Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Auf der Suche nach dem Ich: Eine Biographie
Auf der Suche nach dem Ich: Eine Biographie
Auf der Suche nach dem Ich: Eine Biographie
eBook341 Seiten3 Stunden

Auf der Suche nach dem Ich: Eine Biographie

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Diese Buch befasst sich mit zwei aktuellen Problemen: Erstens mit psychischen und körperlichen Schäden nach körperlicher Gewalt und zweitens mit Schäden, die nicht genügend kontrollierte medizinische Produnkte verursachen. Der Autorin geht es nicht um die nachträgliche Diagnose, es geht hauptsächlich um die Publikation des wertvollen Nachlasses der Dr. Susanne Link.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Okt. 2018
ISBN9783746769684
Auf der Suche nach dem Ich: Eine Biographie

Ähnlich wie Auf der Suche nach dem Ich

Ähnliche E-Books

Poesie für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Auf der Suche nach dem Ich

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Auf der Suche nach dem Ich - Eva Link-Nagel

    Inhalt

    Inhalt

    Vorwort

    Die Anfänge

    Studentenzeit, stürmische Jahre.

    Das Versagen

    Zwischen dem Klopfen eines Reflexhammers und dem eines Herzens

    Geheimnis und die Folgen

    Fillinges, Grossman, Amalgam

    Kampf und Zuversicht

    Vor dem Sterben versuchen das Leben zu genießen

    Epilog

    Anlagen

    Fotonachweis

    pdf059

    Vorwort

    Sie lag neben mir, die Neugeborene. Ihre kleinen Finger klammerten sich fest an meinen kleinen Finger. Sie hatte einen runden Kopf.

    Als sie starb, ihr Schädel war kahl, hielt ich ihre Hand.

    Sie, Susanne und ich - ihre Mutter - werden Ihnen über 48 Jahre ihres Lebens erzählen. Es ist kein Roman und kein Gedicht-Band, es ist eine Krankengeschichte. Es war lange eine Krankengeschichte ohne Diagnose.

    Für mich ist es eine schwierige Aufgabe im Greisenalter, als Nicht-Psychiater eine psychiatrische Krankengeschichte zu schreiben, als Nicht-Literaturwissenschaftlerin Gedichte und Texte zu präsentieren und last not least als Mutter die tragische Geschichte der Tochter zu bearbeiten.

    Eigentlich musste ich nur ein Versprechen einlösen. Ein Versprechen, das ich meiner schwerkranken Tochter gegeben habe. Ihr lag sehr daran, dass ihre Gedichte veröffentlicht werden. Ich versprach es Susanne. Zum Verständnis dieser Gedichte sind eine Lebens- und Krankengeschichte

    nötig - und eine Diagnose, die da war, aber an der ich stets zweifelte.

    Zwei Fragmente ihrer Lebensgeschichten kannte ich, im ersten erzählte sie den Anfang ihres Lebens, das zweite schrieb sie am Ende ihres Lebens, als sie an Krebs erkrankte. Ich hatte die ungefähr dreißig Tagebücher nie angerührt. Jetzt war es nicht einfach sie zu lesen. Ich fand das Lesen dieser Tagebücher als Wühlen in ihrem Leben und ihren Gefühlen. Ich fand das inkorrekt, schmerzhaft und geschmacklos. Doch ich wollte verstehen, warum sie krank war. Ich fand, was ich von Anfang an geahnt hatte. Die Tagebücher enthüllten heimlich, verabreichte Drogen, Kuppelei und Vergewaltigung. Sie verheimlichte es, und das hatte schwere gesundheitliche Folgen. Sie nahm ihr Geheimnis mit ins Grab.

    Das Schicksal eines Menschen ist so vielschichtig eingebettet in etwas, was man Zeitgeist nennt, man muss zum Überleben feste Wurzeln, einen Kompass haben. Beides hatte sie verloren. Warum? Wie komplex die Ursachen sein können, wie viele pathogene Faktoren zusammenkommen in einer Krankengeschichte, ist schwierig zu eruieren. Das Ergebnis ist Tragik, geschrieben in Prosa und Gedichten. Die Diagnostik ist komplex, es spielen verschiedene Ursachen zusammen. Bei ihr spielte vermutlich auch die Toxikologie eine Rolle, die oft belächelte Amalgamtoxikologie, dafür sprechen wesentliche Laborergebnisse.

    In den folgenden Seiten wird der Leser Bekanntschaft machen mit Susanne. Sie war ein ungewöhnlicher und begabter Mensch, dessen hoffnungsvoller Lebensanfang abrupt verändert wurde. Als Ärztin kam ich lange nicht von der Frage weg, was die Ursache ihres Krankheitsbildes war, die in den üblichen Beschreibungen der psychischen Erkrankungen nicht richtig eingereiht werden konnte. Die Entdeckung und wissenschaftliche Bearbeitung der Krankengeschichten von vergewaltigten Kindern und Frauen brachte Beweise über Hirnveränderungen bei den Traumatisierten.

    Zum besseren Verständnis der pathologischen Veränderungen bei dem posttraumatischen Stress-Syndrom muss ich auf die evolutionäre Entwicklung des zentralen Nervensystems zurückgreifen. Der älteste Teil des Gehirns in der Evolution sind der Hirnstamm, bestehend aus dem oberen Teil des Rückenmarks, aus dem Kleinhirn und die basalen Ganglien. Diese drei Teile formen das sogenannte Reptiliengehirn, weil es vom Aufbau identisch ist mit dem der Vögel und Reptilien. Funktionsmäßig beherrscht das Stammhirn die wichtigsten Lebensfunktionen wie Atmung, Blutdruck, sexuelle Funktionen mittels vorprogrammierter Regulatoren und Reflexe.

    Die nächste Stufe der Entwicklung entspricht dem des primitiven Säugerhirns. Es befindet sich in der mittleren Region des Gehirns, umringt von oben das Stammhirn und hat deshalb den Namen Limbisches System (Limbus lat. Ring). Teil des Systems sind

    a.) der Hypothalamus (Seepferdchen genannt durch seine Form) speichert die Erinnerungen und erkennt Strukturen,

    b.) der Mandelkern (Nucleus Amygdala), doppelseitig angelegt an der Unterseite des limbischen Rings. Er ist der Sitz der negativen Emotionen, impulsiven Gefühle wie Wut und Angst, bewahrt die Erinnerung an massive emotionale Reaktionen. Der Mandelkern hat Verbindung zum

    c.) Thalamus, aber auch direkte Verbindungen zur Zentrale in der Hirnrinde. Der Thalamus (griechisch Kammer) ist die Verbindung und Umschaltzentrale von den sensitiven Organen zur Cortex-rinde.

    Die Rinde gehört zum Neocortex, in der Evolution der jüngste Teil des Gehirns, es ist die äußere Schicht von grauer Substanz, vier paarige Lappen, die sensorische Signale verarbeiten. Der Stirnlappen liegt hinter der Stirn, dessen vorderer Teil, der präfrontale Cortex, ist verantwortlich für logisches Denken, bewertet Informationen, urteilt, entscheidet, beherrscht. Er entwickelt sich vom Kleinkind- bis ins Erwachsenenalter, deshalb ist er bei Jugendlichen durch Traumata sehr verletzbar.

    Ich erwähne nur kurz die Beschreibung des posttraumatischen Stress-Syndroms (PTSD) nach Goleman: Es ist die aufdringliche Erinnerung an das zentrale gewaltsame Geschehen.

    Tatsächlich sind die Symptome Anzeichen eines übererregten Mandelkerns. Die Spur des Grauens im Gedächtnis und die daraus resultierende Überwachsamkeit hält sich manchmal ein Leben lang. Das PTSD ist auf Veränderungen in den limbischen Schaltungen zurückzuführen, in dessen Mittelpunkt der Mandelkern steht. Die Erinnerungen können im Mandelkern gespeichert werden und zu Flashbacks (Rückblenden), plötzliche ungewollt auftretende Erinnerungen, führen. Der Hypocampus dient als Zwischenlager aktueller Ereignisse, die Langzeiterinnerung ist im kortikalen Bereich gelagert. Der Hypocampus kann durch die vom Trauma ausgelösten Stresshormone so geschädigt werden, dass Erinnerungslücken verursacht werden.

    Neuere Untersuchungen von Christine Heim an der Charité beweisen strukturelle Veränderungen in der Hirnstruktur bei in der Kindheit und Jugend missbrauchten Frauen. In einigen Hirnregionen ist die Hirnrinde um ein Drittel bis ein Viertel dünner als bei den gesunden Vergleichspersonen. Diese Veränderung ist im somatosensorischen Bereich der Hirnrinde zu finden, wo die Wahrnehmung von Körperempfindungen reguliert wird.

    Gewalt führt zur Persönlichkeitsverletzung, zur Veränderung des Selbstwertgefühles und kann zur wesentlichen Schädigung der Persönlichkeit führen, mit schweren Beziehungsproblemen mit Partnern und im sexuellen Bereich.

    Ein Angriff auf den Körper eines Individuums im Intimbereich ist ein Angriff nicht nur auf seine materielle Substanz, es ist ein Angriff auf die Persönlichkeit, die man durch diesen Akt in Besitz nimmt, entmachtet und zerstört. Dieser Akt zerstört auch Hirnsubstanz materiell und zerstört das Immaterielle, das Ich-Gefühl, die Identität.

    Susanne Link hatte für den Titel ihrer Gedichte „Auf der Suche gewählt. Eines ihrer Gedichte hat den Titel „Auf der Suche nach dem verlorenen Ich. Im Tagebuch von 1999 schreibt sie darüber, wie das verlorene Ich zu Negativismus, zum Hang für Irreales führt – weil man die Realität nicht ertragen kann. Es ist nicht nur die Angst des Mandelkerns, die ihr Schaffens- und Lebensgefühl überschattet, es ist auch die Identitätssuche, die Trauer nach der verlorenen Identität. In diesem Buch sind Auszüge von fast unübersichtlichen Material, die dazu dienen, ihre Krankheit, ihren Charakter, ihre Reaktion auf die Erkrankung besser zu verstehen, und ihre Gedichte, die sicherlich in der deutschen Literatur Platz haben werden. Sie zeigen die Entwicklung auf vom zerstörten, traumatisierten, pubertären Mädchen zur kranken kritischen Erwachsenen, die ihre Identität sucht.

    Wegen der Komplexität des Materials, um Übersicht zu gewinnen, muss ich die Geschehnisse und Materialbereiche in Kapitel aufteilen, wo ich parallel mit ihren Gedichten und Aufzeichnungen, die faktischen Ereignisse beschreibe.

    pdf057

    Die Anfänge

    Der Geburtsort des Mädchens war Bratislava (Preßburg) in der Slowakei, in einer jüdischen Ärztefamilie, Überlebende des Holocaust.

    Sie war ein braves Kind, oft meinte ich, sie sei zu brav. Schon als Baby wollte sie alles allein machen, ohne Hilfe. Sie war das zweite Kind, der Bruder fünf Jahre älter. Weil Hausmädchen und meine Schwiegermutter nur ungarisch sprachen, holten wir Tante Rosenzweig. Die Tante war klein wie ein Kind und zerbrechlich und hatte eine große Tasche voll mit winzigen Puppen. Sie sollte Laci, Susannes Bruder, Deutsch beibringen. Das Mädchen, fast noch im Babyalter, wollte mitspielen und sie wurde nicht weggejagt. Am Hof lernte sie von den anderen Kindern slowakisch, so hatte sie auch später mit Sprachen und dem Lernen keine Schwierigkeiten. Ihr Streben war perfekt zu sein und durch Leistung Lob und zusätzliche Liebe zu erhalten. Motivation gab auch der Wettbewerb mit dem Bruder.

    In der Kindheit hatte sie zwei angsterregende Erlebnisse: Ein Fremder wollte sie vom Spielplatz weglocken und in einen Keller zerren. Sie schrie so laut, dass er sie los lies und sie konnte fliehen. Jahre später, als wir in der Schweiz wohnten, erwachten wir von einem furchterregenden Angstschrei. Mein Mann stand auf, eilte ins Kinderzimmer und stieß von dort eine wankende Gestalt durch die Wohnungstür, die nie abgeschlossen war, ins Treppenhaus. Ein schwedischer Student, der die Gelegenheit nutzte, sich in der Schweiz volllaufen zu lassen, verwechselte die Wohnungstür und landete im Kinderzimmer.

    Diese zwei beängstigenden Ereignisse hatten keine negative Wirkung auf ihr Verhalten. Susanne hatte ein ruhiges ausgeglichenes Wesen, diszipliniert, ohne Hektik. Mit vierzehn Jahren fuhr sie allein nach Israel, und als sie die auf sie wartenden Verwandten verpasste, konnte sie die Situation lösen. Sie schien damals keine Angst zu haben, oder konnte die Angst verarbeiten und beherrschen. Ihre Motivation war, einerseits den älteren Bruder, der auch Vorbild war, zu überholen, ein gewisser Kampf um Anerkennung spielte mit. Sie lernte mit einer Leichtigkeit und Präzision, mit Sprachen hatte sie nie Probleme. Wohin uns unser Lebensweg führte, nach Israel, in die Schweiz oder Deutschland, mit wechselnden Sprachen und Lernstoff wurde sie spielend fertig.

    Sie war überall beliebt, besonders bei Kindern, immer ausgeglichen und lieb. Mit zwölf Jahren beherrschte sie sechs Sprachen. Deutschland war das vierte Land nach der Slowakei, Israel und der Schweiz, wo sie in die Schule ging. Deutschland kurz nach achtundsechzig bot eine andere Qualität als die mehr konservativen anderen Länder. Sie war mit fünfzehn Jahren die jüngste in ihrer Klasse. Sie hatte in fast jedem Land, so auch in Deutschland, eine Klasse übersprungen. Sie wollte Mitglied bei den Falken sein, aber nach kurzer Zeit hörte sie dort auf. Im Sommer nach dem Abitur wurden ihre Zähne mit Spange reguliert, und der Zahnarzt hatte mit einer neuen Mischung von Amalgam die Löcher saniert. Es waren ungefähr vierzehn bis sechszehn Zähne, die so behandelt wurden. Als sie mit sechzehn Jahren etwas zu spät die Periode bekam, hörte sie auf zu wachsen, bei einer Größe von 172 Zentimetern. Emotionell blieb sie aber noch lange in der Pubertät.

    Nach dem Abitur war sie mit siebzehn Jahren in die Studienstiftung aufgenommen worden. In dieser Zeit begann sie zu schreiben. Die Kinder und der Vater waren durch ihren Sinn für Humor verbunden: Die Kuckucksuhr, die ja dreidimensional ist, symbolisiert die gelangweilte, resignierte Susanne, die von anderen Dimensionen träumt. In dieser Zeit fängt sie an ein Tagebuch zu führen, die Eintragungen sind etwas kindisch.

    Sie kam als 18-jährige in den Universitätsbetrieb in Ulm und damit traten die ersten Auseinandersetzungen auf. Sie wollte in eine Wohngemeinschaft, aber die ganze Familie war dagegen. Die Frage damals war, entweder Wohngemeinschaft oder Familie. Am Ende stand ein Kompromiss: Während des Tages war sie in der Wohngemeinschaft, aber sie schlief zu Hause. Aus dieser Zeit sind die folgenden Gedichte.

    Eindimensional

    Ein Strich

    Durchzieht sein holzfreies Papier

    Von links unten nach rechts oben.

    Die elektrisch betriebene Kuckucksuhr

    Überwindet schweigend

    Die Steigung gleich tangens alfa

    Und verharrt in der rechten oberen Ecke.

    Es ist so still, als müsste etwas kommen.

    Die Kuckucksuhr wartet,

    Resigniert - gelangweilt,

    Immer noch,

    Obwohl sie die Hoffnung

    Auf eine zweite Dimension

    In diesem Gedicht

    Bereits aufgegeben hatte.

    Willenlos stereotyp ihre Pflicht erfüllend

    Vergisst sie alsbald das Ganze:

    „Kuckuck – Kuckuck"

    Du hörst aber es ist halb-

    Und fragst dich:

    Wozu eigentlich über diesen Strich brüten?

    Jetzt aber endgültig Schluss damit.

    Trotz

    Da, wo ich

    Hergestellt wurde,

    Hat man mich

    Mit einem Stempel versehen,

    Auf dem war zu lesen:

    „Bei Nichtgefallen zurück"

    Darum braucht man mir nur

    Das rosa Schleifchen abzustreifen,

    Mich nur auspacken,

    Ausprobieren,

    Auszuspucken,

    Aus.

    (Mami ich bin dir böse, - du mir auch, wie du sagtest.)

    An einem Frühlingsabend im Jahre 1975, Susanne war im zweiten Semester, kam sie von einem Ausflug mit leichtem Temperaturanstieg, erschöpft und depressiv nach Hause und weinte. Mein Mann und ich machten uns Sorgen, weil das ungewöhnlich war und meinten, ein Wechsel der Umgebung wäre das Richtige und beschlossen mit ihr an die Riviera, wo meine Tante eine Wohnung besaß, zu fahren. Wir riefen die Tante an und vereinbarten, dass sie aus Köln zu uns kommt und am Wochenende wollten wir gemeinsam starten.

    Susannes Garderobe bestand im Geist der Zeit nur aus abgetragenen Jeans, es war nötig, ihr anständige Kleider zu kaufen. Am nächsten Morgen, es war ein Freitag fuhren wir zusammen in die Klinik, in der Hoffnung, dass einer meiner Kollegen mich für die Zeit der Einkäufe, vertreten wird. Wir wollten schon am Nachmittag starten, aber es kam so, dass keiner der Kollegen sich freimachen konnte.

    Ich hatte eine Mitarbeiterin, Frau N. Sie war geschieden, hattet einen zweijähriges Kind. Sie sprach über ihre konservative Mutter mit unverständlichem Hass. Sie war nicht sehr vertrauenswürdig. Sie bat mich einmal, ihr Weckamine zu verschreiben, was ich ablehnte. Sie war mit einem unheimlichen Typ befreundet, einem Hilfsarbeiter des Krankenhauses.

    An dem besagten Morgen erzählte sie, dass ihr geschiedener Mann sie an diesem Tag besuchen würde. Als sie von unserem Problem hörte, bot sie sich an, mit Susanne die Einkäufe zu erledigen und ich hatte leider keine Einwände. Kurze Zeit danach kam ich von der Dialyse in das Laboratorium. Die Laborantinnen saßen wie üblich beim Kaffee, auch Susanne trank mit ihnen. Ungewöhnlich war aber, dass der Freund von Frau N. am Kaffeetisch neben Susanne saß.

    Als ich nach der Arbeit nach Hause fuhr, in der Hoffnung, meine Tochter zu Hause zu treffen, war sie nicht da. Das Telefon läutete, es war ein kurzer Anruf von ihr. Sie sagte, sie käme nie wieder nach Hause und legte auf.

    Es folgten schreckliche zwei Tage. Wir standen unzählige Male vor der Wohnung von Frau N. und niemand öffnete und niemand konnte uns über sie Auskunft geben. Die Polizei verweigerte die Hilfe, sie sagten, meine Tochter sei volljährig. So verging mit verzweifelter Suche die Nacht vom Freitag, danach der Samstag.

    Am Sonntagnachmittag tauchte meine Tochter auf, sie war schwer psychotisch. Sie sprach ununterbrochen und schnell, verworren und unverständlich. Zu der Tante sagte sie, sie sei eine Ente, aber ich hörte aus dem Wortsalat auch Wörter, wie ´schwarzes Loch´ oder ´da war nur Schweiß´.

    Wir fuhren in die Schweiz, wo unser Jugendfreund Ivan Major, mit dem wir gleichzeitig nach Israel geflüchtet waren, jetzt Oberarzt an der Psychiatrie bei Professor Pöldinger in Wiel war. Er hat Susanne mit Psychopharmaka beruhigt. Ivan gehörte praktisch zur Familie, in Israel wohnten wir nebenan. Seine zwei Töchter waren Susannes beste Freundinnen. Sie war dort praktisch den ganzen Tag über bei ihnen und deshalb gab man ihr den Spitznamen Shoshanna Link-Major. Ivan versuchte herauszufinden, wo sie gewesen und was geschehen war. Sie gestand, dass sie die ganze Zeit bei der Frau N. gewesen war. Aber da geschah nichts, sie erinnerte sich nur, dass sie Alkohol bekommen hatte. Dass was sie erzählt hat, glaubte man ihr, ich aber hatte mächtige Zweifel. Ivan verschrieb ihr Neuroleptika, durch diese Therapie normalisierte sich die Situation.

    Wir wollten sie nach Deutschland zurückbringen und im Krankenhaus untersuchen lassen. Meine Freundin Judith Major meinte: Jede Mutter, die ein psychisch krankes Kind hat, hofft, dass die Krankheit eine organische Ursache hat.

    Im Krankenhaus fand man außer hoher Eosinophilenzahl, was auf Stress und allergisches Geschehen deutete, keinen anderen Befund. Der Chefarzt Professor Thure von Uexkuel, ein berühmter Psychosomatiker, äußerte Verdacht auf Rauschgift. Sie berichtete ihm über plastische optische Erlebnisse und psychischen Zuständen, die in der Straßenbahn auf der Fahrt zum Einkauf aufgetreten waren. Das wies auf damals modische

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1