, sagte er. »Ich kann dich kaum hören.«

    »Wann bist du zu Hause?«

    »Spätestens in zwei Stunden. Mach wenigstens eine Andeutung.«

    »Es gab einen Mord an einem älteren Mann in dem Laden.«

    »Das wäre ein Fall für die Kriminalpolizei, nicht für euch, Niclas. Bist du noch da?«, fragte Larsson, als es am anderen Ende der Leitung still blieb.

    »Vigilia pretium libertatis – Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit!«, sagte Schorn schließlich. »Mehr kann ich dir am Telefon nicht sagen. Wirst du kommen?«

    »Zehn Uhr in Kleinmachnow«, sagte Larsson.

    Schorn nannte ihm die Adresse.

    Larsson ging die wenigen Meter zum Tisch zurück, von dem ihn Monika erwartungsvoll entgegensah.

    »Na, was Unangenehmes?«, fragte Monika.

    Er hob die Schultern.

    »Jedenfalls hat er mir das Mitlaufen versaut«, sagte er.

    »Das macht dich unsagbar traurig«, lästerte sie. »Wir haben eine Einladung zum Essen, die dir sicher mehr gefallen wird.«

    »Peter ist schon beim Kochen«, sagte Marie-Louise Seidl. »Es wär schön, wenn ihr mitkommen würdet.«

    »Gut«, sagte Larsson. »Aber wir bleiben nur eine Stunde. Elina wird das sonst zu viel.«

    »Abgemacht. Ich freue mich.«

    »Die Kochkünste deines Mannes sind besser als meine eigenen. Da ist es nicht schwer, mich zu überzeugen.«

    »Habe ich es Ihnen nicht gesagt. Mein Mann ist schnell zu trösten, wenn es darum geht, nicht mitlaufen zu müssen.

    »Eigentlich können wir schon gehen«, sagte Marie-Louise Seidl. »In meinem Garten sitzen wir sicherlich gemütlicher als hier.«

    »Hast du einen Zettel und einen Kugelschreiber für mich?«

    Monika Larsson gab ihm das und Larsson notierte sich die Adresse in Kleinmachnow. Dann steckte er den Zettel ein.

    *

    Für die 300 Kilometer von Loddin auf Usedom nach Kleinmachnow im Süden Berlins, hatte Larsson dreieinhalb Stunden Fahrt eingerechnet. Die Fahrt durch Berlin hatte er unterschätzt. Der Verkehr lief mehr als zäh. Auch das letzte Stück auf der Avus zog sich hin. Als er schließlich vor der Adresse hielt, war er acht Minuten über der vereinbarten Zeit.

    Vor dem Haus parkte ein unscheinbarer Ford in mausgrauer Farbe mit Hamburger Kennzeichen. Er klingelte.

    Schorn kam aus dem Haus.

    »Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt! Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen«, wurde er mit einem Wallensteinzitat begrüßt.

    »Lästere nur. Bist ja mit einem flotten Wagen hier«, sagte Larsson grinsend.

    »Das ist nicht meiner«, sagte Schorn. »Es ist dein Fahrzeug, wenn du den Job annimmst. Schließlich musst du zwölf Kilometer zu deiner Arbeitsstätte fahren. Ein größeres Fahrzeug würde die Legende nicht stützen, die wir für denjenigen gestrickt haben, der den Auftrag übernimmt.«

    Sie gingen um das Haus herum in den Garten, der nur durch eine Mauer vom beginnenden Wald abgetrennt war.

    »Schön hier«, sagte Larsson. »Aber was soll die Mauer?«

    »Es ist eines der Häuser, welche früher das MfS der DDR als konspirativen

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